Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kindesmisshandlung

Jugendamt Bremen: Fall Kevin

Jugendamt Bremen: Fall Kevin


Fall Kevin: Suspendierter Amtsleiter verteidigt seine Arbeit

Bremen (ddp-nrd). Der nach dem Tod des zweijährigen Kevin suspendierte Leiter des Bremer Amtes für Soziale Dienste, Jürgen Hartwig, hat seine in die Kritik geratene Amtsführung verteidigt. Er habe lediglich die Aufträge von der Sozialbehörde zur Umstrukturierung des Amtes ausgeführt, sagte Hartwig vor dem Untersuchungsausschuss im Fall Kevin. Er sei davon ausgegangen, dass die zahlreichen Vorgaben umsetzbar gewesen seien. Unter anderem sollten 90 Stellen eingespart und das Amt in zunächst zwölf und später in sechs Sozialzentren untergliedert werden.

Während des Reformierungsprozesses sei «keine Zeit zum Luftholen» gewesen, betonte Hartwig. Deshalb habe er es auch verpasst, die Umsetzung der Vorgaben zu überprüfen. Er habe zwar bei den Mitarbeitern eine «deutliche Verärgerung über die Zunahme des Drucks» gespürt. «Ich habe aber angenommen, dass die Dinge leistbar sind», sagte Hartwig. Er gab zu, auf Hinweise von Mitarbeitern zu einer Arbeitsüberlastung zum Teil nicht reagiert zu haben.

Dass sich mit der Zeit die Amtsführung und die Sozialzentren in zwei Welten bewegt hätten, wie der Ausschussvorsitzende Helmut Pflugrath (CDU) sagte, habe er nicht bemerkt. Er habe auch keine Veranlassung gehabt, anzunehmen, dass die Dienst- und Fachaufsicht, wie im Fall Kevin geschehen, nicht funktioniert habe.

Nach dem Tod des zweijährigen Jungen, der unter der Obhut des Jugendamtes gestanden hatte, war Hartwig in die Kritik geraten. Er hatte gegen sich selbst ein Disziplinarverfahren eingeleitet und wurde bis auf weiteres von seinen Aufgaben entbunden. Vor dem Ausschuss bestätigte er, dass er inzwischen mit der Hochschule Bremen in Verhandlungen für einen Forschungsauftrag stehe.

28.02.2007 Sab
http://www.e110.de/artikel/detail.cfm?pageid=67&id=80337

 

Re: Jugendamt Bremen: Fall Kevin

18. Dezember 2006
 
FALL KEVIN
Justiz klagt Jugendamt an

Unmotivierte Sozialarbeiter, Ignorierte Knochenbrüche, schlecht sortierte Akten - Im Fall des getöteten kleinen Kevin aus Bremen erhebt die Justiz erneut schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt.

Bremen - Ab einem bestimmten Zeitpunkt seien die Handlungen "bei aller Liebe mit einem normalen Dienstverhalten nicht mehr in Einklang zu bringen", sagte der Bremer Justizstaatsrat Ulrich Mäurer zu Beginn der öffentlichen Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses zum Fall Kevin.

Nach Angaben der Familienhebamme hatten die Eltern schon vor der Geburt keine fürsorglichen Gefühle für das Kind gezeigt. Beispielsweise habe die drogensüchtige, HIV-kranke Mutter auf den Rat einer Helferin hin die Einnahme von Medikamenten verweigert, sagte die beim Gesundheitsamt beschäftigte Hebamme Kai Julia Jung-Schneider. "Es gab nichts, wo ich sagen konnte, das ist jetzt mütterlich", erklärte sie. Bei einer Fallkonferenz wenige Wochen nach der Geburt von Kevin "war sehr klar, dass die Frau zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage war, für das Kind zu sorgen". Sie habe Zweifel daran geäußert, dass die Eltern dies je können würden.

Den für die Familie zuständigen Sozialarbeiter habe sie als unengagiert und konzeptlos erlebt. Er habe sich auch desinteressiert gezeigt, als sie ihm bei einem Anruf im Sommer 2005 eine dramatische Beobachtung schilderte. Sie habe die Eltern zwei Tage zuvor gesehen, wie sie unter massivem Drogeneinfluss nicht mehr in der Lage gewesen seien, das Baby zu füttern.

Die Leiche Kevins war am 10. Oktober dieses Jahres im Kühlschrank beim drogensüchtigen Ziehvater Bernd K. gefunden worden. Am 5. Juli hatte der Arzt, der den 41-Jährigen mit Methadon versorgte, das Kind zuletzt gesehen. Das unter Amtsvormundschaft stehende Kind wies zahlreiche alte und neue Knochenbrüche auf. Kurz vor seinem Tod erlitt er einen offenen Oberschenkelbruch. Die genaue Todesursache steht Mäurer zufolge aber immer noch nicht fest.

Bernd K. steht unter Totschlagsverdacht. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Sachbearbeiter und den Amtsvormund wegen Verdachts der Vernachlässigung der Fürsorgepflicht.

Vom Bildschirm der Behörden verschwunden

Mäurer hatte im Auftrag des Bremer Bürgermeisters Jens Böhrnsen unter anderem anhand von Jugendamtsakten einen Bericht über Zusammenhänge und Abläufe in dem Fall erstellt. Bei den Akten handele es sich um eine "Lose-Blatt-Sammlung", sagte Mäurer. Daraus sei nicht zu erkennen, auf Grund welcher Fakten Entscheidungen getroffen worden seien. Der Justizstaatsrat kam zum Ergebnis, dass sich die Verantwortlichen fast nur um das Wohl der Eltern gekümmert hätten.

Direkt nach seiner Geburt im Januar 2004 sei Kevin für viele Monate "vollständig vom Bildschirm der Behörden verschwunden", sagte Mäurer. "Wenn meine Schilderung zutrifft, ist es schon ein kleines Wunder, dass der Säugling überhaupt die nächsten Monate überlebt hat." Schon im Alter von acht Monaten sei Kevin wegen Brüchen und Misshandlungen in die Kinderklinik gekommen, doch habe dies nicht zu einem Strafverfahren geführt.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, wies im ZDF auf die prekäre Situation der Jugendämter hin. "Viele Jugendämter in Deutschland sind so schlecht ausgestattet, finanziell und personell, dass sie ihre Aufgaben wirklich nicht mehr wahrnehmen können." Die Ermittlungen im Fall des verdursteten Säuglings Leon Sebastian aus dem thüringischen Sömmerda konzentrieren sich weiter auf die Mutter. Weder gegen den Vater des Babys noch gegen das zuständige Jugendamt liefen Ermittlungen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt.

reh/AP

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,455342,00.html

Re: Jugendamt Bremen: Fall Kevin

Aktuell Gesellschaft Kriminalität Blumen und Stofftiere im Gedenken an den toten Kevin

Kevins Leiden

Chronik eines tödlichen Versagens

Von Thomas Holl



Seit Tagen quält Jens Böhrnsen eine Frage: „Hättest Du nicht noch öfters nach Kevin fragen müssen?“ Als Bremens Bürgermeister am 18. Januar seine Sozialsenatorin in einem persönlichen Gespräch auf das Schicksal des kleinen Kevin aufmerksam macht und sie eindringlich bittet: „Karin, kümmerst Du Dich in besonderer Weise um diesen Fall?“, kann er nicht ahnen, daß der kleine Junge trotz höchster politischer Intervention fast neun Monate später von Polizisten tot in einem Kühlschrank in der Wohnung seines heroinsüchtigen Vaters Bernd K. gefunden wird. Eingewickelt in eine Decke und drei Müllbeutel.

