A David Caruso Tribute - FanFiction

Another year has gone by

Re: Another year has gone by

Irgendwie läuft bei mir alles drunter und drüber. Sorry für alle die regelmäßig lesen, daß es erst jetzt weiter geht.

@Flymoon: Tja, wenn Andy muß dann kann er durchaus. Wenn ich da an den Heiratsantrag denke, den er Sylvia in der zweiten Staffel gemacht hat! Ich dachte ich fall vom Stuhl vor Lachen. So nervös, so unbeholfen und dann straight durch die Mitte. Genau so habe ich ihn mir beim Osteressen vorgestellt. Allerdings kannte ich da die Folge aus der zweiten Staffel noch nicht. Und wie es mit John und Laurie weiter geht, daß wirst Du gleich sehen.

@Eve: ich weiß jetzt nicht, ob Dein Spruch mit der Liebe zum Detail jetzt positiv gemeint war oder nicht. Wenn ich mich recht erinnere, dann hast Du mich eher darauf hin gewiesen, daß es doch seeehr ausführlich ist – auch wenn nach der langen Wartezeit, welche die beiden durch machen mußten, die Länge gerechtfertigt war. Ich beschließe hiermit, daß ich es als Kompliment nehme!!!!!

Aber jetzt kommt dann doch endlich der Schluß des Essens und damit auch die Auflösung ob es nur schüchterne Blicke gibt.

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Das Osteressen – 2

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John zu seiner Seite, lächelte vor sich hin, als er die beiden so sah. Nun war es also offiziell und Sylvia würde nun in Zukunft nichts mehr haben, was sie ihm vorhalten könnte. Na ja, jedenfalls nicht mehr dieses Thema. Sein Blick schweifte über den Tisch und blieb an Laurie hängen. Der Abend mit Rose schoß ihm durch den Kopf, und das Gespräch mit Jessie. Zwei Unterhaltungen mit zwei Frauen, welche in ihrer Sturheit ihm in nichts nachstanden. Eine ruhig und bedacht, die andere feurig und voller Temperament.

Laurie unterhielt sich lebhaft mit Jonathan und beugte sich im Laufe des Gespräches dichter zu ihm hinüber. Hell klang ihr Lachen auf einmal auf, als sie sich über etwas amüsierte, das er gesagt haben mußte. Und in Johns Brust zog sich etwas zusammen, das dieses wundervolle Lachen nicht ihm gegolten hatte.

Wie es oft auf solchen Feiern üblich ist, fing auch nur wenig später nach dem Essen unweigerlich die Reise nach Jerusalem an. Stühle wurden gerückt, Plätze wurden getauscht, und somit die Gesprächspartner gewechselt. Jeder saß mal neben jedem und die Unterhaltungen änderten sich mit dem Platz an den man sich setzte.

Und so kam es, daß auch John und Laurie sich irgendwann nebeneinander wiederfanden. Zumindest saßen sie nebeneinander, auch wenn ihre Körper von dem anderen weggedreht waren. Vertieft in Gespräche mit ihren Tischnachbarn, den anderen jeweils nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen.

Aber wie in dem Spiel, wo mit dem erklingen der Musik die Leute wieder auf Wanderschaft gingen, um sich einen neuen Platz zu suchen, wanderten auch ihre Gesprächspartner weiter und ließen John und Laurie schließlich allein zurück.

Zum ersten mal seit der Kinnhaken Episode vor dem Haus der Staatsanwaltschaft. Wo sie wenigstens wieder eine gemeinsame Sprache gefunden hatten, wenn auch keine gemeinsamen Gesprächsthemen mehr. Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus, in dem keiner von beiden wußte, was er sagen sollte. Aber kein unangenehmes Schweigen, sondern mehr die Art, wo man verzweifelt auf der Suche nach einem Gesprächsthema ist, um die Konversation irgendwie wieder in Gang zu bekommen.

John fand zuerst ein Thema. Oberflächlich genug für einen Einstieg in die Unterhaltung, aber persönlich genug, um nicht gedankenlos zu wirken.

„Ich glaube nicht, daß sie dir hier die Tischdecke verkaufen werden.“ Eine Anspielung auf ihre ersten fünf Minuten an diesem Tisch. Und auf ihr Erröten, als er ihre Gedanken gelesen hatte. „Wahrscheinlich nicht“, erwiderte sie mit einem Schulterzucken und betrachtete dabei die grüne Tischdecke unter ihrem Weinglas. „Aber vielleicht sagen sie mir, wo ich sie kaufen kann.“ Sie warf einen lächelnden Seitenblick zu John und er einen schmunzelnden Blick zurück. Gemeinsame Erinnerungen an einen Schrank in denen es nur so vor Tischdecken wimmelte, erwachten in beiden. 

 „Und wie geht es dir sonst so?“ Eigentlich eine harmlose Frage und sie war bestimmt noch immer der übliche Anfang eines Gespräches, wenn man sich lange nicht mehr gesprochen hatte. Jedoch war sie bestimmt nicht geeignet, wenn man gerade selbst dafür verantwortlich war, daß es dem anderen nicht gut ging. Laurie schluckte in die unangenehme Stille, die sich nun zwischen John und ihr ausbreitete und biß sich wütend auf die Lippen. Hätte sie diesen offensichtlichen Waffenstillstand, den John anzustreben schien, nicht ein wenig geschickter beginnen können?

„Ganz gut.“ Kurz und knapp kam seine Antwort. Er schaute sie dabei nicht an und Laurie vermied es ebenso tunlichst ihm dabei in die Augen zu schauen. Sie hätte sich dafür selbst ohrfeigen können. Immerhin konnte sie für sich verbuchen, daß er ihr geantwortet hatte.

Trotzdem beschloß sie, daß es nun an der Zeit war, ebenfalls den Platz zu wechseln, bevor sie mit weiteren unbedachten Worten noch mehr zunichte machen konnte. Oder noch Schlimmer, bevor John es tun würde. Sie nahm das Weinglas und hatte sich gerade von ihrem Sitz erhoben, als Johns Stimme zurück hielt.

„Und dir?“ Das war keine gute Frage, Genauso wenig, wie die ihre eine gewesen war. Dennoch war es nichts anderes als eine Höflichkeitsfloskel, die meistens an dieser Stelle kam. Laurie schluckte erneut und versuchte damit den Kloß in ihrem Hals mit hinunter zu schlucken, der den Tränen immer vorweg ging. „Ganz gut“, log sie bewußt. Und sie mochte sich für diese Lüge gar nicht leiden. Aber sie wollte nicht über Danny reden. Nicht jetzt, nicht mit John und eigentlich auch überhaupt nicht.

Zwei Worte die sehr schnell über ihre Lippen kamen, die ihn aber trotzdem skeptisch machten. Zum einen weil sie zu schnell kamen und zum anderen weil ihm mit ihrer Tonlage, auch ihre Unterschrift auf der Liste einfiel. Stirnrunzelnd sah John sie von der Seite her an, sah aber nichts anderes, als das Laurie den letzten Schluck aus ihrem Weinglas mit einem Zug austrank. „Das waren keine guten Fragen die wir beide da gestellt haben, nicht wahr?“ Ironisch über ihrer beiden Beklommenheit, hob John die Augenbrauen und lächelte Laurie dabei traurig an.

„Nein“, gestand Laurie ein. „Das waren sie nicht.“ Aus einem Impuls hinaus, griff sie nach Johns Hand und drückte sie. „Tut mir leid. Ich wollte nicht gedankenlos erscheine. Ich wußte nur nicht was ich sagen sollte.“ John lachte, während er ihr seine Hand wieder entzog.

„Du wußtest nicht, was du sagen solltest? Laurie, streich dir den Tag rot im Kalender an. Selten genug kommt er vor.“ Er griff nach der Flasche Wasser vor ihnen und schenkte ihnen beiden nach.

„Danke“, murmelte Laurie und griff sofort nach dem Glas, um mit tiefen Zügen das Wasser in ihm zu genießen. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und ihr Gaumen klebte zusammen, als ob sie eine Tube Sekundenkleber zum Mittagessen gehabt hatte.

„Sylvia hat erzählt, daß ihr den Hellman – Fall gewonnen habt.“ Ein schmales Lächeln kehrte auf Lauries Lippen zurück. Ein dankbares für John, daß er so einfach die Beklommenheit zwischen ihnen beiden beiseite schob und weiter redete.

„Ja. Unsere Vorbereitungen waren anscheinend ausreichend gewesen, um den Mistkerl festzunageln.“ Sie beugte sich mit einem verschwörerischen Lächeln zu ihm. „Aber erzähl keinem, daß ich versucht habe die Lösung des Falls aus meinem Kaffeesatz zu lesen.“ John griente bei Lauries Worten und rückte mir seinem Stuhl ebenfalls ein Stück näher an sie heran. „Und hattest du Erfolg damit?“

„Nein“, antwortete Laurie lachend. „Deswegen sollst du es ja keinem erzählen!“ Sie rückte wieder ein Stück von John fort und nahm das Glas zur Hand. Erheitert nahm John einen Schluck von seinem Wasser und betrachtete über seinen Rand hinweg Laurie, die ihn über den Rand ihres Glases zuzwinkerte. Den Mund trotz, oder wegen des Geständnisses, noch immer zu einem Lächeln verzogen.

Sein eigenes Gesicht lachte Laurie nun an. Die ersten Worte, die über die Arbeit hinaus gingen. Die ersten Worte, die persönlicher waren, als die üblichen Gespräche. Nichts desto trotz beschloß John, daß dies der Augenblick war, wo er noch einmal das Thema Mika zur Sprache bringen wollte. Nur einmal noch und dann nie wieder. Einfach nur, damit es nicht weiter zwischen ihnen stand und sie vielleicht doch wieder so etwas wie eine Freundschaft aufbauen konnten.

„Laurie“, begann er und sah wie ihr Lachen sofort wieder von ihrem  Gesicht verschwand. Diesen Tonfall kannte sie augenscheinlich nur zu gut von ihm. Ihre Lippen preßten sich aufeinander, als sie ergeben darauf wartete auf das nun unweigerlich kommen mußte.

„Daß mit Mika, ich meine, daß du bei ihr warst, fand ich nicht in Ordnung.“ John wollte noch fortfahren, aber Laurie nickte und fiel ihm ins Wort.

„Ich weiß. Es tut mir leid. Es war wohl......“ John sah, wie Laurie nach den richtigen Worten suchte. „Eine Kurzschlußreaktion von mir.“ Nicht ganz die Wahrheit, dachte Laurie, aber zumindestens dicht dran. Wut über die Art und Weise wie er sie in den letzten Wochen behandelt hatte und dem Bedürfnis ihm doch alles zu sagen, wechselten sich bei ihr in schneller Reihenfolge ab. Doch er saß hier und suchte das Gespräch mit ihr. Er lächelte sie an. Und wie Jessie es ihr in der Küche prophezeit hatte, schmolz ihr Unmut über ihn einfach hinweg. Übrig blieb der Wunsch sich mit ihm wieder zu versöhnen. Doch eine Versöhnung konnte es nur geben, wenn sie ihm erzählte, was es mit Mika auf sich hatte.

Jetzt?

Hier?

Schnell schweiften ihre Augen durch den Raum. Es waren zu viele Menschen hier, zu viele Ohren, die hören könnten, wovor sie ihn zu beschützen versucht hatte. Es brauchte nur jemand ein falsches Wort von ihrem Geständnis aufschnappen und dann wäre ihre ganze Heimlichkeit für die Katz gewesen.

„Was auch immer es gewesen war, ich will es nicht wissen.“ Mitten in ihre Überlegungen hinein sagte er es. Und Lauries Blick, welcher noch eben nach einer Möglichkeit gesucht hatte ihm reinen Wein einzuschenken, richtete sich verblüfft auf ihn.

„Du willst es nicht wissen?“, flüsterte sie, nicht sicher, ob sie darüber nun erfreut oder entsetzt sein sollte. „Nein“, schüttelte John den Kopf. „Ich will es nicht wissen.“

Er brauchte es nicht mehr zu wissen, denn er wußte bereits alles. Jessie hatte es ihm gesagt. „Wie gesagt, es war nicht in Ordnung...“

„Aber...“

„Shhh“. Seine Finger legten sich auf Lauries Lippen und verschlossen damit den Wortschwall der aus ihr herausbrechen wollte. „Laß mich ausreden. In Ordnung?“, fragend sah er Laurie an und nahm erst dann seinen Finger von ihren Lippen, als sie ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, daß sie nichts sagen würde.

„Ich werde nicht vergessen können, was du mir damit angetan hast. Dafür hast du mir einfach viel zu sehr wehgetan und mich zu sehr enttäuscht.“ Auch wenn sie ihn vor eine Enttäuschung hatte bewahren wollen, hätte sie doch mit ihm reden sollen.

„Aber ich will zumindestens versuchen es zu vergessen. Und ich will auch nie wieder ein Wort darüber hören oder sprechen müssen. Ist das klar?“, fragend sah John sie an. Sehr ernst. Er wußte sehr genau was er da sagte, denn er hatte nach dem Gespräch mit Jessie lange darüber nach gedacht, wie er eine Versöhnung zwischen ihnen beiden ansteuern konnte, ohne daß Laurie sich vor ihn die Blöße geben müßte aus welchen Gründen sie zu Mika gegangen war.

Und Laurie begriff was er ihr anbot. Einen neuen Anfang. Einen neuen Versuch.

Freude kam in ihr auf und spiegelte sich in ihren Augen und in ihrem Gesicht wieder.

„Darf ich jetzt wieder was sagen?“, wollte sie wissen und John mußte bei dieser Frage grinsen. „Du redest doch schon.“ Laurie schmunzelte ebenfalls und sah nur für einen kleinen Moment auf den Tisch vor ihr.

„Danke.“ Genau in diesen kurzen Moment geflüstert, den ihr Blick auf der Tischdecke verweilt hatte.

„Schon gut.“ Seine Hand legte sich auf die ihre und drückte sie kurz. „Aber nie wieder!“

Wie ein braves Mädchen, welches eine Anweisung von ihrem Vater entgegen nimmt, nickte Laurie ihre Zustimmung. „Ja.“ Sie drehte ihre Hand und drückte nun die von John.

So saßen die beiden da, hielten sich an den Händen und begannen an dieser Stelle ihre Freundschaft neu. Ganz zart und ganz vorsichtig.

Es war das Klingeln von Lauries Handy, das diesen Moment unterbrach.

Laurie entzog John ihre Hand und benutzte sie statt dessen, um ihr Handy aus der Tasche zu ziehen. „Hallo?“ Entschuldigend warf sie einen Blick zu John, der aber sogleich in Verwirrung umschlug. „Was ist los?“ Aufmerksam betrachtete John die Ungläubigkeit in Lauries Gesicht. „Keine Ahnung. Die Verbindung ist unterbrochen worden.“ Verwirrt nahm Laurie das Handy vom Ohr und schaute auf das Display. Welches mit seiner Schwärze anzeigte, daß es aus war. „Oh, das Handy ist aus gegangen, das ist los.“ John sah auf das Handy in ihrer Hand und auf ihre Finger, die nun den Knopf drückten, um das Mini Telefon wieder einzuschalten. Einen Augenblick brauchte das Handy um seine Funktionen wieder zu starten und wartete dann auf Lauries Pin. Auffordernd sah Laurie John von der Seite her an. „Würdest du bitte?“

„Sicher.“, grinste John und nahm sein Glas zur Hand, während Lauries Finger über die winzigen Zahlen fuhren. „Ok.“ John stellte das Glas wieder ab und sah wieder auf das Telefon, das sich genau diesen Augenblick aussuchte, um wieder abzustürzen. „Das gibt es doch nicht“, murmelte Laurie vor sich hin. „Das ist ja noch nie passiert.“ Abermals wiederholte Laurie die Prozedur, allerdings ohne John diesmal zu bitten, sich weg zu drehen. Brauchte sie auch gar nicht, denn automatisch tat er es, als das Handy Lauries Pin forderte. Doch dieses Mal kam sich nicht einmal dazu, ihre Geheimzahl einzugeben, die ihr den Zugriff auf ihre Daten erlaubte. Schon mitten im tippen, beendete es ihre Kommunikation. „Ich verstehe das nicht.“ John drehte sich bei ihren Worten wieder zu dem Handy hin und betrachtete es. „Darf ich mal?“, fragend hielt er ihr die Hand hin. „Sicher. Probier du dein Glück. Vielleicht redet es ja lieber mit Männern.“ Ironisch kamen ihre Worte, aber sie übergab ihm das Handy und beugte sich dann doch neugierig zu ihm herüber. Doch John machte keine Anstalten das Handy erneuert zu starten, sondern öffnete auf seiner Rückseite die Klappe zum Akku. „Sieht ganz schön mitgenommen aus“, bemerkte er, während er die zahlreichen Schrammen und Kratzer auf der Vorder- und Rückseite betrachtete. „Du hast es nicht mal zufällig gegen die Wand geworfen?“, scherzte er, während er versuchte irgendwelche Schäden an dem Akku festzustellen.

Schweigen antwortete ihm. Erst nach einer ganzen Weile und nach einem fragenden Blick von John, beschloß Laurie zu antworten. „Nein, das Handy nicht.“ Sehr interessiert schaute sie sich das Innenleben ihres Handys in Johns Händen an.

„Wie, das Handy nicht?“ John lachte und dachte, daß sie nur ihre Scherze mit ihm trieb. Erst nach und nach ging ihm auf, daß die Frau zu seiner Seite nicht spaßte. „Nein, Laurie. Sag mir jetzt nicht, daß du das Telefon zu Hause an die Wand geworfen hast?“ Ungläubigkeit färbte seine Stimme, als er das Handy in seiner Hand vergaß und Laurie entsetzt anstarrte. Auf diese Frage antworte Laurie ihm erst lieber gar nicht.

Dieses Telefon war nämlich ihr gemeinsamer Schatz gewesen. Lange waren sie quer durch New York unterwegs gewesen, um ein Telefon zu finden, welches ihren, Lauries, ästhetischen Ansprüchen entsprach und Johns Verlangen, nach Funktionalität.

„Sag mir bitte, daß es sich reparieren läßt?“ Vergessen war das kaputte Handy in seiner Hand. Ungläubig und fast schon bittend waren Johns Augen auf Laurie gerichtet und warteten auf ihre Zustimmung. Auf die Worte, die ihm bestätigen würden, daß es gar nicht so schlimm war, wie es sich sein Gehirn ausmalte.

Nachdem Laurie bemerkte, daß John dem kleinen Telefon in seiner Hand keine Beachtung mehr schenkte, hob sie den Blick und schaute mit einem verlegenen Grinsen zu ihm. „Ich war sehr wütend auf dich.“ Es brauchte keine weiteren Erklärungen ihrerseits, denn John wußte sofort wovon sie sprach. Von einem Abend, als sie zweimal versucht hatte ihn anzurufen und er einfach die Verbindung unterbrochen hatte.

Resigniert schüttelte John den Kopf. „Laurie, mit deinem Temperament kommst du noch mal in Teufels Küche.“ Er schaute wieder auf das Handy in seiner Hand und fügte dann noch hinzu: „Und was ist noch zu Bruch gegangen?“ John kannte nicht nur Lauries Temperament, sondern auch ihre Treffsicherheit.

