Piraten des Falgahten - Schwarze Braut

Im Auftrag des Falgathen IV

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

"Ach so ein Mist", brummte Xiana vor sich hin als sie Heins gebrüllte Befehle hörte. "Konnte das nicht was früher kommen."
Sie schälte sich wieder aus ihren Klamotten und zog statdessen ein altes, fleckiges Hemd und eine Hose an die schon so oft geflickt war, dass man fast nur noch Nähte erkannte.
Genau das richtige für einen Kampf.
Müde trotte sie an Deck und gesellte sich zu Jocke und Hein.
"Das hat aber nicht lange gedauert bis wir den eingeholt haben. Ein ziemlich kurzes Vergnügen oder?"
Von Hein nam sie den Kiker entgegen und schaute in die angegebene Richtung um ihn gleich darauf wieder sinken zu lassen.
"Was soll das denn? Eine Galeere?"
Noch mal schaute sie durch den Kiker und schüttelte den Kopf.
"Das er nicht so weit damit kommt war ihm doch klar oder."
Mit einem Achselzucken gab sie Hein das Gerät zurück und streckte sich ausgiebig in der kühlen Luft.
Dann nahm sie Jocke den Becher ab und leerhte ihn endgültig.
"Na ja. Ich werd dann mal die Geschützmannschaften überwachen. Schließlich muss alles an Ort und Stelle sein wenn es los geht und bei den Neuen bin ich mir nicht so sicher ob sie wirklich die Nerven behalten können."
Jocke bekam noch einen Kuss aufgedrückt bevor sie, Befehle gebend zu den Geschützen schländerte.


Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Stück um Stück holte die Braut auf.
Deutlich war zu sehen, wie die Galeere vor ihnen mit dem Seegang zu kämpfen hatte. Die unteren Ruderreihen waren nicht ausgefahren und die Öffnungen abgedichtet. Trotzdem kämpfte das schlanke Schiff schwer mit der hohen See. Die Brecher warfen die Galeere jedesmal hin und her.
"Sie ist eine der zweiten Generation. Kein Panzerschwein, aber trotz allem ein schwerer Gegner."
Hein schon den Kiker wieder zusammen.
"Und da ist jetzt der Flagedingens drauf? Der Corwen von Herodin?" Jocke hatte seine Joppe schon an und war bis über beide Ohren mit Messern bestückt.
"Das ist die Frage. Ich glaube eigentlich nicht. In meiner Nachricht hieß es, er wäre mit einer Schaluppe in See gestochen. Auch wenn die Nachricht von Landratten war, denke ich nicht, dass sie eine Schaluppe mit einer Galeere verwechseln." Hein verfolgte die Galeere mit den Augen und ließ sich von dem wilden Treiben an Deck nicht ablenken. Geschütze wurden abgedeckt und vorbereitet. Das Deck wuselte nur so von Betriebsamkeit.
"Dann können wir die doch einfach backbords liegen lassen. Soll sich doch wer anderes drum kümmern." Jocke hielt mit ganzer Kraft gegen die Pinne, als ein Brecher auf das Ruder drückte.
"Die Mistkerle bedrohen die Lieferungen nach Perlhafen. Letzte Woche soll sie eine Kogge versenkt haben. Die können wir nicht links liegen lassen. Jedes gegnerische Schiff weniger wird die Versorgungslage der kämpfenden Truppen verbessern." Er zog den Kiker wieder hervor und richtete ihn auf die Galeere.
"Den Burschen kaufen wir uns. Eine bessere Lage als jetzt können wir uns nicht wünschen. Wir sind in Luv-Lage. Der Wellengang behindert die deutlich mehr als uns. Und er kann nur auf offene Meer fliehen. Wir werden ihm keine Chance lassen. Für diese Galeere werden wir den Krieg beenden!" Heins Gesichtszüge verhärteten sich zusehends.
"Steuerbordbatterie klar zum Gefecht!" kam es vom Deck.
"Backbordbatterie gefechtsklar!" war kurz darauf zu hören.
Hein schaute auf die Seeleute der Braut.
Fiete, wie er heraufschaute und auf die nächsten Anweisungen wartete.
Pöpke, hinter einem der Langlaufgeschütze am Bug.
Tietje als Geschützmeister des "langen Johannes" kratzte an der Geschützmündung herum.
Hauke eins, Rudgar, Bohlen-Anni...
Frauke, die mit Bandagen und Mull in Richtung Messe hetzte.
Mattes, Fiete, Wanja...
Xiana, zwei Leute zusammenschiss, weil sie ein Tau nicht vernünftig angschlagen hatten.
Piet Speigatt am Bugspriet in herrischer Pose, ein Bein auf dem Schanzkleid, den Blick in der Unendlichkeit.
'Gut!' dachte er bei sich, 'gut, wir tun was wir können.'
"Fädddääääär! Aufs Achtääärdäääck!" brüllte er dann.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Runkel, vom Hochseehafen bis zur Skanseborg:

