Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten - Innenpolitik

Ist linke Gewalt Notwehr? Was können die Ursachen sein und wie ist unsere Bewertung?

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

Zitat: @Trooper aus Copzone

"...das ist einfach sachlich falsch, weil Polizeibeamter und Bürger sich im Einsatz nicht als gleichberechtigte Gegenüber begegnen, sondern es rechtlich gesehen ein klares Über- und Unterordnungsverhältnis gibt. Beide müssen sich an ihre Spielregeln halten, aber für jeden von ihnen gelten unterschiedliche Regelwerke."

... "alle Tiere sind gleich aber manche sind gleicher als andere" (Farm der Tiere von George Orwell, 1945)

... hier sind schon mal zwei gleichere: http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/karikatur/karikatur-galerie/3994.html;jsessionid=2E5E74DA1DB545EFFBDADFCBA54273EC




... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

gelesen in: http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=9567&Itemid=1


Gedächtnisprotokoll des an den Augen schwer verletzten Herrn
(Friedrich W., Einschub bjk)

von www.bei-abriss-aufstand.de






Ich stand im Schlosspark auf der Strasse Richtung Cafe Nil. Links von mir ein kleiner Hügel mit grün uniformierten Polizisten. Einige Menschen, darunter viele Schüler standen bei den Polizisten.

Wir fragten uns, was die Polizei vorhätte. Dann wurden von den Polizisten grüne Hamburger Gitter vorgetragen und aufgestellt. Wir vermuteten, dass die Polizei langsam nach vorne rücken wolle um uns zurückzudrängen. Die Schüler wurden aufgebracht und riefen Parolen wie „oben bleiben“ und ähnliches.

Die Gitter wurden von den Beamten von einem Lastwagen geholt und hergetragen, der auf der Strasse Richtung Cafe Nil stand. Jetzt entdeckte ich in der Nähe der Lastwagen auch zwei Wasserwerfer und einen Scheinwerferwagen.

Ich redete mit den jungen Leuten und merkte, dass viele unter ihnen sehr erbost waren. Die Beamten gingen jetzt zum Teil sehr grob mit den Jugendlichen um und schubsten sie. Dann stand ich mit den jungen Leuten etwas seitlich an der Strasse, da entdeckte ich, dass Riesenfontänen halbschräg nach oben aus einem Wasserwerfer kamen. Ich wurde nass und viele mussten husten, weil das Wasser Reizgas enthielt. Es war wie ein starker Regen von oben. Die Schüler waren sehr erbost. Ich war auch sehr erbost, und sprach mit den Schülern über ihre Erfahrungen, die sie jetzt mit dem Staat machen. Das Echo war überwiegend sehr negativ.

Die jungen Leute versuchten sich mit Planen zu schützen, die sie in ca Zehnergruppen über sich spannten. Das war relativ dünne Folie. Der Wasserwerfer begann jetzt nicht mehr nach oben, sondern nach vorne zu spritzen und fuhr sehr langsam nach vorne indem er die Schüler durch den Wasserstrahl vertrieb. Vor dem Wasserwerfer waren schwarz uniformierte Polizisten. Ich sah, wie etliche Schüler über Biertische und Bänke stürzten, die auf dem Weg standen. Viele lagen am Boden.

Von der Seite des Wasserwerfers schoben uns die Schwarzen Polizisten in die Richtung zu auf die Hamburger Gitter der grünen Polizisten. Wir waren dicht an dicht eingezwängt und wussten nicht, wo wir hingehen sollten. Es lagen inzwischen viele Schüler am Boden und über den Bänken. Als ich dies sah, wollte ich um die Kinder zu schützen, dem Wasserwerferfahrer und den anderen Beamten signalisieren, diesen Einsatz abzubrechen.

Ich erhob meine Arme und winkte mit beiden Armen dem Wasserwerferfahrer und den anderen Beamten zu, um sie zum Einhalten zu bewegen. Ich hoffte, dass  sie vor meinem Alter etwas mehr Respekt haben würden als vor den Schülern. Als ich merkte, dass dies vergeblich war, wollte ich weggehen in Richtung Biergarten. Das gelang mir nicht, da die Menschen sehr dicht zusammengepresst waren.