„Die grüne Vase, die ich von meiner Mutter mal zu Weihnachten bekommen habe.“ Abermals schüttelte John den Kopf. „Die konnte ich sowieso noch nie leiden. Hoffentlich bringen dir ihre Scherben mehr Glück.“ Er baute Lauries Handy wieder zusammen und hielt es ihr wieder hin. „Aber für das Handy hat es leider nicht gereicht, es scheint wirklich kaputt zu sein.“




Re: Another year has gone by

Chyio...was fällt dir denn nur ein hier das Kapitel zu unterbrechen??? Wo es doch soooo interessant ist!!! Hmmmpfh!

Ist es nicht nett wie die beiden wieder erste Bande knüpfen? Absolut knuffelig und so schön geschrieben! Gut das sie es so ruhig angehen lassen, denn sonst wäre aus diesem Gespräch bestimmt wieder ein Streit geworden! Toll wie du das hier darstellst Chyio, bitte mehr!!!

LG Flymoon





Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

War denn nicht gestern erst Montag? Kein Wunder das ich nie weiß wie alt ich bin, wenn die Zeit so schnell vergeht. Wie soll man denn da noch hinterher kommen?

@Flymoon: Ja anders hätte das Gespräch, glaube ich, nicht statt gefunden. Laurie mit ihrem Dickkopf und John der ja auch nicht so ganz ohne ist. Da kann so ein gemütliches Osteressen schon ganz anders ausfallen, wenn sie all die anderen Themen angesprochen hätten.

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Ein Wort aus der Bibel

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Oktober 2000

Angespannt klopfte Carl Radnor den Takt der viel zu lauten Musik auf dem Lenker mit, während er seinen Chevrolet geschickt durch den Verkehr auf der Williamsburg Bridge lenkte. Die Musik war zu laut, dachte er. Viel zu laut. Kaum konnte er den Motorenlärm der anderen Autos um sich hören. Doch die harten Klänge des Basses und das quietschen der Gitarre beruhigte seine angespannten Nerven. Unruhig huschte sein Blick auf die dicke Aktentasche neben sich auf dem Beifahrersitz. Sie stand noch da. Natürlich stand sie noch da! Wer sollte sie auch nehmen, wo er doch allein in dem Auto saß?

Carl schaute neben sich aus dem Fenster. Ein gelber Kombi zog an ihm vorbei. Der Vater fuhr, die Mutter hatte sich zu ihren beiden Kindern auf dem Rücksitz umgedreht und sprach mit ihnen. In dem Bruchteil der Sekunde, die der Kombi brauchte um ihn zu überholen, sah er wie das kleine Mädchen und der vielleicht zwei Jahre ältere Bruder vergnügt in die Hände klatschten. Dann waren sie vorbei.

Carl Radnor lächelte und dachte an seine eigene Familie. Und an seine Frau. Oh Gott, wie er liebte sie! Wie sehr freute er sich jeden Abend darauf aus dem Büro nach Hause zu kommen. Jubilierend rannte dann seine vier jährige Tochter auf ihn zu und begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung, während Emma, seine Frau, lächelnd im Türrahmen stand und sie beide beobachtete. Manchmal, wenn er nicht zu spät aus dem Büro kam, dann hatte sie die Sonne genau im Rücken und sah dann mit ihren langen blonden Haaren aus wie ein Engel, der zu ihm auf die Erde gekommen war. Er würde es für sie tun. Er würde alles hinter sich lassen. Seine Frau und seine Tochter nehmen und das Land verlassen. Weit weg. Wo keiner sie finden konnte.

Abermals huschte sein Blick zu der schwarzen Tasche neben sich. Heute Abend, wenn er beim FBI gewesen war und ihnen die Akten gegeben hatte, dann würden sie fliehen. Sie alle.....

Es gab keine Vorwarnung. Oder aber sie war so kurz, daß Carl Radnor nicht gleich begriff was gleich passieren würde.

Während er weiter den Takt der Bässe auf dem Lenker mit schlug, sah er kurz in den Rückspiegel zu seinem Hintermann. Es war ein roter Wagen. Und der Mann hinter dem Steuer winkte ihm mit einem breiten Grinsen zu. Er beugte er sich kurz nach vorn, dann zur Seite. Carl sah kurz auf die Straße vor sich, dann wieder in den Rückspiegel. Gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie die Beifahrertür sich öffnete und der Mann, der gerade noch gefahren war, sich aus dem fahrenden Auto fallen ließ. Verblüfft verfolgte Carl wie er auf dem Beton aufschlug und sich sofort aus der Gefahrenzone rollte.

Keiner außer ihm schien zu bemerken, daß der rote Wagen nun ohne Fahrer war. Und alle außer ihm bemerkten, daß der Wagen nun wesentlich schneller war als zuvor. Carl Radnor bemerkte es zu spät. Erst in dem Augenblick, als der Wagen ihm hinten auffuhr und er mit der Stirn auf das Lenkrad aufschlug, realisierte er es. Blut sickerte aus der Wunde seiner Stirn, als er den Kopf wieder hob. Und seine Augen weiteten sich vor Schrecken, als er gewahr wurde, daß der rote Wagen ihn direkt unter die großen Räder des Lastwagens vor ihm schob.

Er schrie.

Bremsen quietschten. Hupen dröhnten. Dann folgte das gräßliche Geräusch von Metall das sich verbog und der Knall einer Explosion.

Emma....

Die Explosion zerriß ihn augenblicklich und zerfraß alles was sich in dem Wagen befunden hatte.

27 Autos waren in den Unfall involviert. Zwölf Menschen starben dabei und es gab unzählige Verletzte. Doch das alles bekam Carl Radnor nicht mehr mit.

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Heute

„Wo ist Martinez“, brüllte Andy und hob fast den kleinen Gartenzaun aus seinen Angeln, als wutentbrannt in seine Etage zurück kehrte.

„Wo ist James?“ Hochrot war er im Gesicht, während sein Blick suchend über die Schreibtische glitt und er dann weiter den Gang hinunter stürmte. Verblüffte Blicke folgten Johns Partner, der wie von der Tarantel gestochen Tür für Tür öffnete und sich dann kurz entschuldigte, als er das Opfer seines Ärgers nicht entdecken konnte

Hinter ihm ging John. Sehr viel langsamer und auch nicht mit dessen Ärger im Gesicht, sondern mehr mit dem erheiterten Schmunzeln eines Mannes der sich köstlich amüsierte. Im Gegensatz zu Andy stürmte er nicht durch die Räumlichkeiten des Reviers, sondern schlenderte gemächlich hinter ihm her. Und er nahm auch nicht den Weg durch den Gang den Andy genommen hatte. Statt dessen bog er an Donnas Schreibtisch im Eingangsbereich zu seinem eigenen ab. Seine Mundwinkel waren zu einem erheiterten Lächeln verzogen und seine Hände vergruben sich in den Taschen seiner Hose, während er zu seinem Arbeitsplatz ging. Dort zog er gemächlich sein Jackett aus, hängte es über die Lehne seines Stuhls und krempelte sich die Hemdsärmel hoch.

Es wurde warm in New York. Das Thermometer hatte die zwanzig Grad vom Osteressen von vor zwei Wochen schon lange um weitere vier Grad überschritten und der Sommer war so plötzlich ausgebrochen, daß so mancher der sich mit Kreislaufproblemen herum schlug, Schwierigkeiten hatte mit dem plötzlichen Wetterwechsel klar zu kommen.

Aus weiter Ferne konnte John noch immer das wütende Stampfen von Andy vernehmen, daß aber je weiter er ging, immer leiser wurde, bis es schließlich hinter einer geschlossenen Tür vollends verstummte.

Stumm schüttelte John den Kopf über seinen Partner und hoffte dabei, daß Martinez nicht vor hatte in der nächsten halben Stunde an seinen Arbeitsplatz zurück zu kehren. Andy brauchte erst ein wenig Zeit um sich wieder ein wenig zu beruhigen. Vielleicht mit einem Doughnut und einer schönen Tasse Kaffee.

 „Was ist denn mit Andy los?“ Unbemerkt von John war Greg Medavoy an seinen Schreibtisch gekommen und schaute nun John fragend an. „Ist er mit dem linken Fuß aufgestanden?“ „Schön wär’s, wenn es nur das wäre“, seufzte John. Sein Lächeln verwischte sich, als er noch einmal zu dem Gang schaute in dem Andy gerade verschwunden war. Hatte er zum Anfang Andys Ärger auf James Martinez noch amüsant gefunden, so machte er sich jetzt langsam Sorgen, daß das Kreuz in Mrs. Wehles Wohnung nicht doch ein wenig zu viel für seinen Partner gewesen war.

„Wir haben gerade Diabolos Mutter einen kurzen Besuch abgestattet. Und mußten dabei feststellen, daß die Frau ein wenig….nun sagen wir mal gottgläubig ist.“

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Gottgläubig war eine sehr harmlose Beschreibung für das was sich Andys und Johns Blick geboten hatte, als Mrs. Wehle ihre Tür geöffnet hatte. In ein schwarzes langes Kleid war sie gekleidet gewesen, daß sich nur am Kragen mit einem weißen Rand abhob. Um ihre Taille lag eine schmale Kordel, an dessen Ende ein großes silbernes Kreuz baumelte. Im großen und ganzen hatte ihr nur noch der weiße Schleier gefehlt, um sie als Braut Christi auszuweisen. Dieser Anblick allein hatte ausgereicht, um Andy erbleichen und einen Schritt zurück weichen zu lassen. Und nur Johns Arm, der sich instinktiv um den seines Partners gelegt hatte, hatte diesen daran gehindert die Flucht zu ergreifen.

Aber es war noch schlimmer gekommen. Mit dem ersten Wort das sie an Andy und ihn richtete, war klar geworden, daß dies kein Gespräch im normalen Sinne werden würde. Die Begrüßung war ein Zitat aus der Bibel und Johns Bitte um eine Unterhaltung, war mit einem sanften, entrückten Blick beantwortet worden. Ein zweiter Spruch aus der Bibel hatte sie ins Wohnzimmer geleitet, wo Andy kurz vor einem Ohnmachtsanfall stand. Denn dort in dem kahlen Zimmer, das nichts anderes beherbergte als einen abgenutzten Eßtisch mit vier Stühlen, hatte ein riesiges Kreuz den nackten Putz der Wand geschmückt. Und vor diesem Kreuz hatte es einen Altar gegeben. Mit Kerzen und Bildern. Mit der Statur von der Jungfrau Maria und dem Kelch mit dem Blute Christi. John hatte gehofft, daß sich in diesem Gefäß nur der übliche rote Wein befand, doch der metallische Geruch der ihm kurz darauf in die Nase stieg, hatte ihn schnell eines besseren belehrt. Es war Blut gewesen. Und der Verband an Mrs. Wehles Handgelenk hatte ihm nur zu deutlich gezeigt, wo es her kam.

Ihr Leiden für das Leiden Christi.

Es war ein Gespräch gewesen, welches direkt aus der Bibel zu kommen schien. Zitate und Redewendungen hatten sich in schneller Reihenfolge abgewechselt. Und John war für seine eigene Gläubigkeit dankbar gewesen, die es ihm ermöglichte, wenn auch nicht alles, doch zumindestens im Ansatz zu verstehen wovon Mrs. Wehle sprach. Andy hatte geschwiegen. Blaß hatte er im Schein der Kerzen auf seinem Stuhl gehockt und diese Fanatikerin nicht aus den Augen gelassen.

„Fanatisch“, fügte John an seine Erinnerung an die vergangenen Stunden noch hinzu.

Medavoy zuckte achtlos die Schultern und ließ sich dann auf den Stuhl an Johns Schreibtisch sinken. „Nun, damit kann Andy doch eigentlich umgehen“, grinste er. „Wenn ich nur an die Ruhe denke, die er immer aufbringt wenn er mit dem Typen am Telefon über seine außerirdischen Aktivitäten spricht…“ „Du meinst MacCallen?“, lächelte John.

„Ja, genau den. Mein Gott, einmal in der Woche ruft er Andy an und beschwert sich darüber, daß die Außerirdischen versuchen sein Leben zu übernehmen. Und nicht einmal, in der ganzen Zeit, ist Andy dabei ausgerastet.“ „Nun“, seufzte John und sah in den Gang in dem Andy vor einiger Zeit verschwunden war, „Außerirdische und Gottes-Fanatiker sind anscheinend zwei Paar verschieden Schuhe für ihn.“ Medavoy lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Beine übereinander. Nachdenklich sah er sich dabei um. Kein Andy war zu sehen und auch sein Opfer, war noch nicht wieder zurück. „Das ist ja alles schön und gut, John. Aber was bitte hat das alles mit James zu tun?“

„Der Tip noch einmal bei Diabolos Mutter vorbei zu schauen kam von James. Und Andy ist jetzt der Meinung, daß das eine Racheaktion für ihn war.“ Während er sprach, holte John den braunen Papphefter mit den Unterlagen von Frankie Wehle aus einer Schublade seines Schreibtischs. Schon vor einiger Zeit hatte er sich die Akte heraus gesucht und viel hatte er in den letzten Wochen in ihr gestöbert. Dennoch hatte er in ihr nichts entdecken können, was ihm irgendwie weiter geholfen hätte. Trotzdem klappte er den Deckel ein weiteres Mal auf. Vielleicht paßte ja der Besuch bei seiner Mutter irgendwie in die Informationen die er bisher von Diabolo gesammelt hatte.

„Warum sollte sich James an Andy rächen wollen?“, unterbrach ihn Medavoy deutlich verwirrt. Soweit Greg es beurteilen konnte, gab es keinen Streit im Revier. Jedenfalls keinem der ihm aufgefallen wäre. „Andy und James hatten zusammen ein Verhör“, erklärte John Medavoy und schlug dabei die zweite Seite des Hefters auf, „und sind über die Art und Weise wie die Befragung gelaufen ist, in Zwist geraten.“ „Den Andy dann beendet hat, indem er sich darauf berief, daß er der Dienstältere von den beiden ist“, mutmaßte Medavoy. „Richtig. Und nun ist Andy der Meinung, daß James ihn mit Absicht zu Mrs. Wehle geschickt hat.“ Weder John noch Greg verloren ein Wort, daß James gar nicht wissen konnte, daß Andy John begleiten würde. „Sag jetzt nichts“, seufzte John leise. „Sorge einfach nur dafür, daß die beiden sich nicht so schnell über den Weg laufen. Jedenfalls so lange, bis Andy sich wieder beruhigt hat. Ich werde dann…“

„James!“, brüllte es in diesem Augenblick aus dem Gang heraus und begleitet wurde dieser laute Ausruf von den schweren Schritten eines wütenden Andys. Aufgeschreckt von der Gewalt dieser Stimme, sahen John und Greg zu dem Verursacher hin, der in diesem Augenblick aus dem Gang heraus in ihr Blickfeld trat. Und sie sahen zu James Martinez, welcher gerade den Raum von der anderen Seite betreten hatte.

„Was auch immer du vorhattest, John. Es ist zu spät dafür!“ Schnell erhob sich Medavoy von seinem Stuhl und hastete dann John hinter her, der schon bei der ersten Silbe von Martinez seinen Namen, aufgesprungen war und seinem Partner entgegen eilte. Gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern das Andy den kleinen Puertoricaner unter den Blicken der Anwesenden mit seiner Wut überrollte.

Hier gab es in letzter Zeit viel zu sehen, schoß es John durch den Kopf. Erst der Duschauftritt von van Clandon, Andys Besorgnis vor dem Osteressen. Jessies wütenden Abgang und nun auch noch Andys verärgerten Auftritt. Das 15. Revier brauchte sich wahrlich nicht mit Langeweile rühmen.

„Ruhig, Andy…“ John zog seinen Partner ein Stück weit von dem vermeintlichen Kontrahenten fort. Andys Gesicht war vor Wut inzwischen puterrot angelaufen und sein mächtiger Leib hob und senkte sich gefährlich unter seinen heftigen Atemzügen. „James hat es nur gut gemeint.“

„Einen Scheiß hat er!“ Andys Stimme kochte vor Zorn, dennoch hatte sie sich um en paar Dezibel gesenkt. „Er hat uns mit Absicht dahin geschickt!“ „Natürlich hat er das. Er hatte das Gefühl, daß uns Diabolos Mutter behilflich sein konnte und deswegen hat er uns geraten, ihr noch einmal einen Besuch abzustatten.“ Dicht baute John sich vor Andy auf und suchte seinen Blick, der aber noch immer auf dem Mann vor ihm klebte. „Andy!“, flüsterte John eindringlich und versuchte nur anhand seiner Stimme und seines Blickes, seinen Partner dazu zu bringen ihn anzuschauen. „Andy, schau mich an.“ Unter dem eindringlichen Klang von Johns Stimme, riß Andy endlich den Blick von Martinez. „Er wollte uns helfen. Nichts anderes. Keine Rache und keinen Spaß mit uns treiben.“ Sein Blick bohrte sich in den von Andy. „Hörst du mir überhaupt zu? Herrgott noch mal Andy, was ist denn mit dir los?“ „Nichts ist mit mir los“, knirschte Andy unwirsch. „Bis auf die Tatsache, daß ich….“ Aber unterbrach sich selbst und linste wieder an John vorbei zu James hinüber, der nun langsam begriff worum es bei Andys Ausbruch ging.

„Ihr seid bei Mrs. Wehle gewesen?“ Todesmutig schielte sein Kopf hinter Greg Medavoy hervor. Dieser hatte sich zum Schutz vor Andys Wutausbruch vor dem kleinen Puertoricaner geschoben. Ein ziemlich nutzloses Unterfangen, wenn man bedachte, daß Greg zwar der größere der beiden, James allerdings in einem Viertel aufgewachsen war, wo die Faust die Straße regierte. Trotzdem machte James keine Anstalten hinter seinem Partner hervor zu kommen.




Re: Another year has gone by

Ein Wort aus der Bibel – 2

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Trotzdem machte James keine Anstalten hinter seinem Partner hervor zu kommen. „Habt ihr was über ihren Mann heraus gefunden? Warum er sich umgebracht hat?“

Andys Blick zuckte von James zu John hinüber und seine so lange aufgetaute Wut verpuffte, jetzt wo sie kurzfristig ein Ventil gefunden hatte, so schnell wie sie sich angestaut hatte.

"Er hat sich umgebracht?“ Ungläubig starrte Andy zu seinem Partner hinauf und dann zur Bestätigung wieder zu James zurück. Beide nickten sie. John sowie James. Aber es war John der sich zu Andys Skepsis äußerte.

„Ja. Und ich habe dir im Auto davon erzählt. Keine fünf Minuten bevor wir hoch gegangen sind.“

„So? Hast du das?“ Sein Blick fokussierte wieder John. „Ich muss es in dem Schock der nachfolgenden fünf Minuten vergessen haben.“

„Offensichtlich.“

„Und hat sie sich dazu geäußert?“ Diesmal war es Andy, welcher John fragend ansah, aber auch James und Medavoy hatten John interessiert ins Auge gefasst. John jedoch antwortete nicht sofort. Statt dessen lag sein Blick ungläubig auf seinem Partner.

Du warst dabei gewesen, schien er zu sagen. Sag mir jetzt bitte nicht, dass du nicht zugehört hast!

