Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Oh, Shining. Den hab ich vor langer Zeit gesehen. Keine Ahnung mehr wie der war.
Molosovsky: Danke für den genauen Pfad! Werd mir mal den ersten Band holen. Hab also viel zu tun die nächste Zeit. Lesen!
Jetzt les ich grad Michail Bulgakows "Der Meister und Margarita". Ganz köstlich!
Gruss Alechadro
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Die Diskussion ist ja schon viel weiter fortgeschritten, aber da ich jetzt erst dazu komme, will ich noch mal ein paar Worte zu den zehn Beispielen verlieren.
Ich hatte ja schon vermutet, dass Lomax und ich begrifflich deutlich auseinander liegen und die Liste verstärkt den Eindruck, da ich etwa die Hälfte davon nicht für Fantasy-Mittelalter-Setting Nutzer halte: Den auf die europäische Geschichte zugeschnittenen Begriff "Mittelalter" wende ich z.B. nicht auf außereuropäische Gebiete an, das ist mir viel zu waghalsig. ("Brücke der Vögel"). Gormenghast und Dalemark sind mir zu neuzeitlich geprägt um vom Fantasy-Mittelalter zu sprechen (nebenbei: Nicht jede Aristokratie ist ein Feudalismus; bei den Groans kann ich keinen Feudalismus ausmachen.) und "Erdsee" scheint mir eher ein bronzezeitlich-antikes Setting zu haben. Bei der "Unendlichen Geschichte" tue ich mich schwer; sicher, es gibt Schwerter und Burgen, ein Feudalismus wird angedeutet, aber mir ist das Setting viel zu surreal um es mittelalterlich zu nennen. Harris und Bemman kenne ich nicht, die anderen würde ich schon für fantasy-mittelalterlich halten. Noch ein Punkt: Ist es aufgefallen, dass die jüngste Reihe in den frühen 80ern konzipiert wurde? Sicher, kein Beleg dafür, dass die Fantasy-Mittelalter-Settings ausgelaugt sind, aber auch nicht gerade dagegen. Und schließlich: Wenn ich ein Viertel der Reihe lesen muss, bevor ich was Originelles geboten bekomme, dann greife ich lieber zu etwas, das gleich originell ist.
Und nun zu etwas völlig Anderem: Wenn ohne Erläuterung von "kontrafaktischer Literatur" gesprochen wird, vermute ich, dass der Autor pulpige Weird-Fiction schreibt - so wie Diego Patchen und seine Kollegen halt.
Theophagos
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Zitat: Theophagos Den auf die europäische Geschichte zugeschnittenen Begriff "Mittelalter" wende ich z.B. nicht auf außereuropäische Gebiete an, das ist mir viel zu waghalsig.Nun ja, wie gesagt - ich habe Probleme, den Begriff Mittelalter überhaupt auf Fantasy anzuwenden, zumindest auf die meisten "mittelalterlich anmutenden Werke". Denn in der Regel werden ja nur einige Facetten aus einem breiten Spektrum an Möglichkeiten herausgeriffen, und dann diejenigen Werke diffamiert, die das ein oder andere Element mehr oder minder zufällig aufweisen. Diese Willkür führt dann leicht zur Tautologie, nach dem Motto: Mittelalterfantasy ist schlecht - und was nicht schlecht ist, ist dann irgendwie ja auch keine Mittelalterfantasy mehr Und schon hier in der Diskussion wurde deutlich, dass die "Mittelalterfantasy" durchaus nicht so trennscharf definiert war, sondern sich eher an einem "gefühltem Eindruck" festmachte. Und das möchte ich als geeigneten Qualitätsmarker schon in Frage stellen. Zitat: Theophagos ... Dalemark sind mir zu neuzeitlich geprägt... darum hatte ich den "Fluss der Seelen" aus dem Zyklus genannt, auf den dieser Einwand nicht zutrifft. Und der gerade deshalb ein starkes Argument gegen eine Überbewertung des Settings ist, weil er zeigt, dass die Reihe nicht deshalb gut ist, weil sie neuzeitlicher geprägt ist. Wenn man gut schreibt, kann man das also auch vor einem archaischen Setting. Zitat: Theophagos Wenn ich ein Viertel der Reihe lesen muss, bevor ich was Originelles geboten bekomme, dann greife ich lieber zu