Der Ermittler atmete noch einmal tief durch, ehe er nachgab. Er wusste sehr genau, wann er den Bogen überspannt hatte, und Ians Wutausbruch hatte deutlich gemacht, wo die Gutmütigkeit des jungen Mediziners ihre Grenzen hatte. Innerlich musste er über die Standpauke grinsen, und einen kleinen Seitenhieb konnte er sich dann doch nicht verkneifen. "Nun, sieht so aus, als hätten Sie Ihre professionelle Seite wieder gefunden," komentierte er leicht spöttisch, während er sich wie befohlen auf dem Stuhl niederließ. Ian schnappte vor Empörung nach Luft, sagte aber nichts, sondern griff zielsicher in seine Tasche. Jethro leerte den letzten Schluck Kaffee und brachte es anschließend fertig, den Mediziner trotz aller Angeschlagenheit anzugrinsen. "Bereit, wenn Sie es sind, Doc."
Auch wenn er es vermutlich nie laut aussprechen würde, war der Ermittler seinem Freund für die Hausbesuche mehr als dankbar. Er wusste, dass Kenny medizinische Hilfe benötigte, und auch Ians Sorge um seine eigene Gesundheit wusste er durchaus zu schätzen. Er war lange genug Soldat gewesen, um zu wissen, welche verheerenden Folgen es haben konnte, gesschwächt in eine Schlacht zu ziehen. Und auch wenn besagte Schwächung in der Regel auf Seiten seiner Gegner zu finden gewesen war, gab es keinen Grund, anzunehmen, dass es innerhalb seines Körpers anders sein würde. Die letzte Nacht hatte ihm klar werden lassen, dass die Masern selbst für den tapferen Kenny kein Spaziergang waren. Und sollte Ian Recht behalten - was er für gewöhnlich tat, wenn es medizinische Dinge betraf - dann konnte sein Immunsystem jede Hilfe brauchen, die es kriegen konnte, bevor es auf den Virus traf. Und da er inzwischen wenigstens eine erste Tasse Kaffee in der Blutbahn hatte, ließen sich Ians lästige Inspektionen ohnehin deutlich besser ertragen.
Der Arzt benötigte nicht lange, um seinen Verdacht bestätigt zu wissen. Die Schwellung der Lymphknoten hatte stark zugenommen, und er ahnte, dass ein "normaler" Patient längst gegen den Druck seiner Finger protestiert hätte. Gibbs hingegen weigerte sich noch immer stur, so etwas wie Schwäche zuzugeben, und da Ians Wut noch immer nicht ganz verraucht war, schonte er den Agenten nicht. Auch die Rötungen im Rachen waren mittlerweile wesentlich deutlicher geworden, doch die Körpertemperatur war noch unverändert. "Wie ich es mir schon gedacht habe," erklärte Ian, während er das letzte Instrument zurück in die Tasche räumte. "Sie haben einen grippalen Infekt... ich nehme nicht an, dass SIE den Tag auf See in der Kajüte verbracht haben - oder?" Das Schweigen des Agenten reichte ihm als Antwort. "Ich lasse Ihnen die gleichen Tabletten wie Kenny da - die sind für Ihren Hals, damit der aufhört zu kratzen. Ansonsten gebe ich Ihnen erst mal nur ein Naturheilprodukt, ich denke, dass wird Ihren Körper am besten helfen. Sie haben ein sehr starkes Immunsystem, ich denke, das wird gut darauf ansprechen." Er stellte eine kleine Flasche auf den Tisch. "Sie sollten zwei Tage lang eine Stoßkur damit machen, Jethro - jede Stunde zwanzig Tropfen, ab übermorgen dann drei- bis viermal am Tag. Und falls Sie einen Tipp dazu haben wollen - wenn man sie in ein Glas Multivitaminsaft mischt, schmeckt man es sogar kaum heraus. Ansonsten wäre es gut, wenn Sie sich zur Abwechslung mal etwas gesünder ernähren. Viel Gemüse, viel Obst, wenig Fast Food... und ausreichend Flüssigkeit. Und damit meine ich nicht Kaffee." "Schon klar," seufzte der Ermittler. "Sonst noch Wünsche?"
