Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kinderschutzverbesserungen

Politiker: Begrüßungskörbe oder Arztzwang

Kuppe will Frühwarnsystem zum Schutz von Kindern

Sachsen-Anhalt
Kuppe will Frühwarnsystem zum Schutz von Kindern
 
Gesundheitsministerin für höhere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen
 
erstellt 05.05.07, 15:50h
 
Gerlinde Kuppe (Foto: MZ)

Magdeburg/dpa. Die sachsen-anhaltische Gesundheitsministerin Gerlinde Kuppe (SPD) will per Gesetz ein Frühwarnsystem zum Schutz von Kindern aufbauen. Der «Magdeburger Volksstimme» (Samstag) sagte Kuppe, damit solle vor allem eine höhere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen erreicht werden. Das Gesetz soll laut Kuppe eine Meldepflicht für Ärzte enthalten. Geplant sei eine zentrale Stelle, der Ärzte alle vorgenommenen Vorsorgeuntersuchungen mitteilen.

Die zentrale Stelle gleiche die Ärzteinformationen mit Daten der Meldebehörden ab und könne so feststellen, wer sein Kind nicht zur Früherkennungsuntersuchung gebracht hat. Würden Eltern die Termine nicht wahrnehmen, erinnere man diese zwei Mal und schalte anschließend das Jugendamt ein. Den Angaben zufolge soll sich der Landtag nach der Sommerpause mit dem Gesetzentwurf befassen. Ein Versuch für eine bundesweite Regelung war im vergangenen Jahr gescheitert.
 
http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1177924387464

Re: Netzwerk für «Sorgenkinder» wird enger

 Auf der Schwelle
Die Jugendämter sollen mehr Tempo machen, um Kinder besser zu schützen. Dabei müssen sie ständig abwägen: Kinderschutz gegen Elternrechte


Zwei Stunden – mehr Zeit soll nicht vergehen. Wenn einem Kind Leid geschieht, muss das Jugendamt sofort handeln, notfalls mit Hilfe der Polizei. Alle anderen Aufgaben sind nachrangig. So legen es die neuen Ausführungsvorschriften des Senats fest, mit denen der Kinderschutz besser gesichert werden soll als bisher. Nie darf ein Bearbeiter weg sein ohne einen verantwortlichen Vertreter.

Das war auch überfällig. Gerade häuften sich Fäller krasser Kindesvernachlässigung, Kinder wurden in mehreren Stadtteilen aus vermüllten Wohnungen voller Kot und Schimmel geholt, und vier Kinder in Prenzlauer Berg wurden von ihrer Mutter sogar monatelang allein gelassen, ohne dass es beim Jugendamt bemerkt worden wäre. Besonders schrecklich nun auch noch der Mord an der achtjährigen Amani (siehe Seite 9). In allen Fällen waren die Familien dem Jugendamt bekannt – trotzdem konnte all das geschehen.

Es fehlte zuvor also an vielem, und die Leidtragenden waren die Kinder: Behörden arbeiteten nicht richtig zusammen, Vorgänge blieben zu lange liegen, eine zentrale Anlaufstelle gab es ebensowenig wie einheitliche Leitlinien für die Arbeit. Das soll nun besser werden. Nicht nur müssen die Jugendämter wochentags von 10 bis 18 Uhr durchgehend erreichbar sein, sondern es gibt wie berichtet auch eine zentrale Nummer, unter der rund um die Uhr Berater anrufbar sind: die 61 00 66. An diesem Angebot wurde lange gearbeitet, bis die Leitung endlich am 2. Mai freigeschaltet wurde.

Die neue Kinderschutz-Hotline wird sehr gut angenommen. „Etwa 50 Anrufe sind seit dem Start bei uns eingegangen“, sagte Martina Hartwig, die Leiterin der Berliner Notdienste, die derzeit selbst Telefondienst macht, weil noch nicht genügend Personal da ist. Vier Stellen sind vorgesehen.

Von den 50 Fällen, die die Anrufer gemeldet haben, war einer so schwerwiegend, dass das Jugendamt das Kind in Obhut nahm – das ist das äußerste Mittel, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Meistens wird erstmal das Gespräch mit den Eltern gesucht. Von den Anrufern bei der Hotline waren viele auch einfach nur besorgt, meist war ihnen bei Nachbarn etwas aufgefallen, und nun wollten sie wissen, was sie tun sollen. Das fällt vielen offenbar leichter, als gleich die Polizei einzuschalten.

„Wir versuchen im Gespräch erstmal so viel wie möglich herauszufinden“, sagt Martina Hartwig. Was wurde beobachtet, was weiß der Anrufer über die Familie, gibt es dort Gewalt oder ein Suchtproblem? Die Mitarbeiter haben eine Checkliste, die ihnen dabei helfen soll, die Lage zu erfassen. Am Ende schätzen sie das Risiko ab und entscheiden, ob binnen zwei Stunden gehandelt werden muss. So jedenfalls der Plan. Im Bedarfsfall sollen sich dann sofort zwei Mitarbeiter des Jugendamts auf den Weg zu einem unangemeldeten Hausbesuch bei der betroffenen Familie machen.

Allerdings werden sie dort mitunter nicht gerade willkommen geheißen. Und das Grundgesetz gibt den widerwilligen Eltern Recht: Sie haben nun einmal das Erziehungsmonopol und müssen die Jugendamtsmitarbeiter nicht in ihre Wohnung lassen. Wenn nötig, muss sich das Jugendamt mit Hilfe der Polizei Zutritt verschaffen, besonders bei Gefahr für Leib oder Leben des Kindes. „Dafür muss aber schon eine sehr aggressive Situation vorgefunden werden“, sagt Martina Hartwig. Meist werde nicht die Polizei gerufen.