etwas, das gleich originell ist.Ich glaube, da hast du mich missverstanden: Ich musste nicht ein Viertel der Reihe lesen, um was Originelles geboten zu bekommen - ich hatte schon ein Viertel gelesen, ehe es mir richtig bewusst wurde. Weil nämlich der Text gerade mit dem altbekannten Muster an der Oberfläche spielt und die Besonderheiten sehr unterschwellig sind. Ein gutes Beispiel für das Spiel mit dem Subtext und gehobenes "Show, don't tell": Die Autorin macht es fühlbar, dass ihre Geschichte anders ist, aber man bekommt es nicht gleich mit dem Exotik-Holzhammer und krampfhafter Originalität um die Ohren gehauen. Zitat: Theophagos Ist es aufgefallen, dass die jüngste Reihe in den frühen 80ern konzipiert wurde? Sicher, kein Beleg dafür, dass die Fantasy-Mittelalter-Settings ausgelaugt sind, aber auch nicht gerade dagegen.Wer weiß, woran es liegt. Wenn jemand sagt, dass man schon in den 80ern und dann nach den HdR-Filmen erneut mit abgegriffener "Mittelalterfantasy" zugekleistert wurde, dann würde ich dem auch nicht widersprechen. Deshalb lese ich auch seit den 90ern deutlich weniger in diesem Subgenre. Ein paar "bessere" Bücher habe ich seither trotzdem noch gefunden - beispielsweise den "Grünen Reiter" von Kristen Britain. Aber Bücher, die einfach auf die ein oder andere Weise gut oder gelungen sind, sehe ich viele, und meistens bleiben die Titel trotzdem nicht so lange im Gedächtnis. Und die wirklich herausragenden Titel, die man sich als exemplarisch merken kann, werden schon seltener - aber das kann ich nicht nur für die Mittelalterfantasy sagen. Vielleicht fallen mir für das Subgenre also keine echten "Perlen" aus neuerer Zeit ein, weil ich in neuerer Zeit viel weniger davon gelesen und deshalb nicht mehr so viel dort entdeckt habe - also ein rein statistisches Phänomen. Es kann auch sein, dass es seitdem tatsächlich immer weniger herausragende Werke auf diesem Sektor gibt. Aber dem muss ich entgegen halten, dass ich in den anderen Gebieten in der Zwischenzeit auch nicht mehr wirklich gute Bücher gefunden habe und Mieville wirklich wie ein Monolith aus meiner Leseerfahrung der letzten 15 Jahre herausragt. Und das relativiert doch sehr die Möglichkeit, dass gerade die "Mittelalterfantasy" ganz besonders ausgelaugt ist. Aus 15 Jahren Leseerfahrung mit moderner SF könnte ich also vermutlich nur eine noch schmalere Liste wirklich guter Bücher zusammenstellen, als vorher aus 10 Jahren mehr oder minder mittelalterlicher Fantasy - trotzdem komme ich jetzt nicht auf die Idee zu sagen, dass man ja keine guten SF-Bücher mehr schreiben kann
Wenn überhaupt, sehe ich eher eine unangenehme Entwicklung bei der Literatur an sich. Aber das ist eine andere Frage, die wirklich anderswo diskutiert werden sollte. Zitat: Theophagos Und nun zu etwas völlig Anderem: Wenn ohne Erläuterung von "kontrafaktischer Literatur" gesprochen wird, vermute ich, dass der Autor pulpige Weird-Fiction schreibt - so wie Diego Patchen und seine Kollegen halt.Hm, schon zwei mögliche Missverständnisse - na, egal. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Leute, die den Begriff hören, Cities nicht gelesen haben Außerdem, schrieb Diego Patchen nur pulpige Weird-Fiction? Die Themen boten doch teilweise durchaus Raum für anspruchsvolle Ausarbeitungen, und wie die Texte letztlich aussahen, weiß man ja nicht Obwohl ich seinen Lektor in der Geschichte durchaus gut fand und ihn noch heute gerne zitiere
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Mein kleiner Nachtrag zum Thema - es gab hier ja Stimmen, die der Ansicht waren, dass die schlechten Werke Programmplätze für bessere Werke blockieren, oder dass die "bösen Verlage" den bereitwilligen Lesern die guten Titel vorenthalten.