Das langsam herbstliche Wetter hatte die einlaufende Zahl an Schiffen kaum vermindert. Noch immer lagen Bussen, Byrdinge, Knorr und manchmal eine Nef oder eine Kogge am Kai des beschaulich kleinen Hafens. Kai und Lagerhäuser waren in einen dauerhaften Markt verwandelt worden, der zuletzt nicht nur von norglawischen Schiffen aus Geiranger beliefert wurde, sondern zusehends auch andere nordische Seefahrer anzog. Es sprach sich rum...
Neben deren Schiffen schwankten kleine Fischerboote vom Festland, als diese frisch erworbene Ladungen übernahmen. Was zuerst als verbotener, aber lukrativer Schmuggel begonnen hatte, um die unter dem Krieg leidenden Dörfer entlang der Küste zu versorgen, nahm nun wesentlich offiziellere Züge an. Seit Herodin zuletzt vermeintliches Kriegspech hatte und die Fischer nicht mehr um Leib und Leben fürchten mußten, hatte Ihre Zahl noch erheblich zugenommen.

Brynjar Kolskeggur, genannt der schwarzbärtige Brynjar, schüttelte den Kopf. Neben dem Kommando über die Landstreitkräfte Geirangers und die Verteidigung der Nordmann-Schanze hatte er auch die Aufsicht über den Hafen sowie über die Sicherheit und Ordnung des kleinen Ortes aufgedrückt bekommen. Aber er war ein leidensfähiger Hersir und hatte sich der Sache rasch angenommen. Nun wachten in Kettenpanzer gehüllte Nordleute am Kai und patrouillierten in den Gassen. Auf diese Weise konnten Streitigkeiten zwischen Einheimischen und leicht reizbaren Nordleuten rasch beigelegt werden, Streitigkeiten, die meist auf Mißverständnissen und Unwissen begründet waren. Zudem hatten seine Leute damit eine sinnvolle Beschäftigung und sie waren auf Order des Jarls der Flotte dazu angehalten, unparteiisch aufzutreten, was sicherlich nicht immer leicht fiel.

Zudem überwachten die Männer aus Norglaw die Ausgangssperre rund um Runkelhafen, denn Fremden war es nicht gestattet, sich frei auf der Insel zu bewegen. Insbesondere war es Ihnen nicht erlaubt, sich den Verschanzungen der Nordleute zu nähern oder diese gar zu inspizieren. Zu nah war der Krieg vor kurzem noch gewesen, um eine solche Leichtfertigkeit zuzulassen. Deshalb waren auch Posten über die Insel verteilt worden, die gleichzeitig auch als Frühwarnsystem mit Leuchtfeuern ausgestattet waren.

Diese Ausgangssperre galt freilich nicht für einheimische Runkeler, mit denen das Geirangersche Heer auf ein gutes Zusammenleben bedacht war. Nachdem man im Frühjahr Disting, also das Fröblót, gefeiert und hierzu die danglarischen Nachbarn eingeladen hatte, fand ein reger Kulturaustausch statt ... auch wenn einheimische Bräuche, wie zum Beispiel frisch ausgegrabene Runkelrüben über die Felder zu werfen, also den „Kloot“, was man mit Klumpen recht gut übersetzen kann, zu „scheeten“, also zu schießen, seltsam anmuteten. Ferner das seltsame Klootstockspringen über die Entwässerungsgräben verwunderte die Nordleute allgemein, aber solange hierbei ein starker Brand gereicht wurde, war man zu jedem Unfug bereit.