Manche sagen auch, für viele ausgebildete Sozialarbeiter sei die Polizei eher ein Feindbild als der Freund und Helfer. Das könnte die Zurückhaltung ebenfalls erklären. Fatina Keilani
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/09.05.2007/3251113.asp

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Kinderschutz

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Von Sandra Kegel


Sanfte Kontrolle mit hilfreichen Tipps: Die Stadt Dormagen besucht jedes neugeborene Kind

14. Mai 2007

Von der Decke hängt eine Discokugel, in der Schrankwand mit dem Fernseher lächelt die Aphrodite von Soli aus Plastik, auf dem Teppich steht eine Babywiege, die sich per Fernbedienung schaukeln lässt. Sekundenschnell überfliegt Gudrun Freitag, während sie die ersten Worte mit Beate und Stephan Stamm wechselt, das Interieur der kleinen Zweizimmerwohnung in Horrem, einem jener Problemviertel von Dormagen, die von düsteren Hochhäusern dominiert werden.

Sich ebenso präzise wie unauffällig ein Bild von den Verhältnissen zu machen, in denen Menschen leben, gehört zum Job von Gudrun Freitag. Die rothaarige Frau mit den klimpernden Silberohrringen ist Sozialarbeiterin und begrüßt heute im Auftrag des Bürgermeisters den neuen Erdenbürger im Hause Stamm. Es gibt Geschenke für das Baby Diego, jede Menge Lektüre für die Eltern, die Fotos an der Wand werden bestaunt, und doch ist das Ganze auch ein Vorwand: um zu ergründen, ob hier womöglich ein Kind schlecht aufgehoben ist oder überforderte Eltern vielleicht Hilfe brauchen.

Elternrecht versus Kinderwohl

Vater des Modells: Dormagens Bürgermeister Heinz Hilgers

Ein Vorwand? Das klingt nach Betrug, nach Einbruch in einen Haushalt, in eine Familie. Darf man Familien überhaupt kontrollieren, und wenn ja, in welcher Form? Aber ist nicht umgekehrt jeder Vorwand recht, wenn es um das Wohl von Kindern geht? Elternrecht versus Kindeswohl - in diesem Spannungsfeld bewegt sich die Diskussion über den Umgang mit Kindern in Deutschland. Und jedes Mal aufs Neue sind die Menschen ratlos und entsetzt, wenn wieder ein ausgehungerter Säugling in einem Keller gefunden wird, wieder ein Kind Glutnarben von Zigaretten aufweist, gebrochene Knochen oder Verbrühungen durch heißes Wasser.

Die Zahl der Kindesmisshandlungen nimmt in Deutschland zu. Sie ist abhängig vom Wohlstand. „Misshandlung und Vernachlässigung ist vor allem ein Problem der Unterschicht“, sagt Heinz Hilgers, Bürgermeister von Dormagen, einer Stadt mit 64.000 Einwohnern zwischen Düsseldorf und Köln. Wo wenig hereinkomme, sei nun einmal weniger zu verteilen. Zudem hätten diese Eltern kaum Möglichkeiten, sich von der Kindererziehung zu entlasten. „Und weil die Armut insbesondere unter jungen Familien in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen ist, steigt auch die Zahl minderjähriger Opfer.“ Heute lebt jedes sechste deutsche Kind von Sozialhilfe - wesentlich mehr Kinder als vor dreißig Jahren.

Dänisches Vorbild

In Dormagen will man die schreckliche Korrelation von Familienarmut und Kinderleid nicht mehr als naturgesetzlich hinnehmen. Seit Oktober vergangenen Jahres werden alle Familien, in denen ein Kind zur Welt gekommen ist, von einem Sozialarbeiter besucht - egal, ob der Vater Vorstand beim Chemiewerk Bayer Dormagen ist oder Schichtarbeiter. „So wird niemand diskriminiert“, sagt Heinz Hilgers, der sich das Ganze ausgedacht hat - oder auch nur abgeschaut von den Dänen, wo selbst Kronprinzessin Mary nach der Niederkunft das Jugendamt empfangen musste.

Nicht mediale Aufregung über extreme Einzelfälle hat Hilgers auf sein Thema gebracht. Seit dreizehn Jahren ist er Vorsitzender des Kinderschutzbundes. Den traurigen Befund der Täterforschung kennt der SPD-Politiker nur zu gut: Die Familie umschreibt den Ort, an dem sich Kinder zumeist aufhalten, und deshalb auch den sozialen Zusammenhang, in dem die meisten Kinder misshandelt werden. Nicht von Fremden an geheimen Orten, sondern von Vater, Mutter oder Onkel in der eigenen Wohnung werden Kinder weggesperrt, geschlagen und missbraucht.

Vielleicht würde Kevin noch leben

Etwa 100.000 Kinder sind in Deutschland von Verwahrlosung bedroht. Die Zahl der gemeldeten Fälle von Kindesmisshandlung ist - auch dank der höheren Aufmerksamkeit - in den vergangenen zehn Jahren um fünfzig Prozent gestiegen. Einige von ihnen, laut Unicef sind es zwei Kinder in der Woche, überleben die Misshandlungen nicht, den Hunger, den Durst, die Gewalt. Viele Fälle schlimmster Vernachlässigung hat es zuletzt auch deshalb gegeben, weil die Kommunen an der falschen Stelle gespart haben. Vielleicht würde Kevin noch leben, wenn nicht der zuständige Mitarbeiter im Bremer Jugendamt noch dreihundert weitere schwere Fälle zu bearbeiten gehabt hätte. Mehr als sechzig Familien kann kein Sozialarbeiter betreuen, meint Hilgers.

Der Neunundfünfzigjährige hat derzeit viel zu tun: Er erklärt den vielen Politikern, die aus allen Teilen der Republik in seine Stadt pilgern, unermüdlich sein Modell - das in anderen Ländern längst üblich ist. In Finnland gibt es seit Jahren das Neuvola-System. Hebammen und Krankenschwestern besuchen dort bereits die werdenden Mütter, um ein Vertrauensverhältnis herzustellen. 99 Prozent der Familien akzeptieren Neuvola.