Heute habe ich mal wieder Jahresabrechnungen für Bücher erhalten, an denen ich mitgearbeitet habe. Ich gehe davon aus, dass Titel und Zahlen Geschäftsgeheimnisse sind, und daher sage ich dazu nichts. Nur mein allgemeiner Eindruck: Ich habe eine mittlere Existenzkrise, weil ich in diesem Jahr feststellen musste, dass sich wirklich und ohne Ausnahme die Titel umso schlechter verkauft haben, je formal besser ich sie eingeschätzt hatte. Die höchsten Verkäufe hatte ein Buch mit rein funktionalen Charakteren, simpelster und im Original deutlich unpassender Sprache und einer Vielzahl von Sachfehlern infolge unzureichender Recherche. Und das, obwohl diesem Roman eben diese Mängel in jeder Rezension auch bescheinigt werden (so viel nebenbei zum Wert von Rezensionen). Die schlechtesten Verkäufe hat das Buch mit den ausgefeiltesten Charakteren, komplexem Plot und ausgefeilter Sprache (das, nebenbei gesagt, auch in allen Rezensionen gelobt wird. Nur leider zu selten gekauft).
Nun mag der ein oder andere sagen, andere Autoren, andere Genres, oder die Werbung ... Aber leider gibt es auch ein Buch aus derselben Reihe vom selben Autor. Beim Lesen hab ich mir gedacht: "Na, deutlich nachgelassen. Die Figuren sind diesmal ja recht konstruiert, und der Plot ziemlich dünn." Abrechnung: Peng. 20% mehr Verkäufe als der Vorgängerband.
Mein Fazit: Es ist wirklich "der Leser" der die Bücher genau so will. Wenn ein Verlag beides anbietet, greifen die meisten zum simpler gestrickten Buch. Ich kann daraus nur schließen, dass es keine "Verschwörung" und auch keine "Ignoranten" in den Verlagen gibt, sondern dass es schlichtweg eine Nötigung des Marktes wäre, würde man in den Verlagen versuchen, den Lesern mehr in gewissen Kreisen als "gut" empfundene Literatur aufzudrängen. Auch wenn die Zahlen hier nur eine zufällige Momentaufnahme sind und ich genau weiß, dass es Ausnahmen gibt, die nur zufällig bei den Belegen nicht dabei waren. Aber im großen und ganzen habe ich im Augenblick das Gefühl, die Qualitätsdiskussion hier ist doch eine sehr theoretische Sozusagen pure Fantasy
Ach ja, den derzeitigen Verkaufssieger der Sparte Fantasy kenne ich jetzt auch. Der Titel dürfte für aufmerksame Beobachter des Marktes unschwer zu erraten sein.
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Hi,
Ich kann mir vorstellen, dass sich ein Großteil der Leserschaft einfach nur berieseln lassen will und nicht an Literatur im eigentlichen Sinne interessiert ist oder an der Entdeckung von Neuland. Und diese Berieselung ist in flachem Plot vor bekanntem Backround und schwarzweißen Charakteren eher garantiert, als bei Literatur bei der man sich auf neues einlassen muss, sich möglicherweiße sogar konzentrieren um den Stoff oder gar die Figuren noch zu verstehen. Ich habe traurig festgestellt, dass, wenn ich Bücher empfehlend verliehen habe, diese gerade dann mit einem Kopfschütteln zurückgegeben wurden, wenn sie originell waren, weniger mit anderen Büchern vergleichbar und man sich vor allem auf Neues einlassen muss. Ich glaube gerade das fällt vielen schwer. Ich höre oft die Worte " ..ich lese grad..bla....ich wollte mal was einfaches lesen...mich mal berieseln lassen....". Klar wir wollen uns alle zwischendurch mal berieseln lassen, aber so viele wollen eben gerade das. Ich nehme an, dass man dieses Phänomen in der Belletristik auf viele Genres übertragen kann. Wahrscheinlich auf alle.
Gr Alechadro
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Ach ja, wer ist denn der Verkaufssieger in der Sparte Fantasy? Hohlbein? Heitz? Ich bin kein aufmerksamer Beobachter des Marktes.