Alles in allem war es eine ruhige Zeit, in denen das Geirangersche Heer sich auf eine weitere Überwinterung auf Runkel vorbereitete. Hierzu kauften sie die nötigen Waren ein und legten Lager an, überholten nochmals die Schiffe, mit denen Sie ebenfalls Patrouillen entlang der Westküste Danglars fuhren oder sie zum Handel und Fischen nutzten. Wie gesagt, alles in allem eine ruhige Zeit, aber selbst im kleinsten Haus der Skanseborg hatte es sich herumgesprochen, daß der Jarl bald Besuch erwartete. Besonderen Besuch, der Abwechslung und neue Beute versprach... und so begannen die Drængir ihr Rüstwerk zu überprüfen und jene Sitzkisten zu füllen, welche als Sitzbänke auf den Langschiffen dienten. Der Wyrm wurde unruhig...

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Am Fockmast der Braut flatterte der Säbelzahn, am Großmast die ameländer Gräte. Fedder Jan zog neue Signale an den Fockmast. Hurtig zog er sie hoch. Mit einem kurzen Ruck entfaltete er die Flaggen. 'sofort beidrehen' und 'Flagge streichen' hatte er gesetzt.
"Bugbatterie, einen Schuß vor den Bug setzen."
Hein zog den Kiker hervor und beobachtete das gegnerische Schiff. Krachend entlud sich eines der Langlaufgeschütze am Bug. Einige Augenblicke später war kurz vor der Galeere ein Wasserfontäne zu erkennen. Das Heck der Galeere hüllte sich in Rauch. Weit vor der Braut spritzte das Wasser auf. Erst dann war der Geschützdonner der Galeere zu hören.
"Ich denke nicht, dass sie sich ergeben wollen." meinte Hein schmunzelnd zum Jocke.
"Jepp," antwortete der. "die ergeben sich nicht."
Hein nickte ihm zu. Piet stand derweil am Bug und hielt eine flammende Rede. Wortfetzen wie "Ehre!" "Rache!" und "Beute!" hallten hoch zum Achterdeck.
"Ruder hart steuerbord! Freiwache nach Luv!" Brüllte Hein über das Deck.
Elegant schwang Braut herum. Ohne auch nur einen Atemzug seiner Rede auszulassen, schwang sich Piet Speigatt an das backbord Schanzkleid. Und die Freiwache tat es ihm nach.
"Steuerbordbatterie klar zum Feuern!"
"Steuerbordbatterie ist klar!"
"Feuer!"
Aus zehn Geschützrohren donnerte Rauch und Feuer und sirrend flogen die Geschosse in Richtung Feind.
Piet feuerte die Manschaft zu Jubelorgien an.
"Ruder hart backbord! Fertigmachen für die Halse!"
Das Schiff schwang wieder herum.
"Buggeschütze Feuer frei!"
Krachend entluden sich die beiden langen Buggeschütze. Dann war das Schiffe herum und die Gaffelbäume schwangen nach backbord.
"Backbordbatterie klar zum Feuern!"
"Backbordbatterie ist klar!"
"Feuer!"
Die Backbordseite der Braut verschwand in einer schwefeligen Wolke. Und wieder jagte Geschoße in Richtung Feind.
"Steuerbordbatterie ist geladen." kam es von Deck herauf gerufen.
Splitternd krachte eine Eisenkugel duch das Schanzkleid des Zwischendecks und riss dem Fiete den Unterschenkel weg. Er wurd bleich wie Schnee und brach zusammen als das Blut nur so aus dem Stumpf schoß.
"Ruder hart steuerbord! Fertigmachen für die Halse!" brüllte Hein unerbittlich.
Xiana hatte sich mit Fedder den Fiete geschnappt und brachten ihn in die Messe, in der Frauke und Roxsane das Lazaret aufgebaut hatten.
Derweil war das Schiff wieder herum und wies mit der Steuerbordseite auf die Galeere.
Wieder schlug eine ganze Breitseite in die Galeere ein. Diese versuchte immer noch vor dem Wind vor der Braut zu fliehen. Aus dem Heck des Ruderschiff qualmte es schon. Diese Salve der Braut riss das Ruder ab und zerschlug den Großmast mit dem Lateinersegel. Die Ruder der Backbordseite kamen aus dem Takt und das Schiff began unkontrolliert abzudriften.
Die Braut tanzte wieder herum und ein erneuter Geschoßhagel jagte in die Galeere. Flammen schossen hoch, und der zweite Mast brach auf halber Höhe entzwei. Aus der aufgerissenen Seite des schlanken Schiffes fielen oder sprangen menschliche Leiber. Dann schien es so, als würde der Sturm einen Augenblick inne halten und das Wasser ebenso. Krachend flog in einer Feuerlohe das Vorderschiff auseinander. Rauchende, brennende Trümmer flogen in weitem Bogen in die See.
Das Heck hielt sich noch einen Augenblick aufrecht, dann kippte es zur Seite hinunter in die See.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Auf der Skanseborg, der Nordmannschanze auf Runkel:

Es hatte sich unter den Drængir bereits rumgesprochen und als die Gäste am Morgen ächzend und sich den Bauch haltend die Havahål, die Große Halle der Skanseborg und Sitz des Jars zu Geiranger, verlassen hatten und zu ihrem Schiff zurückeilten, wurde ihre Hoffnungen durch die baldige Einberufung der Hersire und Schiffsführer bestätigt.

Am Abend zuvor noch war das ameländer Schiff leicht beschädigt in den Tiefseehafen von Runkel eingelaufen. Der schwarzbärtige Brynjar war zum Kai hinunter geeilt und hatte das Festmachen der „Schwarzen Braut“ höchst selbst beaufsichtigt. Rasch ließ er ihr die nötigen Arbeiter und Schiffsbauer zuweisen, wobei er sie auch gegen jedweden Unwillen von anderen Schiffen abzog, welche im Hafen lagen. Als alles zur Zufriedenheit des ameländer Hersirs bereitet war, verließ dieser sein Schiff und folgte Brynjar zu jenem lang erwarteten Treffen auf der Skanseborg.

Gespannte Blicke folgten der kleinen danglarischen Gesandtschaft, als sie in Mäntel gehüllt die schweren Holztore der Nordmannschanze passierte. Die ganze Nacht über quoll die Rauchfahne des Herdfeuers aus dem Rauchabzug der Großen Halle und die Wachen auf den Wällen ließen nicht nur wachsame Augen über das Umland schweifen, sondern es folgte stets ein ungeduldiger Blick hinüber zur Großen Halle.

Am folgenden Morgen jedoch kam Betrieb in das Heer der Nordleute. Der Rat der Hersire hatte unter Jarl Hroc Earricson gute zwei Stunden getagt, dann war man hinausgeeilt. Männer wurden gemustert und Schiffsmannschaften neu geordnet oder aufgestockt. Nicht ein jeder konnte die Fahrt antreten, denn es mußte eine ausreichende Besatzung auf der Insel zurückblieben. Gleichwohl war man angespannt, als dennoch alle Langschiffe der Flotte bemannt wurden.

Das Auslaufen der Langschiffe war sicherlich nicht wenigen auf Runkel entgangen und so ließ man im Hafen gezielt Gerüchte über den Grund des Auslaufens der Schiffe verbreiten: Es sei eine unerwartete feindliche Galeere aufgetaucht, bei deren Gefecht und Versenkung auch das ameländer Schiff beschädigt worden sei. Nun galt es die Küsten nach weiteren Gefahren und dem Versteck der bereits versenkten Galeere zu suchen. Dies entsprach sogar ein wenig der Wahrheit, denn einige der Langschiffe würden genau dies tun und damit das Verschwinden der „Lagan’s Erbe“ und der „Raubmöwe“ mit Kurs Nord-West decken...

