Gruppe Enigma - Texthaufen

Inspirationshilfe

Re: Inspirationshilfe

Wenn schon niemand zum Blitztexten kommt, dann kann ich mir ja ein bisschen mehr Zeit für eine "Inspirationhilfe" nehmen. Das Ende fiel mir erst ein, als der Text schon zu drei Vierteln fertig war.

Glasmann

"Warst du etwa wieder mit Andrej unterwegs?"
Was sollte das nun wieder. So wusste doch, dass ich Andrej schon bestimmt seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen hatte. Seit er in das 170 km entfernte Hamburg gezogen war. Und ich war auch nicht so lange weg, dass ich nach Hamburg und wieder zurück hätte fahren können. Das sagte ich ihr dann auch.
"Pah! Andrej könnte genauso gut hier her gekommen sein und dich angerufen haben. Und dann habt ihr euch unten im "Barfuß" getroffen. Gib's zu!"
Kaum war ich mal 'ne Stunde weg, mutmaßte sie sofort, dass ich in der Kneipe gewesen wäre und mit alten Kumpels gesoffen hätte.
Und natürlich war ich in der Kneipe und hatte gesoffen. Aber musste sie denn immer Recht haben? Musste ich denn immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie das sagte und mich dabei so ansah?
Obwohl es vielleicht besser wäre, es zuzugeben. Zumindest in diesem Fall. Obwohl ich gar nicht mit Andrej im "Barfuß" war, gab ich es also zu.
"Ich hab's doch gewusst!", triumphierte sie, um dann gleich wieder diesen besorgten Blick aufzusetzen, "Das tut dir doch nicht gut." Sie nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mir tief in die Augen. Schnell wich ich dem Blick aus. Sie muss geglaubt haben, dass ich weggucke, weil ich mich schäme. Das stimmte sogar. Aber nicht, weil ich mich für die paar Stunden Kneipe und ein paar Bier schämte, sondern weil ich sie belogen hatte. Belogen in mehrfacher Hinsicht. Warum drängte sie mich auch immer in die Defensive, anstatt mal mitzukommen! Dann wäre ich jetzt vielleicht auch nicht so weit weg von ihr. Und sie nicht schon so lange so weit weg von mir.
Aber sie mochte ja weder das "Barfuß" noch Andrej. Insbesondere Andrej mochte sie nicht. Nicht dass sie ihn unsympathisch gefunden hätte, ganz im Gegenteil. Er war ihr sehr sympathisch. Genau deshalb mochte sie ihn nicht. Immer erschien es ihr, als ob Andrej mir überlegen ist. Ihr Freund jedoch war ich, und wenn sie eins noch weniger mochte, als mich im "Barfuß" zu wissen, dann war es das Gefühl, nur das Zweitbeste zu besitzen. Sie, Andrej und ich zusammen in einem Raum - da war ich aus ihrer Perspektive immer das Zweitbeste. Um den Alkohol ging es also gar nicht. Jedenfalls nicht in erster Linie.
Auch wenn ich allein mit Andrej im "Barfuß" war - und das war eigentlich immer der Fall - bekam sie das Bild nicht aus dem Kopf, uns beide nebeneinander zu sehen. Hier den charismatischen Andrej mit seinem selbstsicheren, breiten Lächeln und dem Blick, den so gar nichts erschüttern konnte, und daneben mich, wie ich ihn bewundernd ansehe.
Mein Gott, ja! Ich sehe Andrej manchmal bewundernd an, aber auch ein besonders schönes Haus oder ein tolles Auto sehe ich öfter bewundernd an. Will ich deshalb ein besonders schönes Haus oder ein tolles Auto sein? Nein, niemals würde ich mit Andrej tauschen wollen! Andrej, der nichts anderes kannte, als von sich, vor allem von seinen längst vergangenen Heldentaten zu berichten und dabei den Eindruck zu erwecken, er würde auch jetzt, im nächsten Moment, wieder etwas Sagenhaftes vollbringen. Dabei war das Sagenhafteste, was er in den letzten Jahren fertig gebracht hatte, die Tatsache, dass er es irgendwie geschafft hatte, alle seine Deckel im "Barfuß" zu bezahlen.

Wenn sie es schon nicht gut fand, dass ich mit Andrej im "Barfuß" gewesen bin, was hätte sie wohl zu der Wahrheit gesagt. Denn in Wirklichkeit war ich mit Glasmann im "Coma". Und Glasmann war nun das absolut roteste Tuch für sie, dass man sich vorstellen kann. Dabei scheinbar wirklich wegen des Alkoholkonsums, der bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch mit ihm zu erwarten war. Seinen Spitznamen hatte er erhalten, weil in ihn annähernd so viel Bier reinpasste, wie seine hagere Gestalt zu fassen vermochte, wäre er ein Bierglas gewesen. Glasmann trank in einer Geschwindigkeit und mit einer Kontinuität, dass einem schwindelig werden konnte. Wie er es schaffte, dabei auch noch zu reden, zu reden und zu reden, bleibt ein Mysterium, welches selbst für versierte Physiker wahrscheinlich länger ungeklärt bleiben wird, als die Rätsel der Quantenmechanik.