Der am Donnerstag veröffentlichte vorläufige Obduktionsbericht läßt erahnen, was Kevin seit seiner Geburt am 23. Januar 2004 erleiden mußte. Der linke Oberschenkel, das rechte Schienbein und der linke Unterarm sind gebrochen, auf dem Schädel finden sich Blutungen (Siehe auch: Kindesmisshandlungen: Vernachlässigt, geschlagen, verhungert, getötet“).

„Das durfte niemals passieren“

Fassungsloses Schweigen bei den Nachbarn

„Niemand ist mehr auf den Schutz des Staates angewiesen als Kinder in Not. Es ist ein tragisches, es ist ein unverzeihliches Versagen, daß Kevin sich nicht auf diesen Schutz verlassen konnte. Das durfte niemals passieren.“ In einer Pressekonferenz nach dem Rücktritt der zuständigen Sozialsenatorin Karin Röpke hatte der erst seit einem Jahr als Nachfolger Henning Scherfs amtierende SPD-Politiker in seltener Offenheit das vollständige und schwer nachvollziehbare Versagen von Politik und Behörden in diesem Fall eingestanden: Trotz vielfacher Hinweise, Warnungen, richterlicher Beschlüsse und Aktenvermerken starb ein Kind unter der Vormundschaft des Jugendamtes auf grausame Weise.

Denn anders als im Fall der sieben Jahre alten Jessica, die vor zwei Jahren bis auf 9,5 Kilogramm abgemagert verhungert in der Wohnung ihrer Eltern im Hamburger Problemstadtteil Jenfeld gefunden wurde, wußten die zuständigen Mitarbeiter des Bremer Jugendamtes seit mehr als zwölf Monaten um die Gefährdung Kevins durch den eigenen Vater und entschieden sich doch mehrfach gegen eine lebensrettende Unterbringung im Heim oder bei einer Pflegefamilie. (Siehe auch: Kevins Tod: Von der Leyen fordert „Frühwarnsystem“)

Vielfache Hinweise ignoriert

Die Polizei ist auf Spurensuche

Anders auch als in Hamburg war im Fall Kevin sogar der Bürgermeister auf die akute Notlage des Kindes aufmerksam geworden und hatte sich eingeschaltet. Als Mitglied des gemeinnützigen Lions Club, der als Trägerverein der Bremer Säuglingspflege das Kinderheim „Hermann-Hildebrandt-Haus“ im Bremer Villen-Vorort Oberneuland unterhält, war Böhrnsen am 13. Januar 2006 von zwei besorgten Kuratoriumsmitgliedern, darunter dem Heimleiter Joachim Pape, auf die Bremer Praxis in der Jugendhilfe angesprochen worden, Kinder drogensüchtiger Eltern in der Regel in ihren Familien zu lassen.

Derzeit leben etwa 60 Kinder in Bremen auf Beschluß und unter Vormundschaft des Jugendamtes weiter bei ihren Eltern, die als Bedingung an Programmen mit der Ersatzdroge Methadon teilnehmen und eine „günstige Sozialprognose“ aufweisen müssen. Als exemplarische Beispiele für dieses aus ihrer Sicht gefährliche Vorgehen der Jugendbehörden hatten die beiden Vereinsmitglieder ihrem Club-Kollegen Böhrnsen in anonymisierter Form zwei Kinderschicksale aus „Krisenfamilien“ geschildert. Eines davon war Kevin. Zweimal war das Kind für wenige Wochen im „Hermann-Hildebrandt-Haus“ untergebracht worden. Zweimal war Kevin gegen den Willen des Heimleiters wieder in die Familie zurückgebracht worden.

Übernahm die politische Verantwortung: Sozialsenatorin Röpke

Der frühere Richter Böhrnsen reagierte prompt auf diesen Notruf und drängte darauf, die Namen der Kinder zu erfahren, damit ihnen schnell geholfen werden könnte: „Nach meiner Überzeugung mußte der Kinderschutz über dem Datenschutz stehen.“ Und nach dem Gespräch mit seiner Parteifreundin Röpke glaubte der Bürgermeister auch, daß Kevin bald in sicherer Obhut sein werde: „Karin Röpke hat mir mehrfach versichert, den Sorgen und aufgeworfenen Fragen sei gründlich nachgegangen worden, sie habe alles Notwendige in ihrer Behörde wie beim Jugendamt veranlaßt“. (Siehe auch: Fall Kevin: Unverzeihliches Behördenversagen)

Vater mehrfach vorbestraft

Doch auch nach dem Eingreifen Böhrnsens und einem weiteren Gespräch der Sozialsenatorin mit dem Leiter des Jugendamtes wenige Tage später setzten die zuständigen Sozialbehörden ihre seit der Geburt Kevins verfolgte Linie fort. Im Interesse des „Kindeswohls“ und unter Abwägung aller Umstände beschließt das Jugendamt nach ausgiebiger „Fallberatung“ im Februar, daß der wegen Gewaltdelikten und Raubes mehrfach vorbestrafte 41 Jahre alte Vater Kevin weiter bei sich in seiner Wohnung in der Kulmerstraße im Bremer Arbeiterviertel Gröpelingen erziehen darf. Zur Unterstützung soll nur eine Tagesmutter für Kevin gefunden werden, der weiter unter Amtsvormundschaft steht.

Blick in den Keller der Wohnung im Bremer Stadtteil Gröpelingen, in der Kevin tot aufgefunden wurde

Schon kurz nach der Geburt Kevins durch seine ebenfalls heroinabhängige Mutter zeichnete sich ab, daß der Junge nach dem Willen des Jugendamtes nicht seinen leiblichen Eltern entzogen werden soll. Und das, obwohl nach einer gemeinsamen Entgiftung von Mutter und Kind in einer Klinik im März 2004 dem Jugendamt schon fünf Monate später von der Polizei der erste Verdacht auf Kindesmißhandlung gemeldet wird. Zwar weist der Säugling keine Verletzungen auf, doch laut Jugendamt sind „Zweifel an der Erziehungsfähigkeit“ der Mutter gegeben.

Zur Entgiftung mit dem Sohn in die Klinik

Im Oktober 2004 wird Kevin mit Knochenbrüchen in eine Kinderklinik eingewiesen. Nach dem Klinikaufenthalt meldet die Polizei eine weitere „Auffälligkeit“: Kevin wird vom Jugendamt in „Obhut“ genommen und kommt Ende November 2004 zum ersten Mal für fünf Tage in das „Hermann-Hildebrandt-Haus.“ Nach seiner Entlassung werden Kevins Mutter und seinem Vater Bernd K. vom Jugendamt sechs Wochen lang ein „Familienkrisendienst“ zur Seite gestellt. Das Fazit der Sozialarbeiter: „Bei den Eltern sind Erziehungs- und Versorgungskompetenzen vorhanden.“ Auch das Jugendamt bestätigt im März 2005 diesen Eindruck und stellt beiden Elternteilen eine positive Sozialprognose aus.

Doch im Juli berichtet die Polizei dem Jugendamt wieder über „Auffälligkeiten.“ Diesmal hat der Vater die Polizei eingeschaltet, die laut Aktenvermerk „einen negativen Eindruck“ über die Familiensituation hat. Doch Mitarbeiter des Sozialzentrums Gröpelingen stellen „keine Versorgungsmängel“ bei Kevin fest. Von Ende Juli bis Mitte August nehmen die wieder heroinabhängigen Eltern zusammen mit Kevin abermals eine „Entgiftung“ in der Klinik Heiligenhafen vor.