Bevor Ian zu einer weiteren Standpauke ansetzen konnte, meldete sich eine jämmerlich klingende Kinderstimme aus Richtung Schlafzimmer. "Jethrooo?" Die beiden Erwachsenen sprangen gleichzeitig auf, doch Ian blieb im Flur stehen, bis Gibbs ihm bedeutete, herein zu kommen. Kenny sah übel aus, der für Masern typische Ausschlag hatte ihn nun fest im Griff. Er fieberte noch stärker als gestern, und man konnte sehen, wie schwer ihm jede Bewegung fiel. Jethro hatte sich zu ihm ans Bett gesetzt und eine Hand auf den schwarzhaarigen Kopf gelegt. Sein Daumen strich sanft über die Stirn des Jungen, während er Ian hilfesuchend ansah. Ian seufzte innerlich, weil er wusste, dass er nicht viel für das Kind tun konnte. Er untersuchte den Kleinen noch einmal und blieb anschließend ebenfalls am Bett des Jungen sitzen. "Okay, Kenny," erklärter er. "Du bist mittlerweile ziemlich fies krank geworden, deshalb kommen wir mit den Halstabletten nicht mehr aus. Ich gebe dir noch eine andere Medizin, die schmeckt nicht so gut. Die musst du aber trotzdem nehmen, sie hilft deinem Körper, wieder gesund zu werden." Kenny verzog das Gesicht, war aber zu schwach, um zu protestieren. "Ich weiß, dass das nicht schön ist," gab Ian zu. "Aber in einer Woche hast du das Schlimmste überstanden. Für deinen Ausschlag habe ich hier auch noch ein bisschen Medizin zum Einreiben, dann tut es nicht so weh und juckt nicht so. Vielleicht kannst du Jethro fragen, ob er dir dabei hilft." Kenny nickte und warf einen fragenden Blick zu seinem grauhaarigen Freund. "Klar helfe ich dir, Ken," versicherte Gibbs dem Kind. "Und am besten gehst du gleich erst mal unter die Dusche, dann fühlst du dich schon viel besser." "Okay," antwortete Kenny, dessen Stimme nur ein heiseres Krächzen war. Ian beschloss, die zwei nicht länger zu stören, und gönnte sich in der Küche eine zweite Tasse Kaffee, während Gibbs mit dem Kind im Badezimmer verschwand. Eine Viertelstunde später verriet ihm das Knarren der Stufen, dass der Ermittler auf dem Weg ins Wohnzimmer war - ein warm verpacktes Bündel auf dem Arm, das er behutsam auf dem Sofa ablegte. "Okay, Kenny, Ian bleibt noch ein bisschen hier und leistet dir Gesellschaft, während ich dir oben mal frisches Bettzeug aufziehe und ein bisschen lüfte. Einverstanden?" Kenny nickte, auch wenn ihm im Moment ohnehin egal zu sein schien, was mit ihm geschah. Kurz darauf war der Ermittler zurück und nach einer weiteren halben Stunde brachte er Kenny zurück in sein Bett im nun gelüfteten Schlafzimmer. Anschließend verabschiedete Ian sich und versprach, im Laufe der nächsten Woche gelegentlich nach Kenny zu sehen. "Wenn sein Fieber über 40°C steigt, rufen Sie mich sofort an, Gibbs, ist das klar?" Der Ermittler nickte. "Und wenn sich Ihr eigener Zustand nennenswert verschlechtert, ebenfalls!" Auf diese Aussage erhielt Ian keine Antwort, er hatte allerdings ohnehin nicht damit gerechnet.
Die folgenden Tage wurden verdammt hart. Kenny ging es schlecht, er jammerte fast ununterbrochen und schlief nur wenig. Jethro tat es in der Seele weh, den Kleinen so jämmerlich zu sehen, doch helfen konnte er ihm nicht, und das belastete ihn mehr als alles andere. Die Medizin von Ian schien wirklich scheußlich zu schmecken, und Kenny nahm sie nur unter größten Protesten - auch wenn der Ermittler in diesen Situationen die mitfühlende Seite ausblendete und keinen Widerspruch zuließ. Und da er selbst ebenfalls Ians Sonnenhut- Präparat einnehmen musste, entwickelte sich zwischen beiden rasch ein regelrechtes Ritual, wer nach dem Runterschlucken die grausigeren Grimassen ziehen konnte.