Dem Ernstfall zuvorkommen

Es sind die kleinen Kinder, die noch nicht in die Schule gegeben werden müssen, die am häufigsten zu Opfern durch Wegschauen werden. Gründe dafür gibt es zuhauf: Man will sich nicht einmischen, hat Angst, als Denunziant dazustehen, oder aber ist sich einfach nicht sicher, ob der eigene Verdacht wirklich ausreicht für einen Anruf beim Jugendamt. Schließlich wissen wir auch, was mit Nicole und Corinna aus Osnabrück geschah oder den Kindern der Familie Haase aus Nordwalde bei Münster. Deren Eltern wurden die Kinder weggenommen, weil Vater und Mutter angeblich nicht in der Lage waren, sie großzuziehen. Als der Europäische Gerichtshof die Kinder zurückbeorderte, war das Jugendamt heftig kritisiert worden. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn die Sozialarbeiter zu spät kommen und ein totes Kind zu beklagen ist, gerät die Behörde ebenso unter Beschuss. Ein Dilemma.

Ausgangspunkt des Dormagener Modells ist die Erkenntnis, dass man bei Familien mit Problemen nicht erst interveniert, wenn der Ernstfall eingetreten ist. Denn ist der Kontakt zu den Familien in ruhigen Zeiten aufgebaut, kann man helfen, ehe die Probleme sich türmen. „Aufsuchende Hilfe“ heißt das im Fachdeutsch: Staatlicher Druck wird so weit nach vorne verlagert, dass man ihn gar nicht mehr oder sogar positiv als sanfte Hinwendung empfindet. „Vorsorge und Vernetzung“, glaubt Hilgers, „sind die Mittel, um die Situation von Kindern zu verbessern.“

Sanfte Kontrolle

Gelingt das? Den Rat seiner Stadt hat Hilgers jedenfalls überzeugt. Einstimmig wurde sein kühnes Vorhaben im vergangenen Jahr verabschiedet, von den regierenden Parteien CDU und SPD ebenso wie von der Opposition. Auch weil es bezahlbar scheint, könnte das Dormagener Modell Schule machen - 3,4 Millionen Euro kostet der Aufwand jährlich, inklusive aller Personalkosten. In den Augen von Hilgers und seinen Mitstreitern müssen Beamte und Staatsangestellte kompensieren, dass die frühere informelle soziale Kontrolle unter Nachbarn und Verwandten weitgehend verschwunden ist.

Vor diesem sozialgeschichtlichen Hintergrund verlieren prinzipielle Einwände gegen das Programm vorsorglicher stadtflächendeckender Überwachung selbst in den Augen von Liberalen an Gewicht. Beate Brebeck, die FDP-Fraktionsvorsitzende in Dormagen, nennt die Pflichtbesuche einen Schritt des gegenseitigen Kennenlernens, bei dem Berührungsängste abgebaut werden sollen. „Es ist eine sanfte Kontrolle, und damit ist meine Partei absolut einverstanden.“

Das kleinere Übel

Einzig der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ingo Kolmorgen, hatte, wie er zugibt, ein wenig „Bauchschmerzen“ bei der Abstimmung über das Experiment: „Der Schutz der Privatsphäre ist natürlich ein starkes Argument dagegen; aber bei all dem Leid, das Kinder täglich erfahren und dem wir so hilflos gegenüberstehen, haben wir uns dafür entschieden.“ Gewiss findet er es problematisch, dass Familien unter Generalverdacht gestellt würden, selbst wenn dies in guter Absicht geschehe. Doch er bleibt dabei: „Angesichts der traurigen Wirklichkeit ist der Besuch der Sozialarbeiter das kleinere Übel.“

Mehr als dreihundert Familien haben Gudrun Freitag und ihre elf Kollegen in den vergangenen Monaten besucht. Die studierte Sozialpädagogin weiß natürlich, dass ihr Besuch normalerweise nicht unbedingt Begeisterung auslöst: „Deshalb freue ich mich umso mehr, endlich einmal nicht in meiner Wächterfunktion aufzutreten“, sagt sie, „sondern als eine Art Dienstleisterin, die Hilfe anbietet und willkommen ist.“ Manchmal sei es nur das Ausfüllen eines Antrags, bei dem sie helfe. Beate Stamm, die Kaffee und Kuchen anbietet, fragt die Dame vom Amt, ob sie sich mit dem Taufzeremoniell bei der katholischen Kirche auskenne.

Kontrollbesuch im positiven Sinn

Strenge Gesetze greifen, wenn das Jugendamt in die Privatsphäre einer Familie ohne Einverständnis der Eltern eindringt, weil es das Wohl eines Kindes für gefährdet hält. In zwei deutschen Diktaturen wurden die Rechte von Familien immer wieder missachtet, etwa durch Zwangsadoptionen. Rechtlich beruht die Visite von Frau Freitag und ihren Kollegen daher auf Freiwilligkeit. Die Stadt nimmt in Kauf, dass davon allerdings wirklich nur im formaljuristischen Sinne die Rede sein kann. Wer den ungebetenen Besuch nicht hereinlässt, macht sich verdächtig - auch wenn diese Verdachtsmomente aus rechtsstaatlichen Gründen für die Sozialbürokratie nicht verwertbar sind.

Bei den Dormagener Bürgern sei die Resonanz auf die Hausbesuche positiv, gibt man im Rathaus an. Bis auf eine Familie hätten alle den Besuch vom Jugendamt akzeptiert. Einige haben sich sogar gefreut. „Ich bin eine absolute Verfechterin des Konzepts“, sagt die kaufmännische Angestellte Manuela Franke, die vor drei Monaten ihr Kind zur Welt gebracht hat: „Denn es geht darum, Familien zu helfen. Es ist ein Kontrollbesuch, ganz klar, aber im positiven Sinne.“