„Ich habe zugehört“, ereiferte sich Andy bei Johns stummem Vorwurf. „Aber ihr habt euch in einer Sprache unterhalten, der ich nicht folgen konnte. Also, was hat sie zu dem Selbstmord ihres Mannes gesagt? Und komm mir jetzt bitte nicht mit irgendeinem Zitat aus der Bibel, John. Rede in Worten die ich verstehe, mit nicht mehr als fünf davon in einem Satz!“

John antwortete Andy nicht gleich, statt dessen schüttelte er einfach nur resigniert den Kopf. Warum hatte er Andy nicht gehen lassen? Warum hatte er ihn am Ärmel zurück gehalten? Verdammter Reflex.

„Sie hat gesagt…“

Absatzschuhe im vertrauten Rhythmus erklangen. Unterbrachen John bei seinen Ausführungen, als er automatisch seinen Blick an Andy vorbei in den Gang lenkte, wo Laurie gleich erscheinen würde, wenn sie die Richtung beibehielt. Stumm, aber mit einem leichten Lächeln erwartete John sie.

Nachdem Andy, Greg und auch James merkten, dass John abgelenkt war, drehten auch sie ihre Köpfe zu dem Flur hin in den John schaute. Aber sie sahen nichts was Johns Unterbrechung rechtfertigte. Nur Schritte vernahmen sie, von denen zumindestens Andy wusste wem sie gehören. „Laurie“, formten seine Lippen für die beiden anderen, fast ohne sich zu bewegen, denn John stand zwischen ihnen. Ein deutlicheres Flüstern, hätte er nicht nur gehört, sondern auch gesehen.

Das für John vertraute Klangmuster stoppte. Eine Tür öffnete sich und ein letztes Mal gewahrten die vier die Schritte von Laurie, bevor sich die Tür hinter ihr schloss.

„Sinngemäß sagte sie etwas davon, dass ihr Mann von ihr überfordert war.“ Als ob es die kurze Unterbrechung von ihm nicht gegeben hätte, führte John seine Antwort auf Andys Frage einfach weiter und drehte sich dann zu Medavoy und Martinez hin. „Du hattest einen guten Riecher gehabt, Kleiner.“ James sein Gesicht erhellte sich unter seinem Lächeln zu einem wahren Strahlen, als er das Kompliment von John vernahm. „Danke.“ Siehst du, schienen seine Augen Andy zu sagen, doch der ging auf die stummer Herausforderung gar nicht ein. Vor sich hin brummend schob er sich an John vorbei zu der Kaffeemaschine und schenkte sich dort eine Tasse von der Stärkung ein.

„Nimm es ihm nicht übel“, wandte sich John an James. „Er hat zu Hause schlechte Erfahrungen mit Kreuzen gesammelt. Seine Ex Frau, weißt du?“

 James nickte, obwohl er keine Ahnung hatte von was John sprach. Doch er wollte auch nicht nachfragen. Wenn John sagte, dass es in Ordnung war, dann war es das auch. Und wenn er ganz ehrlich war, so hatte ihn der Fanatismus von Mrs. Wehle genauso erschreckt, wie auch Andy. Es gab einfach Dinge im Leben, die man nicht erwartete und die sich dann auch nicht so leicht verdauen ließen.

„Tut mir leid, dass ich nicht gemerkt habe, wie sehr es ihm zu schaffen macht“, entschuldigte sich John noch zu seiner halben Erklärung. „Ansonsten hätte ich vorher schon mit ihm geredet.“

„Schon gut.“ James winkte zu Johns Entschuldigung ab. „Ist ja nichts passiert. Hat dir denn der Besuch bei ihr was gebracht?“

„Ich weiß nicht“, abwägend nickte John mit dem Kopf. „Da flogen eine Menge Zitate auf mich zu, die ich nicht kannte. Lass mich erst ein wenig recherchieren und dann kann ich dir mehr sagen.“

Aber irgendwo in seinem Hinterkopf hatte schon vor geraumer Zeit angefangen eine kleine Glocke zu läuten. Noch sehr leise und nur aus weiter Ferne. Doch Andys Unwohlsein bei Diabolos Mutter, seine Abneigung gegen die Kreuze. Der Selbstmord von Mr. Wehle. Diabolo als Einzelgänger im Gefängnis….das waren alles Dinge, die für ihn im Zusammenhang standen, welche er aber noch nicht zu einem ganzen Puzzle zusammen fügen konnte.

„Lass mich noch ein wenig forschen“, wiederholte er noch einmal. Diesmal aber mehr für sich, als für Martinez und Medavoy.

„James?“ Andy kam mit seinem Kaffee wieder zurück zu der kleinen Gruppe. Und ohne dass er ein Wort gegenüber John oder Medavoy verlor, war ihnen doch klar, dass es jetzt die Entschuldigung für James gab. John klopfte Martinez noch einmal aufmunternd auf die Schulter und murmelte ein weiteres Mal: „Gut gemacht“, bevor er mit Greg zurück zu dessen Schreibtisch ging.

Jedoch blieb er nur kurz dort stehen. Ein, zwei gewechselte Worte, dann ging er weiter zu seinem Platz und vertiefte sich dort in seine Arbeit. Recherchen, vermutete Andy, als er seinen Freund dabei beobachtete wie er abwechselnd seinen Computer konsultierte und nebenher einen Blick in dem grünen Pappordner auf dem Tisch warf. Recherchen über die Hintergründe in Diabolos Leben. Über die offensichtlichen aus seiner Akte und den verborgenen in den Bibelzitaten. Schon auf dem Rückweg zum Revier, hatte John die Fahrt genutzt, um alles aufzuschreiben, was ihm von dem Gespräch noch im Gedächtnis geblieben war. Wort für Wort. Zitat für Zitat, hatte die Seiten seines Notizheftes gefüllt, bis er es mit einem erleichterten Aufseufzen just in dem Augenblick schloss, als Andy den Motor vor dem Revier abwürgte.

„Hör mal James“, Andy drehte sich zu dem jungen Detective um und sagte das erste was ihm durch den Kopf schoß.

„Du solltest eine gelbe Krawatte niemals mit einem violetten Hemd kombinieren. Es mag ja sein, dass beide Farben gut zu der Farbe deiner Haut passen, aber zusammen getragen erinnern sie mehr an einen Papageien als einen seriösen Detective.“ 

Verblüfft blinzelte Martinez ihn an. „Ich muss sagen, Andy…“, sagte er schließlich und grinste Andy dabei genauso frech an, wie dieser ihn, „…dass ich mir die Entschuldigung von dir doch etwas anders vorgestellt habe. Aber danke für den Modetip. Ich wusste gar nicht, dass das eine deiner Stärken ist!“

„Es gibt viele Dinge die du nicht von mir weißt, Kleiner.“ Er zwinkerte Martinez verschwörerisch über den Rand seines Bechers an. „Aber….“

Eine Tür, die sich vor geraumer Zeit in Andys Rücken geschlossen hatte, öffnete sich wieder. Lauries Lachen erklang und dann die tiefe Stimme von Stevens. „…Du wolltest mir ja nicht glauben“, lachte Laurie und bog mit Stevens zusammen um die Ecke, welche bisher einen Blick auf sie verhindert hatte. „Du schuldest mir einen Kaffee und ein Sandwich!“ „Ich schulde dir gar nichts, Laurie. Du hast geschummelt!“ Stevens klang entrüstet, aber nach dem Blick den er Laurie von der Seite her zu warf, hatte es nicht den Anschein, als ob er darüber sehr zu Tode betrübt war. Für Andy, der sich zusammen mit Martinez zu Laurie umgedreht hatte, sah es eher so aus, als ob er es nicht erwarten konnte, Laurie zu einem Kaffee einzuladen.

Diese Schwerenöter! Andy vergrub seine Hände in den Hosentaschen und betrachtete Johns Konkurrent mit finsterem Blick. Wusste er denn nicht, dass Laurie gar kein Interesse an ihm hatte?

Laurie selbst reagierte auf den Vorwurf von dem Detective nicht. Sie lachte ihn nur von der Seite her an und ignorierte alles andere. Zum Beispiel den Schritt, den er näher zu ihr trat und das auffordernde Lächeln in seinen Mundwinkeln. „Hey Andy!“, rief sie erfreut aus, als sie ihn entdeckte. Martinez lächelte sie ebenfalls an, aber das Wort an ihn zu richten schaffte sie nicht mehr, denn Andy riss es an sich.

„Laurie! Schön dich zu sehen.“ Mit voller Absicht schnitt ihr Andy den Weg so ab, dass sie nicht mehr so ohne weiteres an ihm vorbei kam. Verblüfft sah Laurie Andy an und trat dann automatisch wieder einen Schritt zurück, doch bevor sie was sagen konnte, fiel ihr Andy schon ins Wort.

„Gut das ich dich treffe…“, Andy lächelte Stevens süffisant an, als dieser an ihnen vorbei ging. Und deinen Kaffee kannst du dir sonst wohin schieben, hätte ihm Andy am liebsten hinter her gerufen. Aber er verkniff sich diese unqualifizierte Bemerkung und wandte sich statt dessen wieder Laurie zu, welche noch immer darauf wartete, dass Andy ihr erklärte warum er sich ihr in den Weg gestellt hatte.

„Wir waren gerade bei Diabolos Mutter“, platzte Andy munter raus. Und vergaß dabei ganz dass er dem Detective hinter ihm noch eine Entschuldigung schuldete. „Aber frag mich bitte nicht, was sie erzählt hat, denn sie fand es ganz toll in Bibelzitaten zu reden. Aber John meinte, dass er damit was anfangen konnte. Wenn du mit ihm reden willst“, Andy deutete mit der Hand zu John an seinem Schreibtisch.

„Er ist an seinem Platz und ich wette er ist schon dabei, dieses Kauderwelsch auseinander zu pflücken.“ Schnell sprudelten ihm die Sätze über den Lippen. So schnell das Laurie ihn erst eine Weile schweigend anblinzelte, um zu begreifen was er ihr da gerade mitteilte und erst dann – mit einigen Sekunden Verspätung – Andys ausgestreckter Hand mit den Augen folgte.

„Ihr seid bei Diabolos Mutter gewesen?“ Ungläubig drehte sie sich von Johns Anblick bei der Arbeit wieder zu Andy um und sah wie er eifrig nickte.

„Ja, du hattest doch John gebeten noch einmal in der Richtung zu forschen.“ Vor zwei Monaten. „Allerdings brauchst du dich nicht bei John oder mir dafür zu bedanken. John wollte nur ins Gefängnis zu Diabolo. Aber…“ Andy griff hinter sich und zog Martinez am Ärmel zu sich nach vorn. Beide Hände legte er ihm auf die Schulter und strahlte über dessen Schulter Laurie an. „…dieser junge Detective hatte den genialen Gedanken, dass wir auch noch mal seiner Mutter einen Besuch abstatten sollten.“ Voller Stolz schüttelte Andy den Puerto Ricaner durch. „Eine wirklich großartige Idee wenn du mich fragst.“

Andy strahlte noch immer über beide Backen, aber Laurie und James warfen sich einen gleichermaßen erstaunten Blick zu. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

„Ihr seid bei Diabolo im Gefängnis gewesen?“ Laurie fand als erstes ihre Sprache wieder.

„Ja“, nickte Andy, „waren wir. Schon vor einigen Wochen, doch wir hatten erst heute Zeit seiner Mutter einen Besuch abzustatten. Wenn du allerdings wissen willst, was wir heraus gefunden haben, dann musst du John fragen, denn ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung was die beiden sich unterhalten haben. Da flogen die Sprüche aus der Bibel nur so hin und her und ich habe irgendwann den Überblick verloren worum es eigentlich geht. Aber John wirkte sehr zufrieden mit dem Gespräch.“ Was machte schon eine kleine Übertreibung aus?

„Ihr seid bei seiner Mutter und bei ihm selbst gewesen?“ Es war für Andy unüberhörbar, dass Laurie ihren Ohren nicht mehr traute. Er konnte es ihr nicht verdenken. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, es würde ihm nicht anders gehen.

„Ja, waren wir“, wiederholter er deswegen sanft für sie. „Aber Laurie, du musst mich jetzt entschuldigen. Ich hab noch viel zu tun. Und als erstes muss ich noch ein Wort mit meinen Freund hier sprechen.“ Andy schob Martinez wie eine Schaufensterpuppe wieder hinter sich und folgte ihm dann.

„Ach ja“, sagte er dann noch über die Schulter hinweg, schon halb im gehen. „Könntest du bitte Sylvia ausrichten, dass ich sie um sechs zum Essen abhole? Ich kann sie momentan nicht erreichen.“

„Mach ich. Sie ist im Gericht, aber wenn alles gut geht müsste sie in einer Stunde fertig sein“, entgegnete Laurie lächelnd. Dann drehte sie sich wieder zu John um und betrachtete ihn über die Schreibtische hinweg.

Andy schob James nicht weiter als bis zu Donnas Schreibtisch, dort blieb er stehen und betrachtete Laurie wie sie zögernd zu John ging.

„Eine geniale Idee?“, ließ sich jetzt Martinez vernehmen. „Es war eine geniale Idee gewesen, dass ich euch gesagt habe, dass ihr seiner Mutter noch einmal einen Besuch abstatten sollt?“ Er löste sich aus dem festen Griff auf seinen Schultern. Andy jedoch schien es nicht einmal zu bemerken. Gebannt lag sein Blick bei John und Laurie.

John war aufgestanden und beugte sich nun mit ihr zusammen über die Akte auf seinem Schreibtisch. Dann zog er das Notizbuch mit den Zitaten näher zu ihnen beiden hin und deutete darauf. Dicht steckten ihre Köpfe zusammen und Andy wollte das Herz vor Freude aufgehen.

„Alles was dienlich ist, um die beiden wieder zusammen zu bringen ist eine gute Idee“, beschied er James. „Sogar dieser Besuch bei dieser….“ „Irren?“, vollendete James grinsend seinen Satz. Andy drehte sich zu dem Puerto Ricaner hin. „Irren“, bestätigte er mit einem Lächeln.

„Hör mal, es tut mir wirklich so leid, da ich vor hin so ausgerastet bin. Es ist nur so, dass…“

„Ist schon gut Andy.“ James klopfte Andy auf die Schulter. „Ist schon vergessen. Hey schau mal!“ Er deutete mit dem Kopf zu John und Laurie die sich in dem Augenblick aufrichteten und sich kurz anlächelten. Schüchtern. Zurückhaltend.

„Mein Gott, ein Steak in der Pfanne hat mehr Würze, als das was die beiden da abliefern.“ Entnervt verdrehte Andy die Augen. „Seit zwei Wochen gibt es nichts anderes als schüchterne Lächeleinheiten und oberflächliche Gespräche. Kein gemeinsames Essen, kein Treffen außerhalb der Arbeitszeit. Die beiden machen mich wahnsinnig!“ Andy zog sein Taschentuch aus der Tasche und wischte sich über ein Gesicht wo keine Schweißperlen waren. Es war nur die Gewohnheit der letzten Wochen, die ihn diese Geste ausführen ließ.

„Wie, sie treffen sich nicht?“ Überrascht sah Martinez von John und Laurie zu Andy. „Ich dachte seit dem Osteressen würde zwischen den beiden alles toll laufen. Ich meine da sah es doch so aus, als ob einer Versöhnung nichts mehr im Wege steht.“

„Oh, die beiden streben bestimmt eine Versöhnung an. Die Frage ist nur, ob sie diese für dieses Leben in Betracht ziehen, oder sie es als Karma mit in ihr nächstes nehmen wollen.“ Gefrustet stopfte Andy das Taschentuch wieder zurück in die Tasche. „Die beiden sind so vorsichtig in ihrem Umgang miteinander, als ob sie sich auf rohen Eiern bewegen würden!“

„Wer bewegt sich auf rohen Eiern?“, fragte eine weibliche Stimme leise in Andys Rücken und dann liebkoste ein Finger ihn indem er sich zehn Zentimeter über die Wirbelsäule hinauf und hinab bewegte. „Hallo Sylvia!“ Andy drehte sich nicht um, aber seine Hand tastete hinter seinem Rücken nach der ihren. Finger verschlangen sich ineinander und sagten all das was sie selbst hier im Revier nicht offen sagen konnten.

„Hey“, grüßte Sylvia zurück und lächelte auch James an. „Also, wer bewegt sich hier auf rohen Eiern?“ „Rate mal.“ Andy deutete mit dem Kopf zu John und Laurie. Mittlerweile hatten sie fast einen Meter Abstand zueinander gewonnen, doch zumindestens konnte Andy für sich verbuchen, dass sie sich noch immer anlächelten.

„Was erwartest du denn Andy“, ließ sich Sylvia nach einer Weile der Beobachtung wieder vernehmen. „Das sie sich um den Hals fallen und sich vor deinen neugierigen Augen wild rum knutschen?“ Sylvia kicherte hinter Andys Rücken leise. „Das kannst du vergessen, mein Freund. So weit ich weiß ist Laurie noch immer mit Danny zusammen. Und außerdem darfst du nicht vergessen, dass sie gerade einen deftigen Streit hinter sich haben. Wenn sie also sich nur vorsichtig auf einander zu bewegen, dann spricht es durchaus dafür, dass sie in den vergangenen Monaten hinzu gelernt haben!“ Und wie zur Bekräftigung ihrer Worte, drückte sie die Finger ihres Freundes hinter seinem Rücken fest. „Hab Geduld, Andy“, murmelte sie so leise, dass es nur für Andys Ohren bestimmt war. Doch sie kamen aber nur halb bei Andy an, denn Sylvias Worte, hatten ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht.

Danny! Er wollte sich am liebsten mit der Hand vor die Stirn schlagen. In seinem Bestreben John und Laurie wieder zusammen zu bringen, hatte er den smarten Csi Mann vollkommen außer acht gelassen!

Dennoch, er würde nicht aufgeben. Und wenn Laurie und Danny sich doch einmal trennen sollten, dann würde er zur Stelle sein und sich darum kümmern, dass die beiden ihre Ehe wieder aufnahmen. Amor hatte ihm einen Auftrag erteilt!




Re: Another year has gone by

Andy ist doch echt ein Kracher, lach! Ich mußte jetzt eben beim lesen wieder so grinsen, Chyio! Allein seine Antworten sind manchesmal einfach zu gut! Es war ja klar das er es wieder nicht erwarten kann das John und Laurie zusammen kommen, wobei...wenn ich da so an ihn und Sylvia denke, wie war das....Gasleitung defekt etc. etc.

Über die Einleitung im ersten Kapitel bin ich jetzt etwas konfus, weil ich im Moment nichts damit anfangen kann, aber ich weiß das du mich da bestimmt aufklären wirst! Die Debatte zwischen Andy und Martinez war köstlich, du triffst das immer so genau, das man es wie immer deutlich vor Augen hat. John und Medavoy beim schlichten...kess! Ich freu mich auf mehr!!!!

LG Flymoon





Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

@Flymoon: Es hätte mich schon sehr gewundert, wenn Du mit dem Anfang was hättest anfangen können. Ich habe sehr lange überlegt, ob ich nun das dran setze was dort hin gehört oder aber etwas ganz anders, um den Oops Effekt zu erreichen. Du kannst nun sehen wofür ich mich entschieden habe. Aber keine Sorge, heute wirst Du aufgeklärt.

Und dann wirst Du wieder nichts zu schreiben wissen....