Jethro spürte, dass sein Körper schwächelte, die von Ian prophezeite Erkältung setzte ihm mehr zu, als er sich eingestehen wollte. Sein Hals schmerzte, sein Kopf dröhnte und seine Nase schien ständig verstopft zu sein - von den schmerzenden Gliedern gar nicht erst zu reden. Doch ihm blieb keine Zeit, sich näher damit auseinander zu setzen. Kenny forderte 24 Stunden am Tag seine Aufmerksamkeit, und Jethros Beschützerinstinkt sorgte dafür, dass er auch in den wenigen Pausen stets mit einem Ohr aufmerksam blieb. Die zwangsläufig eintretende Müdigkeit, die dem Ermittler schließlich wie Blei in den Knochen hing, kompensierte Gibbs wie gewohnt mit Kaffee.
Nach einer Woche ging es Kenny endlich wieder besser, das Fieber sank und die Lebensgeister kehrten zurück. Jethro hingegen konnte beim Blick in den Spiegel selbst nicht mehr ignorieren, dass er langsam aber sicher Ähnlichkeit mit einem Gespenst bekam - die Ringe unter den Augen waren selbst mit viel gutem Willen nicht mehr zu übersehen. Sein Kopf drohte mittlerweile zu platzen, und sein Gehirn schien aus dumpfer, nebliger Watte zu bestehen. Gähnend ließ er sich am Küchentisch nieder und griff nach der Kaffeetasse - der Dritten seit dem letzten Aufstehen. Mittlerweile hatte sein Kaffeekonsum Dimensionen erreicht, von denen selbst der Ermittler wusste, dass sie seinem Körper mehr schadeten als nutzten. Er erinnerte sich mit Schrecken daran, dass Ian für diesen Nachmittag seinen Besuch angekündigt hatte, und stöhnte innerlich beim Gedanken an die harten Worten, die der Mediziner für ihn haben würde. Er hatte sich nicht wie versprochen geschont, dafür war ihm schlicht und ergreifend keine Zeit geblieben. Aber Kenny ging es ja nun glücklicherweise endlich besser, und vielleicht sollte er...
Weiter führte er diesen Gedanken nicht. Sein Kopf sank auf die Tischplatte, die Hand umklammerte noch immer die Tasse, während ein geräuschvolles Schnarchen die Küche erfüllte. Er merkte nicht einmal, dass er mit jedem Atemzug weiter in Richtung Tischkante rutschte und schließlich vom Stuhl auf den Boden rutschte. Nur die Kaffeetasse ließ er nicht einen Augenblick lang los. So fand Kenny ihn eine Stunde später vor, als ihm das Gameboyspielen zu langweilig wurde und Jethro nicht auf sein Rufen reagierte. Vorsichtig versuchte der Junge, den schlafenden Mann zu wecken, doch es gelang ihm nicht. Er wurde nervös, war Jethro etwa tot? Aber Tote schnarchten nicht, so viel war Kenny klar. Trotzdem war ihm die Sache unheimlich. Er musste Hilfe holen, und zwar schnell! Allerdings kannte er in Washington niemanden, und seinen Dad konnte er auch nicht anrufen. Jethro hatte erst gestern gesagt, dass er erst übermorgen wieder zurückkommen würde. Eine andere Telefonnummer kannte er nicht auswendig - nur den Notruf. Aber Dad hatte ihm eingeschärft, diese Nummer nur dann zu wählen, wenn es wirklich gefährlich war. Und Jethro schien nicht in Gefahr, er schien nur zu schlafen. Auch wenn er nicht wachwurde, wenn man ihn an der Schulter fasste. Er griff nach dem Handy, das dem Ermittler aus der Hosentasche gerutscht war, und blickte es nachdenklich an. Dad schimpfte immer mit ihm, wenn er mit dessen Handy spielen wollte, und auch Jethro hatte lapidar erklärt, dass er daran nichts zu suchen hatte. Aber in einem Handy waren Telefonnummern eingespeichert - von Menschen, die Gibbs kannten und die ihm vielleicht helfen konnte. Vielleicht war ja sogar die Nummer von Ian darin? Vorsichtig drückte der Kleine ein paar Knöpfe und versuchte, die Worte auf dem Display zu entziffern. Lesen konnte noch nicht besonders gut, und es dauerte lange, die Buchstaben im Kopf zu Namen zu sortieren. Aber keiner der Einträge hieß "Ian", also drückte Kenny seufzend den obersten Eintrag in der Liste, auch wenn der Name so kompliziert war, dass Kenny ihn nicht einmal lesen konnte. Aber er hoffte, dass er jemanden erwischte, der ihm weiterhelfen konnte. Tatsächlich nahm schon nach dem zweiten Klingeln jemand ab.