Zuspruch in der Bevölkerung

Susanne Miebach, die Mutter des kleinen Fynn, findet sogar, dass Frau Freitag und ihre Kollegen ruhig öfter kommen sollten, also auch, wenn die Kinder größer seien. „Ich war natürlich etwas aufgeregt, als die Sozialarbeiterin von der Stadt bei mir anrief und fragte, ob sie das Babybegrüßungspaket persönlich vorbeibringen könnte.“ Die junge Mutter dachte sich: „Was wollen die jetzt von mir?“ Aber das Treffen sei nett gewesen und alle Angst verflogen. Jetzt wisse sie auch, sagt die junge Mutter, „an wen ich mich wenden kann, wenn ich einmal eine Frage habe“. Von ihrer alleinerziehenden Schwester erzählt sie, dass diese sogar enttäuscht gewesen sei, weil sie sich mehr Zuspruch gewünscht hätte, „jemanden, der ihr zuhört und ein paar Tipps gibt.“

Natürlich ist man froh in Dormagen, dass bisher noch kein Kind in Obhut genommen werden musste. Man setzt im Gegenteil explizit darauf, Familien in ihrem Umfeld zu unterstützen, was immerhin geschätzte acht Prozent benötigen. Lösungen müssen individuell sein. Da gab es zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter, die nicht in der Lage war, sich um ihren Säugling zu kümmern. Es hatte ihr, wie die Sozialarbeiter herausfanden, nie jemand gezeigt. Vom Amt wurde sie deshalb samt ihrem Baby in einer Krippe angemeldet. Dort absolviert sie nun ein mehrmonatiges Praktikum. Wäre das Jugendamt hier erst aufgetreten, wenn ein Unglück geschähen wäre - es hätte wohl keine Chance mehr auf eine solche Hilfestellung bestanden.

Keine Sanktionen

Aber was macht das Jugendamt denn nun mit den Familien, die sich den Besuch der Sozialarbeiter verbitten? Auch den Grünen-Politiker Ingo Kolmorgen treibt diese Frage um. Kommen sie auf eine „schwarze Liste“? „Wir machen dann nichts“, sagt Bürgermeister Hilgers und setzt nach: „Was sollten wir auch tun?“ Seine Gemeinde biete einen Service an, der offensichtlich gerne angenommen werde. „Aber zwingen können wir niemanden.“ Die eine Familie, die den Besuch ablehnte, begründete dies mit den häufigen Geschäftsreisen des Vaters. Hilgers sagt: „Das haben wir akzeptiert.“

Der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet, der die Problematik schon viele Stunden mit Heinz Hilgers diskutiert hat, ist vom Dormagener Modell überzeugt. Deshalb plant er, wie er dieser Zeitung sagte, es landesweit einzuführen. Aber auch andere Länder und Kommunen wollen nicht tatenlos bleiben: Die baden-württembergische Landesregierung erarbeitet das Programm „Guter Start ins Kinderleben“, um belastete Eltern früh zu unterstützen. Die Familienministerin von Hessen, Silke Lautenschläger, will die Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt zur gesetzlichen Pflicht erklären, gegen den Willen von Bundesfamilienministerin von der Leyen, die davon nichts hält - denn wie sollten, fragt sie, die Sanktionen aussehen? Andere Städte wiederum haben Gruppen von ehrenamtlichen Paten organisiert, die überforderten Eltern zur Seite stehen.

Zugang zu den Familien finden

Auch bei diesen Ansätzen geht es immer darum, Zugang zu den Familien zu finden, in denen Misshandlung droht. Das ist nicht immer leicht, denn meist leben sie isoliert, fühlen sich überfordert und suchen fast nie von sich aus Hilfe. Deshalb wurden in Dormagen zusätzlich Erzieher, Betreuer und Lehrer darin geschult, Gefahren frühzeitig zu erkennen. Kinderärzte ziehen durch die Kindertagesstätten der Problemviertel, um Spuren von Misshandlung zu entdecken. Wenn ein Kind mit drei Jahren nicht in der Kita angemeldet wird, fragt das Jugendamt bei der Familie nach, und beim Kindergarteneintritt werden die Nachweishefte für die Vorsorgeuntersuchungen überprüft. Denn während fast alle Kinder aus der Mittelschicht von ihren Eltern zu diesen eminent wichtigen Untersuchungen gebracht werden, fehlen aus ärmeren Familien etwa dreißig Prozent.

Bei ihrem Besuch bei der Familie Stamm hat die Sozialpädagogin natürlich sofort bemerkt, wie sehr sich das junge Ehepaar auf ihren Besuch vorbereitet hatte. Die Wohnung war blitzblank geputzt und so gründlich aufgeräumt, dass nirgendwo ein Spielzeug herumlag. „Das hätte mich allerdings wenig beeindruckt“, sagt Gudrun Freitag, „wir kommen ja nicht, um zu schauen, ob die Wohnung sauber ist.“ Sie kontrolliere auch die Kinder nicht, sagt sie. „Aber wenn etwas mit dem Kind nicht stimmt, dann merken wir das und kommen wieder.“ Während ihres gesamten Besuchs aber schlummert Baby Diego zufrieden auf Papas Arm. So wie es sein sollte - und in den allermeisten Fällen ja auch ist.
Text: F.A.Z., 14.05.2007, Nr. 111 / Seite 33
Bildmaterial: Marcus Kaufhold
 
http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E7B7CC5FB0F9C42EBBF0B5F1A08DAFB5F~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Fernsehen ist für Kleinkinder Folter"


10. Mai 2007, 00:00 Uhr

Von Birgitta Vom Lehn

Erziehung

"Fernsehen ist für Kleinkinder Folter"

Experten prangern auf einer Konferenz aktive und passive Vernachlässigung an. Hilfen der Jugendämter für gefährdete Familien werden zu früh eingestellt. Und hinterher bleibt oft nur die Frage: Musste das tatsächlich so kommen?

