Re: Der erste Satz ...
Sag ich doch!
Sag ich doch!
Eine Gebrauchsanweisung für Short-Stories mitzuliefern ist noch nicht üblich...Aber "epische Gerechtigkeit" braucht jede kleine Geschichte...so wie jeder Roman, so kurz und bündig er auch sein mag...hat Gooetz/Matthias doch auch lernen dürfen...
Hilfe, die Preußen kommen!
Das Photo in seiner Hand war unscharf.
Gleiches galt für eigentlich alles, was ihn betraf. Sein Gesicht und seine Augen waren verblasst und aus der Form geraten, man hatte das Gefühl selbst seine Seele schien in ihm geschmolzen und nun in seine tiefsten Ecken gelaufen zu sein.
"Haben sie sie gesehen?", fragte er.
Es war schon spät, die Haustürbeleuchtung war schon an.
"Einen Moment bitte", sagte ich, lehnte die Tür an und holte meine Brille aus dem Flur.
Das Photo zeigte ein etwa 15-jähriges Mädchen mit schwarzen, kurzen Haaren in Handballuniform.
"Nein, tut mir leid, nie gesehen." Ich nahm die Brille wieder ab und drehte mich nach innen.
"Bitte, nur einen Moment."
"Nein, danke." Ich schloss die Tür, doch er hatte schon seinen Fuß darin.
Ich verdrehte die Augen, hielt inne.
"Bitte."
"Na meinetwegen." Ich drehte mich um.
Es war Freitagabend und alles, was ich zu tun hatte, war stumpfsinnige Comedy-Sendungen sehen oder Foren im Internet besuchen, die mich auch schon seit langem langweilten.
"Sie ist meine Tochter."
"Aha."
"Mittwoch ist sie nicht vom Handball gekommen."
"Hmhm."
"Sie ist ja immer mit dem Fahrrad gefahren."
"Ach so."
"Ich würde mir ewig Vorwürfe machen, wenn ihr was passiert wäre."
"Das müssen sie nicht, es ist nicht ihre Schuld."
"Aber wenn halt was passiert ist ..."
"Ja."
"Und dabei war sie immer so verlässlich, immer pünktlich ..."
Ich trommelte auf dem Türrahmen.
"Hat immer angerufen ..."
Meine Augen verdrehten sich.
"... und hat nie irgendwelche Drogen genommen, noch nicht einmal getrunken!"
Es gab eine kleine Pause, dann klingelte ein Handy in meinem Wohnzimmer.
In ihm schoben sich Dinge zusammen wie die Linsen eines Lasers, der sich jetzt auf mich richtete, darauf vorbereitet mir durch den Schädel zu schneiden.
"Aha. Wie auch immer, sie entschuldigen bitte, ich muss arbeiten", sagte ich.
"Ja ... sicher."
"Ja, dann guten Tag."
"Wenn sie was hören, sagen sie bescheid."
"Ja, mache ich."
"Wirklich, wenn sie was sehen oder so was, rufen sie ruhig die Polizei."
"Ja gut, mache ich."
"Ihr Haus liegt ja auf ihrem Heimweg."
"Ja ich muss dann."
"Sie rufen mich an?"
"Jahaaa."
"Auch wenn sie nur das Fahrrad ..."
"VERDAMMT NOCH MAL. ICH HABE WEDER VANESSA NOCH IHR BLÖDES ROTES FAHRRAD IRGENDWO GESEHEN!"
Wir sahen uns stumm an.
Diesmal waren sie ein für alle mal zu weit gegangen
Er weiß also, dass sie Vanessa heißt und ein rotes Fahrrad hat.
Frag ich mich: Handelt es sich um einen Kriminalfall oder ist die Ich-Figur jener Vanessa behilflich sich aus einem Umfeld abzusetzen?
Frauen neigen zum Gegenteil.
Die Antworten sind alle in der Geschichte. Zumindest erahnbar.
Also wenn es jetzt bei mir klingelt....mach' ich nich' auf.
@Matthias: Eine typische Kurzgeschichte, wo doch jeder weiss, dass der Fottoinhaber wochenlang Fottos an die Bäume pinte....*lach*....Ist so wie mit dem Fahrkartenautomaten?...*lach*...
Hilfe, die Preußen kommen!
Hehe, hg! Eben NICHT wie mit dem Fahrkartenautomaten! :-)
Sicher ist klar, dass der besorgte Fotoverteiler GLAUBT, sie wäre entführt worden. Aber es bleibt und das ist ja gerade gut offen, ob sie entführt wurde oder mit dem Ich-Erzähler gemeinsame Sache macht.
Frauen neigen zum Gegenteil.
Ich finde, der besorgte Vater könnte noch viel panischer rüberkommen. Wenn meine Tochter seit Mittwoch nicht nach Hause gekommen wäre, würde ich nicht so kleinlaut anfragen. Ich würde neben mir stehen, weinen, flehen.
Ich glaube, dieser Satz: "In ihm schoben sich Dinge zusammen wie die Linsen eines Lasers, der sich jetzt auf mich richtete, darauf vorbereitet mir durch den Schädel zu schneiden." soll sowas bedeuten, aber ich verstehe ihn nicht.
Hm, hatte die Nacht die Geschichte nur überflogen...
Das Gespräch durch die geschlossene Tür wäre "krimidramatischer"?
Hilfe, die Preußen kommen!
@Silke: Mit dem Satz hatte ich auch meine Probleme. Mir war der Bezug des "ihm" nicht klar. Was die Geschichte nicht explizit sagt, aber implizit gemeint ist, ist, dass der Vater im Handyklingeln das Handy seiner Tochter erkennt.
Frauen neigen zum Gegenteil.
Ich finde den Dialog unklar. Ich ahnte irgendwie, worauf Du hinaus willst, es ist mir aber zu unübersichtlich. Erst in der anschließenden Diskussion erschloss sich mir ein zaudernes Aha.