Für mich bestand kein Unterschied, ob ich mit Glasmann oder mit Andrej unterwegs war. Es war genauso so viel oder wenig unterhaltsam, ich trank genauso viel oder wenig und es dauerte auch genauso lang oder kurz. Aber für sie schien Glasmann eine Ungeheuerlichkeit zu sein. Der Unterschied zwischen einem Kneipenbesuch mit Andrej und einem solchen mit Glasmann entsprach für sie ungefähr dem Unterschied zwischen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge und vorsätzlichem Masenmord. Ersteres kann schon mal passieren, aber bei Letzterem wird über die Todesstrafe gar nicht erst lange diskutiert.

Nie habe ich verstanden, was sie an einem Treffen zwischen Glasmann und mir so schlimm fand. Bis ich es gestern erfuhr.

Glasmann hatte gerade sein achtes Bier geordert, während ich noch an meinem zweiten nippte. Es war fast schon ein Ritual, dass er, der Single-Mann, mich mit Sprüchen über mein Beziehungsleben und meine Eingeengtheit aufzog. Ich nahm es nicht böse. Ich nahm es nie böse. Es war ein typisches Kneipen-Diskussionsritual. Immer wiederkehrend, mit immer wieder den gleichen Argumenten, aber mit nur wenig verbissener Ernsthaftigkeit. Denn es endete immer im Einvernehmen, dass wir zwar beide nicht miteinander tauschen wollen würden, dass wir den jeweils anderen aber doch ein bisschen für sein Leben beneideten. Männergespräche eben.
"Ich rufe sie an und sage ihr, dass Du hier mit mir sitzt", versuchte er mich zu foppen. Ich lächelte überlegen und antwortete, dass er ja gar nicht ihre Telefonnnummer hätte. Er grinste breit und nannte mir ohne zu zögern ihre komplette Handynummer auswendig. Dann klopfte er mir auf die Schulter, sagte: "Ich glaube, bei Andrej ist noch ein Zimmer frei. Leb wohl", stand auf und verließ das "Coma".

Sie hatte sich erst gestern ein neues Handy gekauft.
Morgen rufe ich Andrej mal an.

Re: Inspirationshilfe

Ähm, ich verstehs nicht. Was hat er getan, der Andrej?

Re: Inspirationshilfe

Die sind noch über:
Regenbogenmops
Traumbezug
Mäter
und ich kann immernoch nix mit anfangen.

Re: Inspirationshilfe

"Ich habe einen Regenmops gemalt, Lulu!" Stolz zeigte das Kind das Bild seiner Mama, die er noch nie anders als bei ihrem Spitznamen genannt hatte. Eigentlich hieß sie Lukrezia, aber so nannte sie niemand außer ihrer Mutter. Von der hatte sie schon länger nichts gehört, aber noch nicht so lange, wie ihr lieb wäre.

Lulu gab dem Kind einen Kuss und nahm ihm das Bild ab. Es war nicht gut, aber es gefiel ihr, weil es bunt war und sie mochte bunt. Böse Zungen, und davon gibt es viele, würden behaupten, sie triebe es ja auch bunt, aber da gab sie nichts drauf. Ihren jetzigen Mäter hatte sie immerhin schon seit über sechs Monaten. Er war zwar ein Farbiger, aber unter bunt stellte sie sich doch etwas anders vor.

Mäter, das Wort hatte sie mal in irgend einer Kneipendiskussion gehört, als männliches Pendant zu Mätresse, und es hatte ihr gleich so gefallen, dass sie auch einen haben wollte. Doch wann wurde eine Affäre zu einem Mäter, wann ein Mäter zu einem Lover, wann ein Lover zu einem Freund? Die Übergänge waren fließend, aber ein besseres Gefühl hatte sie, wenn sie ihm ab und zu heimlich etwas Geld zusteckte. Das war ihrem Gefühl der Überlegenheit zuträglich, und seit sie entdeckt hatte, wie viele Männer darauf standen, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Jetzt war Mr. Joe, wie sie ihren Mäter nannte, gerade arbeiten. Er arbeitete in einem Tierheim und kümmerte sich um fiese Kampfhunde. Erst fand sie das komisch, aber es war schon erstaunlich: Die Hunde mochten ihn alle! Keine Ahnung, wie er das machte. Sie fragte das Kind, ob sie es an die Wand pinnen sollte, aber das Kind schüttelte den Kopf. Es war ein Geschenk für Mr. Joe!