Medientreffpunkt - Kinder und Fernsehen
Foto: DPA

Kinder können allein noch nicht einschätzen, wie viel Fernsehen ihnen guttut
Eine 20-jährige alleinerziehende Mutter lässt ihre beiden zwei und vier Jahre alten Kinder für einige Stunden allein in der Wohnung. Die Kinder schalten die Herdplatten ein, es kommt zum Wohnungsbrand, die Kinder werden mit schweren Verbrennungen in die Kinderklinik eingeliefert. Ein klassischer Fall von Vernachlässigung, würde man sagen. Die anschließend befragten Nachbarn sind sich schnell einig: Da ging's immer schon drunter und drüber, das musste so kommen!
"Musste es wirklich so kommen? Warum haben die Nachbarn vorher zwar hingeschaut, aber nicht geholfen? Zum Beispiel der Mutter angeboten, mal auf die Kleinen aufzupassen? Das hätte ihr gut getan, sie hätte sich als Mutter ernst genommen gefühlt." Professor Hans-Iko Huppertz, Chefarzt der Bremer Professor-Hess-Kinderklinik, schilderte dramatische Fälle und warf ebenso unbequeme Fragen auf bei der 1. Bremer Kinderschutzkonferenz. "Kinderschutz ist nicht allein durch staatliche Maßnahmen zu regeln. Unsere Gesellschaft muss kinderfreundlicher werden."
Schlagworte
Erziehung Kinder TV-Konsum Kindesmissbrauch Fernsehen Drogen
Als Unding bezeichnete der Arzt, dass Deutschland das einzige Land in Europa sei, wo Kinder noch in Abschiebehaft sitzen dürfen. Und da sei das Beispiel des 17-jährigen Libanesen, der mit seiner Familie seit sieben Jahren in Deutschland lebe, einen Realschulabschluss habe, aber keine Lehrstelle annehmen dürfe. "Er ist zum Abhängen gezwungen", beklagt Huppertz. Oder der 12-jährige verhaltensauffällige Junge, dem die Schulbehörde nur drei Stunden Schule am Vormittag erlaube und der deshalb - die alleinerziehende Mutter arbeitet ganztags - den Rest des Tages vor dem Fernseher verbringe. Das alles seien "verletzte Kinderrechte".
Fälle wie die des kleinen Kevin, der im vergangenen Oktober in Bremen im Kühlschrank seines drogenabhängigen Ziehvaters gefunden wurde und der als Anlass für diese Bremer Konferenz diente, hätten "nichts mit Bremen, sondern mit Deutschland insgesamt zu tun", beklagte der Kinderarzt. "Ich fordere feste, erreichbare Ansprechpartner beim Jugendamt und ein Jugendamt, das Autorität bewahrt. Sonst nehmen die Eltern es nicht ernst."
Mit Blick auf drogenkranke Eltern sprach sich Huppertz dagegen aus, das "Kind als Therapeutikum" einzusetzen. "Das ist ein völlig unzulängliches Argument." Auch dass bei Familiengerichten immer wieder "illustre Anwälte" einreisten, die zugunsten der Eltern und nicht im Interesse des misshandelten Kindes argumentierten, "darf nicht sein".
Eberhard Motzkau, Kinder- und Jugendpsychiater und Leiter der Ärztlichen Kinderschutzambulanz Düsseldorf, betonte ebenfalls, dass es mit der Kultur des Hinschauens nicht getan sei: "Es müssen soziale Kompetenzen hinzukommen." Aktive wie passive Vernachlässigung seien gleichermaßen anzuprangern. Als provokantes Beispiel nannte Motzkau, Kindern einen Fernseher ins Zimmer zu stellen: "Bei größeren Kindern ist das Vernachlässigung, bei kleinen Folter."
Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen, seien fast immer süchtig, extrem stressanfällig und/oder infantil. "Wenn man sich um ihre Kinder kümmert, reagieren sie oft neidisch, man muss sie entschädigen. Viele reagieren wie trotzige kleine Kinder." Die Bindungsmuster seien unsicher-ambivalent: Die Kinder wissen ihre Eltern nicht einzuschätzen, weil diese unvorhersehbar reagieren. Den meisten dieser Eltern fehle die Fähigkeit, Gefühle zu kommunizieren. "Dabei ist das für den Säugling existenziell", betonte Motzkau.
Besonders gefährdet sind aus Sicht von Experten Säuglinge und Kleinkinder mit niedrigem Geburtsgewicht und Babys von depressiven, drogenkranken oder sehr jungen Müttern. Auch unerwünschte Schwangerschaften und eigene elterliche Erfahrungen mit Heim oder Missbrauch wirken sich negativ aus. Motzkau: "Die Hilfen in den Familien werden nach meiner Erfahrung stets zu früh eingestellt. Dadurch werden sie sinnlos." Sie müssten mindestens fünf Jahre als zentrale Aufgabe des Jugendamtes bestehen bleiben.

http://www.welt.de/welt_print/article862157/Fernsehen_ist_fuer_Kleinkinder_Folter.html

Eltern überfordert? Das kann fatale Folgen haben!

"Eltern überfordert? Das kann fatale Folgen haben!"
Kinderarzt Klemens Senger aus Berlin-Neukölln hält nichts von Pflichtvorsorge-Untersuchungen / Plädoyer für aufsuchende Hilfe in den Familien

Der Ärztetag macht die Kindergesundheit zum Thema. Er will für benachteiligte Kinder Partei ergreifen. Ein Kinderarzt im Berliner Problembezirk Neukölln tut das jeden Tag. Die "Ärzte Zeitung" ist in einer Sprechstunde mit dabei gewesen.

Von Angela Mißlbeck

Kindergeschrei dringt aus der Praxis von Klemens Senger in einer gepflasterten Seitenstraße des Hermannplatzes im Berliner Bezirk Neukölln. Der elf Monate alte David (Name von der Redaktion geändert) brüllt lauthals, als der Kinderarzt ihn bei der Vorsorgeuntersuchung zwei Meter entfernt von der Mutter auf den Boden legt. Senger testet, ob sich der Junge altersgerecht verhält, wenn er auf sich gestellt ist. Davids vierköpfige Adoptivfamilie hat gerade ihre Wohnung im innerstädtischen Brennpunkt-Bezirk gegen ein Haus mit Garten am Stadtrand Berlins getauscht, und die Mutter sorgt sich um die Entwicklung ihres Jüngsten.