Dann begann der Wasserwerfer von Neuem zu sprühen, mehr auf der linken Seite vom Wasserwerfer aus gesehen, wo auch ich stand. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, um mich herum stürzten die jungen Leute übereinander und ich über sie.

Ich versuchte wiederum durch Zeichen mit beiden Armen in Richtung des Wasserwerfers den Beamten im Wasserwerfer zum Aufhören zu bewegen. Da bekam ich einen sehr starken Strahl ins Gesicht, ich stürzte und verlor das Bewusstsein. Zwei Menschen haben mich da herausgeholt und in Sicherheit gebracht.

Aufgenommen am 1.10.2010 um ca. 17.00Uhr

http://www.bei-abriss-aufstand.de/2010/10/04/gedachtnisprotokoll-des-an-den-augen-schwer-verletzten-herrn/



... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

Danke, Bernd, für diesen (weiteren) erschütternden Bericht!

Es fehlen einem da schlicht die Worte.
Und besonders schlimm finde ich, dass weder bei der Polizei noch von der Politik irgendeine Art von Reue oder Bedauern über dieses überharte und völlig sinnlose (bedenkt man, dass die Bäume laut Anordnung vom Eisenbahnbundesamt gar nicht abgesägt hätten werden dürfen ...) Vorgehen der Polizei.
Jeder einzelne Polizist muss sich spätestens jetzt fragen, ob er bei dieser Art von Einsatz weiterhin "nur seinen Job" macht (und hier ist in der Tat der Vergleich zur Nazizeit angebracht, in der dieser Satz der beliebteste Selbstbetrug der Mittäter war, die Folgen sind allseits bekannt ...), oder persönliche Konsequenzen daraus zieht, dass diese Art von Einsatz nicht nur bereits viele Straftatbestände seitens der Polizei nach sich zieht (z.B. vorsätzliche schwere Körperverletzung wie im o.g. Fall), sondern vor allem auch gegen Art. 1, Abs.1 des GG verstösst, der da sagt
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
und sich folglich weigert an dieser Art von Einsätzen teilzunehmen

Hier ein weiterer Augenzeugenbericht von Regisseur Volker Lösch zur Polizeigewalt in Stuttgart:

http://direkteaktion.over-blog.de/article-augenzeugenbericht-von-regisseur-volker-losch-zur-polizeigewalt-in-stuttgart-58209954.html

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

gelesen in: http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?f=14&t=58685


Zitat von @Robocop
(menschenverachtenderer Zynismus wie in der gelb markierten Passage geht kaum noch, copzone eben! Einschub bjk)


( ... ) Die Maßnahmen und Zwangsmittel wurde zigfach angekündigt. Jeder weiß, dass Zwang weh tun und Verletzungen hervorrufen kann. Wieso also stellen sich Leute, die schon mehrfach von einem Strahl getroffen wurde, immer wieder frontal vor den WaWe (der 17 jährige aus dem Video), oder stellt sich mit dem Regenschirm davor (der dessen Auge ausgeschoßen wurde) anstatt einfach zu gehen? Aber ich sag ja, sobald man in der Masse ist, wird das Hirn ausgeschaltet.  ( ... )  zum 100sten Mal. Wir dürfen auch sonst Gewalt anwenden. Auch gegen friedliche Bürger und das ist nicht sinnlos, sondern dient der Durchsetzung von polizeilichen Maßnahmen


Zitat von @Trooper (menschenverachtenderer Zynismus wie in der unteren gelb markierten Passage geht kaum noch, Einschub bjk)

( ... ) in meinen ganzen Dienstjahren bei diesem Laden habe ich (wie jeder Polizeibeamte auf der Straße) in einer Vielzahl von Einsätzen auf die eine oder andere Art und Weise Gewalt ausgeübt, um meine Einsatzziele zu erreichen und meine polizeilichen Maßnahmen durchzusetzen. Und das habe ich getan, obwohl ich in meiner gesamten Laufbahn nicht ein einziges Mal ernsthaft von einem Täter angegriffen worden bin. In diesem Sinne ist mein gesamtes Berufsleben nach deiner Lesart also eine einzige verwerfliche Sauerei. Ich kann allerdings in der Tat ganz gut damit leben, daß du mir das vorhältst. Es ist nämlich nicht die Wahrheit, sondern eine ideologisch eingefärbte, realitätsfremde, verzerrte Teletubbie-Wahrnehmung derselben.