Mutter stirbt an inneren Blutungen

Am 12. November 2005 stirbt Kevins Mutter in der gemeinsamen Wohnung in Gröpelingen an inneren Blutungen, die Rede ist von einer Milzruptur. Die behandelnde Notärztin teilt dem Jugendamt mit, daß ein Fremdverschulden nicht ausgeschlossen werden könne. Die Staatsanwaltschaft nimmt bis heute andauernde Ermittlungen auf, die sich gegen den Lebensgefährten, Kevins Vater Bernd K. richten. Es bestehe der Verdacht der Körperverletzung mit Todesfolge. Das Jugendamt will erst nach dem Tod Kevins von diesen Ermittlungen erfahren haben.

Kevin kommt nach dem Tod der Mutter zum zweiten Mal in das „Hermann-Hildebrandt-Haus“. Der Leiter des Kinderheims, Pape, zeigt sich erschrocken über das Erscheinungsbild des Kindes. Als der Junge als Säugling zum ersten Mal in das Heim gebracht worden war, wog er 7,5 Kilogramm. Zehn Monate später hatte Kevin nur 500 Gramm zugenommen: „Das hat uns ziemlich schockiert.“ Für das Kind sei die Situation bedrohlich gewesen, berichtete Pape der Nachrichtenagentur ddp. Auch seine sprachliche und motorische Entwicklung sei zurückgeblieben gewesen. Er habe dem Amt für Soziale Dienste mitgeteilt, daß man den Jungen im Heim behalten wolle. Doch von der Behörde sei niemand vorbeigekommen, um sich den Jungen anzusehen.

Heimleiter entsetzt

Statt dessen wies der zuständige Mitarbeiter der Sozialbehörde in Absprache mit Kevins Amtsvormund an, daß der uneheliche Junge nach dessen Entlassung aus der Psychiatrie wieder übergeben werden müsse. Als Kevins Vater Ende November 2005 seinen Sohn abholt, ist Heimleiter Pape entsetzt über das Erscheinungsbild des Mannes. In Sorge um den Jungen berichtet Pape Bürgermeister Böhrnsen von dem Fall, der auch sofort reagiert habe.

Am 6. März 2006, gut einen Monat nachdem Sozialsenatorin Röpke sich des Falls angenommen hat, beschließt eine weitere „Fallkonferenz“ des Jugendamts, das Kind „im Rahmen der Tagespflege“ zu überwachen. Doch schon Mitte März berichtet die Tagesmutter den zuständigen Sachbearbeitern im Jugendamt, daß Kevin nicht regelmäßig zu ihr kommt. Die Maßnahme wird abgebrochen. Die nächste „Fallkonferenz“ des Jugendamtes beschließt am 20. April, daß Kevin in einem Kinderzentrum angemeldet wird. Zudem ist eine Patenschaft geplant. Es ist das letzte Mal, daß ein Mitarbeiter des Amtes den Jungen lebend sieht.

Tragisches Ende

Ein direkter Kontakt zu dem Kind kommt danach nicht mehr zustande, weil Kevins Vater sich den Hilfsangeboten entzieht. Mit Ausflüchten erklärt Bernd K. das Nichterscheinen seines Sohnes bei der „Frühförderung“ oder im „Spielkreis“. Mal gibt er vor, daß er mit Kevin zu seiner Mutter ziehen wolle, mal berichtet er von einem Todesfall in der Familie, der ihn zu einer Reise veranlasse. Erst Anfang September wird das Jugendamt mißtrauisch und versucht eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Vater zu Hause. Doch Kevins Amtsvormund trifft niemanden in der Wohnung an.

Wenige Tage später meldet sich der Vater beim Jugendamt und vereinbart einen Termin, den er aber nicht wahrnimmt. Ein Anruf eines Mitarbeiters des Sozialzentrums bei seinem behandelnden Arzt ergibt, daß dieser Kevin am 5. Juli zum letzten Mal gesehen hat. Nun beschließt die „Fallkonferenz“ Kevin aus der Obhut des Vaters zu nehmen und erwirkt am 2. Oktober einen „Herausgabebeschluߓ des Amtgerichts, nachdem Bernd K. nicht zu den Vorladungen erschienen war. Am 5. Oktober wird der Termin der „Inobhutnahme“ von Kevin auf den 9. Oktober festgelegt. Doch erst am 10. Oktober öffnen Polizisten gewaltsam die Wohnungstür von Bernd K. - zu spät. Noch am selben Abend teilt Sozialsenatorin Röpke Bürgermeister Böhrnsen in einem langen Gespräch mit, daß sie von ihrem Amt zurücktreten werde.

Der Leidensweg von Kevin

23. Januar 2004: Kevin wird als uneheliches Kind geboren. Die Eltern sind drogenabhängig.
März 2004: Klinikaufenthalt von Mutter und Kind zur Entgiftung.
August 2004: Polizei meldet Verdacht der Kindesmißhandlung.
Oktober 2004: Einweisung Kevins in eine Kinderklinik wegen Frakturen.
November 2004: Kevin kommt in Obhut des Kinderheims „Herman-Hildebrandt-Haus“. Danach Einsatz eines Familienkrisendienstes.
März 2005: Jugendamt stellt positive Entwicklung des Kindes fest. Kind wieder bei der Mutter.
Juli 2005: Polizei meldet Auffälligkeiten des Kindes. Besuch von Mitarbeitern des Sozialzentrums. Sie stellen keine Versorgungsmängel fest.
November 2005: Mutter stirbt. Laut Notärztin wird Fremdverschulden nicht ausgeschlossen. Vater wird vom sozialpsychiatrischen Notdienst zwangseingewiesen. Kevin kommt zweites Mal in Obhut des Kinderheims.
17. November 2005: Jugendamt wird Vormund des Kindes.
21. November 2005: Mitarbeiter im Sozialzentrum schätzen die Erziehungsfähigkeit des Vaters unterschiedlich ein. Kevin kehrt zu Vater und Oma zurück.
Februar bis März 2006: Tagespflege mit Überwachung des Kindes.
April 2006: Fallkonferenz mit Stadtteilleiter: Abermals Unterstützung durch Frühförderstelle eingeleitet. Vater nimmt Termine bei Förderstelle nicht wahr.
September 2006: Amtsvorstand versucht Kontaktaufnahme mit Vater. Vater nimmt vereinbarten Termin nicht wahr. Telefonat zwischen Sozialzentrum und Arzt. Arzt hat Kevin zuletzt am 5. Juli gesehen; Inobhutnahme wird vorbereitet, aber vom Arzt abgelehnt; Fallkonferenz beschließt, Kind im Rahmen einer gerichtlichen Anhörung aus der Familie zu nehmen. Vater erscheint nicht vor Gericht. Gericht beschließt Herausgabe des Kindes.
10. Oktober: Auffinden des toten Kindes in der Wohnung des Vaters.

(Quelle: Akten des Bremer Jugendamtes zum Fall Kevin)

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AP, ddp, dpa

http://www.faz.net/s/Rub77CAECAE94D7431F9EACD163751D4CFD/Doc~E0DF7F7F0615E4BC3892AB294F671871E~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

Re: Jugendamt Bremen: Fall Kevin

Tod des kleinen Kevin

Eine Geschichte des Versagens

 © Carmen Jaspersen/DPA
Beisetzung des kleinen Kevin: "Ein Wunder, dass er überhaupt überlebt hat"

Von Jan Zier

24 Knochenbrüche wurden bei Kevins Obduktion festgestellt. Als der Kleine noch lebte will niemand die Misshandlungen bemerkt haben - weder die Ärzte noch das Jugendamt. Nun geht der Untersuchungsausschuss in die nächste Runde und ein Satz fällt immer wieder: "Ich war nicht zuständig".

Das Versagen beginnt im zuständigen Jugendamt. Es führt in die Sozialbehörden, die es hätten kontrollieren sollen. Schließlich zu einem ganzen Netz von Sozialdiensten in Bremen, der Gesellschaft. Es ist die Geschichte des Kindes Kevin. Erzählt wird sie im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages. Nun tagt er wieder, um zehn weitere Zeugen zu befragen.