"McNamara! Gibbs, haben Sie etwa Sehnsucht nach mir?" fragte eine fröhliche Stimme, und Kenny fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen, als er Ian erkannte. "Ian?" fragte er vorsichtig. "Hier ist Kenny. Kannst du vielleicht herkommen? Ich hab Angst um Jethro. Er liegt in der Küche auf dem Boden, und ich glaube, er schläft. Er schnarcht ganz laut. Aber ich krieg ihn nicht wach."
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Schlagartig war Ians gute Laune vergessen, doch er bemühte sich um einen ruhigen Tonfall, um Kenny nicht merken zu lassen, wie sehr ihn dessen Worte beunruhigten. "Sicher kann ich kommen, Kenny. Ich fahre auch gleich los.", versprach er. "In ein paar Minuten bin ich da, in Ordnung?" Kaum hatte Kenny erleichtert aufgelegt, war von Ians Ruhe nichts mehr zu sehen. Hastig schnappte er sich die Autoschlüssel, schlüpfte in Schuhe und griff gleichzeitig nach dem Mantel und seiner Arzttasche. Aus Sorge um Gibbs ignorierte Ian mehr als nur eine Geschwindigkeitsbegrenzung, und so dauerte es nicht lange, bis es zum ersten Mal blitzte. Aber das kümmerte Ian momentan nicht sonderlich, viel wichtiger war es, so schnell wie möglich zu Gibbs und Kenny zu gelangen. Tatsächlich schaffte er die Strecke in Rekordzeit, der Motor war noch nicht einmal richtig auf Betriebstemperatur gelangt, als er bei Gibbs vorfuhr. Eilig sprang er aus dem Auto, machte sich nicht einmal die Mühe, es abzuschließen, und lief auf das Haus zu. Im Flur kam ihm bereits Kenny entgegen. "Er ist immer noch nicht wach!", klagte er, schnappte eilig Ian an der Hand und zog ihn in die Küche. Als er Gibbs inmitten einer Kaffeelache am Boden liegen sah, hatte Ian für eine Sekunde die äußerst lebhafte Vision eines Krankenwagens, der mit blitzenden Blaulichtern und aufheulender Sirene davonfuhr. Abrupt ließ er Kennys Hand los und kniete sich neben Gibbs. Er wollte gerade nach dem Puls tasten, als ein Geräusch erklang, das ihm nicht nur einen Stein vom Herzen fallen ließ, sondern auch seine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellte: Ein lautes, langgezogenes Schnarchen. Ian biss sich auf die Lippe und unterdrückte den irrationalen Drang, laut loszulachen. Stattdessen atmete er tief durch und wandte sich dann an Kenny. "Mach dir keine Sorgen, Kenny. Jethro geht es gut." Die Unterlippe des Jungen zitterte. "Bist du sicher?", fragte er hörbar zweifelnd. Ian nickte. "Ganz sicher. Jethro war einfach nur sehr müde und ist eingeschlafen, glaub mir." Dass ihm die bleiche Gesichtsfarbe des Ermittlers und die deutlich sichtbaren Augenringe dennoch nicht gefielen, verschwieg er dem Jungen, um ihn nicht noch mehr zu beunruhigen. Erleichtert atmete Kenny auf, nur um im nächsten Augenblick schuldbewusst das Gesicht zu verziehen. "Was ist?", fragte Ian überrascht, begriff aber sofort, als Kenny stumm auf das Telefon neben Gibbs deutete. "Weil du mich angerufen hast?" Ein zögerndes Nicken. "Das ist schon okay, Kenny. Du hast sogar genau das Richtige gemacht. Auch wenn es Jethro gut geht und er nur schläft, es war richtig, dass du mich angerufen hast." Erleichtert atmete Kenny auf. "Aber was machen wir jetzt?", fragte er dann ratlos. "Ich meine, auf dem Boden schlafen ist doch doof!" Ian musste lachen. "Da hast du schon recht, aber Jethro stört es ja anscheinend nicht, auf dem Boden zu schlafen. Außerdem weiß ich, dass er manchmal sogar unter seinem Boot schläft, und das ist sicher noch viel unbequemer, glaubst du nicht?" Kenny nickte kichernd. Davon hatte ihm Jethro schon erzählt. Und auch wenn er sich absolut nicht vorstellen konnte, dass man unter einem Boot überhaupt einschlafen konnte, war für ihn die Welt jetzt wieder