Gruppe Enigma - Texthaufen

Zeilenroman, neu

Re: Zeilenroman, neu

... etwas, das fast aussah wie die Finger einer Hand, schob sich durch den engen Türspalt, klopfte gegen die Zarge. Erschreckender als das war jedoch die Farbe dieser Hand. Eine ganz ungesunde Hautfarbe. Ungebräunt. Irgendwie ... blass. Und in einem ungewöhnlichen Hellgrün lackierte Fingernägel.
"Igitt!", schreckte Katharina auf. Fast hätten die beiden vor Ekel vergessen, dem Drängen von der anderen Seite der Tür Widerstand zu leisten. Ein Keuchen war zu vernehmen.
"Lasst mich endlich rein!", forderte da die Stimme durch die Tür hindurch.
Vicky riss die Augen auf. Diese Stimme kannte sie. Mit allem hatte sie gerechnet, aber das es so schlimm werden sollte...
"Oh, mein Gott, Katharina!", keuchte sie, "Drück’ stärker! Das ist meine ...


Re: Zeilenroman, neu

zweite Persönlichkeit! Sandra heisst sie und sie kommt immer dann zu mir, wenn ich in Schwierigkeiten stecke und mich retten will!"

Katharina blickte entgeistert, erst in das leuchtende Gesicht ihrer Freundin, dann auf die grünlichen Finger. Jetzt knallt sie durch, dachte sie und schon begann Vicky, an der Tür zu zerren, aber dieses Mal anders herum, wollte sie aufziehen, so dass sich Katharina jetzt gegen die unbekannte Kraft hinter der Kellertüre und gegen Vickys Einsatz stemmen musste. Mit all ihrer Kraft stemmte sie und stemmte und Vicky fing an, auf sie einzuschlagen, sie zu kratzen und zu beissen und wurde immer lauter mit ihrem Geschrei nach SANDRA SANDRA SANDRA, das Gekreische wurde schriller, bohrte sich in Katharinas Ohren, sie dachte schon, ihre Trommelfelle würden gleich platzen, da...

Re: Zeilenroman, neu

klingelte ihr Handy. Eigentlich war das nicht ungewöhnlich, aber speziell diesen Klingelton hatte sie nun schon außergewöhnlich lange nicht mehr vernommen. Wem hatte sie den denn nochmal zugeteilt? War es



Es war einmal ein Pfert mit T
(das stand halt nicht so auf Kaffee)

Re: Zeilenroman, neu

Dieter? Manfred? Jürgen gar? Doch während sie noch darüber nachdachte, wem sie die Melodie von Peter und der Wolf zugeteilt hatte, hörte das Drücken an der Tür auf. Die grüne Hand war verschwunden. Vicky ließ nun auch ab von ihr und fiel in Tränen zu Boden. Katharina holte das Telefon aus ihrer Tasche und ging ran.


Wo kämen wir hin, wenn alle sagten,
Wo kämen wir hin, und keiner würde gehen,
um einmal zu schauen wohin wir kämen,
wenn wir gingen.(Kurt Mati)

Re: Zeilenroman, neu

Es war natürlich Peter, der Anlageberater, mit dem sie es einmal ist keinmal, aber das erzählen wir ein andermal. Peter meinte, er hätte ein Problem, und zwar hätte er sich beim Durchsehen seiner Kundenkartei beim Anblick ihres Fotos dummerweise unsterblich in sie verliebt, und wenn sie nicht sofort zu ihm käme, würde er sich erschießen. Die letzten Worte kamen bei Katharina besonders frostig an, was wohl von der kalten Hand auf ihrer Schulter herrührte.

Re: Zeilenroman, neu

Sie drehte sich um und sah, dass sie nichts sah. Auf ihrer Schulte ruhte ein Plastikhandschuh, der mit Eis gefüllt war. Zitrone, dachte Katharina, das kann nur eines bedeuten. Erneut drehte sie sich um, um sich um ihre Freundin Vicky zu kümmern. Doch nun war auch sie verschwunden. Der Schweiß lief ihr von der Stirn. Weiter unten im Haus klapperte etwas, als würde jemand ein Regal mit Töpfen aus Edelsstahl umwerfen. Wieder vernahm sie die Melodie von Peter und der Wolf. Doch diesmal kam es nicht aus ihrem Handy.


