Re: Endzeit.....Bush, helfen Sie uns bitte!
Bush, helfen Sie uns bitte!
15. Nov 07:50
Anhänger von Präsident Gbagbo fordern: "Bush, helfen Sie uns bitte!"
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Der Republik Elfenbeinküste droht ein verheerender Bürgerkrieg. Präsident Gbagbo sucht die Unterstützung christlicher Fundamentalisten in den USA im Kampf gegen Rebellen aus dem mehrheitlich muslimischen Norden.
Von Gernot Kamecke
Die Situation in der Elfenbeinküste bleibt gespannt. Der Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden des Landes war nach einem gescheiterten Putsch gegen Präsident Laurent Gbagbo im September 2002 ausgebrochen. In dem Konflikt stehen sich Anhänger und Truppen des Präsidenten Gbagbo, vor allem aus dem christlich-animistischen Süden des Landes, und die «Forces Nouvelles», die Vereinigung von Rebellengruppen aus dem mehrheitlich muslimischen Norden, gegenüber. Sie akzeptieren nicht, dass Gbagbos Gegenkandidat Alassane Ouattara bei den Präsidentschaftswahlen 2000 ausgeschlossen worden war.
Der Krieg schien mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Marcoussis im Januar 2003 und der Bildung einer Allparteien-Regierung ein Ende gefunden zu haben. Noch im Juli dieses Jahres, nachdem es entlang der neutralen «Zone des Vertrauens» im Zentrum des Landes erneut zu militärischen Auseinandersetzungen gekommen war, trafen sich in Accra, der Hauptstadt des Nachbarlands Ghana, die Konfliktparteien mit den Vertretern Frankreichs, der Uno und der Afrikanischen Union zu einem erneuten Friedensgipfel. Doch der von 6000 UN-Blauhelmen sowie 4000 französischen Soldaten überwachte Waffenstillstand scheint nicht zu halten. Seit einer Woche wird auch die an der Südküste gelegene Wirtschaftsmetropole Abidjan, das «Manhattan Afrikas», wieder von Unruhen heimgesucht.
Bedrohliche Zustände für alle Fremden
Die aktuelle Eskalation nimmt insbesondere für die etwa 12.000 im Land lebenden Franzosen bedrohliche Formen an. Der Konflikt gefährdet inzwischen die politische und wirtschaftliche Präsenz der ehemaligen Kolonialmacht, deren Verhältnis zur Regierung der Elfenbeinküste schon seit dem umstrittenen Sieg Gbagbos bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2000 angespannt ist. Wie am vergangenen Montag von Paris bestätigt wurde, ist in der Woche zuvor bei einem Angriff der Regierungstruppen (FANCI) auf Stellungen der Rebellen, nahe der zweitgrößten Stadt Bouaké im Norden des Landes, auch eine Basis der französischen Armee getroffen worden. Neun Soldaten wurden getötet. Als Vergeltung seien vier Jagdflugzeuge, die sich im Besitz der ivorischen Luftwaffe befanden, «neutralisiert» worden, erklärte die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie.
Demonstranten in Paris: "Wir lieben die Franzosen, aber nicht die Politik Chiracs"
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Im Laufe der Woche ereigneten sich jedoch noch weitere Zusammenstöße vor allem zwischen den «Jungen Patrioten», den militanten Anhängern Gbagbos, und der französischen Armee, die von ihnen für die Schwächung des Präsidenten verantwortlich gemacht wird. Bei Großdemonstrationen am Flughafen von Abidjan und um das Hotel Ivoire im Zentrum der Stadt wurden nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen und des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes etwa 60 Menschen getötet und bis zu 1200 verletzt. Während von bewaffneten Banden berichtet wird, die sich in der Stadt auf die Jagd nach Weißen gleich welcher Nationalität begeben haben, begannen die USA, Kanada und die meisten europäischen Staaten am Donnerstag mit der Evakuierung ihrer Staatsbürger.