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Der Sohn des Vaters

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In der Großstadt New York, wo Schnelligkeit und Hektik den Alltag beherrschten, war das Büro von Jeremy Sanders eine Oase der Ruhe. Es lag am Ende eines langen Flurs, der mit seinen weißen Wänden und dem dunkelgrünen Teppich jene Exklusivität ausstrahlte, die sich in dem quadratischen Schnitt seines privaten Arbeitszimmers wiederholte.

Jeremy Sanders selbst saß an seinem Schreibtisch aus dunklem Kirschholz und hatte sich in den Blättern vor sich vertieft, die Teile einer dicken Akte waren. Doch anders als bei den Akten in den extra für sie vorgesehenen Raum, drei Zimmer weiter, waren diese Blätter in einen schwarzen Ledereinband geheftet und die Menge der Blätter mit diesem edlen Einband erinnerte mehr an ein dickes Buch, als an die übliche Form einer Akte.

In dämmrigen Lichte der Schreibtischlampe lagen seine Hände lagen flach ausgestreckt rechts und links neben dem Einband und sein Rücken war so gerade und steif, dass sein Anblick an einen Stock erinnerte. Dennoch strahlte sein momentanes Erscheinungsbild mit dem geöffneten schwarzen Jackett und dem weißen Hemd nicht unbedingt Steifheit aus. Selbstbewusstsein und Distinguiertheit, dass waren die Attribute, welche seine Person am Besten beschrieben. Auch in der Phase der vermeintlichen Entspannung.

Es tut mir leid ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Mitarbeiter Carl Radnor seine Loyalität ihnen gegenüber verloren hat, und wir entsprechende Maßnahmen eingeleitet haben, um ihn an einem Gespräch mit dem hiesigen FBI zu hindern. Desgleichen möchten wir sie darauf hin weisen, dass...

Schwarze Buchstaben auf einem weißen Papier, die ihm schonungslos von einem Verräter unterrichteten. Einen Verräter, den es nun schon seit sechs Jahren nicht mehr gab. Und der doch für lange Zeit sein engster Vertrauter gewesen war.

Als einer der wenigen Anwälte, die sich Sanders in der Anfangsphase seiner Selbständigkeit hatte leisten können, war Carl schon im ersten Jahr zu ihm gestoßen. Zusammen hatten sie die mageren Zeiten mit kaum Klienten hinter sich gebracht und dann, als Samuel Wilkes in Sanders sein Leben getreten war, auch den Aufschwung der Kanzlei.

Alles war großartig gelaufen, sie hatten nun Klienten und sie hatten Geld. Der Name der Kanzlei wuchs in seinem Bekanntheitsgrad und Carl hatte als treuer Partner an Jeremys Seite gestanden. Bis er ihn verraten wollte.

Carl hatte seine verdiente Bestrafung bekommen. Sagte der Anwalt in Jeremy Sanders, der um seine Kanzlei und seine Zukunft bangen musste. Aber der Mann, der Freund, bedauerte den Tod seines Freundes. Nicht offen und für niemanden sichtbar, aber tief in seinem Herzen verfluchte er Carl Radnor dafür, dass er schwach geworden war.

Mit einem tiefen Seufzen schloss Jeremy Sanders den schwarzen Ledereinband und legte beide Hände auf ihn. Sein Kopf senkte sich, als er die Augen schloss und ein weiterer Seufzer entfuhr seinen Lippen. Carl Radnor. Die Spitzen seiner schwieligen Finger strichen über das eingestanzte Wappen auf dem Einband. Wie konnte er nur so dumm sein? Niemand versuchte Jeremy Sanders zu hintergehen und niemand – wirklich niemand – legte sich mit Samuel Wilkes an.

Einen Moment lang fragte sich Jeremy Sanders was wohl aus Emma und seiner Tochter Naomi geworden war, aber dann war der Augenblick der Schwäche vorbei und Sanders schob mit dem schwarzen Ledereinband auch die Erinnerung an Carl seine Familie von sich fort. Nur um sogleich nach dem zweiten Band auf seinem Schreibtisch zu greifen. Es gab drei von ihnen. Alle waren sie schwarz und alle enthielten sie so brisantes Material über ihn und seine Kanzlei, dass schon eine einzelne von ihnen ausgereicht hätte um ihn für Jahre ins Gefängnis zu bringen.

Niemand außer ihm selbst kannte den genauen Inhalt und niemand würde ihn auch je zu Gesicht bekommen. Die Seiten die er aus den Mappen weiter gab, waren nur Auszüge. Und selbst die Akte, die zusammen mit Carl Radnor bei der Explosion zerrissen worden war, war nichts anderes als ein kleiner Teil von einer großen Gesamtheit gewesen. Dennoch hätte sogar dieser kleine Teil das FBI brennend interessiert.

In der Stille seines Arbeitszimmers blätterte Jeremy Sanders auch in diesem schwarzen Ledereinband und machte sich auf einem Zettel zu seiner Seite Notizen. In knapper Ausführlichkeit reihten sich Punkt für Punkt auf dem blütenweißen Blatt zu einer langen Liste zusammen. Und jeder einzelne der Punkte hatte nur mit einem Mann zu tun. Noah Lewis. Ihn würde Jeremy Sanders in wenigen Tagen zu seinem Partner erklären. Sanders mochte Lewis. Er war ehrgeizig, skrupellos und er war dafür bekannt, dass er mehr Zeit in den Räumen der Kanzlei verbrachte, als bei sich zu Hause. Das waren alles Charaktereigenschaften, die für Sanders  nicht ohne Bedeutung waren, trotzdem hätten sie unter normalen Umständen nicht ausgereicht, um ihn zu einem Partner zu machen. Aber die Umstände waren nicht normal.

 

Sie waren es nicht mehr, seit Hendrik Wilkes von ihm gefordert hatte Frankie Wehle zu vertreten.

Jeremy schloss auch diese Mappe und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl aus schwarzen Leder, um über den dicken Teppich geräuschlos zu seiner Bürotür zu gehen und dort den Schlüssel in seinem Schloss herum zu drehen. Er schloss ab, nicht auf. Denn für das was er gleich tun würde, brauchte er keine Zeugen. Mit zielstrebigen Schritten kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück und suchte aus dessen Schublade eine Fernbedienung heraus, mit der er die Jalousien von seinen Fenstern herunter fahren konnte. Das Büro lag zwar im dritten Stock, doch die Straße war nicht breit und das gegenüberliegende Haus war nicht so weit entfernt, wie er es sich wünschte.

Die Jalousien surrten als sie sich über die großen Fenster schoben und das Zimmer in Dunkelheit tauchten, das nun nur noch von dem Schein seiner Schreibtischlampe erhellt wurde. Mehr Licht brauchte Sanders nicht. Er nahm die beiden schwarzen Einbände von seinem Tisch und ging mit ihnen zu der gegenüberliegenden Bücherwand. Bücher über Recht und Politik zogen sich von einem Ende des Zimmers bis in die andere. Es gab nur zwei Bretter, die keine Bücher enthielten. Auf ihnen standen die wenigen Kunstgegenstände, welche er sich in seinem Arbeitszimmer erlaubte.

Aber diese Regalbretter waren nicht sein Ziel. Sein Weg führte ihn geradewegs zu der Enzyklopädie an der rechten Seite des Regals. Und als er den vierten Band von rechts hinausnahm, konnte er ohne Mühe den in dem Schnitzwerk an der Rückwand des Regals versteckten Knopf drücken. Lautlos schob sich ein Teil des Regales nach hinten und offenbarte eine kleine Kammer. Sie maß kaum einen Meter in der Länge und war auch nicht tiefer als fünfzig Zentimeter, aber in ihrer Höhe hatte sie die gleichen Maße wie das Bücherregal selbst. Auch hier gab es Regalbretter, doch im Gegensatz zu dem vollgestellten Bücherregal, waren hier die meisten Bretter nicht belegt. Von den zehn Brettern, waren es nur vier, die Akten enthielten. Auf den anderen türmten sich ein nicht geringer Teil seines Vermögens, Urkunden und die zwei Pokale aus seiner Kindheit, die mehr emotionale Wichtigkeit besaßen, als reellen Wert.

Sanders stellte die beiden Ledermappen in seiner Hand zu seinem Geschwisterchen auf das oberste Brett und legte seine Notizen, die er sich gerade noch über Noah Lewis gemacht hatte, mit dazu. Er brauchte sie für heute nicht mehr und würde sich erst morgen darum kümmern, wenn er später mit Hendrik gesprochen hatte. Er drückte auf einen weiteren Knopf zu der Seite innerhalb des Versteckes, und die Regalwand schob sich wieder an seinen Platz zurück. Alles sah aus wie zuvor, nichts hatte sich verändert. Selbst die Sorgenfalten auf seiner Stirn waren noch die gleichen.

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Zwei Stunden später saß Sanders dann wieder in einem schwarzen Ledersessel, doch diesmal nicht an seinem Schreibtisch. Es gab drei von diesen schwarzen Sesseln und sie waren zusammen mit einer großen Couch um einen niedrigen Couchtisch aus Glas drapiert. Schwarz, beige und Glas….das waren die Farben, welche das Zimmer dominierten und ihm einen Stil gaben, von deren Luxus Sanders nur träumen konnte. Es war nicht zu übersehen, dass hier das Geld regierte und selbst wenn Sanders mit gutem Gewissen sagen konnte, dass er sich um Geld niemals mehr Gedanken machen musste, so konnte er von dieser Art von Reichtum doch nur träumen.

Entspannt lehnte er sich in seinem Sessel zurück und betrachtete voller Abneigung den jungen Mann an der langen Glasfront, die hier die Fenster ersetzte. Direkt hinter dieser meterlangen Glasscheibe lag ein Garten so groß und gepflegt wie ein kleiner Park, mit kleinen, mit Kieseln bestreuten Wegen, Bäumen und Blumenbeten, den er schweigend beobachtete. Und Jeremy Sanders beobachtete ihn. Mit Abscheu ließ er seinen Blick über die Gestalt von Hendrik gleiten. Gerade Mal zweiundzwanzig Jahre alt, mit Jeans und weißem T-Shirt sah er mehr wie ein Jungspund aus und hatte keine Ähnlichkeiten mit dem kultivierten Auftreten seine Vaters Samuel Wilkes. Doch Jeremy Sanders wusste, dass es nicht nur die Äußerlichkeiten waren, in denen Vater und Sohn sich unterschieden. Auch ihr Temperament und ihre Handlungsweisen hatten keinerlei Ähnlichkeiten miteinander. Während Samuel Wilkes der gestrenge Mann der Tat war, der sich durch Korruption und unnachgiebiger Härte einen Weg nach oben gearbeitet hatte, so war sein Sohn derjenige der sich mit seinem schwachen Charakter ins gemachte Nest eines Imperiums setzte, als sein Vater vor wenigen Jahren verstorben war.

Und doch hatte er die Macht von ihn die Verteidigung von Frankie Wehle zu fordern.

Seit Samuel Wilkes damals in sein Büro gekommen war und ihm angeboten hatte, ihn mit seinem Geld und mit seinen Einflüssen zu einem reichen Mann zu machen, nach dessen Kanzlei das ganze Land sich reißen würde, hatte er diese Entscheidung selten bereut. Er hatte den Weg auf die illegale Seite des Lebens betreten und war ihn ohne zu zögern immer weiter gegangen. Und obwohl er ein umsichtiger und weit denkender Mann war, hatte er sich doch  nie Gedanken darüber gemacht, dass wenn Samuel eines Tages nicht mehr war, sein Sohn die Firma seines Vaters übernehmen würde und sich alles ändern konnte.

Das die Art der Geschäfte nicht mehr die waren, wie sie einmal abgesprochen waren und das Hendriks weiche, nachgiebige Art ihn einmal schier zur Verzweiflung treiben würde. Deswegen war Sanders auch nicht traurig gewesen, als Hendrik sich von ihm zurück zog und ihm seine Angelegenheiten entzog. Für ihn hatte dieser Rückzug die Freiheit bedeutet, die er unter der Herrschaft von Samuel niemals gehabt hatte. Er war jetzt wieder sein eigener Herr, konnte selbst bestimmen wen er als Klient vertrat und auf völlig legale Weise sein Vermögen und seine Berühmtheit immer weiter ausdehnen. Die Grundlagen waren geschaffen worden, jetzt war er endlich wieder für sich selbst verantwortlich.

Zwei Jahre hatte er unbekümmert gelebt und war zurück auf die gesetzliche Seite des Lebens gewechselt. Bis Hendrik ihn eines Tages unvermutet angerufen hatte und ihn aufgefordert hatte Frankie Wehle zu verteidigen. Die kalte Härte seines Vaters hatte in seiner sonst so weichen Stimme mitgeschwungen und hatte Sanders ganz unmissverständlich klar gemacht, dass er gar keine andere Wahl hatte, als ihm zu gehorchen.

Aber Sanders war heute nicht zu Hendrik gekommen um mit ihm über Frankie Wehle zu reden. Jedenfalls nicht im speziellen, dennoch hatte sein Anliegen durchaus etwas mit dem Mann im Gefängnis zu tun, von dem er noch nicht einmal wusste, warum Hendrik wollte dass er ihn verteidigte. Hendrik hatte nicht über die Gründe für diese Aufforderung gesprochen und Sanders hatte niemals nachgefragt. Hendrik hatte gefordert und er musste handeln. So lange er Beweise für Sanders Sprung in die Gesetzlosigkeit hatte, gab es keine andere Möglichkeit für ihn.

„...Wenn sie nur in meinem Büro aufgetaucht wäre, dann würde ich mir auch keine Gedanken darüber machen“, sagte Sanders in die Stille des Raumes hinein und nahm damit wieder das Gespräch auf, dass vor zehn Minuten zum erliegen gekommen war. „Aber meine Quelle sagt, dass sie inzwischen auch Nachforschungen angestellt hat. Sie war in der Anwaltskammer gewesen und hat sich dort das Verzeichnis angesehen!“ „Und?“, achtlos zuckte der Mann am Fenster mit den Schultern und drehte sich noch nicht einmal zu ihm hin, um ihn bei dieser Unterhaltung ins Gesicht zu sehen.

Sanders wurde bleich. Wut über das Desinteresse des jungen Mannes kroch in ihm hoch, doch er schluckte sie hinunter und versuchte seine Stimme so neutral klingen zu lassen, wie er sie bei jedem Klienten anschlug. Er ist nur ein dummer Junge, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Jemand, der von dem Geschäft keine Ahnung hatte und nur deswegen an der Spitze des Imperiums stand, weil sein Vater den Herzinfarkt nicht überlebt hatte.

„Und sie war in der Bibliothek gewesen!“

„Viele Menschen gehen in die Bibliothek.“ Hendrik drehte sich noch immer nicht von seinem Fenster weg. „Sie sehen Gespenster, Mr. Sanders.“

Jeremy beschloss auf diesen Vorwurf erst gar nicht einzugehen. Doch das die Blässe in seinem Gesicht zu einem sanften Rot wechselte, dass konnte er nicht verhindern.

„Mein Instinkt sagt mir aber, dass mit der Frau etwas nicht stimmt. Sie ist Staatsanwältin und sie war in meinem Büro...“ „Wo sie darum gebeten hatte, dass man sie in ihren Scheidungsangelegenheiten vertritt“, fiel ihm Hendrik ins Wort. Mit keiner Nuance veränderte sich die Langeweile in seiner Stimme. „Sie hatten das schon vor einer Stunde erwähnt.“

„Aber...“

„Nein, wir unternehmen nichts gegen sie!“ Leise kam dieser Befehl von dem jungen Mann am Fenster. Doch obwohl die Stimme leise war, kam er mit aller Deutlichkeit und Härte, die Sanders doch für einen Augenblick  an seinen Vater erinnerte. Aber so schnell wie dieser Anflug von Macht sich in Hendriks Stimme ausgebreitet hatte, genauso schnell verschwand er wieder und machte einem resignierten Seufzen Platz. „Wir haben keinerlei Beweise dafür, dass Laura Kelly uns gefährlich werden kann. Sie war bei Noah Lewis. Das kann heißen, dass sie misstrauisch gewesen ist, weil er Frankie Wehle vertreten hat. Aber es kann auch sein, dass sie wirklich nur nach einem renommierten Scheidungsanwalt gesucht hat. Sie war in den Archiven der Anwaltskammer, aber Laura Kelly ist Anwältin und ein Besuch dort muss nichts ungewöhnliches heißen. Ihre Quelle sagt, dass sie in der Bibliothek unterwegs zu den Mikrofilmen war.....vielleicht wollte sie sich nur versichern das die Erde rund ist.“

Hendrik schüttelte am Fenster den Kopf.  „Es gibt nichts was man mit aller Deutlichkeit sagen kann. Wenn wir also jetzt etwas gegen sie unternehmen, dann könnte es sein, dass wir einer Unschuldigen etwas zu leide tun.“

Sanders Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, während sich sein Mund ungnädig und voller Verachtung zu einem geringschätzigen Lächeln verzog. Er ist ein Weichei, schoß es ihm durch den Kopf. Ohne Instinkte und ohne Rückgrat. Wenn er weiter so wenig umsichtig handelte, dann würde das Geschäft seines Vaters in seinen Händen zerbröseln, wie ein zu trocken gebackener Kuchen.




Re: Another year has gone by

Der Sohn des Vaters – 2

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„Und was machen wir jetzt mit ihr?“, begehrte Sanders nach einer Weile des Schweigens erneuert zu wissen und ignorierte damit absichtlich die Antwort von Hendrik. Er war nicht bereit aufzugeben. Laura Kelly war gefährlich! Sie arbeitete mit den Cops der Stadt zusammen und hatte einen Freund in der Forensik. Das waren doch alles Dinge, die er nicht so leicht unter den Tisch kehren durfte!

„Wir können doch ihr Handeln nicht so einfach ignorieren! Es mag ja möglich sein, dass sie unschuldig ist. Aber was ist, wenn nicht? Was ist, wenn ich mit meinen Vermutungen Recht habe? Dann ist sie nicht nur eine potentielle Gefahr für mich und meine Kanzlei, sondern genauso gut auch für sie, Hendrik. Kommen meine Unterlagen zu Tage, dann findet man auch ihre. Es ist unmöglich die Verbindung zwischen uns beiden zu übersehen!“

Seufzend wandte sich der junge Mann vom Fenster ab und wanderte durch das Zimmer. Auf einem beigen Teppich, vorbei an Möbeln, welche so dunkel und edel von ihrem Holz waren, das Jeremy vor Neid erblassen würde, wenn  er den Preis dafür gehört hätte. Aber Hendrik hatte für diese Eleganz nichts übrig und er lief achtlos an ihnen vorbei. 

Für ihn waren sie normal, viele Jahre hatte er sie gesehen und war mit ihrem Anblick so vertraut wie andere mit ihren Blick auf den Kontoauszug. Das einzige was er an diesem Raum zu schätzen wusste, war dessen Größe. Der Platz den er ihm bot, um seinen Gedanken nachzuhängen und seine Größe mit Schritten zu durchmessen. Ziellos  schlenderte er an dem riesigen Schreibtisch seines Vaters vorbei, an der schwarzen Ledercouch zu einem langen Sideboard. Seine Hand nahm ein Foto von seinem Vater und seiner Mutter auf, betrachtete es und stellte es wieder weg. Ein großes Glas mit Zuckerstangen stand nicht weit davon entfernt. Und er warf ebenfalls einen Blick darauf. Alle einzeln gewickelt und in den buntesten Farben gemischt. Hendrik fischte sich eine grüne aus dem Glas, doch anstatt sie auszuwickeln ließ er sie nur durch seine Finger gleiten, während er über Jeremy Sanders Frage nachdachte.