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

"Also lieber den Walroßzahn und nicht den vom Narrwal?" Hein schob eine spiralig gedrehte Stange beiseite. Dann nahm er von der Koje den über eine Elle langen Zahn in die Hand.
"Da schnitzt dir der Zimmermann auch noch eine wundervolle Galeere drauf mit Takelage und allem. Damit bist du der Hit in jedem Hafen. Wenn der Jupp noch leben würde, würd der bestimmt versuchen, dir das Schmuckstück wieder abzusägen."
Der bleiche Fiete in der Koje schaffte es zu grinsen.
"Also halt die Ohren steif und futter ordentlich in dich rein, wir werden dich bald wieder brauchen. Und so die ganze Zeit faul auf der Haut liegen, das tut keinem Seemann gut."
Fiete nickte eifrig.
Hein klapste ihm auf das gesunde Bein und machte sich langsam wieder auf den Weg aus dem Krankenlager heraus. Sie hatten Glück gehabt. Das Gefecht mit der Galeere hatte drei Schwerverletze und ein paar Kratzer gekostet. Dieses Glück hatten sie nicht immer gehabt. Und die Braut hatte auch nicht viel abbekommen. Nur der Schaden am Ruder hatte sie gezwungen Runkel anzulaufen. Aber binnen einer Nacht hatte der Schiffszimmermann auch mit der Hilfe der Nordmänner den Schaden wieder behoben. Hoffentlich hatten sie nicht zu viel Zeit verloren.
Sie mußten nach Norden.
Schnell.
Der Mistkerl durfte Ihnen nicht entkommen.
Hein war wieder an Deck angekommen. Der frische Wind trieb die Braut über das Wasser. Fast jeder Fetzen Segel war gesetzt und die Braut kränkte gut nach steuerbord.
"Brasst die Großmarsrah!" brüllte er an die Wache.
Es ging ihm wieder einmal nicht schnell genug. Obwohl die Braut nur so durch das Wasser rauschte. Fast direkt nach Norden.
Zur Tiranaischen Meerenge.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Die Abenddämmerung war nicht mehr fern. Immer wieder leichte Schneeschauer und dann wieder klarer Himmel hatte die Zeit bisher nicht langweilig werden lassen. Obwohl sie schon zwei Wochen in dieser schmalen Bucht vor Anker lagen. Zwei Wochen! Und noch immer keine Spur von der "Schaluppe", die Corwein von Herodin in die Mittellande bringen sollte. Immer wieder fragte sich Hein, ob sie das Schiff verpasst hatten.
Hätten sie die Galeere segeln lassen sollen?
Hätten sie auf die Besprechung mit den Geirangern verzichten sollen?
Hätten sie die Braut auf See reparieren sollen?
Müßiges Geschwätz sagte er sich immer wieder.
Nein, sie hatten richtig gehandelt. Die Galeere hatte die Versorgungswege bedroht. Und die Reparatur war dringend notwendig gewesen. Man stelle sich vor, die Braut in einem Gefecht schlecht zu manövrieren. Schon bei dem Gedanken sträubten sich bei Hein die Nackenhaare.
Nach dem guten Essen in der Messe vertrat sich Hein die Beine auf dem Achterdeck. Eingemummt in seinen Fellmantel ließ sich der kalte Wind gut ertragen. Am Heck des Schiffes stand Roxsane. Allein am Schanzkleid. Sie hielt die Arme verschränkt, wie Frauen es gern tun, wenn ihnen kalt ist. Hein stellte sich schweigend neben sie und legte den Arm mit eine Menge Fellmantel um sie, um sie zu wärmen. Kurz schaute sie hoch und kuschelte sich dann dankbar an Hein.
"Hey, ihr beiden!" brüllte Jocke vom Niedergang her. "Schon wieder am turteln?"
Hein zog erschrocken den Arm zurück und wurde ein wenig rot. Er murmelte sich irgend etwas in den Bart. Roxsane grinste.
"Hast du Piet gesehen? Ich vermisse ihn schon seit einer Weile." sagte Hein, eigentlich nur, um etwas zu sagen.