Das Schicksal Ruandas droht
Zwar scheint sich die Lage zum Wochenende etwas beruhigt zu haben, nachdem auf Initiative der Afrikanischen Union der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki zu Vermittlungsgesprächen eingetroffen war und die Bürgerkriegsparteien nach Pretoria eingeladen hatte. Auch wurden die «gemischten Patrouillen» durch Soldaten Frankreichs, der Uno und der ivorischen Armee in Abidjan wieder aufgenommen. Jedoch ergeben insbesondere die Stellungnahmen von Seiten der Regierung ein widersprüchliches Bild. Während Charles Blé Goudé, der Anführer der «Jungen Patrioten», zur Ruhe aufrief, heizte ein Sprecher des Präsidenten, Alain Toussaint, die Stimmung weiter an und erklärte, dass Frankreich mit seiner Militäraktion sich endgültig auf die Seite der «Forces Nouvelles» geschlagen und der Republik Elfenbeinküste damit den Krieg erklärt habe.
Laurent Gbagbo
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Mit der jüngsten Herausforderung Frankreichs spielt die Regierung Gbagbo ein gewagtes Spiel. In militärischer Hinsicht verdankt sich der relative Frieden bislang allein der überwachten «Zone des Vertrauens», der den Norden vom Süden trennt, dabei aber den Westen aufspaltet. Ohne die UN-Schutztruppe, die faktisch unter französischem Befehl steht, fürchten manche, würde die Elfenbeinküste bald das Schicksal Ruandas ereilen. Der offene Ausbruch eines über vielfältige ethnische und religiöse Grenzen verlaufenden Bürgerkriegs in dem ehemals reichsten Land des Kontinents, das über Gold und Diamanten verfügt sowie 40 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kakao produziert, hätte mit Sicherheit auch weit reichende internationale Konsequenzen.
Vom Musterstaat zu rassistischen Unruhen
Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts galt die Elfenbeinküste als der «Musterstaat» Afrikas. Die seit 1893 bestehende französische Kolonie, die neben den Akan, Kru, Mande und Senufo über 60 kleinere Ethnien zu einem Vielvölkerstaat zusammengeführt hatte, erlangte die Unabhängigkeit 1956 mit vergleichsweise geringem Aufwand. Der erste Staatspräsident, Félix Houphouët-Boigny vom Stamm der Malinke, ein ehemaliger Minister der französischen Regierung, der von 1960 bis zu seinem Tod im Dezember 1993 das Land regierte, setzte auf eine sehr enge Kooperation mit dem ehemaligen Mutterland. Im Rahmen der «Communauté Française» übernahm Paris die Verteidigung der Elfenbeinküste, so dass Houphouët-Boigny den Erlös aus dem Rohstoffverkauf in die wirtschaftliche Entwicklung des Landes investieren konnte. Die ökonomische Verflechtung mit Frankreich, dessen Staatsunternehmen bis heute die Strom- und Wasserversorgung sowie das Telefonnetz kontrollieren, war so eng, dass man über Jahrzehnte den Eindruck hatte, die Entkolonisierung habe in der Elfenbeinküste gar nicht stattgefunden.
Über dreißig Jahre lang erlebte die «Insel der Stabilität» unter Houphouët-Boigny ein anhaltendes und allein durch die zunehmende Korruption beeinträchtigtes Wirtschaftswunder. Der marktwirtschaftlich orientierte und als weltoffen geltende Präsident unterstützte die Zuwanderung von Gastarbeitern aus Ghana, Mali und Burkina Faso, die heute ein Drittel der rapide wachsenden Bevölkerung des Landes ausmachen. Nach dem Ende der Wachstumsperiode zu Beginn der Neunziger Jahre wurde die Einwanderungspolitik Houphouët-Boignys zum Hauptkritikpunkt der oppositionellen Partei Front Populaire Ivorien (FPI) unter Laurent Gbagbo, einem in armen Verhältnissen aufgewachsenen Historiker, dessen ehemals sozialistische Weltanschauung sich heute in eine Politik der offenen Xenophobie gewandelt hat.