Als Mr. Joe spät abends zu Lulu kam, als Lilli schon im Bett lag, gingen sie erst einmal in die Speisekammer, bis Mr. Joe nicht mehr konnte. Sie hätte eine Überraschung für ihn, aber erst, wenn er zweimal gekommen wäre. Mr. Joe wusste, dass sie nur testen wollte, ob er bei einer anderen Frau gewesen war, aber er sagte nichts und nahm sie brav zweimal, das zweitemal sogar besonders gut. Danach gab Lulu ihm das Bild, und er sah es sich genau an. "Da gibt es einen Traumbezug, Mrs Lulu!" sagte Mr Joe. "Mrs Lilli", so hieß das Kind "hat mir von einem bunten Hund erzählt, von dem sie geträumt hat. Sie hat gesagt, wenn ein bunter Hund ins Tierheim kommt, soll ich ihn mit nach Hause bringen und nicht zu den bösen Hunden stecken. Sie würden ihn töten!"

"Das ist ja ein komischer Traum. Aber wenn das Kind es sagt, wird es so gemacht, nicht wahr?" entschied Lulu. Mr Joe verstand nicht, warum sie dabei so hämisch lachte. Er lachte nicht. Er war sicher, dass er den Regenbogenmops nicht zu den bösen Hunden sperren würde. Eher würde er Mrs Lulu zu den Hunden sperren als Lilli einen Wunsch abzuschlagen.

In dieser Nacht träumte Lilli, ihre Mutter hätte die Hunde herausgelassen, und diese würden sie jagen und töten wollen. Mr. Joe wehrte einen nach dem anderen ab, aber es waren zu viele und es sah so aus, als müsste er auch sterben. Da kam Lulu in den Traum spaziert und sah dem Treiben zu, wie die Hunde ihre Tochter verfolgten und Mr. Joe sie nicht retten konnte. Dabei lachte sie hämisch Als die Situation ganz ausweglos erschien, tauchte der Regenbogenmops auf, und alle Hunde stürzten sich auf ihn. Lilli und Mr. Joe waren zu geschwächt, um ihm zu Hilfe zu eilen, und so töteten die Hunde den Mops, und Lulu lachte dazu und lachte und lachte.

Am Morgen war Lilli verschwunden. Lulu gab Mr. Joe die Schuld und jagte ihn aus dem Haus, nach ihrer Tochter zu suchen. Dieser setzte sich in seinen alten Opel Corsa und fuhr durch die ganze Stadt und drum herum und fragte alle Menschen, die er traf, aber die meisten liefen weg und einige guckten böse und keiner hatte etwas gesehen. An einem Autorastplatz im Wald fand er einen kleinen, dicken Hund. Es war kein Mops, eher ein zu dicker Dackelmix mit zu kurzen Beinen und zu wenig Bewegung. Er war an einen Mülleimer gebunden und sah elend aus. Jemand hatte ihm mit einen grünen Punkt auf das Fell gesprüht, etwa so, wie Robbenschützer das machen, um das Fell zu entwerten. Vielleicht ein paar dumme Jungs, wer will denn schon ein Dackelfell?

Na, den werde ich wohl mit zur Arbeit nehmen, dachte sich Mr. Joe und näherte sich dem mopsigen Dackel, aber der versteckte sich hinter dem Mülleimer und knurrte. Na, im Kofferraum sind vielleicht noch ein paar Leckerli, fiel ihm ein. Als er den Kofferraum öffnete, lag dort zusammengekauert Lilli, die ihn mit traurigen Augen ansah. "Ich habe den Regenbogenmops gefunden", sagte Mr. Joe. "Möchtest du ihm etwas geben?" Sie nickte. Anschließend verfütterte Lilli dem Dackel die gesamte Packung Leckerli und dann noch ein paar Probetütchen mit Kraftfutter. Lilli weinte vor Freude, als er bei sich ihr auf den Arm kuschelte. Sie würde ihren Regenbogenmops nie hergeben. Und sie würde nie Mr. Joe verlassen. Und ihre Mutter konnte ihr gestohlen bleiben. Wenn sie überhaupt ihre Mutter war! Sie konnte sich nicht dran erinnern, und von einem Mutterschaftstest hatte sie auch noch nichts gehört. Und wenn, würde der auf Jemanden-liebhaben testen und auf Alles-für-einen-machen und nochmal auf Liebe, und Lulu würde abkacken. Sie würde ab heute Papa zu Mr Joe sagen. Ihren Kopf auf seine Schulter gelehnt und mit dem Dackel im Arm schlief sie glücklich ein.


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.

Re: Inspirationshilfe

Hey, ich hab eben erst den Glasmann gelesen! Super Text, voller witziger Passagen, ich war die ganze Zeit am schmunzeln. So sindse, die Frauen. So sindse, die Männer! Sehr feinsinnig das alles. Gefällt mir gut!


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.

Re: Inspirationshilfe

Jetzt hab ich auch noch die Palastrevolte gelesen, und auch da muss ich sagen, das wär ne Story für Terry Gilliam oder so. Jedenfalls auch das sehr kurzweilig!

Jetzt fehlt nur noch ein Stichwort. Aber heut nicht mehr. Außerdem ist eh keiner mehr da ...

Oh, ist ja schon morgen. Also das Stich"wort": Der letzte macht das Licht aus


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.