"Jepp,..." meinte Jocke. "...der ist vor einer Glasen an Land gegangen. Er wollte auch mal vom Ausguck spähen. Achja..." fügte Jocke noch breiter grinsend hinzu. "...deinen Kieker, den großen, hat er auch mitgenommen."
Hein wurde noch roter.
"Was? Er hat..."
Weiter kam er nicht.
"Signal vom Ausguck! Signal 'Schiff in Sicht!'"
Hein blieb einen Augenblick mit offenem Mund stehen. Dann schloß er ihn.
Das war mal wieder typisch.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Die Lame hatte Anker geworfen. Fidrahl hatte das Schiff beidrehen und Segel reffen lassen. Des nachts wollte sie nicht in die Tiranaische Meerenge einfahren. Die Gewässer waren ihr zu tückisch. Nein, wie peinlich wäre es, des nachts auf ein Riff zu laufen. Welchen Eindruck würde das hinterlassen bei den primitiven Ostlingen hier. Nein, nein, die Lame würde mit dem Morgengrauen in die Meerenge einfahren. Schließlich hatten sie nichts zu befürchten. Kein Schiff in diesen unterentwickelten Landen konnte es mit der Lame aufnehmen. Keines war schneller und konnte es dann wagen, den Kampf gegen die Lame aufzunehmen. Sie lächelte müde.
Und dann dieser Auftrag.
Ihr Passagier trieb sie zur Weißglut. Wir müssen unbedingt noch dahin, oder dorthin, wie immer diese Ländchen auch hier hießen. Trigardine oder sowas. Oh, werte Kapitänin, das ist höchst wichtig.
Merde, hätte sie ihm gern ins Gesicht gesagt. Aber man war ja höflich. Und zuvorkommend. Man erfüllte den Kontrakt, der nun, wie sollte man sich ausdrücken, unanständig lukrativ war. Gold war ein kühles Seelenpflaster.
Der Wind hatte gecamlt und die Dünung nahm merklich ab. Es würde eine ruhige Nacht werden für diese Jahreszeit.
"Deckswache abtreten, Sechserankerwache für die Nacht." Ihre gewohnt ruhige Stimme mußte sich nicht einmal anstrengen, um die Nachtgeräusche zu übertönen.
Sie wollte noch ein wenig die frische Luft genießen und eine Pfeife von dem feinen Rauchkraut genießen, bevor sie dann das Kommando an Pierre weitergab. Und dann zur Nachtruhe. Francois hatte bestimmt schon das Bett gewärmt. Sie grinste. Nein, dachte sie, heute nur eine Massage vor dem Schlafen. Heut war sie zu müde.
Licht blitzte von steuerbord auf. Dann krachte es. Pfeifend jagte etwas heran. In die Takelage. Fidrahl warf sich hin. Die Fockmarsrah krachte herunter. Klüvertstag und steuerbord Fockwanten rissen mit einem Knall. Pierre wurde der halbe Oberkörper abgerissen. Fidrahl wandte den Kopf zu den Positionslichtern, die sie nicht hatte löschen lassen. Eine weitere Salve rauschte heran. Vom Quaterdeck läutete die Schiffsglocke Alarm. Nicht dass es nötig wäre. Wieder rissen Stags und Brassen. Die Großrah kam herunter und riss das backbord Schanzkleid ab. Als das Pfeifen aufhörte schwang sie sich auf die Füße.
"Alle Mann an Deck! Bewaffnet euch und bemannd die Geschütze!"
Diesmal war ihre Stimme in dem Chaos nur schwer zu hören.
Sie versuchte zu peilen, aber auf der Steuerbordseite war nur dunkel zu sehen. Dann wieder Mündungsfeuer. Kurz konnte sie Umrisse und Schatten erkennen. Sie glaubte das Schiff zu erkennen.
Dann war die Welt voller Splitter und der Besanmast barst und nahm die halbe verbliebene Takelage mit.
Ein wütender Aufschrei von ihr und ein dumpfer Geräusch.
Schlagartig wurde es dunkel vor ihren Augen.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