Der Putsch des «Weihnachtsmanns» und die Folgen
Die politischen Probleme des Staates gehen vor allem auf die letzten Regierungsjahre des Gründungspräsidenten zurück, dessen Einheitspartei Parti démocratique de Côte dIvoire (PDCI) zunehmend autokratische Züge annahm. Houphouët-Boigny umgab sich am Ende seiner Amtszeit mit der Aura eines kaiserlichen Herrschers, verlegte die Hauptstadt in seinen Geburtsort Yamoussoukro und ließ dort nach dem Vorbild des Petersdoms in Rom die gigantische Basilika Notre-Dame de la Paix errichten. Wie oft bei afrikanischen Potentaten zu beobachten ist, vernachlässigte er die Regelung seiner Nachfolge. Die Regierungsgeschäfte übernahm nach dem Tod Houphouëts zunächst «Kronprinz» Konan Bedié, der sich den zum Teil mit kriegerischen Mitteln formulierten Ansprüchen der verbotenen Oppositionsparteien jedoch nicht gewachsen sah.
Am 24. Dezember 1999 kam es dann zum Putsch des «Weihnachtsmanns», General Robert Guéi, dessen Militärregierung bis zu den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2000 an der Macht blieb. Zur Ausschreibung von Wahlen wurde General Guéi durch die Massenproteste der sich zu dieser Zeit gründenden «Jungen Patrioten» in Abidjan gezwungen. Der folgende Sieg Gbagbos wurde jedoch vor allem durch den Ausschluss des gemäßigten (und von Frankreich favorisierten) Gegenkandidaten Alassane Ouattara ermöglicht, des ursprünglich aus Burkina Faso stammenden Gründers des Rassemblement démocratique républicain (RDR), der in den neunziger Jahren stellvertretender Direktor des Internationalen Währungsfonds war. Der Oberste Gerichtshof der Elfenbeinküste entschied, dass Ouattara aufgrund seiner «ungeklärten Staatsangehörigkeit» nicht zur Wahl antreten dürfe. In dieser Zeit wurde auch das vom Gbagbolager erfundene Konzept der «Ivorité» verbreitet, das der faktischen Entrechtung der zugezogenen Ausländer gleichkommt und in dem weltweit beachteten Massaker von Yopougon (2000) vorerst seinen traurigen Höhepunkt fand.
Fundamentalisten suchen Anschluss an die USA
Nach der Machtübernahme Gbagbos wuchsen die Spannungen nicht nur im Inneren. Auch die internationalen Beziehungen sind komplizierter geworden, seitdem der neue Präsident, unter dem Vorwand einer nachgeholten Entkolonisierung, außenpolitisch den Anschluss an die Vereinigten Staaten von Amerika sucht. Der Kakaoexport wird inzwischen von US-Konzernen kontrolliert und aus Washington erhält die ivorische Regierung (als Hilfe zur Aids-Bekämpfung getarnt) erhebliche Mittel zur Finanzierung ihrer militärischen Aufrüstung.
Gbagbos Ehefrau Simone Ahivet, eine «wiedergeborene» christliche Fundamentalistin, hat Zugang zu einflussreichen religiösen Milieus in den USA. Ob die Ersetzung der französischen Schutztruppen durch US-Soldaten, die der Präsident offenbar anstrebt, jedoch zur Beruhigung der aktuellen Situation beitragen kann, ist fraglich. Während die UN-Vertreter in New York über eine von Frankreich eingebrachte Resolution über Sanktionen gegen die Elfenbeinküste debattieren, hat Paris vorsorglich zwei weitere Kriegsschiffe mit Panzern und Kampfhubschraubern an den Golf von Guinea entsandt.
LG. Pegus
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