in Ordnung. Ian war gekommen, Jethro ging es gut und es war auch keiner böse auf ihn, weil er Jethros Telefon genommen hatte, um Ian anzurufen. Ian wuschelte dem Kleinen schmunzelnd durchs Haar und richtete sich auf. Er konnte sich zwar ebenfalls nicht vorstellen, dass das Schlafen auf dem Küchenboden wirklich bequem war, aber wie er Kenny gesagt hatte, war Gibbs schließlich hart im Nehmen. Ganz abgesehen davon hatte er keineswegs vor, den Agenten aufzuwecken, wenn dieser schon endlich einmal schlief und seinem Körper damit wenigstens ein bisschen Erholung gönnte. Also musste er nur noch Kenny, der deutlich aufgeweckter wirkte als bei seinem letzten Besuch, irgendwie von der Tatsache ablenken, dass Jethro in der Küche anstatt in seinem Bett schlief. "Hey, Großer. Was hältst du davon, dir im Wohnzimmer einen Film anzugucken?" Kenny nickte begeistert. "Guckt Jethro dann auch mit, wenn er wieder wach ist?" Ian unterdrückte ein Seufzen. Soviel zu seiner Ablenkung. "Mal sehen.", wich er einer direkten Antwort aus. "Du kannst ihn ja dann fragen, ob er Lust dazu hat." Mit dieser Antwort war Kenny zufrieden, und so schaltete Ian ihm im Wohnzimmer den Fernseher ein. Er wählte einen Kinderkanal aus und wenig später war der Kleine in die Abenteuer von Micky Mouse vertieft. Ian wartete noch ein paar Sekunden, dann schlich er sich leise aus dem Wohnzimmer. In der Küche besah er sich seufzend den nach wie vor schnarchenden und somit auch tief und fest schlafenden Gibbs. "Ich bin nur gespannt, wie Sie mir das erklären wollen, Jethro...", murmelte er kopfschüttelnd. Dann holte er sich von der Spüle einen Lappen, kniete sich erneut neben Gibbs und machte sich daran, den verschütteten Kaffee aufzuwischen. Nachdem er die Lache beseitigt und den Becher aus Gibbs' Hand gelöst hatte, sah er kurz ins Wohnzimmer. Kenny verfolgte gerade fasziniert eine Unterhaltung zwischen Goofy und Micky und bemerkte gar nicht, dass Ian im Türrahmen stand. Leise, um Kenny nicht auf sich aufmerksam zu machen, griff Ian nach einer Wolldecke und kehrte wieder zu Gibbs zurück. Leise seufzend breitete er die Decke über dem Schlafenden aus, der sich davon nicht im Geringsten gestört zeigte. In den nächsten Stunden wechselte er immer wieder zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, um sowohl Kenny als auch Gibbs im Auge zu behalten. Die Zeit verstrich, Micky Mouse & Co. wurden von den Ghostbusters abgewechselt, die Ghostbusters von einem sprechenden Schwamm. Irgendwann war Kenny eingenickt und Ian schaltete den Fernseher aus. Stille legte sich über das Haus, unterbrochen nur von den in unregelmäßigen Abständen ertönendem Schnarchen von Gibbs. Allmählich wurde auch Ian müde, also holte er eine Tasse aus dem Geschirrschrank und schenkte sich den Rest aus der Kaffeekanne ein. In der Mikrowelle erwärmte er den längst eiskalt gewordenen Kaffee kurz auf Trinktemperatur. "Wow!", entfuhr es ihm, als er den ersten Schluck gekostet hatte. Der Kaffee war selbst für Gibbs' Verhältnisse verdammt stark. In Ian stieg ein Verdacht auf, der sich auch prompt bestätigte, als er einen prüfenden Blick in die Vorratsschränke warf. Allem Anschein nach hatte Gibbs sich in den letzten Tagen von kaum mehr als diesem Killerkaffee ernährt. Und wenn selbst dieser massive Koffeinschub nicht verhindern hatte können, dass Gibbs mit dem Becher in der Hand einschlief, dann konnte Ian sich lebhaft vorstellen, in welcher Verfassung der Agent sein musste. Und zusammen mit der bleichen Gesichtsfarbe, den dunklen Ringen unter den Augen und der Tatsache, dass Gibbs ihn nicht angerufen hatte... "Oh ja...", knurrte Ian verärgert. "Ich bin wirklich auf Ihre Erklärung gespannt!"