Übrigens finde ich es (du magst es glauben oder auch nicht) sehr bedauerlich, wenn ein Mensch sein Augenlicht verliert. Und da ich weder dabei war noch mir bislang (aus Zeitgründen) die zahlreichen Videos anschauen konnte, werde ich hier und jetzt bestimmt nicht ein Urteil darüber fällen, ob der Vorfall in Ordnung geht oder nicht. 



... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

Also, wenn ich den Herrn Polizisten richtig interpretiere, dann ist
Artikel 1 GG
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

nichts anderes als
Zitat: bjk
... eine ideologisch eingefärbte, realitätsfremde, verzerrte Teletubbie-Wahrnehmung derselben.Das erklärt dann natürlich einiges ...

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

Zitat: Andre
 

Das erklärt dann natürlich einiges ...

Lieber Andre, das erklärt ALLES! - Habe vorhin etwa eine halbe Stunde in der Copzone gelesen, mir ist jetzt noch speiübel, was einige Typen dort absondern und von Kollegen inklusive Moderatoren frenetisch beklatscht werden, manchmal ganz offen, manchmal klammheimlich zwischen den Zeilen durchschimmernd

Gruß
Bernd




... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson

... und der Bediener des Wasserwerfers grinst nur

»Strahl gezielt ins Gesicht gerichtet«



Der vom Wasserwerfer der Polizei verletzte Stuttgarter Demonstrant wird heute operiert. Ein Gespräch mit Matthias von Herrmann

Interview: Gitta Düperthal


Matthias von Herrmann ist einer der Demoteilnehmer gegen den Bahnhofsumbau in Stuttgart und Sprecher der »Parkschützer«


jW: Der 66jährige Friedrich W. ist am Donnerstag bei den Protesten der Parkschützer gegen das Projekt »Stuttgart 21« durch einen Wasserwerfer der Polizei schwer verletzt worden – er ist jetzt möglicherweise blind. Wie ist sein Zustand?


Matthias von Herrmann:
Sonntag war ich noch im Katarinenhospital bei ihm, am heutigen Dienstag wird er operiert. Er ist immer noch hell entsetzt über diesen Einsatz und findet es unfaßbar, daß ein Staat mit einer solchen Brutalität gegen seine Bürger vorgeht.

Friedrich W. ist bei den Parkschützern organisiert und wollte am Donnerstag an der angemeldeten Demonstration von Schülern teilnehmen. ( ... )

Ein Video zeigt, wie z. B. der Bediener des Wasserwerfers grinsend am Steuerknüppel sitzt und die Leute wegbläst. ( ... )


weiterlesen in:  http://www.jungewelt.de/2010/10-05/037.php



... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

"Immerhin verkörpern die Polizisten das Gewaltmonopol des Staates. Wenn der Staat diese heikle Aufgabe in junge, unreife Burschen mit Aggressionspotential delegiert, dann ist das schlimm, denn es zeigt, wie wenig die Verantwortlichen sich bewusst sind, welch schmaler Grad hier beschritten wird. Denn wie sollen die Betroffenen und die Zuschauer (egal ob auf der Straße oder im Fernsehen / Internet) je wieder eine normale, vertrauensvolle Beziehung zur Polizei aufbauen, wenn sie solches erlebt haben. Woher sollen sie wissen, dass der Polizist, dem sie nächste Woche auf der Straße begegnen, nicht genauso drauf ist. Solche Erlebnisse hinterlassen einen lebenslangen Schaden - an der Polizei und im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Denn die Polizei repräsentiert den Staat & seine gewählten Vertreter."

aus
http://direkteaktion.over-blog.de/article-36031746.html

Der gesamte Artikel ist sehr lesenswert, enthält unter anderem auch die Statistik:
"Gegen Berliner Polizisten kam es in den vergangenen Jahren häufig zu Ermittlungen wegen Vorwurfs der Körperverletzung im Amt. Im Jahr 2008 waren von insgesamt rund 1500 Strafermittlungsverfahren gegen Polizisten, 636 Ermittlungen wegen Körperverletzung. In 615 Fällen stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, sechs beschuldigte Beamte wurden freigesprochen, verurteilt wurde nicht einer."