„Müssen wir denn was gegen sie unternehmen?“ Er legte die Zuckerstange wieder vorsichtig ins Glas zu ihren Nachbarn. Und wanderte dann weiter zu der Couch, gegenüber von dem Chef der Kanzlei. „Warum sollten wir was gegen sie unternehmen?“, formulierte er seine Frage neu.

Hendrik setzte sich auf die äußerste Kante des Polsters und betrachtete mit ruhigen Augen, den sichtlich aufgebrachten Mann vor ihm.

Sanders dagegen versuchte den Ärger über Hendriks Frage aus seiner Stimme zu halten, auch wenn er seine Augen am liebsten genervt zur Decke hin verdreht hätte. Hatte er ihm nicht gerade eine Stunde lang erzählt, warum sie was gegen diese Kelly unternehmen mussten? Er hasste diesen Jungen! Und noch vielmehr hasste er es, sich von diesem kleinen Niemand sagen zu lassen, was er zu tun hatte.

„ Hendrik, sie kann uns gefährlich werden!“, wiederholte er so aufgesetzt sanft, als ob er einem fünfjährigen Kind davon überzeugen musste, dass man nicht mit dem Feuer spielt. Musste sich denn dieser Knabe auf Kosten von ihnen allen erst die Finger verbrennen, bevor er einsah, dass er handeln musste? „Natürlich müssen wir etwas gegen sie unternehmen! Wir...“

„Sprich nicht mit mir, als ob ich ein Kind wäre!“, unterbrach ihn Hendrik mit dem scharfen Tonfall seines Vaters, der Sanders sofort zum Verstummen brachte. Schweigend betrachteten sich die beiden Männer über den niedrigen Couchtisch hinweg. Dann lehnte sich Hendrik nachdenklich soweit in das Polster der Couch zurück, bis er mit seinem Rücken an ihm lehnte.

Seine Hände falteten sich in seinem Schoß zusammen, der Kopf neigte sich zur Schulter. „Noch hat sie niemanden etwas getan“, gab Hendrik wieder mit normaler Stimme zu bedenken. Warum sollten wir etwas unternehmen?“

„Weil“, Sanders versuchte die Ruhe in seiner Stimme nicht zu verlieren, „sie bereits zweimal meine Homepage konsultiert hat. Und weil sie bei mir im Büro war.“ Seine Füße gruben sich fester in den Boden, jederzeit bereit aufzuspringen und nervös im Zimmer auf und ab zu laufen. Normalerweise konnte ihn so schnell nichts aus der Ruhe bringen, sein Beruf erforderte einfach eine gewisse Distanz. Aber die Angst vor Entdeckung, die Angst ins Gefängnis zu müssen und alles zu verlieren….das war eine Ausnahmesituation, der er sich nicht gewachsen fühlte.

„Und, dann war sie halt zweimal auf ihrer Web Side und hat sie in ihrem Büro besucht!? Wo liegt da das Problem?“, achtlos zuckte Hendrik mit den Schultern. Nichts in seinem Gesicht deutete darauf hin, ob er wirklich so naiv war, wie Sanders es von ihm annahm oder ob hinter der Fassade der Dummheit nicht ein glasklarer Verstand steckte, der den Anwalt mit Absicht provozierte.

„Sie hat gesehen, mit welcher Bravour Noah Lewis Frankie verteidigt hat und hat ihn als Anwalt ausgesucht. Mrs. Kelly ist selbst Anwältin und weiß eine gute Verteidigung durchaus zu schätzen. Deswegen ist sie auch auf ihre Homepage gegangen. Möglicherweise war der zweite Besuch auf ihrer Seite nur ein Versehen. Sie hat den Verlauf angeklickt und ist in der Zeile verrutscht.“

Abschätzend sah Sanders zu Hendrik und rutschte dabei in seinem Sessel auf die äußerste Kante, wo er sich dann mit den Ellenbogen auf den Knien abstützte. Seine Hände verknoteten sich, als ein sicheres Zeichen seiner unterdrückten Anspannung. Hendriks Erklärung für Laura Kellys Besuche auf seiner Web Side und in seinem Büro klang nicht aus der Luft gegriffen. Sie hatte Hand und Fuß und war erstaunlicherweise vernünftiger, als Sanders es dem Jüngling zugetraut hätte. Aber dennoch…

„Ich misstraue ihr, Hendrik. Etwas in meinem Instinkt sagt mir, dass der Grund ihres Besuches bei Mr. Lewis nur ein vorgeschobener war. Ich kann nicht erklären, was der ausschlaggebende Punkt dafür war, aber Tatsache ist, dass mein Misstrauen ihr gegenüber da ist.“ Ohne dass Sanders es bemerkte, sprach er zum ersten Mal seit er in diesem Haus angekommen war, vernünftig mit Hendrik. Plötzlich erschien ihm der Knabe gar nicht mehr so dumm.

„Mein Vater hatte schon immer eine sehr hohe Meinung von ihren Instinkten und vertraute ihnen ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich bin nicht mein Vater“, lächelte Hendrik zum ersten Mal seit Jeremy Sanders ihn um dieses Gespräch gebeten hatte. „Ich kenne sie nicht, Mr. Sanders, und mir fehlt die Erfahrung in solchen Dingen. Ich weiß, das alles sind Gründe auf sie zu hören. Aber sie selbst wissen am Besten wie die Sache mit dem Misstrauen ist. Gerade weil ich sie nicht kenne, kann ich ihnen auch nicht vertrauen.

Meine Handlungen sind nicht die meines Vaters und meine Ambitionen in Bezug auf seine Geschäfte sind es auch nicht.“ Hendrik machte eine kurze pause in der er den Blick nicht von Sanders nahm. Er ließ ihm Zeit die Worte zu verdauen und zu begreifen was er ihm zu erklären versuchte.

„Wenn sie mir sagen, dass sie Laura Kelly verdächtigen nicht die Wahrheit zu sagen, dann will ich ihnen glauben“, fuhr er nach einer Sekunde fort. „Mein Vater hat zu oft von ihrer Weitsicht und ihren Instinkten, als das ich das ignorieren könnte. Aber wie gesagt, Mr. Sanders, ich bin nicht mein Vater. Ich bin durchaus bereit Konsequenzen zu ziehen, wenn Handlungsbedarf besteht. Aber ich bin nicht bereit dies ohne Beweise zu tun. Bringen sie mir Beweise dafür, dass diese Frau lügt und ich werde etwas gegen sie unternehmen. Tun sie es nicht, gibt es auch für mich nicht einen einzigen Grund ihr etwas anzutun.“

Nach dieser für Hendrik erstaunlich langen Rede, ließ er sich wieder in das Polster der Couch zurück sinken. Seine Körperhaltung war zwar noch immer offen, aber nicht mehr so vertraulich wie gerade noch bei seiner Ansprache. Sein Gegenüber dagegen blieb still sitzen. Unverwandt war sein Blick auf den jungen Mann gerichtet, während seine Gedanken rasten. Wie sollte er etwas beweisen, wenn es keine Offensichtlichkeiten gab? Es war doch nur ein Instinkt von ihm!

„Ich schlage vor, dass sie als erstes überprüfen, ob sie bei dem Scheidungsanwalt war, den Noah Lewis ihr empfohlen hat“, lächelte Hendrik ohne die Zähne zu zeigen. „Dann, wenn sie sicher sind, dass sie dort nicht gewesen war, dann könnten sie versuchen einen Spitzel in ihr Büro unterzubringen, der sie mit Informationen versorgt. Sollte sie was gegen uns in der Hand haben, dann werden wir es früh genug erfahren, um …“ Hendrik zögerte kurz. Im Gegensatz zu seinem Vater war ihm Gewalt verhasst, dennoch wusste er auch, dass man, in der Position in der sie sich befanden, nicht davor zurück schrecken durfte sie anzuwenden. „….Dann werden wir uns dem Problem annehmen.“ Das war für ihn eine gute Umschreibung. Er hatte nicht gesagt, dass er sie aus dem Weg räumen würde. Nur das er das Problem beseitigt. Wie, das war seine Sache.

Sanders schien nicht zufrieden zu sein. Seine Augen glitzerten und seine Hände rieben nun heftig gegeneinander, aber er wagte es nicht ihm zu widersprechen. Hendrik sah es wohl, blieb aber stumm und beobachtete den ehemaligen Partner seines Vaters weiter.

„Und was ist, wenn sie weitere Nachforschungen anstellt?“, fragte  Sanders schließlich.

„Worüber sollte sie denn weitere Nachforschungen anstellen? Sie hat doch nichts in der Hand! Ihre Homepage sagt nichts aus und in der Kammer ist auch nichts weiter verzeichnet, als wann sie sein Anwalt wurden, wo sie vorher gearbeitet und wann sie sich selbständig gemacht haben.“ Hendrik breitete beide Handflächen offen vor sich in der Luft aus. „Es gibt nichts wonach sie forschen könnte!“

Sanders war nicht zufrieden, aber ihm fiel keine weitere Argumentation mehr ein, die er noch hätte anführen können. Er hatte eine Stunde lang alles erzählt, was es zu sagen gab. Und Hendrik hatte ihm ganz deutlich zu verstehen gegeben, wann der Punkt erreicht war wo er sich einmischen würde. Aber er hatte Angst, gestand er sich ein. Und diese Angst machte aus ihm, der so stolz darauf war immer einen Schritt schneller zu sein als sein Gegner, zu einem Opfer. Sanders hasste es ein Opfer zu sein. Niemals würde er sich freiwillig in diese Rolle quetschen lassen! Tief atmete er durch und schob sein Unwohlsein beiseite. Er würde kämpfen!

„Was ist“, begehrte er ein letztes Mal auf, denn ihm war gerade ein neuer Gedanke gekommen, „wenn sie ein drittes mal meine Homepage anwählt. Ist es dann auch nur ein Zufall?“ Trotz färbte den letzten Teil seines Satzes und brachte Hendrik dazu über die Hartnäckigkeit des Anwaltes lautlos in sich hinein zu stöhnen.

„Wohl kaum“, antwortete er dennoch höflich, wenn auch resigniert. Es war genau das was Sanders hören wollte. „Wenn sie also das dritte Mal auf meiner Seite ist, dann werden sie ihretwegen was unternehmen?“, lauernd beugte er sich noch weiter aus seinem Sessel nach vorn.“

Nein, wollte Hendrik ihm antworten. Das war kein Beweis dafür, dass sie ihnen auf der Spur war. Aber er hatte einen Punkt erreicht, wo er einfach nur noch seine Ruhe vor dem nervenden Anwalt haben wollte. Was machte es schon aus, wenn er ja sagte? Wenn Laura Kelly wirklich gegen sie ermitteln würde, dann würde sie wohl kaum ein drittes Mal Sanders seine Informationsseite aufschlagen. Und wenn sie es nicht tat, dann hatte sie auch keinen Grund dafür.

„Ja.“ Ganz nüchtern, ganz sachlich. Ohne eine Erklärung was Hendrik dann zu tun gedachte. Aber das schien für Sanders gar nicht so wichtig, das erzwungene Zugeständnis reichte ihm vollkommen aus. „Gut“, lächelte er und erhob sich auch seinem Sessel, „dann wird es für mich Zeit zum gehen.“ Er ging zu Hendrik hinüber, der sich nun ebenfalls aus dem bequemen Polster erhob und reichte ihm zum Abschied die Hand. „Wir hören von einander.“ Ja, seufzte Hendrik still, genau das befürchtete er. Doch er lächelte und nickte. „Tun wir.“

Er beobachtete wie Sanders mit beschwingten und weit ausgreifenden Schritt zur Tür schritt und diese dann lautlos hinter sich schloß.

Hendrik ließ sich wieder auf die Couch fallen. Das Versprechen, dass Jeremy Sanders ihn abgeluchst hatte, würde ihm nicht ausreichen. Er würde zusätzlich noch einen anderen Weg finden, um Laura Kelly Schaden zuzufügen. Das wusste er so sicher zu sagen wie das Amen in der Kirche. Nicht nur von dem was er bisher von dem Anwalt gesehen hatte. Auch sein Vater hatte einmal in dem Wissen, dass sein Sohn einmal sein Geschäft übernehmen würde, eine Mappe angelegt in dem er jeden seiner Geschäftspartner bis uns genaueste beschrieb. Guter Instinkt und Weitsichtigkeit waren zwar durchaus Wörter gewesen, die auf dem Blatt Sanders standen. Aber es gab auch noch welche wie habgierig, skrupellos und nur auf den eigenen Vorteil bedacht.

Hendrik hielt nicht viel von den Methoden, wie sein Vater sein Imperium aufgebaut hatte und er hielt noch weniger davon, wie er es gehalten hatte. Aber diese Mappe war sein Gewicht in Gold wert und hatte ihm schon oft weiter geholfen.

Aber wie auch schon zuvor Sanders mittgeteilt hatte, war Hendrik der Meinung, dass Mrs. Kelly keine Gefahr bedeutet. Noch nicht. Wenn jedoch Sanders sein Instinkt nicht trog, dann konnte es allerdings gut sein, dass sie zu einer Gefahr werden würde und er sich mit ihr auseinander setzten musste.

Seufzend legte Hendrik den Kopf in den Nacken und rieb sich mit den Händen erschöpft übers Gesicht. Was für ein Tag! Eine Stunde mit Sanders und er fühlte sich, als ob er mit zwei Frauen shoppen war! Er legte den Kopf zur Seite und sah auf das Glas mit den Zuckerstangen auf dem Sideboard. Satzfetzten von seinem Gespräch mit dem Anwalt huschten müde durch den Kopf und versuchten wieder Gestalt anzunehmen. Doch Hendrik schob sie energisch fort. Nein, um Mrs. Kelly brauchte er sich noch keine Gedanken zu machen. Das würde Sanders für ihn erledigen. Aber um ihren Mann, Mr. John Kelly, der Frankie im Gefängnis besucht hatte, den sollte er auf keinen Fall aus den Augen verlieren.




Re: Another year has gone by

Ohweh was braut sich denn da wieder um John und Laurie zusammen? Diesen Sanders hatte ich ja total vergessen, hmmmpfh...hätte ich nicht tun sollen! Nicht gut! Meine Neugier ist aber jetzt wirklich geweckt, aber ich bin sicher Chyio du beherrscht es diese Neugier noch weiter zu steigern!!

LG Flymoon





Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

@Flymoon: Mach Dir keine Gedanken. Beim dem Auftauchen von Mika war es klar, dass die Aufmerksamkeit mehr darauf liegt was sie sich als nächstes einfallen lässt. Sanders sollten wir auf keinen Fall vergessen – schon gar nicht bei dem was er von Hendrik fordert

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Ein verdorbener Feierabend

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Ein Feierabend der keiner war, brachte Andy am Meisten zur Weißglut. Vor allen Dingen, wenn er in so greifbare Näher gerückt war wie der Ihrige. Warum tippte John auch nur so langsam? Wenn er nur ein wenig schneller gewesen wäre, dann wären sie, als Lieutenant Fancy ihnen diesen Auftrag gegeben hatte, schon längst weg gewesen.

So aber lief er nun neben John mit schnellen Schritten die langen Wege des Alley Ponds Parks entlang und dem Mord entgegen, der ihn um seinen Feierabend gebracht hatte.

Sehr zu seinem Bedauern war die direkte Zufahrt zu ihrem Tatort durch eine Baustelle versperrt gewesen und zwang sie nun dazu, einen Umweg durch die gepflegte Anlage zu laufen. Er hätte sich darüber freuen sollen, dass die Sonne schien und sie ihren Weg nicht durch Matsch und Regen laufen mussten. Aber er war alles andere als glücklich. Sylvia hatte sehr unterkühlt geklungen, als er ihr mitgeteilt hatte, dass sie noch zu einem Mord gerufen worden waren und er nicht pünktlich bei ihr ein konnte, um mit ihr zu dieser wandernden Bilderausstellung zu gehen. Wahrscheinlich ging sie davon aus, dass er selbst zu Fancy gelaufen und ihn um diesen Auftrag gebeten hatte, nur um mit ihr nicht da hin gehen zu müssen. Was für ein ausgemachter Unsinn! Als ob er gerne auf einen pünktlichen Feierabend verzichtete!

Andy warf einen kurzen Seitenblick zu John und bemühte sich mit den weitausgreifenden Schritten seines Partners mitzuhalten. Hatte er nicht erzählt, dass ihm die Beine weh taten? So weh konnten sie ihm ja gar nicht tun, wenn er in diesem Tempo die kiesbestreuten Wege entlang hechtete.

Oder bemerkte er gar nicht, dass er so schnell lief? Verstohlen sah Andy ein weiteres Mal zu seinem Partner hin. Im Gegensatz zu seinem eigenen verkniffenen Gesichtsausdruck, lag bei ihm ein Lächeln auf den Lippen und er sah sich neugierig in der Gegend um.

Andy folgte auch diesem Blick. Aber das einzige was er sehen konnte war, dass für diesen frühen Abend viel zu viele Leute unterwegs waren. In kleinen Gruppen flanierten sie über die Pfade, oder trafen sich auf dem Gras, unter frisch erblühten Bäumen, zu angeregten Unterhaltungen.

Eine Bühne war auf einer großen Rasenfläche aufgebaut. Aber sie war leer und dunkel und es gab kaum neugierige Passanten die einen Blick auf sie warfen.

Doch je weiter sie gingen, je näher sie zu ihrem Tatort kamen, um so stiller wurde es. Nur noch vereinzelte Spaziergänger kamen nun noch an ihnen vorbei und als sie an dem Backsteingebäude angekommen waren, wo das gelbe Band des CSIs ihn den Weg versperrte, gab es nicht mal die üblichen Schaulustigen, die davor Schlange standen, um einen neugierigen Blick auf den Ort des Verbrechens zu werfen. Die Bäume standen hier dichter und ihre Blätter verwoben sich zu einem Himmel, der kaum noch das untergehende Licht der Sonne durch ließ.

Andy fröstelte in der lauen Abendbriese und er ließ seinen Blick unruhig zu dem Gebäude schweifen. In dem dämmrigen Zwielicht verursachte ihm der Anblick einen Schauer, der ihm sacht den Rücken hinunter ran. Und er erinnerte ihn unangenehm daran, dass dieses Szenario genau die Art von Kulisse abgab, die ein Regisseur für einen Horrorfilm wählen würde. „Unheimlich“, murmelte er vor sich hin. Nicht sicher, ob John ihn gehört hatte sah er zu ihm hin. „Findest du nicht auch?“ „Ja.“ John hatte seine Stimme automatisch der stillen Umgebung angepasst und flüsterte auch nur. „Ein guter Platz um eine Leiche zu verstecken. Wer kommt schon freiwillig hier hin?“ Er hob das gelbe Absperrband hoch und wartete dann bis Andy unter ihm hindurch gekrochen war.