"Feuer!"
Wieder flogen Ketten in Richtung des Franzosen. Nur schlecht war zu erkennen was sie denn trafen. Zu dunkel war die Nacht und zu wenig beleuchtet das gegnerische Schiff. Nun wußten alle, warum sie Hein auch im Dunkeln das Laden und Feuern der Geschütze hatte üben lassen. Bis zum Erbrechen, bis sie es im Schlaf konnten. Jetzt brauchen sie es. Trotzdem war es zu einer Pulververpuffung an Deck gekommen.
"Neue Ladung Kartätsche! Drebassen nach backbord!"
Dicht glitt die Braut an den Franzosen heran. Jocke fühlte sie mehr als dass er sah, wo die Braut hinglitt. Doch die Sicht wurde langsam besser, der Franzose brannte an einigen Stellen. Die Braut würde bugwärts an ihm vorbeirauschen.
"Geschütze einzeln feuern! Räumt mir das Deck leer!"
Krachend entluden die die Backbordgeschütze, Eines nach dem Anderen. Dazwischen das heisere Bellen der Drebassen. Gefüllt mit Schrott, Schusternägeln, aber auch schon mit kleinen Kugeln.
Der Franzose hatte seinen Besan verloren und die Rahen des Großmastes. Der Fockmast hatte schwere Schäden genommen und die Marsspirre war weg. Das Schiff war so gut wie bewegungsunfähig.
"Klarmachen zum entern, Drebassen weiter Kartätschenfeuer!"
Langsam war die Braut wieder herum geglitten und kam jetzt von achtern längsseits. Ein einsamer Schuß der Heckbatterie des Franzosen riss den Vierfinger Svente von den Beinen. dann war die Braut heran. Mit Bootshaken und und Entereisen zogen sie den Franzosen die paar Ellen die fehlten heran. Mit Gebrüll und gezogenem Bolger, Belegnagel und Dolch, Marlspiekern und Faßhaken stürmte die hungrige Meute auf das Deck des Franzosen.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Jocke hatte mit gut 15 Mann das Achterdeck des Franzmann geentert. Hier standen noch drei oder vier Mann, gut 10 oder 15 lagen in ihrem eigenen Blut. Der Kampf war kurz und blutig. Pöpke holte sich einen langen Schnitt am Arm und Xiana einen verstauchten Fuß, nachdem sie über einen Franzosen gestolpert war. Hein war auf dem Achterdeck der Braut geblieben und versuchte einen Überblick über den Kampf zu erhalten. Offensichtlich stand keiner der Offiziere der Lame mehr, zumindest war keiner mehr an Deck. Auf dem Halbdeck hielten sich die Franzosen recht gut. Dort waren sie gut geschützt gewesen vor den Kartätschenangriffen der Braut. Auf dem Haupdeck sah es schlimm aus. gut 20 Franzosen waren auf der steuerbord Seite zusammengedrängt worden. Keiner schien unverwundet. Bestimmt 50 Seeleute der Braut hatten sie dort zusammen getrieben unter der Führung von Kapitän Piet Speigatt. Messer, Faßhaken und Marlspieker trieben dort blutigen Zoll ein. Auch auf dem Bugkastell wurde noch gekämpft.
Hein warf Pöpke und Jocke je eine geladene Drebasse zu. Jocke fing sie leicht, während Pöpke sich mit dem Ding auf den Hintern setzte. Danach gab der alte Seemann dem Fedder und Hauke an den weiteren Drebassen auf dem Achterdeck der Braut einen Wink. Sie legten die Geschütze auf die verbleibenden Franzosen an. Das taten auch Jocke und kurz darauf, knapp unter ihm, Pöpke. Mit seiner Achterdeckstimme brüllte Hein über das Chaos auf dem Franzosen hinweg.
"Ergebt euch, ergebt euch, und ihr werdet verschont!"
Der Kampfeslärm wurde etwas leiser.
"Ergebt euch sofort, und euch wird nichts weiter geschehen!"
Einen Augenblick herschte Stille. Dann bemerkten die Franzosen die auf sie gerichteten Drebassen und die Übermacht die gegen sie stand.
Sie schauten sich an. Und dann, einer nach dem anderen legten sie ihre Waffen nieder. Von den Leuten der Braut brandete Jubel auf.
Hein sprang auf das Achterdeck des Franzosen und zog seinen Bolger und schnitt die Leine zur Flagge des Franzosen ab. Mit einem leisen Rauschen fiel die Flagge ins Meer.
'Soweit so gut!' dachte er.