"Ich war dafür nicht zuständig"
"Ich war dafür nicht zuständig". Das ist ein Satz, der in den vergangenen Wochen immer wieder zu hören war. Nicht zuständig fühlte sich beispielsweise die Ärztin eines Krankenhauses, die eindeutige Zeichen von Kindesmisshandlung diagnostizierte. Aber die Staatsanwaltschaft nicht einschaltete. Kevin war im Oktober vergangenen Jahres tot im Kühlschrank seines Ziehvaters Bernd K. aufgefunden worden. Sozialarbeiter hatten das Kind zuletzt im April gesehen. Seine stark verweste Leiche wies 24 Knochenbrüche auf, fünf hatte er unmittelbar vor seinem Tod erlitten.
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Dem Drogenarzt von Kevins Stiefvater ist das nach eigenen Angaben nie aufgefallen. Kevin sei häufig in seiner Praxis gewesen, sagte er dem Untersuchungsausschuss, dort habe er die Mutter und deren ebenfalls drogenabhängigen Lebensgefährten mit dem Ersatzstoff Methadon behandelt. "Kevin wirkte nach außen nicht auffällig". Untersucht hat er das Kind nie. "Im Nachhinein frage ich mich: Wie kann ein Kind jede Woche in die Praxis kommen, ohne dass sich erschließt, dass es ein Misshandlungsopfer ist?" Inzwischen darf der Mann keine Ersatzdrogen mehr verschrieben.

Methadon und Betäubungsmittel verschrieben
Dem Vater Bernd K. verschrieb er nicht nur Methadon, sondern zugleich auch Betäubungsmittel. "Ich hätte Rabbatz machen müssen", sagte der Arzt. Jetzt, im Nachhinein.

Schon direkt nach seiner Geburt im Januar 2004 ist der bei einer Vergewaltigung gezeugte Kevin für "viele Monate vom Bildschirm der Behörden verschwunden", sagte Justizstaatsrat Ulrich Mäurer dem Ausschuss. "Es ist schon ein Wunder, dass der Säugling überhaupt die nächsten Monate überlebt hat". Schon im Alter von acht Monaten sei Kevin wegen Brüchen in der Kinderklinik behandelt worden.
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Seine Mutter, im Gegensatz zu Kevin HIV-positiv, starb bereits im November 2005 an einem Milzriss. Da hatte sie "eine massive Karriere von Drogen und Haft" hinter sich, sagte Mäurer. Und schon wenige Wochen nach der Geburt war jedenfalls einer Hebamme des Gesundheitsamtes "sehr klar", dass die Frau "nicht in der Lage war", für ihr Kind zu sorgen.

Sie alle kannten Kevin
Sie habe Zweifel geäußert, dass die Eltern dies je können würden. Doch die wenigsten der Hilfsdienste, die im Laufe der Jahre eingeschaltet wurden, wussten von der Vorgeschichte des Falles, der Eltern. Und doch: Der Bürgermeister, die Sozialsenatorin, das Jugendamt, Familienrichter, Ärzte, Polizei, Waisenhaus - sie alle kannten Kevin.

Alle Informationen liefen beim zuständigen Fallmanager des Sozialressorts zusammen. Doch der unterstützte den Ziehvater in seinem Wunsch, Kevin nicht abgeben zu müssen. Dabei war Bernd K., entgegen seiner Behauptungen, weder der biologische noch der rechtliche Vater.
 
Und als Pflegevater käme er nicht in Frage. Der Amtsvormund - er trug nach dem Tod der Mutter das Sorgerecht für Kevin - hätte Bernd K. also jederzeit von dem Kind trennen können, sogar ohne ein Gericht fragen zu müssen. Doch Zweifel an seiner Vaterschaft kamen erst im Frühjahr vergangenen Jahres auf, und erst im September fiel die Entscheidung, dem Ziehvater das Kind wegzunehmen. Das Kindeswohl sei gefährdet. Am 2. Oktober ordnet das Jugendgericht an, das Kind abzuholen. Acht Tage später kommt die Polizei. Wie lange Kevin da schon tot ist, wird unklar bleiben.

Jugendamt ist ein "Saftladen"
Das Jugendamt ist ein "Saftladen", sagt die Familienrichterin, die den Fall betreute. Fehlentscheidung im Sorgerecht seien "kein Einzelfall", weil die Behörden häufig "keine ordentlichen Informationen" über Elternschaften, über Verwandte lieferten. "Es gibt kein systematisches Vorgehen", sagt Heinke.

Schon gar nicht beim Fallmanager von Kevin. Nach dessen Tod wird die Behörde "gravierende Mängel" in Arbeitsweise und Aktenführung des Sozialarbeiters feststellen. Von einem "Chaos" ist die Rede, einem Chaos, das trotz wöchentlicher Konferenzen und amtlicher Dienstaufsichtspflicht so recht niemandem auffiel. Das Amt sei über sich selbst erstaunt, hieß es dazu im Ausschuss.
 
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Regelprüfungen fanden nicht statt, der Fallmanager selbst habe durchwegs den Angaben Dritter vertraut, sich kein eigenes Bild Lage gemacht. Und das war nicht nur bei Kevin so: Bei 15 weiterem von ihm betreuten Kindern unterlieben dringend notwendige Hilfsmaßnahmen. Gegen den Fallmanager wird nun ermittelt, beim Untersuchungsausschuss hat er sich krank gemeldet.

Für den 64-jährigen Amtsvormund von Kevin, ein Diplom-Sozialarbeiter und ehemaliger Binnenschiffer, war dieses Kind eines von rund 240, für das er das Sorgerecht trug. Also, sagt er, habe er sich auf den Fallmanager verlassen, prinzipiell. Wegen der Vielzahl der Fälle. 2,75 Planstellen müssten rund 640 Fälle betreuen. Klagen darüber seien stets auf taube Ohren gestoßen.

"Ökonomisierung" im Jugendamt beklagt
Es geht um mehr als individuelles Versagen überforderter Behördenmitarbeiter. Schon vor Jahren beklagte Oberregierungsrat Gerhard Tersteegen aus dem Sozialressorts die "Ökonomisierung" im Jugendamt. Heute ist ähnliches in einem Bericht der Bremer Familienrichter nachzulesen. "Die Praxis der Jugendhilfe gerät in Gefahr, dass die von ihr erbrachten und zu erbringenden Leistungen künftig nur noch unter monetären Gesichtspunkten betrachtet werden", schrieb Tersteegen in seinem internen Papier von 1999. Und warnte vor den Vorschlägen der Unternehmensberater von Roland Berger. Die aber arbeiteten nicht nur in Bremen.

Stern (Montag, den 29. Januar 2007 - 17:41 Uhr)
http://www.stern.de/politik/panorama/:Tod-Kevin-Eine-Geschichte-Versagens/581419.html


Obduktionsbericht

Kevin starb nach unvorstellbarem Martyrium

 © Marcus Posthumus/DDP Bild-Zoom-FunktionPostkarte-Sende-Funktion
Blumen und Stofftiere vor dem Bremer Wohnhaus erinnern daran, dass hier der zweijährige Kevin tot in einem Kühlschrank gefunden wurde

Der kleine Kevin hat in seinem kurzen Leben viel erlitten. Das Obduktionsbericht offenbarte, dass der Zweijährige immer wieder schwerst misshandelt wurde.