Immer wieder Berichte über Misshandlungen

"Kindererziehung ist Arbeit. Eltern sind rund um die Uhr gefordert", weiß der Arzt Senger aus eigener Erfahrung als dreifacher Vater. Die Grenze vom Gefordertsein zur Überforderung ist fließend, sagt er. Überforderung kann fatale Folgen haben. Besonders wenn - anders als bei Davids Familie - Ehepartner und Verwandte oder Freunde fehlen und auch die finanziellen Ressourcen knapp sind. Beinahe täglich berichten Zeitungen von vernachlässigten oder misshandelten Kindern. Säuglinge werden tot aufgefunden, Mütter oder Väter verhaftet, unterernährte Kleinkinder von Jugendamts-Mitarbeitern aus verdreckten Wohnungen geholt.

Der Neuköllner Kinderarzt Senger hat das zuständige Jugendamt in seiner 15-jährigen Praxistätigkeit in Neukölln geschätzte 40 Mal eingeschaltet, oft wiederholt bei der gleichen Familie. Bei Verdacht auf Misshandlung setzt Senger auf ein gut funktionierendes lokales Netzwerk mit der Kinderklinik am Neuköllner Krankenhaus, der Polizei und dem Jugendamt. Das Jugendamt meldet sich auch selbst beim Arzt, zum Beispiel um nachzufragen, ob ein alleinerziehender Vater den Sohn zur Vorsorge gebracht hat.

Doch Pflichtvorsorgen findet Senger weniger sinnvoll als konkrete Unterstützungsangebote für überforderte Eltern, so genannte aufsuchende Hilfen. Familienhelfer begleiten etwa in Norwegen junge Familien von Geburt an. Sie werden nicht als Kontrolle, sondern als Unterstützung wahrgenommen. Kinderärzte in Deutschland fordern solche Konzepte auch hierzulande. Immerhin: es gibt bereits regionale Modellprojekte mit sogenannten Familienhebammen, die derzeit erprobt werden.

Kindergesundheit ist in erster Linie kaum mehr ein medizinisches, sondern ein soziales Problem. Säuglingssterblichkeit ist kaum noch ein Thema, Infektionskrankheiten haben Ärzte gut im Griff. Doch die Kinderarmut wächst und mit ihr die gesundheitlichen Beeinträchtigungen von benachteiligten Kindern. Arme Kinder sind häufiger dick als besser Situierte. Sie zeigen schon im Schulalter häufiger psychische Auffälligkeiten.

Unter den Rauchern bis 18 Jahre finden sich vermehrt benachteiligte Jugendliche. Nicht anders ist es beim Alkoholkonsum. Zu diesen Ergebnissen kam unter anderem die repräsentative KIGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts, die seit 2006 Ergebnisse aus der bislang größten Untersuchung zur Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland liefert. Auch Migrantenkinder sind oft benachteiligt. Türkische oder arabische Kinder und Jugendliche haben mehr Krankheiten und Verletzungen als deutsche Kinder, beobachtet der Neuköllner Kinderarzt Senger in seiner Praxis.

Vom "Kampf gegen Windmühlen" spricht er im Zusammenhang mit den Vorsorgeuntersuchungen. Klar gehört die Entwicklungsdiagnostik auch dazu, doch der wichtigere Teil ist die Beratung für die Eltern: Regelmäßig gemeinsam mit der ganzen Familie essen, das Kind auch mal zum Sportplatz begleiten und nicht nur vor der Playstation sitzen lassen - seine Tipps muss der Kinderarzt so verpacken, dass sie nicht als Kritik, sondern als Hilfe ankommen.
Es gibt Eltern, die nie mit ihrem Kind zum Arzt gehen

Überhaupt verteilt der Arzt bei der Vorsorge-Sprechstunde viel Lob an die Eltern. "Die meisten Eltern, die hierher kommen, kümmern sich um ihre Kinder", sagt er. Die anderen kommen erst, wenn das Kind krank ist. Manche aber sind ignorant - sie bleiben zuhause - selbst wenn ihr Kind schwer krank geworden ist.

http://www.aerztezeitung.de/docs/2007/05/16/090a0801.asp?cat=/news

Land will Schulkinder schützen

Vernachlässigung
Land will Schulkinder schützen
 
Schulgesetz soll geändert werden - Kritik von Lehrergewerkschaft
 
 
Stuttgart - Baden-Württemberg will Schulkinder durch eine Gesetzesänderung besser vor Vernachlässigung schützen. Eltern, die sich dauerhaft einer Zusammenarbeit mit der Schule verweigern, müssten künftig mit der Einschaltung des Jugendamtes rechnen, sagte Kultusminister Helmut Rau (CDU) am Mittwoch in Stuttgart.

Der Ministerrat hatte am Dienstag einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes beraten. Danach sollen auch die Sanktionen bei Verstößen gegen die Schulpflicht verschärft werden. Die Lehrergewerkschaft kritisierte die Änderung des Schulgesetzes. "Die ist ein Beispiel, an dem sich zeigt, dass ein Kinderland nicht durch neue Gesetze geschaffen werden kann, sondern die Landesregierung mehr Geld investieren muss", sagte Rainer Dahlem, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Bislang seien Eltern zwar rechtlich verpflichtet, mit der Schule zusammenzuarbeiten, sagte Rau. Es bestehe aber keine Möglichkeit, dies durchzusetzen. "Die Schulen erhalten jetzt für ihr Handeln die notwendige Rechtssicherheit." Die Klassenkonferenz müsse zunächst einen Aussprachebedarf feststellen. Wenn die Eltern von Schulschwänzern oder aggressiven Störenfrieden daraufhin zwei Mal nicht zum Gespräch erschienen, bekämen sie Besuch vom Jugendamt.

Außerdem soll ein Zwangsgeld eingeführt werden, wenn Eltern trotz Aufforderung nicht dafür sorgen, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Fortan wären dann die Verwaltungsgerichte und nicht mehr die Amtsgerichte für mögliche Verfahren zuständig. Auch weiterhin sollen Polizisten, Schüler zur Schule bringen dürfen ("Schulzwang"). Allerdings sollen die Beamten nach der Gesetzesänderung in Ausnahmefällen auch die Wohnung der Betroffenen durchsuchen dürfen. Sollten Jugendliche sich während der Schulzeit in der Stadt aufhalten, soll die Polizei zudem künftig verpflichtet werden, die Personalien aufzunehmen und Eltern sowie Schule zu informieren.