Kein Mensch begegnete ihnen als sie das Gebäude betraten. Ruhe und Stille empfing sie in der finsteren Halle, die nur von dem Licht der Eingangstür erhellt wurde. „Ist denn gar keiner hier?“, flüsterte Andy. Seine Ungeduld über den verzögerten Feierabend verflüchtigte sich zusehends und machte statt dessen immer mehr einem Grummeln in der Magengegend Platz. Wie um seine Worte zu widerlegen, drangen die leisen Worte einer Unterhaltung an sein Ohr. „Sie sind oben“, bemerkte er zu John und lief dann schon auf die Treppe zu.

Nacheinander gingen sie die schmale Stufen hinauf. Fenster gab es hier keine, nur alte, speckige Tapete sie sich an einigen Stellen schon vor Feuchtigkeit wellte und von der Wand löste. Andy versuchte so weit wie möglich eine Berührung mit der Mauer zu vermeiden, aber die Holzstufen waren morsch und es zeigten sich bereits die ersten Löcher in ihnen, die sie mit großen Schritten zu umgehen versuchten.

Zwei Etagen ging es so hoch. Umgeben von schmieriger Dunkelheit, die sich nur ab und an aufhellte, als sie an einem der wenigen dreckigen Fenster vorbei gingen, bis sie endlich auf die ersten Menschen stießen. CSI Beamte in ihren blauen Jacken mit der gelben Schrift auf dem Rücken.

John und Andy begrüßten sie mit einem freundlichen Nicken und folgten dann ihrer Erklärung zu dem Raum, wo das tote Mädchen lag.

Helligkeit schlug den beiden Detectives entgegen und zwang sie auf der Schwelle des Raumes stehen zu bleiben und die Lider ihrer Augen so lange auf und zu zuklappen, bis sie sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Wo vorher Licht und Fenster gefehlt hatten, war hier beides reichlich vorhanden.

„Was macht ihr denn hier?“ Andy blinzelte der Stimme entgegen und konnte, nachdem sich die Flecken vor seinen Augen verflüchtigt hatten, Danny erkennen, welcher äußerst erstaunt auf sie zukam.

„Was heißt denn was macht ihr hier“, begehrte er zu wissen. Der Unmut über seinen verspäteten Feierabend, kam mit der Helligkeit in dem Zimmer zurück. „Es ist ein Anruf auf dem Revier eingegangen, dass es hier ein totes Mädchen gibt, und Fancy hat uns hier hergeschickt.“ Und hat uns damit den Abend versaut. Das setzte zwar Andy nicht hinzu, aber die Betonung seiner Worte war unmissverständlich. Danny schaute an Andy vorbei zu John, der die Augen zur Decke hin verdrehte und ihn dabei süffisant anlächelte. Verabredet, formten seine Lippen lautlos.

Danny lächelte zurück. Es war eine merkwürdige Situation John gegenüber zu stehen – auch wenn es keine unerwartete war. Zu dicht arbeitete das CSI mit den Cops zusammen und es war nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis er auf den Mann treffen würde, dem Lauries Herz gehörte. Ob sie wieder ein Paar waren? Danny schüttelte den Kopf, er wollte nicht darüber nachdenken was sein könnte.

Statt dessen trat er einen Schritt zur Seite und gab für die beiden Detectives den Blick auf den Frauenkörper am Boden frei. Sie war noch sehr jung – vielleicht Anfang zwanzig, dachte Andy, als er auf die Leiche zuging und sie genauer in Anschein nahm. Hin gebettet auf einen schmierigen Fußboden, angestrahlt von den letzten Strahlen des Sonnenscheins, der durch eine Lücke in den Bäumen ungehindert durch die verdreckten Fenster scheinen konnte. Über sie gebeugt war der Gerichtsmediziner des CSI Dr. Sheldon Hawkes. Mit fachkundigen Händen drehte er sie von einer Seite auf die andere, sah nach den Flecken an ihrem Hals und bettete den Kopf dann wieder vorsichtig auf den Boden.

Haar so blond wie Gold, schoss es ihm durch den Kopf, als er die Lichtreflexe der Sonne auf ihm betrachtete. Doch dann ging er an ihr vorbei und sah aus dem Fenster, während John bei Danny stehen blieb und sich leise mit ihm unterhielt.

Hinter dem Haus gab es einen Garten, aber auch er war im Laufe der Zeit verwildert und hinterließ nur einen schwachen Eindruck davon, wie er einmal ausgesehen hatte.

Andy drehte sich wieder vom Fenster weg.

„Dr. Hawkes sagt, dass sie noch nicht lange hier liegt“, hörte er Danny zu John sagen. „Möglicherweise vierundzwanzig Stunden, vielleicht auch ein wenig länger. Doch nicht viel mehr.“ Sachliche Worte für ein grausames Verbrechen.

Andy löste seinen Blick von Danny und John und betrachtete wieder die junge Frau. Sie hätte ein Model sein können. Sie war so schmal. So zierlich. Mit einem Gesicht von solcher Feinheit, als hätte es ein Maler entworfen und ihm Leben eingehaucht. Bis vor vierundzwanzig Stunden.

Tief seufzte Andy auf, als er sich vom Fenster löste und anfing das Zimmer zu inspizieren. Er sah mal hier hin, schaute mal jenen CSI Beamten über die Schulter. Er hätte schreien können. Sie alle konnten etwas tun. Verstreute Zigarettenkippen einsammeln, Fußabdrücke auf Folie bannen, mit riesigen Wattestäbchen an einem Fleck an der Tapete entlangfahren…., doch für ihn gab es nichts zu tun.

Noch nicht.

Später, wenn sie dann etwas Stichfestes in der Hand hatten, wie Fingerabdrücke oder Fasern von dem möglichen Mörder, dann würde ihr Einsatz kommen. Dann könnten sie versuchen, das Verbrechen aufzuklären. Aber jetzt konnte er nichts weiter tun, als seine Kollegen vom Csi dabei zu beobachten, wie sie genau diese Beweise einsammelten.

Frustriert ging er wieder zu John und Danny hinüber. „Müsste es nicht eigentlich wenigstens einen geben, den wir verhören können?“, fragte John gerade nach. „Zum Beispiel den, der euch informiert hat.“ Das war eine äußerst interessante Frage, befand Andy und sah Danny ebenso erwartungsvoll an wie John ihn. „Theoretisch schon“, nickte dieser, „aber es war ein anonymer Anrufer.“ Mist.

„Woher wisst ihr von dem Mord?“ Danny drehte sich von dem Anblick des Mädchens zu John hin und betrachtete neugierig erst diesen und dann Andy. Aber obwohl es eine gute Frage war, war es keine welche die beiden Detectives beantworten konnten. „Ich dachte der Anruf wäre von euch gekommen!“ Andy blieb vor Überraschung der Mund offen stehen, und er sah kurz zu John hinüber, der ihn mit dem gleichen erstaunten Gesichtsausdruck ansah. „Lieutenant Fancy hat uns hier geschickt. Aber wenn ihr es nicht ward, dann war es wohl auch ein anonymer Anrufer. Schaut euch an wie sie daliegt. Man hat sie regelrecht dahin drapiert, direkt unter dem Fenster, wo die Sonne sie bescheint. Und das in einem Haus, welches einen akuten Mangel an Fenster aufweist. Wenn ihr mich fragt, dann ist das kein Zufall!“ „So als ob man wollte, dass sie gefunden wird“, sinnierte John und sah wieder zu der jungen Frau am Boden.

Nachdenklich folgte Danny dem Blick der beiden Detectives zu der blonden Frau. Er schaute sie einfach nur an wie sie da lag – wie die Sonne ihren steifen Leib beschien, dann glitt sein Blick weiter zu dem großen Fenster.

„Da könnte was dran sein“, stimmte er John nach dieser kurzen Betrachtung zu. „Aber wenn dem wirklich so ist“, er drehte sich wieder zu den beiden Detectives, „dann glaube ich nicht, dass wir hier Spuren von dem Täter finden werden.“

Das war eine Sache, die Andy ganz genauso sah. Keine Spuren und keinem zum Befragen. Und das bedeutete in seinen Augen nur eins: Feierabend!

Gott sei Dank! Andy warf einen schnellen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk. Wenn er sich beeilte, dann könnten es Sylvia und er doch noch zu der Ausstellung schaffen. Auch wenn sie nur kurz da sein konnten, so würde Sylvia wenigstens seinen guten Willen sehen. Aber er würde sich verdammt beeilen müssen…

„Also, da wir im Augenblick ja nichts tun können, können wir auch Feierabend machen?!“, fragend sah Andy von John zu Danny, welche sich bei seiner plötzlicher Aufbruchslaune erstaunt ansahen. Schließlich nickte Danny. „Ihr könnt hier wirklich nicht viel tun. Ich melde mich bei euch, sobald ich Neuigkeiten habe!“

„Prima. Mach das.“ Ob er Sylvia von unterwegs anrufen sollte, um sich mit ihr direkt vor der Ausstellung zu treffen? „Wir hören dann voneinander. Kommst du John?“ Er reichte Danny die Hand und machte sich dann auf dem Weg zur Tür, ohne eine direkte Antwort von seinem Partner abzuwarten. So konnte er auch nicht sehen, wie Danny und er sich abermals einen befremdeten Blick zuwarfen. „In Ordnung“, hörte Andy John in seinem Rücken sagen, „sag uns Bescheid, wenn ihr was heraus gefunden habt.“ „Werde ich tun. Ich wünsch euch einen schönen Feierabend.“

Andy konnte nicht sehen, ob John und Danny sich noch die Hände schüttelten, dafür hätte er sich umdrehen müssen und Sylvia wartete. Aber als er auf der Schwelle der Tür stand, fiel ihm doch noch etwas ein und er drehte sich zu Danny um. John, der inzwischen hinter ihm war, konnte sich gerade noch stoppen – einen Schritt weiter und er wäre geradewegs in Andy rein hinein gelaufen.

„Grüß Laurie von mir“, sagte Andy. John blieb stehen und fühlte, wie er zur Salzsäule erstarrte. Danny, zu dem er sich dann langsam umdrehte, stand ebenso steif da. „Ich sehe die Gute ja kaum noch.“ Andy bemerkte nicht, wie die beiden Männer ihn fassungslos anstarrten. „Rede du doch mal mit ihr, dass sie nicht immer so viel arbeiten soll! Eine Woche Urlaub reicht noch lange nicht aus, damit man sich fit wie ein Turnschuh fühlt. Und dann auch noch diese ganzen Treffen mit dir…“, scherzte Andy weiter. „…wer kann sich denn da erholen?“

Es war wohl Andys Erleichterung doch noch zu einem relativ pünktlichen Feierabend zu kommen, welche ihn so blind für die Situation machte, anders hätte John sich nicht Andys unsensible Art erklären können, wie dieser auf Danny Schweigen reagierte. John sah Danny an und dieser ihn. John sah Traurigkeit in seinen Augen, Danny sah...Ratlosigkeit, Verblüffung?




Re: Another year has gone by

„Kommst du John“, Andy schien alles gesagt zu haben, was ihm wichtig war. „Wenn ich mich beeile, dann kann ich mit Sylvia doch noch zu dieser blöden Ausstellung gehen. Wenn nämlich nicht, dann nagelt sie mich garantiert für die Buchlesung nächste Woche fest.“

Andy nickte Danny noch einmal zu und verschwand aus dem Raum. Stürmte mit riesigen Schritten die Treppen hinab und war, noch bevor John eine Chance hatte ihn einzuholen, schon unter dem Absperrband hindurch geschlüpft. Während er den Weg fast hinunter rannte, warf er abermals einen Blick auf seine Uhr. Wenn er es schaffte in den nächsten zehn Minuten an seinem Wagen zu sein und dann mit einer leichten Geschwindigkeitsübertretung die Rush Our umging, dann konnte er in einer halben Stunde bei Sylvia sein. Noch eine viertel Stunde bis zur Galerie und dann hatten sie noch eine halbe Stunde Zeit, bevor diese die Tür schloss. Andy befand, dass eine halbe Stunde für ein paar Bilder durchaus ausreichte.

Hinter ihm schlossen die schnellen Schritte von John auf.

„Na du. Auch schon da?“

„Mhmm.“ Ohne Mühe hielt John Andys Tempo, während sich bei ihm selbst schon die ersten Schweißperlen auf der Stirn bildeten. Wieder ein Blick auf die Uhr. Noch acht Minuten. Andy beschleunigte den Schritt. Warum war dieser Park nur so verdammt groß?

Eine Weile liefen sie schwiegen nebeneinander, bis John es nach einer Weile als erstes brach.

„Andy?“

„Ja“, ein kurzes keuchen war die Antwort auf seinen Namen, aber mehr brachte Andy inzwischen nicht mehr zustande. Doch nachdem John nicht gleich weiter redete, verlangsamte Andy ein wenig seinen Schritt und schnappte gierig nach Luft. „Was ist? Oder hast du nur überprüft, ob ich noch auf meinen Namen höre.“

„Nein. Ich habe nur überlegt, wie ich dir taktvoll sagen kann, dass du dein Taktgefühl mal wieder ein wenig aufpolieren solltest.“ John verlangsamte seinen Schritt noch weiter und zwang Andy damit ebenfalls ruhiger zu  werden. Doch es wäre nicht nötig gewesen, denn auch ohne Johns Zwangspause, wurde er bei seinen Worten automatisch langsamer. „Was meinst du damit?“

„Ich meine damit“, fuhr John fort, „dass du Danny und mich da oben ganz schön in Verlegenheit gebracht hast.“

„Warum?“ Andy hatte das Gefühl, dass er auf einem Schlauch stand, von dem er gar nicht wusste, dass er überhaupt existierte. Aber immerhin lenkte Johns Feststellung ihn soweit ab, dass er nicht mehr an Sylvia und den heutigen Abend dachte.

„Meinst du, weil ich ihn gebeten hatte Laurie zu grüßen? Komm schon, John. Wir sehen sie kaum noch, was ist verkehrt daran, wenn ich ihr durch ihn Grüße ausrichten lasse? Laurie und du, ihr habt euch doch wieder vertragen. Ich sehe da kein Problem?“ Andy zog das obligatorische Taschentuch aus der Tasche und wischte sich damit den Schweißperlen von der Stirn.

„Ich rede nicht davon, dass du Grüße ausrichten wolltest. Das war vollkommen in Ordnung. Ich rede davon, dass Danny nicht darauf reagiert hat und du trotzdem immer weiter geredet hast! ….Und dann noch die ganzen Treffen mit ihr…“, wiederholte John sarkastisch Andys Worte. „Herrgott Andy, Danny ist leichenblass geworden und plapperst einfach nur weiter ohne nachzudenken. Versteh mich nicht falsch. Ich finde es toll, dass du mit Sylvia jemanden gefunden hast, den du liebst. Und ich habe auch durchaus Verständnis dafür, dass wir dadurch kaum noch Zeit für ein gemeinsames Bier haben.

Aber das dir als aufmerksamer Detective entgeht, dass dein Gegenüber immer schweigsamer wird und nicht auf eine deiner Fragen antwortet, nur weil du mit deinen Gedanken meilenweit weg bist. Dafür habe ich kein Verständnis. Verdammt Andy, du bist ein Cop. Das ist dein Job.“

In der Ruhe die nach Johns kleiner Rede herrschte, sahen sich die beiden Männer in die Augen. „Aber ich bin eine verliebter Cop“, warf Andy schließlich  kleinlaut ein. So kleinlaut und schuldbewusst, dass John anfing laut loszulachen. „Ja, du bist ein verliebter Cop“, schüttelte John den Kopf, ohne dabei sein Lächeln aus den Augen zu verlieren, „aber manchmal weiß ich wirklich nicht, was ich mit dir machen soll. Na komm, wenn wir uns ein wenig beeilen, dann schaffst du es vielleicht noch zu der Galerie bevor sei zu machen.“ Mit einem letzten aufmunternden Lächeln und ein kameradschaftlichen Klopfen auf dessen Schulter, setzte John sich wieder in Bewegung.

Kleine weiße Kieselsteine knirschten unter ihren Schuhen, als sie weiter liefen. Die Sonne, die auf ihrem Weg hin zu dem unheimlichen Haus noch am untergehen gewesen war, warf ihr letztes Licht nun in die Bäume und erreichte nicht mehr die Spaziergänger in dem Park nicht mehr mit ihrer Wärme. Dafür hatte sich ein leichter Wind erhoben, der ohne die Sonne als Unterstützung, Andy zum frösteln brachte.

„Warum Danny wohl blass geworden ist?“, überlegte Andy nach einer Weile laut und drehte sich zu John hin. „Hat Laurie dir irgend etwas darüber erzählt?“ John schüttelte den Kopf. „Nein, hat sie nicht. Und ich wollte sie nicht danach fragen, denn wenn sie gewollt hätte, dann hätte sie es von sich aus erzählt.“

„Glaubst du ernsthaft, dass sie von sich aus dir von Danny erzählen wird, nachdem sie deine Freundin vertrieben hat?“ Andy mochte nicht glauben, dass John so naiv war. Aber während er noch Johns nachdenklichen schweigen lauschte, wich er drei Frauen aus, die gemächlich vor ihnen den Weg entlang schlenderten. Ihnen schien die leichte Abkühlung des Tages nichts auszumachen. Langsam bummelten sie den Weg entlang und bemerkten in ihrer Unterhaltung nicht einmal, dass sie den Weg versperrten.

„...hast du gelesen wann es losgehen soll?“, fragte eine üppige Brünette gerade ihre Freundin, als Andy an ihnen vorbei zog. „Gegen acht, haben sie geschrieben.“ „Früher können sie auch nicht anfangen“, mischte sich nun auch die dritte in die Unterhaltung ein. „Ich habe gehört, dass es Feuertänzer geben soll und die können nicht anfangen so lange es noch hell ist....“

Andy war an ihnen vorbei gelaufen und schloss wieder zu John auf, der die drei Damen von der anderen Seite überholt hatte. „Nein, du hast Recht“, antworte John Andy. „das ist wohl eher unwahrscheinlich.“ 

„Dann frag sie doch mal, was mit Danny los ist. Ihr redet doch wieder mit einander und wenn du sie fragst, dann zeigst du auch, dass du Interesse an ihrem Leben hast.“ Und es war ein sehr persönliches Gespräch aus dem sich möglicherweise mehr entwickeln konnte. Andy hatte nichts gegen Danny, im Gegenteil, er mochte ihn sogar sehr gern. Aber John und Laurie gehörten in seinen Augen zusammen. „Ich glaube nicht, dass das notwendig ist, dass ich Laurie frage was mit Danny los ist.“

„Warum?“ Andy war über Johns Antwort erstaunt. „Ich denke du weißt nicht, warum Danny blass geworden ist.“ Er verlangsamte seinen Schritt, bis er mitten auf dem Weg zum stehen kam. Jetzt war es an anderen Spaziergänger des Parks ihnen auszuweichen. Zwei Schritte weiter blieb John ebenfalls stehen und drehte sich zu ihm um, während sich seine Hände in den Hosentaschen vergruben. Johns Hosen mussten mindestens eine Nummer größer sein, damit er seine Hände in den Taschen zu Fäusten ballen konnte, fiel Andy ohne Zusammenhang auf, denn schon wieder konnte er an den Beulen seiner Hose sehen, wie seine Hände sich zu zusammenrollten. „Ich weiß auch nichts, aber ich habe eine Vermutung.“

„Und? Welche?“ Musste man dem rothaarigen Kerl denn alles aus der Nase ziehen? Erwartungsvoll verlagerte Andy sein Gewicht soweit auf die Fußspitzen, so dass er bei seinem Leibesumfang gefährlich ins Wanken kam. „Ich vermute, dass sie sich getrennt haben. Das würde zumindestens erklären, warum Danny so blass geworden ist und dir nicht geantwortet hat. Und es würde erklären, warum Laurie mich Laurie so traurig angesehen hatte, als ich sie bei dem Osteressen gefragt habe wie es ihr geht.“ Und warum ihre Unterschrift auf dem Aushang ohne die üblichen Schnörkel gewesen war. Und für die plötzliche Urlaubswoche, war es auch eine plausible Erklärung.