Die Liste der Wunden des zweijährige Kevin aus Bremen ist lang: Arme, Beine und Rippen mehrfach gebrochen, das Geschlechtsteil verletzt. Sein Kopf wurde auf eine harte Fläche geschlagen. "Wir können jetzt erahnen, welches Martyrium das Kind durchgemacht hat", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Dietrich Klein. "Wer Fotos dieses Kindes gesehen hat, wird diesen Anblick so schnell nicht los."
Tatort Bremen
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Bereits fünf Monate hatte die verweste Leiche des Jungen im Kühlschrank des Ziehvaters gelegen, als Polizisten sie am 10. Oktober 2006 entdeckten. Ob der drogensüchtige Mann wegen Mordes oder Totschlags angeklagt wird, prüft die Behörde derzeit.

24 Knochenbrüche am ganzen Körper
Die Bremer und Hamburger Gerichtsmediziner dokumentieren, dass das mangelernährte Kind immer wieder und auf dieselbe Art misshandelt wurde. Der Tod war eine direkte Folge der kurz zuvor zugefügten Knochenbrüche. Diese lösten eine Embolie aus, die Lunge versagte. Die Experten stellten insgesamt 24 Knochenbrüche am ganzen Körper fest. Einige Knochen waren wiederholt gebrochen, der Großteil der Verletzungen war älteren Datums. Für die Gerichtsmediziner ist klar ersichtlich: Das waren keine Unfälle, die Verletzungen wurden dem Jungen mutwillig zugefügt. Bereits vor dem Tod des Jungen hätten Ärzte Mitarbeiter des Sozialen Dienstes darauf aufmerksam gemacht, berichtete Klein.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird derzeit die psychische Schuldfähigkeit des Ziehvaters ermittelt, der in Haft sitzt und noch immer schweigt. Sobald das Gutachten vorliegt, werde Anklage erhoben. Der Beschuldigte soll Kevin schwer misshandelt und sich danach nicht um eine medizinische Versorgung des Kindes gekümmert haben, erklärte Staatsanwalt Daniel Heinke.

Todszeitpunkt nicht geklärt
Wann genau der Zweijährige starb, können die Gerichtsmediziner nicht mehr feststellen. Die Experten gehen jedoch vom Zeitraum Ende April bis Mai 2006 aus. Am 20. April hatten Sozialarbeiter den Jungen zum letzten Mal gesehen. Berichte, nach denen andere Menschen das Kind noch zu einem späteren Zeitpunkt gesehen haben wollen, halten die Ermittler für nicht glaubhaft.
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Kevin hatte nach dem Tod seiner Mutter unter der Obhut des Jugendamtes gestanden. Der Fund seiner Leiche hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Die damalige Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) trat zurück, und gegen Mitarbeiter der Sozialbehörde wurden disziplinar- und strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zudem gegen den behandelnden Arzt des drogensüchtigen Ziehvaters, weil er über das Methadon hinaus mehrere Betäubungsmittel verschrieben haben soll. Ein Untersuchungsausschuss nimmt die schweren Behörden-Pannen in dem Fall unter die Lupe. Das Verfahren gegen den Ziehvater im Zusammenhang mit dem Tod von Kevins Mutter wurde inzwischen eingestellt.

Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) erklärte nach der Präsentation des Obduktionsergebnisses: "Die Erkenntnisse der Gerichtsmedizin sind auch Beleg für ein kaum vorstellbares Versagen staatlicher Einrichtungen." Er wolle sich auf Bundesebene für verbindliche Früh- und Vorsorgeuntersuchungen einsetzen. Zudem soll es in der Hansestadt künftig ein Notrufsystem rund um die Uhr geben, damit das Jugendamt jederzeit erreichbar ist. "Ein solches Kinderschicksal darf es in Bremen nie wieder geben!"

Stephanie Lettgen/DPA
 
 
 http://www.stern.de/politik/panorama/579696.html?nv=ct_mt

Fall Kevin

"Unverzeihliches Versagen des Staates"

 © Carmen Jaspersen/DPA
Das Grab des zweijährigen Kevin auf dem Waller Friedhof in Bremen

Hat das Jugendamt im Fall Kevin seine Fürsorgepflicht verletzt? Diese Frage stellen sich die Ermittler, die jetzt zum Tod des Jungen Beweise sammeln. Bremens Justizstaatsrat ist nicht der einzige, der schwere Vorwürfe erhebt.

Nach dem Tod des zwei Jahre alten Kevin aus Bremen sind zum Beginn der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses schwere Vorwürfe gegen die Behörden laut worden. "Es hat massive Formen von Kindesmisshandlungen gegeben", sagte Bremens Justizstaatsrat Ulrich Mäurer über die Leiden des kleinen Jungen. So sei Kevin zum Beispiel im August 2004 mit zahlreichen Brüchen in eine Klinik eingeliefert worden.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt seien die Handlungen des Jugendamts "bei aller Liebe mit einem normalen Dienstverhalten nicht mehr in Einklang zu bringen", sagte Mäurer. Er war kurz nach dem Fund der Leiche von Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) mit einer Dokumentation des Falles beauftragt worden.

Fassungslosigkeit und Entsetzen
Die Leiche des kleinen Kevin, der unter der Vormundschaft des Jugendamtes stand, war am 10. Oktober im Kühlschrank seines drogensüchtigen Ziehvaters entdeckt worden. Danach waren die massiven Fehler der Bremer Sozialbehörde bekannt geworden. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) trat zurück, der Leiter des Jugendamtes wurde vom Dienst suspendiert.
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 © Marcus Posthumus/DDP
Bremens Justizstaatsrat Ulrich Mäurer sagt vor dem Untersuchungsausschuss in der Bremer Bürgerschaft aus

Gegen zwei Mitarbeiter der Behörde wurden strafrechtliche Ermittlungen wegen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht eingeleitet. Gegen diese beiden und den Chef der Jugendbehörde laufen zudem Disziplinarverfahren. Röpke wie auch Böhrnsen waren seit Anfang des Jahres über die Lebensumstände Kevins informiert. Der Fall hatte bundesweit Fassungslosigkeit und Entsetzen ausgelöst.

"Massive Karriere mit Drogen und Haft"
Künstliche Ernährung, Knochenbrüche, Infektionskrankheiten - aus den Akten gehen eine Reihe schwerer Missstände im Fall des Kindes hervor. "Die Akten geben keine Antwort auf die Frage, welche Entscheidungen getroffen wurden", sagte Mäurer über Lücken in der Dokumentation. "Ich hoffe immer noch, dass es für alles noch eine andere Erklärung gibt. Dies geht aber aus den Akten nicht hervor."

Ebenso gehe nicht daraus hervor, ob der Sozialarbeiter Kenntnisse über den Lebenswandel von Kevins im November 2005 gestorbener Mutter und ihrem Lebensgefährten hatte. "Die Mutter hat eine massive Karriere mit Drogen und Haft" hinter sich. Drogen, Haft, Alkoholprobleme und ein hohes Maß an Gewalttätigkeiten würden auch das Leben des Ziehvaters kennzeichnen.

Schon mit acht Monaten misshandelt
"Wenn meine Schilderung zutrifft, ist es schon ein kleines Wunder, dass der Säugling überhaupt die nächsten Monate überlebt hat", sagte Mäurer. Schon im Alter von acht Monaten sei Kevin wegen Brüchen und Misshandlungen in die Kinderklinik gekommen, doch habe dies nicht zu einem Strafverfahren geführt.
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"Im Fall Kevin hat das Zusammenspiel der staatlichen Hilfen sträflich versagt", hatte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) festgestellt. "Ein schreckliches, unverzeihliches Versagen des Staates", so Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) treffend.

Abschlussbericht bis Mai
Der Untersuchungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft soll nun untersuchen, welche möglichen strukturellen Probleme der zuständigen Behörden zum tragischen Tod Kevins geführt haben. Bereits für die ersten drei Tage haben die Abgeordneten zur Eröffnung der Beweisaufnahme 24 Zeugen vor das Gremium geladen. Darunter sind Polizisten, der Kinderarzt von Kevin und eine Familienhebamme, die laut Mäurer sofort nach Kevins Geburt für dessen Herausnahme aus der Familie plädiert hatte. Ein Abschlussbericht soll bis spätestens Mai vorgelegt werden.
 