Ich tippe zum Spass auf Hohlbein.
Alechadro
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Erstmal: einen Krug Trost für Lomax! Kann mir vorstellen, dass so Zahlen ganz schon frustrieren können.
Ich glaub trotzdem nicht an die einseitige Verantwortlichkeit des Publikums am Seichten Mainstream-Lulu. Da fehlen mir folgende Faktoren: Sorgfalt der Aufbereitung; Jeweilige Ambition und Geschick im Ansprechen unterschiedlicher Publikums-Segmente (Vertreter, Platzierung im Laden); PR-Budget für verschiedene Titel.
Ansonsten maln als ganz krasser Vergleich: Die Lage kommt mir ähnlich vor, wie beim Unterschied zwischen Erotika und Porno. Erotik geht halt schlechter als Porno, dafür gibts bei Porno eben alles aufm Tablett, ohne dass man seine imaginären Anatomiekenntnisse auspacken muss. N-a-t-ü-r-l-i-c-h ist Erotika irgendwie anspruchsvoller (und für meinen Geschmack ästhetisch angenehmer) als Porno; ich hab noch keine Pornos mit sowas wie Inhalt gesehen oder gelesen (siehe Ecos Definition des Porno-Films!); aber selbst die derbste Erotika (Photos von z.B. Jan Saudek oder Stories von Henry Miller) transportieren neben der Wixvorlage den ein oder anderen Gedanken oder inhaltlichen Dreh.
Gewissen Publikums-Segmenten kreide ich die Seicht-Fantasy-Leserei nicht an; von der Arbeit kaputte Krankenschwestern/pfleger oder so, haben ein Recht auf entspannende Berieselungslektüre; auch Leseanfänger sollen sich ruhig durch die ganz leichten Werke robben. Ich baue immer noch darauf, dass wer erstmal einige Jahre liest und dabei bleibt, sich von ganz allein einen besseren Geschmack aneignet.
Grüße Alex / molo
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Ich bin ziemlich sicher, dass Markus Heitz mit seinem flachen Geschreibsel der Spitzenreiter bei den Fantasy-Verkaufszahlen ist. Auch einer von den Autoren, die nur unterhalten wollen.... Er äußert dies, als ob ein gewisser literarischer Anspruch und Unterhaltung ganz zwangsläufig (von ihm?) nicht zu vereinbaren sind.
Die Tendenz der (Fantasy-)Leser geht ernüchternder Weise scheinbar doch immer wieder in Richtung literarischen Junkfoods, fett aber ohne jeglichen Nährwert. So wie die meisten Deutschen sich morgens immer noch lieber die BILD zu Gemüte führen, als die Süddeutsche, eher DJ Ötzi hören, als Björk, so lesen sie eben auch eher Heitz als z.B. Miéville. Traurig aber wahr....
Es grüßt ein desillusionierter, aber literarisch anspruchsvoller, oft sehr gestresster Krankenpfleger...
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Zitat: Alechadro Ach ja, wer ist denn der Verkaufssieger in der Sparte Fantasy?Wie gesagt, einzelne Namen und Titel wollte ich bewusst nicht nennen. Aber in diesem Fall ging es mir nicht um einen Autor, sondern um ein konkretes Buch unter den Fantasy-Neuerscheinungen des Verlags. Und da kann ich zumindest sagen, dass man an der Spitze auch genau das finden wird, was derzeit bei den Verlagen in der Sparte der Renner zu sein scheint. Keine Überraschungen also in dieser Hinsicht.
Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen
Zitat: molosovsky Da fehlen mir folgende Faktoren: • Sorgfalt der Aufbereitung; • Jeweilige Ambition und Geschick im Ansprechen unterschiedlicher Publikums-Segmente (Vertreter, Platzierung im Laden); • PR-Budget für verschiedene Titel.Genau deshalb hatte ich auch das Beispiel von den beiden Titel derselben Reihe genannt. Gleicher Autor, gleiche Zielgruppe, gleiche Platzierung. Trotzdem verkauft sich der schwächere Titel besser.
Na ja, vielleicht liegt's ja auch nur am Titelbild. Die sind nämlich auch nicht gleich