Laut Dahlem könnten benachteiligte Kinder nur in kleineren Klassen und mit einem Schulsozialarbeiter besser unterstützt werden. Die GEW forderte zudem mehr Fortbildungen für Lehrer und eine Klassenlehrerstunde.

dpa/lsw
16.05.2007 - aktualisiert: 16.05.2007, 16:09 Uhr


http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1426404

Zwei neue Hilfezentren für junge Familien

Zwei neue Hilfezentren für junge Familien
Noch in diesem Sommer nehmen zwei neue Bertaungszentren für junge Familien in Lübeck ihren Betrieb auf. In Kücknitz und Moisling bekommen Familien mit kleinen Kindern dann kostenlose Hilfe bei allen Problemen. Die Finanzierung übernehmen die Possehl-Stiftung und die Gemeinnützige Stiftung der Sparkasse.

"Frühe Hilfen" heißt das Projekt, das sich auf Familien mit Kindern bis zu drei Jahren konzentriert. Schon von 1960 bis 1970 gab es in Lübeck 20 so genannte "Mütter-Beratungsstellen". Die wurden eingespart. Ein großer Fehler wie jetzt deutlich wird. 33 Kinder musste das Lübecker Jugendamt allein im vergangenen Jahr in Obhut nehmen, da es in den Familien zu große Probleme gab. Rund 15 Prozent der Erstklässler in Kücknitz haben Sprachstörungen.

Die Beratungsstelle in Kücknitz wird von der AWO getragen. "Der Anteil von Familien mit Kindern im Haushalt liegt mit 25 Prozent über dem Durchschnitt Lübecks", erklärt Teresa Siefer, Diplom-Psychologin am Kinderschutz-Zentrum, die Wahl des Standortes. "Ebenso häufen sich hier Faktoren, wie Einelternschaft, Arbeitslosigkeit, Migrationshintergrund und Einkommensarmut." Die Beratung wird in der Dummersdorfer Straße 24 erfolgen.

Gleichzeitig wird auch im Gemeidehaus der Wicherngemeinde, Moislinger Mühlenweg 43, eine Beratungsstelle öffnen. Hier wird die "Frühe Hilfe gGmbH" tätig sein, die von Prof. Dr. Hans Arnold, dem Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen Lübeck e.V. und der Gemeindediakonie gegründet wurde.

Landesfamilienministerin Dr. Gitta Trauernicht wird beide "Frühen Hilfen" am 27. Juni offiziell einweihen. Die Einrichtungen wurden durch Spender der Gemeinnützigen Stiftung der Sparkasse möglich. Die Kosten für die ersten drei Jahre von je rund 500.000 Euro trägt die Possehl-Stiftung.

Unabhängig vom neuen Beratungsangebot bittet Renate Junghans, Leiterin des Lübecker Jugendamtes, um Hinweise, wenn irgendwo ein Kind vernachlässigt wird. Man werde der Sache dann nachgehen. Es müsse niemand Angst haben, dass das Kind der Familie sofort weg genommen wird.

Stiftungen, Stadt und Verbände haben gemeinsam die neuen Beratungsstellen möglich gemacht. Foto: JW

Stiftungen, Stadt und Verbände haben gemeinsam die neuen Beratungsstellen möglich gemacht. Foto: JW

Text-Nummer: 32671 Autor: JW vom 21.05.2007 14.15

http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=32671

Wo Dürener Kinder und Familien der Schuh drückt

Wo Dürener Kinder und Familien der Schuh drückt

(mv) 21.05.2007, 15:44

Düren. Bürgermeister Paul Larue kennt seine Stadt genau. Bezogen auf die Probleme und die Sozialstruktur sei Düren vergleichbar mit großen Ruhrgebietsstädten, sagt er. Jugendkriminalität, Arbeitslosigkeit, die Zahl der Scheidungen, die Anzahl der Alleinerziehenden, der Hartz IV-Empfänger sei weit und breit lediglich in den großen Ruhrgebietsstädten so hoch wie in Düren.

Und Larue fügt sogleich hinzu: «Wir haben aber nur die Finanzkraft einer mittleren Stadt und 20 Millionen Euro Defizit im Haushalt.»

Um zu erkennen, in welchem Stadtteil bestimmte Problemlagen besonders häufig vorkommen und um zielgerichtet planen und handeln zu können, hat das Jugendamt erstmals eine umfangreiche Sozialraum-Analyse angefertigt. Jugendhilfeplanerin Ina Ruick kann mit ihren in Monaten sorgfältiger Arbeit zusammengetragenen Daten nun schwarz auf weiß belegen, wo Kinder, Jugendliche und Familien der Schuh drückt.

Drei Arbeitsschwerpunkte ergeben sich aus der Bestandsaufnahme: Es muss mehr für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund getan werden, die Einrichtung von Familienzentren muss forciert betrieben werden und die Generationen übergreifende Arbeit muss verstärkt werden. Dies jedoch nicht in allen Stadtteilen. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob jemand im ländlich geprägten Birgel und in Kufferath oder im Satelittenviertel lebt.