„Ich...oh...“ Andy prallte von Johns Worten regelrecht zurück und versuchte nun auf seinen Fersen das Gleichgewicht wieder zu finden, doch er war sich nicht sicher ob er sich über Johns Vermutung jetzt freuen sollte oder nicht. Das Laurie nicht mehr mit Danny zusammen war, war in seinen Augen sehr positiv, half es doch John und ihr wieder einen gemeinsamen Weg zu finden. Aber der damit einhergehende Kummer, den wünschte Andy keinem von beiden.

In diesem Augenblick überschrieen sich Lautsprecher und lenkten ihn mit ihren lauten Misstönen von seinen Gedanken ab. Dann wurde die Lautstärke reguliert und das Quietschen verstummte und machte nun dröhnenden Bässen Platz. Automatisch schaute Andy in die Richtung aus der die Musik kam. Ohne dass er es bemerkt hatte, waren sie wieder bei der großen Bühne angekommen, vor der sich mittlerweile eine Menge Leute versammelt hatten. Das war also der Grund für die vielen Spaziergänger in dem Park gewesen, sie hatten auf den Beginn des Konzertes gewartet. Oder der Aufführung, berichtigte sich Andy in Gedanken selbst, denn er erinnerte sich an das Gespräch der drei Frauen, die er gerade noch mit John überholt hatte.

„Verzeihen sie?“

Automatisch trat Andy einen Schritt zur Seite, bevor er sich zu der Stimme umdrehte. Zwei junge Frauen lächelten ihn an und schoben sich dann an ihm vorbei, um sich den anderen Zuschauern vor der Bühne anschließen zu können.

Von der anderen Seiten kamen die nächsten Passanten lächelten und schoben sich ebenfalls an ihm vorbei. Es kamen immer mehr. Von allen Seiten strömten sie nun auf den Platz, zogen und schubsten, sich fröhlich immer weiter und drängten auch Andy immer weiter mit sich, bis auch er schließlich auf der Rasenfläche stand.

Hilfesuchend sah er sich nach John um, welcher lächeln hinter ihm her schlenderte. „Na, Probleme mit der Standfestigkeit?“, begrüßte er ihn grinsend.

„Ha ha, sehr witzig. Was kann ich dafür, dass die Leute ausgerechnet den Weg nehmen mussten wo ich stand? Oh schau mal, ist das nicht Laurie?“, setzte er dann plötzlich noch hinzu.

Andy trat einen Schritt weiter vor und betrachtete sich die Frau auf der Bühne genauer. Doch aus der Entfernung konnte er nicht mit Deutlichkeit sagen, dass sie es war, denn diese Dame hatte keine roten Haare, sondern blonde. Aber das Lächeln von ihr, erinnerte ihn sehr an die Staatsanwältin, die bei ihnen auf dem Revier ein und aus ging. „Was meinst du, John? Ist sie es?“, fragend sah er sich zu John um. Doch sein Partner schaute in eine ganz falsche Richtung. „Nein, nicht in der Menge, dort oben auf der Bühne.“ Mit der ausgetreckten Hand deutete Andy auf die blonde Frau.

„Die Frau mit den langen blonden Haaren.“ Davon gab es drei auf der Bühne, doch Andy hatte nur für eine von ihnen Augen und so nahm er die anderen gar nicht mit ihrer Anwesenheit war.

„Könnte sein“, stimmte John zu und trat zu ihm heran. „Ich wusste nicht, dass sie heute einen Auftritt hat.“

Er wusste nicht, dass sie heute einen Auftritt hat? Heute einen Auftritt hat? Verstohlen sah Andy zu seinem Partner hinüber, welcher seinen Blick nicht von der Bühne löste, und deswegen Andys forschenden Blick nicht wahr nahm.

Wusste er es denn sonst?

Einen Moment lang rang Andy mit sich selbst. Wenn sie jetzt näher an die Bühne heran gehen würden, dann konnte er getrost vergessen noch pünktlich bei Sylvia zu erscheinen. Allerdings ergab sich hier gerade eine Möglichkeit, wie sie besser nicht sein konnte, um einen Blick hinter die gleichgültige Fassade seines Freundes zu werfen. Unmutig biss sich Andy auf die Lippe und überlegte angestrengt was er tun sollte. Und entschied sich. Na gut, dann würde er halt mit Sylvia zu der Buchlesung gehen.

„Lass uns ein wenig näher heran gehen!“ Ohne auf die Zustimmung von John zu warten, schob er sich durch die Menschenmassen auf dem Rasen und schaffte so mit seinem breiten Rücken eine Schneise, in der John ihm ungehindert folgen konnte „Sie ist es bestimmt!“ Mit jedem Schritt, den er näher an die Bühne heran kam wurde sich Andy sicherer. „Diese Nase erkenne ich doch auf zehn Meter Entfernung!“

John brauchte keinen Schritt näher zur Bühne, um zu wissen, dass das seine Ex Frau war, welche in einem wirklich unangenehmen knappen Kostüm dort oben über die Bretter fegte. Fünfzehn Jahre war er mit ihr zusammen gewesen, wenn er sie nicht in jeglicher Aufmachung erkannt hätte, dann wäre er nicht der Mann gewesen, der sie liebte. Doch er kannte ihren Körper, ihre Bewegungen, die Art und Weise wie ihre Augen funkelten, wenn der Herzschlag sich unter ihrer Freude und Aufregung beschleunigte.

Trotzdem folgte er Andy näher zur Bühne heran, ohne Laurie dabei aus den Augen zu verlieren. Sie waren nun so dicht dran, dass er das rot auf ihren Wangen sehen konnte. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und stießen ihren Atem als kam sichtbare Wölkchen in die kalte Luft. Laurie fror jedoch nicht. Kleine Schweißperlen hatten sich auch ihrer hellen Haut gesammelt und brachten sie nun unter dem unbarmherzigen Licht der Scheinwerfer zum glänzen. Nicht eine Sekunde konnte er sie aus den Augen lassen. Immer weiter verfolgte er ihre Bewegungen, ihre Freiheit. Wie oft schon hatte er sie tanzen sehen und doch war er immer wieder von ihrem Anblick fasziniert. Soviel Freude, so viel Energie verbreitete sie, dass er sich einfach nur verführt fühlte zu lachen, wenn er sie so tanzen sah. Keine Kamera und kein Bild konnte bannen was er sah. Sie gaben nur das wieder, was jeder andere auch beobachtete. Aber tief in seinem Herzen, da vermischten sich die Bilder mit den Eindrücken und schufen eine Erinnerung, die ihm keiner nehmen konnte.

Die harten Bässe verklangen und die Weichheit einer klassischen Weise ersetzte die schnellen Schritte der Tänzer. Es waren ihrer fünf, zwei Männer und drei Frauen. Alle gekleidet in blaue Kostüme in den verschiedensten Schattierungen. Gebannt hingen seine Augen auf Laurie – ohne Gedanken, ohne Wünsche.

„Sie kann wirklich gut tanzen“, bemerkte Andy zu John. Möglicherweise war die Musik zu laut, als dass John ihn hören konnte, denn er bekam keine Antwort auf seine Bemerkung. Andy drehte sich zu ihm hin und wollte gerade seine Worte wiederholen, als sie ihm vor Überraschung im Halse stecken blieben.  

Es mochte ja sein, dass er momentan etwas von seinem Feingefühl verloren hatte. Und er gab John auch durchaus Recht, dass sein Verhalten Danny gegenüber, nicht gerade von Sensibilität geprägt gewesen war. Aber er hatte noch immer Augen im Kopf. Und diese sahen einen Mann an seiner Seite stehen, dessen Gesicht so voller Stolz und Liebe war, dass es ihm, Andy, den Atem verschlug. Also doch! Von wegen, es wäre nur noch freundschaftliche Bande die sie verbanden. Ha! Das er nicht lachte. Wenn er jetzt einen Spiegel zur Hand hätte und ihn John vor die Nase halten könnte, dann würde er mit eigenen Augen sehen können, dass er sich nur was vormachte. Aber er hatte keinen Spiegel zur Hand und so konnte er John nicht zeigen was alle anderen sahen. Es mußte also einen anderen Weg geben, um es John vor Augen zu führen.

Andy sah wieder auf die Bühne zu Laurie. Es mußte doch eine Möglichkeit da sein, damit die beiden von den oberflächlichen Gesprächen, welche immerhin schon ein wenig privates mit sich führten, in die Welt zurück kehrten, die sie einmal miteinander geteilt hatten. Sylvia kam ihm wieder in den Sinn und mit den Gedanken an sie auch die Zärtlichkeit in seinem Herzen. Was für ein Glück hatte er doch, dass sie so viel Geduld mit ihm gehabt hatte. Wenn sie doch bloß nicht so begeistert von diesen kulturellen Dingen gewesen wär. Galerien, Buchlesungen….gut das man das wenigstens mit einem guten Essen hinter her kompensieren konnte.

Buchlesungen?

Andy blinzelte. Sylvia ging gern zu Buchlesungen? Ein fröhliches Grinsen huschte über sein Gesicht, als ihm ein Gedanke kam. Nicht nur Sylvia ging gern dorthin. Er kannte er da noch zwei Personen, die sich damit gern die gemeinsame Zeit vertrieben hatten.




Re: Another year has gone by

Verwirrung

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Drei Tage nach der Aufführung im Alley Pond Park wanderte Laurie noch immer unruhig in ihrer Wohnung auf und ab. Alles war so klar, so offensichtlich gewesen. Sie würde aus New York weggehen und ein neues Leben beginnen. Sie würde das alte hinter sich lassen und sich ganz neuen Zielen widmen.

Und dann hatte in der kurzen Pause zwischen zwei Auftritten, einem Instinkt nach gegeben und war zum Bühneneingang gegangen, von wo sie einen direkten Blick auf die Zuschauer hatte.

Atemlos und strahlend kam sie von der Bühne. Sie war so glücklich, dass alles so gut geklappt hatte, denn das war nicht ihre Choreografie gewesen, die sie heute hatte tanzen müssen. Zwar ähnlich, aber doch nicht gleich.

Zehn Minuten Zeit hatte sie nun, um in das nächste Kostüm zu schlüpfen und die blonde Perücke mit der schwarzhaarigen zu vertauschen. Zehn Minuten wo sie eine halbe Wasserflasche austrinken und die schmerzenden Beine reiben konnte.

Und während sie das Wasser trank, war plötzlich dieser Gedanke da. Ganz langsam setzte sie die Flasche ab und sah vor sich auf den Fußboden.

Sein Ordner. Er war immer da gewesen.

Aber heute konnte er nicht wissen, dass sie hier sein würde. Julias Anruf in dem sie Laurie bat für sie den Auftritt zu übernehmen, da Jimmy mit einer Doppelschicht belegt worden war, war selbst für sie so überraschend gewesen, dass er von ihrem Auftritt unmöglich wissen konnte. Laurie schaute vom Fußboden hoch und suchte den Vorhang hinter dem sich der Bühnenausgang verbergen würde. Er war schwarz, stellte Laurie diese Unwichtigkeit fest. Sie mochte kein schwarz. Dennoch konnte sie den Blick nicht von ihm nehmen und ging schließlich langsam auf ihn zu. Das Plastik der Wasserflasche bog sich unter dem festen Griff ihrer Finger.

Sie öffnete ihn nicht, stand nur davor. So dicht, dass ihre Nase fast den Stoff berührte und sie seinen muffigen Geruch aufnehmen konnte.

Er konnte von dem Auftritt nichts wissen. Er war nicht angesagt gewesen.

Sie beobachtete ihre Hand, wie sie sich wie in Zeitlupe hob und den Vorhang zur Seite schob.

„Noch acht Minuten, Laurie.“

So lange würde sie nicht brauchen. Eine Minute reichte ihr um zu wissen, dass er nicht da war. Er konnte nicht da sein.

Ihr Herz klopfte wild und ihre Finger waren kalt und klamm.

Was war, wenn er doch da war?

Die Tür öffnete sich leicht und quietschte nicht, als sie sie aufzog. Frische, kühle Luft steigt ihr in die Nase und verdrängt dort den Schweiß der Tänzer. Der Wind der ihr die klare Luft zutrug, zerrt auch an ihren Haaren und lässt es fliegen. Sie blieb wo sie war. Setzte, anstatt den Schritt in die Türöffnung zu laufen, die Wasserflasche an die Lippen und trank.

Er konnte nicht da sein.

Und er war es doch.

Ihr klopfendes Herz verdoppelte seinen Rhythmus.

Es war inzwischen fast dunkel und zu viele Zuschauer stehen zwischen ihnen, als das sie sein Gesichtsausdruck sehen kann. Nur sein Haar sieht sie im Licht der Bühnenbeleuchtung. Aber wie er da steht, wie er den Rücken durch drückt, verrät ihr, dass er es ist. Fünfzehn Jahre war sie mit ihm zusammen gewesen, wenn sie ihn nicht nur anhand seiner Körperhaltung erkannte,  dann war sie nicht die Frau, die ihn liebte.

Obwohl sein Anblick sie verunsichert, bedauert sie es, dass sie sein Gesicht nicht sehen kann. Gerne hätte sie dieses stolze Lächeln von ihm noch einmal gesehen, dass er ihr nach ihrem Auftritt auf dem Polizeiball geschenkt hatte.

Ein Scheinwerfer von der Bühne, schwenkt durch den Zuschauerraum und für einen kurzen Augenblick kann sie sein Gesicht sehen.

Aber da liegt kein stolzes Lächeln auf seinen Lippen. Statt dessen offenbart das grelle Licht wütend zusammen gekniffene Lippen und Augenbrauen, die über die schmalen Schlitze seiner Augen fast an die Nase heranreichen.

Sollte sie sich mit ihrer gerade erbrachten Leistung doch so geirrt haben? War sie doch nicht so gut gewesen wie sie dachte?

Aber dann sieht sie, wie der rote Schopf einen Schritt nach vorn geht und John eine Hand auf die Schulter seines Vordermannes legt. Sie kann nicht hören was er sagt und sie sieht auch nicht sein Gesicht während er es sagt, aber seine ganze Körpersprache drückt Unmut und Wut aus. Jessie hatte Recht! schoss es Laurie durch den Kopf. John beschütze sie noch immer!

Sie fühlt, wie ihr Tränen in die Augen schießen, denn obwohl Jessies Worte plausibel geklungen haben, und obwohl sie John und seinen Beschützerinstinkt so lange kennt, ist Wissen ein Sache. Sehen aber, eine ganz andere.

Und, was hatte ihr dieses Wissen nun gebracht? Nichts! Gar nichts! Außer dass sie verwirrter war als jemals zuvor.

Mitten im Flur, umgeben von den kahlen Wänden, blieb Laurie stehen. Und wie der Blick manchmal eine objektive Wahrnehmung preis gibt, so änderte sich auch ihre Sichtweise. Glitt von dem Vertrauten in die fremde Wahrnehmung, von der Gegenwart in die Vergangenheit, wo genau diese Wände ihr Leben mit John wiedergespiegelt hatten. Fotos hatten hier gehangen, von den verschiedenen Stadien ihre Beziehung und schließlich ihrer Ehe. Gerahmt in Bilderrahmen, die versuchten den Moment für die Ewigkeit zu bewahren und das Besondere in ihnen zu verschließen. Laurie drehte sich um ihre eigene Achse und sah auf die Wände, die nun nicht mehr in dem hellen beige gestrichen waren, welches John so sehr liebte, sondern in einem warmen Apricot das ihr Herz erwärmte. Aber im Augenblick wärmte sie gar nichts.

Mit einem tiefen Seufzen drehte sie den Wänden den Rücken zu, ging in die Küche, wo sie aus der Speisekammer eine Flasche von ihrem Lieblingswein holte und schenkte ihn großzügig in eines von ihren Weingläsern ein. Nicht in eins von diesen kleinen, normalen Weingläsern die man in den Lokalen bekam. Auch nicht in eines ihrer Wassergläser, sondern in das große Burgunderglas, welches, wenn man es richtig voll füllte, die Hälfte einer Flasche fassen konnte. Ganz so voll füllte sie das Glas zwar nicht, aber doch wesentlich voller, als üblicherweise.

Den Griff von der Schublade in der sie ihre Zigaretten aufbewahrte, fanden ihre Finger ganz von allein. Sie zog sie auf und dort, neben der Eintrittskarte für eine Buchlesung, lag sie ihre weiße Schachtel für den Notfall. Und das war ein Notfall, davon war  Laurie mehr als überzeugt. Ihre Hände zitterten und ihr Körper war so angespannt, dass er ihr schon weh tat. In ihren Gedanken herrschte ein Orkan, der nichts anderes zu tun hatte, als Verwirrung zu stiften und die Klarheit der Überlegungen durcheinander zu werfen.

Dennoch starrte sie unschlüssig auf die Schachtel. Eine Zigarette würde ihr nicht die Ruhe zurück geben, nur die Sucht nach einer weiteren anfachen. Und morgen früh hätte sie dann wieder dieses kratzen im Hals, welches ihr klar vor Augen führte, das dies nicht Lösung gewesen war. Also griff sie nach der Eintrittskarte und schloss schnell die Schublade, bevor sie es sich anders überlegte.

Sylvia hatte sie gestern gefragt, ob sie nicht Lust hätte mit ihr hinzugehen. Nachdem Andy sie schon vor drei Tagen für die wandernde Ausstellung versetzt hatte, wollte sie nicht auch noch das Risiko eingehen, die Lesung zu verpassen.

Laurie liebte Buchlesungen und sie freute sich jetzt schon auf den Tag in der nächsten Woche, wenn sie mit Sylvia in den großen, vollbesetzen Saal sitzen würde.

Sie sah wieder auf die Schublade.

Und schneller als sie selbst realisieren konnte, öffnete sie die Lade ein weiteres Mal, warf die Karte zurück und holte statt dessen die Schachtel mit dem dazu gehörigen Feuerzeug hinaus. Heftig ging Atem, als sie mit der Schachtel in der Hand da stand und heiß war der Fluch den sie ausstieß, weil sie schon wieder schwach geworden war. Wie sollte sie denn aufhören zu rauchen, wenn jedes Mal, wo sie sich verunsichert fühlte, sofort wieder zur Zigarette griff?

Trotzdem zog sie mit zittrigen Fingern eine der weißen Stangen aus dem Päckchen und zündete sie sich an.

Verdammt John. Verdammt seist du, dass du diesen Ordner angelegt hast!

Und verdammt sei sie selbst, dass sie, als sie seine Sachen zusammengepackt hatte, keinen Gedanken übrig gehabt hatte, um in den Pc zu schauen und auch von dort seine Sachen runter zu schmeißen.