DPA/AP

http://www.stern.de/politik/panorama/578824.html?nv=ct_mt


Re: Jugendamt Bremen: Fall Kevin

http://www.taz.de/pt/2007/01/18/a0053.1/text

Familienrichterin kritisiert Jugendamt

Bert K. hatte das Sorgerecht für Kevin und überließ ihn einem Fremden.
"Kein Einzelfall", sagt die Familienrichterin

Binnenschiffer war er, bei der Marine diente er, dann das Studium.
"Diplom-Sozialarbeiter" sei er, gab Bert K. gestern vor dem
Untersuchungsausschuss "Kindeswohl" an, und bis vor kurzem hatte der
64-Jährige als Amtsvormund das Sorgerecht für etwa 240 Bremer Kinder und
Jugendliche inne. Auch für Kevin, den Polizeibeamte am 10. Oktober tot
im Kühlschrank seines Ziehvaters Bernd Kk. fanden.

Warum der Vormund, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf
Vernachlässigung der Fürsorgepflicht ermittelt, den Jungen monatelang
seinem Ziehvater überließ, ist unklar. Gestern vor dem
Untersuchungsausschuss "Kindeswohl" verweigerte er dazu jede Aussage.
Klar dagegen ist: Der Ziehvater war - entgegen seiner Behauptungen -
weder biologischer noch rechtlicher Vater Kevins. Und als Pflegevater
wäre er niemals in Frage gekommen.

Der Amtsvormund, dem das Familiengericht nach dem Tod von Kevins Mutter
im November 2005 das Sorgerecht übertrug, hätte den Umgang des
Ziehvaters mit Kevin demzufolge jederzeit und sogar ohne jeden
Gerichtsbeschluss unterbinden können. Zweifel am Vater-Status von Bernd
K. kamen dem Amtsvormund allerdings erst im Frühjahr 2006. Der Ziehvater
müsse seiner Vaterschaft beurkunden lassen, andernfalls wolle er eine
Aberkennungsklage einreichen, hält der Vormund da fest. Weder das eine
noch das andere geschah. Im Sommer 2006 erkennt der Vormund, dass der
Ziehvater gar nicht der Vater Kevins ist - weswegen auch die von ihm
geplante Klage auf Aberkennung der Vaterschaft keinen Sinn machte. Kevin
ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

Als weder rechtlicher noch biologischer Vater habe Bernd K. eigentlich
"null Besitzrecht am Kind" gehabt, sagt Sabine Heinke, die
Familienrichterin, die den Fall betreute. Fehlentscheidungen im Sorge-
und Umgangsrecht, die auf mangelnden Informationen beruhten, seien
allerdings "kein Einzelfall". Schuld daran sei unter anderem das Bremer
Jugendamt, das häufig "keine ordentlichen Infos" liefere, was
Elternschaften und Verwandtschaften angehe. "Die achten da nicht drauf,
kucken da nicht hin", klagt Heinke, es gebe "kein systematisches
Vorgehen" und "keine vernünftigen Datenstammblätter" für die Kinder mit
Informationen über Eltern und Verwandte - "ein Saftladen."

Bert K. verwies gestern auf die hohe Arbeitsbelastung der Amtsvormünde
in Bremen. Klagen darüber seien stets auf taube Ohren gestoßen. sim

taz Nord Nr. 8178 vom 18.1.2007, Seite 28, 82 TAZ-Bericht sim, Artikel
nur in taz-Teilauflage

Re: Jugendamt Bremen: Fall Kevin


04.04.2007
Neue Vorwürfe gegen Behörde im Fall Kevin
Bremen (dpa) Nach neuen Vorwürfen gegen das Bremer Sozialressort hat der Untersuchungsausschuss zum Fall Kevin seine Arbeit wieder aufgenommen. Hintergrund sind Berichte über einen angeblichen Vertrag, den das Jugendamt mit einem Kinderheim abgeschlossen haben soll. Danach erhalte das Heim eine Art Erfolgsprämie, wenn Kinder früher in ihre Familien zurückgeführt werden. 2006 hatten Polizisten die Leiche des zweijährigen Kevin, der unter der Vormundschaft des Jugendamtes stand, im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden.

http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=3628614

04.04.2007 20:19
Neue Vorwürfe gegen Behörde im Fall Kevin

Bremen (dpa) Nach neuen Vorwürfen gegen das Bremer Sozialressort hat der Untersuchungsausschuss zum Fall Kevin seine Arbeit wieder aufgenommen. Hintergrund sind Berichte über einen angeblichen Vertrag, den das Jugendamt mit einem Kinderheim abgeschlossen haben soll. Danach erhalte das Heim eine Art Erfolgsprämie, wenn Kinder früher in ihre Familien zurückgeführt werden. 2006 hatten Polizisten die Leiche des zweijährigen Kevin, der unter der Vormundschaft des Jugendamtes stand, im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden.

http://www.szon.de/news/politik/vermischtes/200704041402.html?_from=rss

Neue Vorwürfe gegen Behörde im Fall Kevin

Bremen - Nach neuen Vorwürfen gegen das Bremer Sozialressort hat der Untersuchungsausschuss zum Fall Kevin seine Arbeit wieder aufgenommen. Hintergrund sind Berichte über einen angeblichen Vertrag, den das Jugendamt mit einem Kinderheim abgeschlossen haben soll. Danach erhalte das Heim eine Art Erfolgsprämie, wenn Kinder früher in ihre Familien zurückgeführt werden. 2006 hatten Polizisten die Leiche des zweijährigen Kevin, der unter der Vormundschaft des Jugendamtes stand, im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden. (dpa)

http://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/ticker&listid=994415653835&aid=1174922542434

Aktionismus der Hilflosen

11. April 2007

FALL KEVIN UND DIE FOLGEN
Aktionismus der Hilflosen

Von Julia Jüttner, Bremen

Kevins Tod schockierte Deutschland: sein kleiner Leichnam, gefunden im Kühlschrank des drogenkranken Ziehvaters. Vier Wochen vor der Bürgerschaftswahl zieht die Bremer Sozialpolitik jetzt Konsequenzen. Maßnahmen, die von Aktionismus und Hilflosigkeit zeugen.

Bremen - Kevins Schicksal als Kind unter staatlicher Vormundschaft gab den Blick frei auf die dramatischen Zustände der Bremer Jugend- und Sozialpolitik. Der Junge starb an den Folgen schwerster Misshandlungen, obwohl er unter der Obhut des Bremer Jugendamtes stand. Heute legte Jugend- und Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter einen konkreten Fahrplan für die Neustrukturierung der Jugendhilfe in Bremen vor.

Kevin Grab: Nachbarn bringen Stofftiere und Blumen
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Kevin Grab: Nachbarn bringen Stofftiere und Blumen
Demnach sollen noch am Tag einer Krisenmeldung Sozialarbeiter der entsprechenden Familie einen Hausbesuch abstatten und entscheiden, ob das Kind in Obhut genommen werden muss. Entscheiden die Fachkräfte, das Kind in der Familie zu lassen, müssen konkrete und präzise Vereinbarungen mit den Eltern getroffen werden. Eine Entscheidung nur nach Aktenlage wie im Fall Kevin dürfe es nicht mehr geben, sagte die Senatorin. Der Kontakt zu den Familien und der Einblick in die Familien sollen intensiviert werden. Von den Mitarbeitern werde eine "sorgfältige Dokumentation jedes Falles gefordert, die exakt aufgelistete Kriterien zu erfüllen hat".