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Re: Kuppe will Frühwarnsystem zum Schutz von Kindern

Netzwerk Familienhebammen: Standbein auf Borkum
Geburt kann zur Belastung werden - Unterstützung in vielen Lebenslagen
Borkum/Leer - Das vom Landkreis Leer gemeinsam mit der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ betriebene Projekt der aufsuchenden Familienhilfe durch Familienhebammen wird auf Borkum ausgedehnt. Mit diesem einstimmigen Beschluss folgte der Jugendhilfeausschuss am 23. Mai einem Vorschlag der Kreiserwaltung. Erster Kreisrat Rüdiger Reske bezeichnete den Zuzug einer bereits ausgebildeten Familienhebamme nach Borkum als ausgesprochenen Glücksfall für den Landkreis Leer. Im Kino ist die Geburt eines Kindes stets ein freudiges Ereignis. Im Alltag dagegen kann das Leben mit einem Neugeborenen für viele Frauen zu einer kaum zu meisternden Belastung werden. Sei es, dass die Mütter selbst fast noch Kinder sind, dass sie das Kind nicht wollen, keine Ausbildung haben oder diese abbrechen müssen. Sei es, dass sie psychische oder partnerschaftliche Probleme haben oder dass sie sich einfach mit ihrer neuen Rolle als Mutter überfordert fühlen. An dieser Stelle setzt das so genannte „Familienhebammenprojekt“ an. Grundidee des Projektes ist es, Frauen in schwierigen Lebenslagen eine Unterstützung durch speziell fortgebildete Familienhebammen anzubieten. Die praktische Arbeit der Familienhebammen ist als „aufsuchende Hilfe“ angelegt. Sie können sich auch von sich aus bei ihren Klientinnen melden. Es steht jedoch auch jeder Frau frei, von sich aus Hilfe bei der Hebamme zu suchen. Nach der Geburt helfen die Familienhebammen den Frauen dabei, ihre Kinder und sich selbst gesund zu ernähren und angemessen zu versorgen. Der zeitliche Umfang der Betreuung schwankt zwischen 20 und 100 Stunden pro Familie, ihre Dauer kann sich bis zum ersten Geburtstag des Kindes erstrecken. Bei Bedarf auch noch darüber hinaus. Welche Maßnahmen in diesem Zeitraum ergriffen werden, hängt vom individuellen Bedarf ab. In Frage kommen beispielsweise die Beratung bei der Pflege und Ernährung des Säuglings, aber auch die Mithilfe bei der Lösung lebenspraktischer Probleme wie der Haushaltsorganisation, der Wohnungssuche oder dem richtigen Umgang mit Ärzten und Ämtern. Der Name „Familienhebamme“ hat daher eine doppelte Bedeutung, denn sie ist nicht nur Hebamme, die in die Familien hineingeht, sondern sie ist für viele Mütter und Kinder auch eine Art Familienersatz. Familienhebammen arbeiten in dieser Funktion im Schnitt acht bis zehn Stunden pro Woche und schließen für diese Tätigkeit einen Honorarvertrag mit der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ ab, die sich über das Jugendamt des Landkreises Leer refinanziert. Den Rest der Zeit arbeiten Familienhebammen - wie gehabt - als freiberufliche Hebamme. Das Projekt, das der Landkreis Leer gemeinsam mit der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ betreibt, erfährt landesweit große Beachtung und ist Basis für weitergehende Projekte im Bereich der frühen Förderung von Kindern etwa im Bereich der Sprachförderung, der Ernährungs- und Bewegungsförderung. Das Standbein, das das Projekt nunmehr auf der Insel Borkum erhält, bietet für die Borkumer Bevölkerung eine beachtenswerte Erweiterung der sozialen Angebote und verdient daher besondere Aufmerksamkeit.
http://www.borkumer-zeitung.de/php/text.php?wert=11618

Stadt Mönchengladbach strebt Frühwarnsystem bei Kinderschutz an

Stadt Mönchengladbach strebt Frühwarnsystem bei Kinderschutz an

Einrichtung einer Koordinierungs- und Klärungsstelle im Jugendamt geplant
Die Stadtverwaltung Mönchengladbach strebt als präventiven Kinderschutz die Einrichtung eines sozialen Frühwarnsystems in enger Kooperation von Jugendamt und Gesundheitsamt mit zahlreichen Institutionen an. Darüber informierte der dafür zuständige Beigeordnete, Dr. Michael Schmitz, den Jugendhilfeausschuss in seiner letzten Sitzung.


Vorrangiges Ziel ist ein über die bisher bereits bestehenden und gut funktionierenden Aufgaben und Leistungen im Sozialen Dienst hinausgehender effektiver Kinderschutz durch eine verbesserte Vernetzung der beteiligten Institutionen vom Haus- und Kinderarzt über Kliniken, Kindertagesstätten, Familienzentren, Arge bis zu Schulen.

Mit dem Präventionsprojekt Kinderschutz sollen mögliche Risikosituationen im Kreislauf von der Geburt eines Kindes über kinderärztliche Untersuchungen bis zur Sprachstandserhebung und Einschulung frühzeitig erkannt und vorbeugend niederschwellige Hilfen angeboten werden.

Zwar hat das Jugendamt seit dem vergangenen Jahr eine Reihe von Maßnahmen zur verbesserten Information und Kooperation von Beteiligten gestartet, die von Informationsveranstaltungen bis zu Kooperationsvereinbarungen reichen, doch zeigen Praxiserfahrungen, dass trotz aller Informationen oft zunächst unklar ist, ob eine Kindeswohlgefährdung droht oder ein Gefährdungsrisiko aufgrund der Lebenssituation von Eltern und Kindern besteht. Hier soll die Koordinierungsstelle zur Klärung beitragen.

Darüber hinaus ist manchmal schon während der Schwangerschaft oder nach der Geburt aufgrund unterschiedlicher Belastungsfaktoren, z.B. bei ungewollten Schwangerschaften, sehr jungen Müttern, psychischen Erkrankungen etc. Risikosituationen zu identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit erzieherischer Überforderung der Eltern erhöhen. In diesen Fällen sind präventive Hilfemaßnahmen besonders wichtig.

Vor diesem Hintergrund will die Sozialverwaltung eine Koordinierungsstelle als zentralen Ansprechpartner für alle internen und externen Beteiligten und zur Klärung der erforderlichen Hilfen einrichten. Darüber hinaus berücksichtigt die Verwaltung mit dem Präventionsprojekt die von der Landesregierung NRW Ende Januar in ihrem "Handlungskonzept für einen besseren und wirksameren Kinderschutz" beschlossenen Rahmenbedingungen, die denflächendeckenden Ausbau der sozialen Frühwarnsysteme zum Ziel haben.

Quelle: Mitteilung der Stadt Mönchengladbach v. 04.06.07