Wo kämen wir hin, wenn alle sagten,
Wo kämen wir hin, und keiner würde gehen,
um einmal zu schauen wohin wir kämen,
wenn wir gingen.(Kurt Mati)

Re: Zeilenroman, neu

Das Rumpeln tief unten im Kellergewölbe wurde lauter und lauter, es erschien Katharina, als sei dort ein Kampf im Gange und sie dachte an Vicky, an ihre besten gemeinsamen Zeiten. Kurzentschlossen stürzte sie, trotz immenser Furcht, die steinernden Stufen zurück, ging durch jene unverschlossene, spinnenverwebte Tür, stieß sich den Kopf an einem viel zu niedrigen Balken. Das Rumpeln und jetzt auch die Schreie und Schläge, dumpfe Schläge, wurden immer und immer lauter und sie hörte Vicky quietschen und stöhnen und schreien. Vor der nächsten Kellertür, hinter dem Katharina den Kampf vermutete, stoppte sie atemlos, denn sie las im düsternen Licht der flackernden Neonröhre, die knapp oberhalb des Türrahmens angebracht wurde, folgendes:

Re: Zeilenroman, neu

"Garneer de sandwiches met kappertjes, uitjes, augurkjes of fijngeknipte dille of peterselie." Katharina erinnerte sich wage an ihren Volkshochschulkurs, Dänisch für Knäckies, sie hatte diese Zeilen schon mal gelesen irgendwo. Ihr kam die Idee, dass es sich dabei um ein Rätsel handeln musste. Als sie die Tür öffnen wollte, ertönte ein tiefer bassiger Ton und die Schrift fing, wie von Geisterhand, an zu leuchten. Sie holte tief Luft und sagte laut und deutlich an die Tür gewandt:


Wo kämen wir hin, wenn alle sagten,
Wo kämen wir hin, und keiner würde gehen,
um einmal zu schauen wohin wir kämen,
wenn wir gingen.(Kurt Mati)

Re: Zeilenroman, neu

"Ohne Petersilie, bitte!", öffnete die Tür, stürzte über die Türschwelle in den muffigen Raum, sah ihre Freundin nackig auf dem Boden liegen, fühlte, wie ein rohrähnlicher Gegenstand in ihre Rippen gedrückt wurde und eine dröhnende Stimme rief:
"Il ya seulement!"
Katharina stutzte, verharrte. Sie war verwirrt, sollte es doch kein Däne sein, der hinter ihr stand, mit dem Pistolenlauf in ihrem Rücken? Schnell übersetzte sie im Kopf ihre Aussage und flüsterte:

Re: Zeilenroman, neu

"No, gracias, ya he comido, señor."
"Hä?" entgegnete der Unbekannte und zog sich danach debil kichernd die Haut in Fetzen vom Gesicht. Darunter kam Torbens Gesicht zum Vorschein: "Überraschung!"



Hugh!

Re: Zeilenroman, neu

Blitzschnell wirbelte Katharina herum, schwang sich springend in die Waagerechte, holte mit der Fußkante aus und traf damit exakt auf Torbens Kinnlade. Während ihr sich streckender Körper mit der Schnelligkeit einer Gepards herumpropellerte, griff ihre rechte Hand bei der nächsten Drehung nach der Pistole, die der erschrockene Torben im Fallen losgelassen hatte. Während der nächsten beiden gestreckten Saltoschrauben entsicherte Katharina den Magazinhalter, ließ das Magazin aus dem Lauf schnellen und drückte jedes einzelne der dreizehn Geschosse heraus. Torben machte indes erneut Erfahrungen mit ihrer linken Handkante und jeweils einem Fuß, die ihm beide Kniescheiben zertrümmerten.
Während die Patronen auf den Fußboden klackerten, dachte Katharina: "Hmmm... 13 Schuss? Offensichtlich eine 1973er Walther PP Super mit doppelreihigem Magazin. Ein Prototyp! Wo hat er die bloß her?" Sie landete breitbeinig auf beiden Füßen ohne sich großartig abfedern zu müssen, ließ die entschärfte Walther durch den Raum segeln, stemmte die Fäuste in die Taille und wandte sich grinsend dem zusammengesunkenen Torben zu: "Überraschung! Hähä!"


Frauen neigen zum Gegenteil.

Re: Zeilenroman, neu

Vicky fiel die Kinnlade herunter. Torben fand das witzig, aber ehe es zu einer Artikulation des H-Wortes kommen konnte, hatte Katharina ihm schón den Kiefer gebrochen. Nach getaner Arbeit half sie Vicky beim Suchen.


Das Leben ist ein Fluss. Es geht abwärts.