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Nach einiger Zeit kehrte der Ermittler langsam aus dem Tiefschlaf zurück. Im Dämmerzustand des Aufwachens registrierte er, dass er auf etwas Hartem lag - an und für sich nichts ungewöhnliches. Allerdings stimmte irgendetwas nicht. Der Geruch von Holz fehlte, und er lag halb auf dem Bauch. Eine Position, in der er im Keller nur extrem selten zu schlafen pflegte. Außerdem hatte jemand eine Decke über ihn gebreitet, was auch nicht unbedingt normal war. Nur langsam kehrten vage Erinnerungsfetzen zurück. Sein Kopf schmerzte, als würde eine ganze Armee von winzigen Bergarbeitern darin schuften, und seine Nase war so verstopft, dass er kaum Luft bekam. Jeder Knochen und jeder Muskel seines Körpers schmerzte, und Jethro musste innerlich zugeben, dass er wohl doch langsam alt wurde. Aber wenn er nicht in seinem Keller war - wo schlief er hier eigentlich gerade? Und wie war er hergekommen?
Mühsam öffnete der Agent ein Auge und blickte auf hölzerne Stuhl- und Tischbeine. Und irgendwo in diesem Wald aus Holz befanden sich zwei Beine mit Füßen, die ihm verdächtig bekannt vorkamen. Kenny war das jedenfalls nicht - Kenny!! Mit einem Ruck schoss der Ermittler hoch und knallte als erstes mit dem Kopf gegen den am nächsten stehenden Stuhl. "Verdammt!!" fluchte er - oder besser gesagt: er versuchte es. Sein Hals war so rauh, dass er nur ein unverständliches Krächzen hervorbrachte. Die Füße sprangen auf, und eine halbe Sekunde später erkannte Jethro die schlanke Gestalt von Ian McNamara. Auch das noch. Als würde es irgend etwas helfen, fielen die Augen des Ermittlers wie von selbst wieder zu.
"Kenny geht es gut," beruhigte die Stimme ihn. "Haben Sie Ihre Schlafgewohnheiten jetzt in die Küche verlegt, Jethro?" Der Sarkasmus war nicht zu überhören, doch Jethro war zu erschöpft, um sich weiter Gedanken darum zu machen. "Nein," knurrte er zurück, während er langsam versuchte, sich aufzurichten und auf einen der Stühle zu setzen. "Ich muss eingenickt sein, Kenny... ich habe nicht sehr viel geschlafen in den letzten Tagen." Gibbs war viel zu müde, um weiter den Helden zu spielen, zumal ihm ohnehin klar war, dass Ian ihn ohnehin durchschaute.
Nachdem der Agent es auch im dritten Anlauf nicht schaffte, sich bis auf den Stuhl zu ziehen, blieb er kurzerhand auf dem Boden sitzen. McNamara lehnte gegenüber an der Arbeitsplatte und schien seine Bemühungen seelenruhig zu verfolgen. "Ich bin wirklich gespannt, wie sie mir das erklären wollen, Jethro," erklärte er verdächtig ruhig. Der Agent zog es vor, nicht weiter darauf einzugehen. "Wo ist Kenny?" fragte er statt dessen. Mittlerweile hatte auch seine Stimme den Dienst wieder aufgenommen, mehr oder weniger zumindest.