Kevins drogensüchtige Mutter Sandra K. und sein ebenfalls süchtiger und gewalttätiger Ziehvater Bernd K. hatten die Behörden immer wieder ausgetrickst, gegeneinander ausgespielt, abgewimmelt und ihnen haarsträubende Lügengeschichten aufgetischt, so dass Kevin nach jedem Heim- oder Klinikaufenthalt wieder nach Hause kam. Alle Verantwortlichen in Bremen kannten den Fall Kevin: das Jugendamt, das Amt für Soziale Dienste, ein Kinderheim und die Politik. Alle hätten wissen müssen, dass Kevins Leben in Gefahr war. Und doch entdeckten Mitarbeiter des Jugendamtes am 10. Oktober 2006 im Beisein der Polizei den in Mülltüten eingewickelten Leichnam des Zweijährigen im Kühlschrank. Der mit Methadon und Ersatzdrogen wie Ritalin und Diazepam vollgepumpte Bernd K. hatte nur stumm auf die Kühlschranktür gezeigt.

Drei Betreuer waren zu diesem Zeitpunkt für rund 650 Amtsvormundschaften in Bremen verantwortlich. Erste Sofortmaßnahme nach Kevins tragischem Tod war die Personalverstärkung bei der Amtsvormundschaft und in den Erziehungsberatungsstellen. Mittlerweile betreut eine Sozialarbeiterin hundert Kinder. Seit 1. Februar gibt es ein Kinder- und Jugendschutztelefon, das rund um die Uhr besetzt ist.

Nun sollen auch andere strukturelle Defizite behoben und die Verfahrensabläufe innerhalb der Ämter verbessert werden. "Wir haben aus dem Fall Kevin gelernt", so Staatsrat Joachim Schuster. Gestern beschloss der Senat ein Gesetz, wonach alle Erziehungsberechtigten vom Gesundheitsamt zu Früherkennungs-Untersuchungen aufgefordert werden. Nun legt die Senatorin nach: Eltern in ausgesuchten Wohnvierteln sollen bis zu einem Jahr nach der Geburt regelmäßig zu Hause besucht werden, wobei vor allem die Lebenssituation des Kindes im Vordergrund steht. Das würde vorerst 1200 Bremer Kinder betreffen.

Konkret sollen Maßnahmen in Höhe von zwei bis drei Millionen Euro dem Jugendhilfeausschuss nächste Woche vorgelegt werden. Darunter auch der Ausbau des Familienhebammenprogramms sowie die Betreuung drogenabhängiger Eltern, idealer Weise ab der 24. Schwangerschaftswoche. Auch Kevins Mutter hatte mit zwölf Jahren begonnen zu trinken, mit 14 Heroin zu spritzen. Sieben Jahre ihres Lebens hatte sie im Gefängnis gesessen. Ihr Lebensgefährte Bernd K. begann seine Drogenkarriere mit 13 Jahren, ebenso lange saß er insgesamt in Haft.

Das Ermittlungsverfahren wegen Kindestötung gegen den 41-Jährigen steht kurz vor dem Abschluss. "Die Anklageschrift wird in den nächsten Wochen fertig sein", erklärt der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft Jörn Hauschild. Das Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge gegen Bernd K. sei eingestellt worden, sagt Hauschild. Kevins Mutter war im November 2005 auf ihrem Bett an einem Milzriss verblutet. Die Notärztin vermutete, dass Bernd K. seine Freundin erschlagen hat. Ein Gutachten sollte klären, ob der Milzriss durch einen Sturz oder durch einen Tritt verursacht worden ist, brachte jedoch keine Erkenntnis über die Todesursache.

Wie seine Mutter ist Kevin auf dem Waller Friedhof in Bremen beigesetzt. Wenige Meter vom Gräberfeld der Schwestern des evangelischen Diakonissenhauses bewachen ein weißer Teddy mit einem roten Herz im Arm und ein weißer Porzellanengel den kleinen Erdhügel, unter dem der weiß lackierte Kindersarg begraben ist. Kein Stein erinnert an den Zweijährigen, nur ein kleines grünes Holzschild. Zehn Stiefmütterchen, verwelkte Narzissen und rote Tulpen schmücken sein Grab. "Immer wieder kommen Nachbarn vorbei und bringen frische Blumen", sagt die Frau im Friedhofsbüro.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,476690,00.html

FALL KEVIN UND DIE FOLGEN
Aktionismus der Hilflosen (2)

Von Julia Jüttner, Bremen

Die Nachbarschaft wollte eine Grabpflege organisieren. Doch noch kümmert sich das Amt für Soziale Dienste um die Grabstätte. Neben Kevin sind seine Mutter Sandra und sein tot geborenen Bruder Joshua Bernd beigesetzt. Zwei weiße Blätter Papier in Glassichtfolie ersetzen Grabsteine, ein grauer Stoff-Delphin thront auf den beiden armseligen Einzelgräbern.

Die Stofftiere und Kerzen vor Kevins Zuhause in der Kulmerstraße in Gröpelingen sind verschwunden. Nichts erinnert mehr an die Tragödie vom Oktober vergangenen Jahres. Hinter einer Wiese am Wendekreis der Sackgasse stehen drei Betonblöcke, je vier Stockwerke hoch, Satellitenschüsseln an den Balkonen. In dem rechten Wohnblock durchlebte Kevin die zwei qualvollen Jahre seines Lebens. Die Sozialwohnung steht leer, wie viele andere in dem Haus auch. In einigen wurden Obdachlose untergebracht.

Die Menschen in den polierten Einfamilienhäusern mit frischen Primeln im Vorgarten in der Nähe der Sozialbauten wünschen sich die unliebsamen Nachbarn weg, nach Kevins tragischem Tod erst recht. "Ich kannte den Jungen nicht", sagt Waltraud B. "Aber man hat sich doch mitschuldig gefühlt." Ihr Nachbar sagt: "Wenn die Polizei anrückt, dann nur weil es dort wieder hoch hergeht. Die schmoren in ihrem Saft und werden immer krimineller."

Eine Blockbewohnerin erinnert sich gut an den hochgewachsenen Bernd K. mit dem Pferdeschwanz. Oft habe er laut gepöbelt, mit seiner Gaspistole herumgefuchtelt und Nachbarn bedroht. Einem soll er mit Schlägen sogar das Trommelfell zerstört haben. Ihre Mutter habe Kevin manchmal im Arm seiner unter Drogen stehenden, vor sich hin heulenden Mutter gesehen. Das Junkie-Elternpaar sei allen aufgefallen. "Aber das sind nicht die einzigen, die hier Hilfe brauchen."

Nach der Statistik des Bundeskriminalamtes wurden der Polizei im vergangenen Jahr rund 3000 Fälle von Kindesmisshandlung gemeldet - das sind 50 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher. Senatorin Rosenkötter will die Eskalation in sozial schwachen Familien verhindern und nicht erst eingreifen, wenn die In-Obhutnahme eines Kindes zur Diskussion steht. "Unser Ziel ist es, das bestehende Präventionssystem wesentlich zu verbessern. Wir wollen das Netz der Schutz- und Früherkennungsmaßnahmen so eng wie möglich knüpfen um die größtmögliche Sicherheit für unsere Kinder zu erreichen", sagt Rosenkötter wenige Wochen vor dem 13. Mai: Dann wählt Bremen eine neue Bürgerschaft.

Das Maßnahmen-Paket zur Verbesserung der Bremer Jugendhilfe hat nur einen Haken: "Klar ist, dass alle Maßnahmen auf freiwilliger Basis beruhen", sagt Staatsrat Schuster. "Niemand kann dazu gezwungen werden."