...

und wie die Polizei mit Journalisten umgeht, die versuchen deren Praktiken zu dokumentieren:
"Ein anderes Beispiel aus Hamburg belegt, wie sorglos und gleichgültig sich Polizei-Führung und Politik vor die Polizisten stellen:

Am Rande einer Demo in Hamburg waren mindestens fünf Polizisten brutal über den NDR-Fernsehreporter Oliver Neß hergefallen waren, hatten ihn zusammengeschlagen und schwer verletzt. Bei der Prügelorgie versuchten die Polizisten offenbar gezielt, Neß für längere Zeit auszuschalten. Mehrere Beamte sollen den Reporter festgehalten haben. Dann, so die Ermittlungen der Staatsanwälte, habe einer aus der Truppe ihm den rechten Schuh ausgezogen und den Fuß mit aller Kraft "mindestens zweimal nach beiden Seiten verdreht". Beide Bänder am Fußgelenk rissen ab, Neß ist seitdem in ständiger ärztlicher Behandlung. Der Journalist muß mit dauerhaften Schäden rechnen.

Die gesamte Szene war von einer Überwachungskamera gefilmt worden. Doch als die Strafverfolger das Band in den Recorder schoben, sahen sie zwar Szenen der Demonstration, aber genau in der Zeit als die Polizisten brutal über Neß hergefallen waren, flimmerte sechs Minuten lang nur Schnee über den Bildschirm. Zugang zu dem Band hatten bis dahin nur Polizisten und Staatsanwälte.

Ein zweites Video, aufgenommen von einem Polizei-Kameramann, der die Demonstration verfolgt hatte, ist spurlos in den Archiven der Behörde verschwunden. Die Polizei versicherte den Staatsanwälten, dieser Film gebe ohnehin nichts her. Der Kollege habe den größten Teil des Geschehens nur durch den Sucher beobachtet, die Kamera aber nicht eingeschaltet. Ähnlich Merkwürdiges widerfuhr allen Funkmitschnitten des Einsatzes. Sie wurden, angeblich durch ein Versehen, gelöscht, ehe die Ermittler sie auswerten konnten."

...

Da frage ich mich sehr besorgt, wie weit ist Deutschland noch von einer Diktatur entfernt, wenn " junge, unreife Burschen mit Aggressionspotential" in Polizeiuniform im Auftrag von Konzern-Interessen vertretenden Politikern (und auch mal auf eigene Rechnung wie oben) aufrechte Bürger, darunter Frauen, Alte und Kinder zusammenschlagen, zu Krüppeln machen und dafür von der Justiz auch niemals belangt werden können?

Das kann nur, das muss sogar den vehementen Widerstand der Bürger dieses Landes hervorrufen ...

"Die Straße wird zur Tribüne des Volkes immer dann, wenn es von den anderen Tribünen nicht mehr gehört wird.“

Apropos:
http://www.bundesweite-montagsdemo.com/

Bundesweite Montagsdemo:
Berlin, Samstag, 16.10.2010
11:00

S-Bahnhof Prenzlauer Allee
und
U-Bahnhof Hermannplatz

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

[quote:bjk]Zitat: Gast
das mit der toten frau hat sich ja als falschmeldung entpuppt
[/quote und was willst du uns damit sagen?

Dass man jetzt auch vor "100000" Demonstranten auf einer Bühne ins Mikro rufen kann: "Leute, die Frau wurde doch nicht von Polizisten totgeschlagen!"
Wäre aber Käse, passt es doch so gar nicht in die Ideologie?

Re: erste Tote durch Polizeiterror in Stuttgart

... und die Gefahr einer Diktatur wird größer, je dichter Ihr Eurem vermeintlichen Ziel einer Anarchie kommt.