Laurie senkte den Kopf und starrte auf ihre Füße. Ohne Strümpfe und ohne Schuhe waren sie nackt und ungeschützt, eine Scherbe konnte sie verletzten und sie unfähig machen weiter zu laufen. Es gab keine Scherben auf ihrem Küchenfußboden, jedenfalls keine die sie sehen konnte. Aber es gab immer Dinge an denen man sich die Füße aufreißen konnte.

Sie drehte sich wieder zu dem Weinglas auf der Ablage hin und betrachtete es ebenso unglücklich wie die Zigaretten. Wein, Zigaretten….wohin sollten diese Laster sie noch führen?

Schließlich holte sie aus dem Schrank über sich den Aschenbecher, nahm ihr Glas zur Hand und wanderte mit vollen Händen wieder zurück ins Wohnzimmer. Doch sie ging nicht gleich hinein, sondern blieb statt dessen in der Tür stehen.

Und mit der gleichen Traurigkeit mit der sie soeben noch ihr Glas Wein betrachtete hatte, glitt ihr Blick nun über die gepackten Kartons, welche teilweise ordentlich geschichtet unter dem Fenster standen, oder weit geöffnet mitten im Zimmer.

Hier verschwand ihr Leben. Wurde sorgfältig in Kisten verpackt, gestapelt und beschriftet.

Hier ruht das feine, weiße Porzellan.

Hier ruhen ihre Bücher.

Hier ruhen ihre CDs.

Und in ihren Gedanken ruht die Leere der Gegenwart und die Verwirrung um die Zukunft.

Vorsichtig stellte Laurie das Weinglas an der Wand auf dem Fußboden ab und setzt sich dann schwerfällig dazu. Der Aschenbecher findet auf ihrem Schoß einen Platz, die Zigarette ein kurzfristiges zu Hause zwischen ihren Lippen, bevor Laurie sie beiläufig über den Aschenbecher hält. Ihr Rücken lehnt an der Wand, genauso wie ihr Kopf dort seinen Platz gefunden hat.

Hier ruhen die Bilder ihres Lebens.

Hier ruhen die Vasen, die sie in ihrem Wohnzimmerschrank aufbewahrt hatte.

Hier ruhen die vielen Kleinigkeiten, welche eine Wohnung erst in ein gemütliches zu Hause verwandeln.

Sie trinkt ein Schluck Wein und betrachtete dabei die verschiedenen Aufschriften der Kartons.

Kann man ein Leben so einfach in einen Karton packen?

Müde verschließt Laurie die Augen vor den Kartons und zieht ein weiteres Mal an der Zigarette. Als sie die Augen wieder öffnet, sieht sie wie der bläuliche Qualm in langen Schlieren zur Zimmerdecke hinaufsteigt. Sie sollte das Fenster öffnen, denkt sie. Dennoch bewegt sie sich nicht, starrte einfach dem Rauch hinterher bis er sich aufgelöst hat und pustet dann neuen in die Luft.

Alles war so klar gewesen. Alles so offensichtlich.

Sie würde New York verlassen und für sich einen neuen Anfang starten. Vergessen, dass ein Teil ihres Herzens Danny gehörte und sie würde verdrängen, dass der Rest davon wesentlich heftiger für ihren Mann klopfte. Ihrem Noch-Ehemann. Und tief in sich selbst, für niemanden sichtbar, würde sie den Kummer und die Einsamkeit vergraben, welche sich mit dem Tod ihres kleinen Mädchens in ihrem Innersten ausgebreitet hatte.

Wir hatten keine Schuld.

Das war Logik, wusste Laurie, während sie mit zitternden Händen nach ihrem Weinglas griff um es an ihre Lippen zu führen, welche an den Gedanken an ihre Tochter nicht minder bebten. Aber es war nicht ihr Herz, das diese Wahrheit erkannte. Ihr Herz wollte beschuldigen, weil es damit der Unfassbarkeit einen Rahmen gab und die Wut den Schmerz in Grenzen hielt.

Aufsteigende Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und begehrten zu fließen. Doch Laurie blinzelte sie fort und sog statt dessen ein weiteres Mal an der Zigarette, um sie nach danach sorgfältig im Aschenbecher zu zerdrücken. Der Aschenbecher wanderte von ihrem Schoß neben das Weinglas und die jetzt freien Arme umklammerten die angezogenen Knie, wo sich ihre Hände wie zu einem Gebet ineinander verschlangen. Ihre Augen aber, schauten noch immer auf die gepackten Kartons.

Da stand ihr Leben.

Ihr da sein.

Das was sie ausmacht.

Ein Teil von sich selbst.

Hatte sie sich selbst verpackt, als sie die Kartons einräumte? Als sie die einzelnen Teile Stück für Stück in Zeitungspapier gepackt und dann ordentlich aufeinander gestapelt hatte.

Und wenn sie die ganzen Kartons jetzt wegschmeißen würde, könnte sie dann neu anfangen, weil sie dann diesen Teil von sich entfernt hatte?

Oder würde sie das was sie selbst ausmachte wegschmeißen und es würde nichts von ihr übrig bleiben als eine leere Hülle?

Laurie griff nach der Zigarettenschachtel zu ihrer linken und zog mit fahrigen Fingern eine Zigarette aus ihr heraus. Sie zündete sie jedoch nicht gleich an, sondern trank statt dessen einen weiteren Schluck von ihrem Wein, während ihre Gedanken immer weiter wanderten.

Die Kartons waren das Bindeglied, wurde ihr plötzlich klar, als sie von dem Wein nippte. Abrupt ließ sie das Glas in ihren Schoß sinken und vergaß, dass sie in der anderen Hand ihre Zigarette hielt. Sie entglitt ihren Fingern und rollte unbemerkt über den weichen Teppich, wo sie in einiger Entfernung still liegen blieb.

Sie verkörperten Vergangenheit und Gegenwart. Machten ihr bewusst wer sie einmal gewesen war, und wo sie nun mit ihren Erfahrungen stand.

Einen Augenblick lang blieb Laurie noch still sitzen, dann aber stellte sie das Glas zu ihrer Seite ab und ging langsam zu den Kartons hinüber. Behutsam strichen ihre Finger über die Beschriftung, ganz vorsichtig, als ob sie etwas ganz besonders waren. Und wider erwarten waren sie das auch – sie bedeuteten ihr Leben!

Das Porzellan ihrer Mutter, welches sie zur Hochzeit mit John bekommen hatten.

Die Bücher, welche sie mit ihren fantasievollen Geschichten immer wieder in eine fremde Welt entführten.

Ihre CDs. Von Pavarotti bis Pop. Von Klassik bis Rock. Je nachdem in welcher Stimmung sie sich gerade befand.

Die Vasen, die sie in ihrem Wohnzimmerschrank aufbewahrt hatte. Für die Blumen, die sie so selten von John bekommen hatte.

Ihre Finger strichen über den Schriftzug mit den Bildern und verharrten dort. Alles verharrte dort. Ihre Finger, ihre Augen, ihre Gedanken. Dann stand Laurie aus ihrer gehockten Haltung wieder auf und fing an die drei Kartons herunter zu nehmen, die sie auf den untersten, jetzt im Augenblick den wichtigsten, gestapelt hatte. Immer hektischer wurden ihre Bewegungen, immer ungenauer die Stapeltechnik zu ihrer rechten. Der letzte Karton kippelte schon bedrohlich, doch sie war bei dem wichtigen angekommen und hatte keinen Blick mehr zu dem wackligen Turm an ihrer Seite, wo sich der zuletzt gestapelte Karton nun endgültig von seinem neuen Platz löste und mit einem lauten Krachen auf den Boden schlug. Gleichgültig sah Laurie zu der Kiste und nur flüchtig ging er der Gedanke durch den Kopf, ob das der Karton mit dem Geschirr war, doch dann richtete sie ihr Augenmerk wieder auf die Kiste vor sich und ging vor ihr in die Hocke.

Diesmal strichen ihre Finger über das braune Pack Band, vorsichtig und leicht, bis sie es mit einem energischen Ruck löste und den Karton öffnete.

Fotoalben von einem ganzen Leben waren hier übereinander gestapelt. In verschiedenen Farben hoben sie sich von dem Braun des Kartons ab und zeigten nur Anhand ihrer Farbe wie besonders ihr Inhalt war. Laurie nahm die obersten vier Alben raus, kehrte mit ihnen zurück zu ihrer Wand und setzte sich neben dem Weinglas und ihren Aschenbecher. Vorsichtig, damit der rote Wein keine Flecken in ihre helle Auslegware hinterließ, schob sie das Glas ein Stück weit von sich fort und  legte dann die Alben neben sich. Zwei rote, ein grünes, ein blaues.

Rücken und Kopf lehnten sich wieder an die Wand an, die Beine zog sie zu ihrem Bauch und die Lider ihrer Augen schlossen sich, während ihre Hand wie von selbst zu den Alben wanderte und dort für einen kurzen Moment verweilte.

Ihre Vergangenheit.

Laurie öffnete ihre Augen und tastete nach der einen Zigarette, die ihr vorhin aus der Hand gefallen war. Diesmal entzündete sie sie, blies den Rauch in die Luft und griff dann nach dem Glas mit ihrem Wein. Immer im Blick die Fotoalben zu ihrer Seite. Doch erst als sie das Glas wieder beiseite gestellt hatte, nahm sie das erste zur Hand.

Es war eins aus ihrer Schulzeit, wie sie schnell bemerkte, denn ihr Haar war damals um einiges länger gewesen, während das von John sehr viel kürzer als jetzt war. Lächelnd schlug sie die Seiten um, versank mit ihnen in den Jahren als Probleme noch darauf beruhten, das man am Morgen nicht wusste was man anziehen sollte, oder die größte Sorge darin lag beim Unterricht sich nicht zu Tode zu langweilen. Wer hatte eigentlich diese Bilder aufgenommen? Laurie wusste es nicht mehr zu sagen, aber im Grunde genommen spielte es sowie so keine Rolle.

In dem nächsten Einband zeigten sich Fotos, die ihren Ursprung schon wesentlich mehr in der Zukunft hatten. Es gab sogar eins, wo John mit Andy drauf zu sehen war. An diese Entstehung konnte sie sich sogar dran erinnern, denn es war an einem der seltenen Wochenenden entstanden, als sie noch studierte und John in New York bereits dabei war sich ein Leben aufzubauen. Es hatte damals keine Beziehung mehr zwischen ihnen gegeben, denn New York und Harvard waren zu weit auseinander, als das man sich häufig sehen konnte. Jeder hatte den anderen für sein privates Glück freigegeben – und doch hatten sie sich so oft wie möglich gesehen.

Ob John in der Zeit an anderes Mädchen gehabt hatte?

Jetzt nach all diesen Jahren fragte Laurie sich das, was sie vorher nicht hatte wissen wollen.

In Melancholie versunken, blätterte Laurie auch noch die anderen beiden Alben durch. Rauchte dabei noch eine weitere Zigarette und trank ihr Glas dabei zur Hälfte aus, bis sie schließlich auch das Letzte zur Seite legte.

Nachdenklich sah sie zu dem Stapel an ihrer Seite. Da lag also ihre Vergangenheit. Sie sah weiter zu den gepackten Kisten unter dem Fenster. Stand dort drüben ihre Zukunft?

Erschöpft von den vielen kreisenden Gedanken in ihrem Kopf, ließ Laurie den Kopf auf ihre Knie sinken, während  ihre Arme fest die Beine umschlangen. Ganz klein machte sie sich, so wie ein Kind, welches versucht sich vor den mahnenden Blicken der Eltern zu verstecken. Ich kann nichts sehen und keiner kann mich sehen....

Aber die Gedanken blieben, vor ihnen konnte sie sich nicht verstecken.

Oh John, warum warst Du bei dem Osteressen nur so aufmerksam und verständnisvoll?

Da war der erste Riss in ihrer Entscheidung entstanden.

Warum hast du mich nur so liebevoll angelächelt, als Du meine Hand gehalten hast? Warum hast Du sie überhaupt gehalten?

Wie Jessie es vorher gesehen hatte, war dies der Zweite gewesen.

Warum warst Du bei der Aufführung, von der Du nichts wissen konntest?

Mit einem Seufzen löste sie sich aus ihrer Haltung und streckte die Beine weit von sich fort. Ihre Kniegelenke knackten leise unter der plötzlichen Streckung und um ihren Beinen auch noch die letzte Spannung zu nehmen, streckte sie ihre nackten Füße weit dem Fußboden entgegen, den Blick nun wieder auf die Kartons vor sich gerichtet.

 

Die Gedanken in ihrem Kopf fanden keine Ruhe, denn genauso wenig wie sie fähig war die Vergangenheit hinter sich zu lassen, genauso wenig war sie in der Lage den Schritt in die Zukunft zu gehen. Egal in welche Zukunft.

Stöhnend ließ Laurie den Kopf wieder an die Wand sinken und starrte an die Decke hinauf.

Oh John....

Es war ein Impuls der sie dazu brachte in die Küche zu gehen und aus ihrer Handtasche den Umschlag mit ihren Namen heraus zu nehmen. Osteressen hatte Sylvia in ihrer eigenen Handschrift drauf geschrieben. Mehr nicht. Es war nicht der Umschlag der sie interessierte, als sie ihre Finger an der Gummierung entlang führte und ihn öffnete. Es waren die Bilder, die sie aus ihm hinauszog. Irgend jemand hatte sich an diesem Sonntag die Zeit genommen Fotos zu machen, die entspannte und fröhliche Atmosphäre einzufangen und dann, damit jeder eine schöne Erinnerung haben konnte, Abzüge davon machen zu lassen.

Lächelnd lehnte sich Laurie über den Tresen und betrachtete das erste Bild, dass einen Andy zeigte, wie er seine kleine Rede hielt. Ihr leichtes Lächeln wuchs schnell zu einem breiten Grinsen an, als sie sich an die Schweißperlen auf seiner Stirn dabei erinnerte. Es war nur eine einfache Kamera gewesen und der Fotograf hatte leider zu weit weg gestanden, um auch diese einfangen zu können, aber die Nervosität, die Andy bei seiner Offenbarung begleitete hatte, die hatte er hervorragend getroffen.

Sie schob es hinter das Letzte und betrachtete neugierig das Nächste. Es mochte nur eine einfacher Fotoapparat gewesen sein, der offensichtlich keinen Zoom besaß, aber der Fotograf hatte ein gutes Auge für den Augenblick und er hatte die dort herrschenden Stimmung so echt auf das Zelluloid gebannt, dass Laurie das Gefühl hatte wieder an diesem Tisch zu sitzen und den Unterhaltungen zu lauschen. Es gab sogar ein Foto von John und ihr, wie sie sich unterhielten.

Sie legte die restlichen Abzüge neben sich auf die Platte, während sie das Bild eingehender betrachtete und versuchte herauszufinden, wann es entstanden war. Nach dem Gespräch würde sie tippen, denn sie hielt ein Wasserglas in der Hand. Und Wasser hatte sie erst getrunken, nachdem sie während des Gespräches ihren Wein ausgetrunken und John ihr Glas mit Wasser nachgefüllt hatte.

Nachdem sie sich über den Zeitpunkt im klaren war, betrachtete sie die beiden Personen darauf genauer. Sie sahen glücklich aus, befand sie. Aber das war nicht gerade ein Wunder, wenn man bedachte was für einen Streit sie gerade hinter sich gebracht hatten, so konnte der darauf folgende Gesichtsausdruck nur von Freude sprechen.

Ihre Finger strichen über die feinen Lachfältchen um Johns Augen.

Lachfältchen? Laurie hob das Foto näher zu sich heran und studierte es genauer. Tatsächlich, sie waren wirklich da und nicht aus einer Erinnerung heraus entstanden, dass sie da sein müssten. Aber wenn sie die Fältchen um seine Augen sehen konnte, wie nah war der Fotograf dann bei ihnen gewesen? Einen Meter? Das würde heißen, dass er auf der anderen Seite des Tisches gesessen hatte - und sie hatten es beide nicht bemerkt?! Wie konnte man denn nicht bemerken, wenn keinen Meter von einem plötzlich ein Blitz aufleuchtete?

Aber es war ihnen nicht aufgefallen. Sie würde sich dran erinnern, wenn jemand sie versucht hätte zu fotografieren! Und so wie John sie auf dem Foto anlächelte, konnte sie davon ausgehen, dass auch er es nicht bemerkt hatte.

Verblüfft ließ Laurie das Foto wieder sinken – nur um es sogleich wieder zu ihren Augen zu heben. Etwas anders war ihr gerade ins Auge gesprungen, etwas, dass sie beim flüchtigen Betrachten gar nicht wahrgenommen hatte, aber dass sich ihr jetzt so auffällig darbot, dass sie sich fragte, wie sie es bisher hatte übersehen konnte.

Es war die Art wie sie sich ansahen. Fast so, als ob das Lächeln nur eine Begleiterscheinung war.

So schnell sie konnte, trugen ihre Füße sie zurück ins Wohnzimmer, wo sie sich auf den Boden sinken ließ und das letzte der Fotoalben noch einmal aufschlug. Wie im Fieber blätterte sie die Seiten durch, bis sie zu dem Bild kam, welches sie schon vorhin so aufmerksam studiert und wo ihre Finger in zarter Melancholie drüber geglitten waren. Dicht brachte sie die Nase an das Album heran, dann nahm sie das Foto von dem Osteressen wieder zur Hand und betrachtete auch dieses. Legte beide Bilder schließlich nebeneinander, damit sie den direkten Vergleich hatte.

Aber sie hatte sich nicht geirrt. Auf beiden Fotos trugen John und sie den gleichen Gesichtsausdruck, sprachen dieselbe Körpersprache – der einzige Unterschied war, dass eins von den Bildern gerade erst aufgenommen war. Fünfzehn Jahre nach Entstehung des Bildes aus dem Fotoalbum.

Es war noch da?

Es war noch da!

Nach allem was passiert war?

War es doch noch da?

Laurie ließ sich zurücksinken und kam auf ihren Fersen zu sitzen, betrachtete nun aus der Ferne die beiden Bilder, die so ungleich waren und doch einander so ähnlich.

Ein freudiger Hoffnungsschimmer blitze in ihr auf und brachte ihr Herz dazu vor Begeisterung unkontrollierte Hüpfer zu machen. Doch schon nach kurzer Zeit senkte sich eine neue Nachdenklichkeit über diesen Ansturm aus Freude. Es hatte Gründe dafür gegeben, dass sie sich voneinander entfernt hatte und auch die Tatsache, dass noch immer eine Verbindung zwischen ihnen Beiden bestand, hieß nicht das Lösen des Problems.

Nachdenklich sah sie zu den aufgestapelten Kartons zu ihrer Seite. Ihr Sein, ihr Leben. Für einen Moment vergrub Laurie ihren Kopf zwischen den Händen. Ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Sie sah wieder zu den Kisten und stöhnte leise vor sich hin. Die Verbindung zwischen ihnen bestand noch – das Bild besagte es ganz eindeutig - war es dann nicht einen Versuch wert für eine gemeinsame Zukunft zu kämpfen?

Aber wollte John denn dafür kämpfen? Eine Menge Zeit war vergangen, in der bestimmt auch er sich Gedanken über sie gemacht hatte. Was war, wenn er festgestellt hatte, dass es zwar schön war das sie noch Freunde waren, aber nicht mehr?

Und trotz dieser ernüchternden Überlegung, stand Laurie auf und begann die Kisten wieder auszuräumen.