Die Frage bleibt, ob Menschen wie Bernd K. Sozialarbeitern freiwillig die Tür öffnen.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,476690-2,00.html


ABSCHLUSSBERICHT: Jugendamt schuld an Kevins Tod

19. April 2007

ABSCHLUSSBERICHT
Jugendamt schuld an Kevins Tod

Morgen legt der Bremer Untersuchungsausschuss im Fall Kevin seinen Abschlussbericht vor. Fazit: Strukturelle Defizite im Jugendamt sind schuld am Tod des Zweijährigen. Es habe kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem gegeben.

Bremen - Zwar habe das persönliche Versagen des Fallmanagers und des Amtsvormundes des Jungen eine große Rolle gespielt, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Helmut Pflugrath, das individuelle Versagen sei aber nur möglich gewesen, weil die Strukturen im Amt dies ermöglicht hätten.

"Hätte die Dienst- und Fachaufsicht funktioniert, hätten dem Fallmanager und dem Amtsvormund solche gravierenden Fehler auf Dauer nicht unterlaufen können", fügte er hinzu. Zwar gebe der Bericht des Ausschusses auch die Empfehlung, künftig mehr Personal einzusetzen. Fakt sei aber, dass der Fallmanager von Kevin nicht überarbeitet war. Es habe kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem gegeben. "Er war mit dem Fall überfordert", sagte der CDU-Politiker. "Dabei hätten die Vorgesetzten eingreifen müssen."

Kevin war am 10. Oktober 2006 tot im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden worden. Der Junge, der unter staatlicher Obhut stand, war vermutlich schon Ende April oder Anfang Mai an den Folgen schwerster Misshandlungen gestorben. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hatte mehrere Monate die Hintergründe des Falles aufgeklärt und legt am Freitag seinen Abschlussbericht vor.

jjc/ddp

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,478299,00.html

Strukturen im Jugendamt schuld an Kevins Tod


Welt im Spiegel
Strukturen im Jugendamt schuld an Kevins Tod
   Nach Auffassung des Bremer Untersuchungsausschusses zum Fall Kevin sind strukturelle Defizite im Jugendamt schuld am Tod des Kleinkindes.
 
Zwar habe das persönliche Versagen des Fallmanagers und des Amtsvormundes des Jungen eine große Rolle gespielt, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Helmut Pflugrath (CDU), einen Tag vor Veröffentlichung des Abschlussberichtes am Donnerstag auf ddp-Anfrage. Das individuelle Versagen sei aber nur möglich gewesen, weil die Strukturen im Amt dies ermöglicht hätten.

„Hätte die Dienst- und Fachaufsicht funktioniert, hätten dem Fallmanager und dem Amtsvormund solche gravierenden Fehler auf Dauer nicht unterlaufen können“, fügte er hinzu. Zwar gebe der Bericht des Ausschusses auch die Empfehlung, künftig mehr Personal einzusetzen. Fakt sei aber, dass der Fallmanager von Kevin nicht überarbeitet war. Es habe kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem gegeben. „Er war mit dem Fall überfordert“, sagte der CDU-Politiker. „Dabei hätten die Vorgesetzten eingreifen müssen.“

Kevin war am 10. Oktober 2006 tot im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden worden. Der Junge, der unter staatlicher Obhut stand, war vermutlich schon Ende April oder Anfang Mai an den Folgen schwerster Misshandlungen gestorben. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hatte mehrere Monate die Hintergründe des Falles aufgeklärt und legt am Freitag seinen Abschlussbericht vor.


Hannoversche Allgemeine Zeitung (Donnerstag, den 19. April 2007 - 16:07 Uhr)

Veröffentlicht 19.04.2007 15:53 Uhr
Zuletzt aktualisiert 19.04.2007 15:55 Uhr
http://www.haz.de/wisp/296684.html

Re: Jugendamt Bremen: Fall Kevin

Untersuchungsausschuss

"Kevin könnte noch leben"

 © Carmen Jaspersen/DPA
Kevin wurde im November letzten Jahres in Bremen beigesetzt

Der Abschlussbericht des Bremer Untersuchungsausschusses zum Fall Kevin liegt vor. Der grausame Tod des Zweijährigen hätte verhindert werden können, wenn die Behörden rechtzeitig reagiert hätten.

Der grausame Tod des kleinen Kevin aus Bremen hätte verhindert werden können. Zu diesem Ergebnis kommt der Untersuchungsausschuss in der Hansestadt, der seinen Abschlussbericht vorstellte. Eine Vielzahl individueller Fehler und falsche Strukturen in den zuständigen Behörden seien für das tragische Schicksal des kleinen Kevin mitverantwortlich. "Kevin könnte noch leben, wenn man gehandelt hätte", sagte der Vorsitzende des Gremiums, Helmut Pflugradt (CDU). "Den Ausschussmitgliedern ist bewusst gewesen, dass das Kind unvorstellbare Qualen erlitten hat. Kevin hatte 25 Knochenbrüche an 19 verschiedenen Stellen."

 Der zwei Jahre alte Kevin, der unter Vormundschaft des Jugendamtes stand, war am 10. Oktober vergangenen Jahres tot im Kühlschrank seines drogensüchtigen Ziehvaters entdeckt worden. Gegen den Mann ist Anklage wegen Mordes erhoben worden. Er sitzt zurzeit in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Bremer Klinikums.

Dem Sozialarbeiter unterliefen schwere Fehler
Dem so genannten Casemanager, dem für Kevin zuständigen Sozialarbeiter, seien schwerwiegende Fehler unterlaufen, sagte Pflugradt. Er habe während der gesamten Zeit notwendige Maßnahmen nicht ergriffen oder umgesetzt, die dem Wohle des Kindes gedient hätten. "Dem Casemanager sind bei der Fallbearbeitung gravierende Fehler unterlaufen. Insbesondere die mangelhafte Risikoeinschätzung sowie die nicht vorhandene Fallsteuerung und Kontrolle dürften maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Kevin nicht vor der Gewaltanwendung durch seinen Ziehvater geschützt wurde", heißt es in dem einstimmig angenommenen Abschlussbericht. Zu viele Menschen aus dem Umfeld von Kevin hätten sich auf seine Einschätzungen verlassen. Gegen den Sozialarbeiter und gegen den Amtsvormund laufen strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht.

Ebenso gab es nach Auffassung der Ausschussmitglieder schwere strukturelle Mängel im zuständigen Amt für Soziale Dienste der Hansestadt. So sei zum Beispiel die Aktenführung vielfach mangelhaft gewesen. Vorgesetzte des zuständigen Sozialarbeiters hätten die Akten nicht gelesen. Der Grünen-Abgeordnete Klaus Möhle sprach von einem "kompletten Staats- und Regierungsversagen". "Fehlende Finanzen waren nicht ausschlaggebend für den Tod Kevins. Es hat zahlreiche Angebote gegeben, die vom Ziehvater nicht angenommen wurden. Es ist Geld bereitgestellt worden", sagte Pflugradt.

Die Tragödie hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Nach Bekanntwerden von Kevins Tod waren bereits früh massive Vorwürfe gegen die Bremer Sozialbehörde laut geworden. Unterschiedliche Stellen in der Behörde waren über das Schicksal des kleinen Jungen informiert gewesen. Am Tag nach dem schrecklichen Leichenfund war die damalige Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) zurückgetreten. Schon wenige Wochen später lagen eine Vielzahl erschreckender Fakten auf dem Tisch. Kevin wurde misshandelt. Auch litt das Kind einer HIV-infizierten und drogensüchtigen Mutter an Mangelerscheinungen.
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DPA

 
 
Artikel vom 20. April 2007

http://www.stern.de/politik/deutschland/:Untersuchungsausschuss-Kevin/587512.html