"Kenny geht es gut, er hat ein paar Trickfilme geguckt und ist auf dem Sofa eingenickt. Sie brauchen sich im übrigen gar nicht groß Mühe mit dem Wachwerden geben - Sie können sich eigentlich direkt wieder hinlegen. Ins Bett." Missmutig schüttelte Gibbs den Kopf. "Mir geht es gut," krächzte er abwehrend. "Ich habe nur ein bisschen wenig geschlafen in den letzten Tagen. Geben Sie mir einfach einen Kaffee, dann geht es schon wieder." Er versuchte erneut, sich aufzurichten, und zog sich mit vereinten Kräften am Tisch hoch. Mühsam torkelte er in Richtung Kaffeemaschine, doch Ian versperrte ihm mit zwei Schritten den Weg. Jethro musste nicht einmal einen Blick in sein Gesicht werfen, um zu ahnen, dass er es diesmal übertrieben hatte. Der junge Mediziner bebte vor Zorn, so wütend hatte der Ermittler ihn erst ein einziges Mal erlebt. Und eigentlich hatte er sich damals geschworen, McNamara nie wieder so gegen sich aufzubringen. Verdammt, irgendetwas war hier gründlich schief gelaufen.... Er schloss einen Moment lang die Augen und atmete tief durch, ehe er Ian ansah. Er wusste, dass ihm eine gewaschene Gardinenpredigt bevorstand, aber noch war er nicht tot - noch konnte er seinem Gegenüber in die Augen sehen, selbst wenn es einfach sein würde, wegzusehen. Er nahm alle Kraft zusammen und wartete auf die Explosion.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara "Oh nein." Leise, fast tonlos kamen die Worte, als er sich zwischen Gibbs und die Kaffeemaschine stellte. Vor Wut brodelnd und mühsam um Beherrschung ringend wartete Ian, bis Gibbs ihn ansah. "Ist DAS Ihre Auffassung von sich schonen?!", fragte er eisig. "Solange weiter zu machen, bis Sie zusammenklappen?! Einfach immer mehr Koffein, bis selbst das nicht mehr reicht?! Warum zum Teufel nehmen Sie nicht gleich Ihre Dienstwaffe und jagen sich eine Kugel in den Kopf?!" Er ignorierte das fast unmerkliche Zusammenzucken von Gibbs und trat direkt vor ihn. "Aber ich sage Ihnen was: Damit ist jetzt endgültig Schluss!" Zornig packte er den Agenten am Oberarm. "Versuchen Sie es gar nicht erst!", fuhr er ihn an, als er den Mund öffnete. Jethro blinzelte verblüfft. Er hatte mit einer Standpauke gerechnet, ja. Aber das hier war... Er kam nicht mehr dazu, den Gedanken zu beenden, als McNamara abrupt losmarschierte und ihn erbarmungslos mit sich zog. Er hatte alle Mühe, den energischen Schritten zu folgen und nicht ins Stolpern zu kommen. Als Ian ohne Zögern die Treppe in den ersten Stock ansteuerte, schwante Jethro allmählich, worauf das Ganze hinauslaufen würde. "Ian, ich..." "Nein!", schnitt der Mediziner ihm zornig das Wort ab, ohne ihn auch nur anzusehen. "Ich habe Sie gewarnt, Jethro, aber Sie mussten es ja unbedingt wieder darauf ankommen lassen!" Ohne auch nur für eine Sekunde inne zu halten, marschierte Ian die Treppe hinauf, fasste ihn lediglich noch fester, als Gibbs auf den Stufen ins Straucheln kam. Binnen kürzester Zeit lag die Treppe hinter ihnen und Ian ging schnurstracks auf das Schlafzimmer zu, Jethro unerbittlich mitschleifend. Die Tür flog auf und prallte mit einem dumpfen Knall gegen die Wand dahinter, Ian zerrte ihn ins Zimmer und ließ ihn erst direkt vor dem Bett los. Ein mehr als nur unsanfter Stoß beförderte Jethro auf die Matratze, und er hatte Mühe, die Wucht wenigstens soweit abzufangen, dass er sich nicht gleich in der Waagerechten wiederfand. Die harte Landung tat ihr Übrigens zu seiner ohnehin schon schlechten Verfassung und er konnte ein schmerzvolles Zusammenzucken nicht mehr unterdrücken. Für einen Moment sah er Sterne und reflexartig krallten seine Hände sich in die Matratze. Ein sattes Klicken ertönte, gleichzeitig fühlte er kühles Metall, das sich um sein rechtes Handgelenk schloss. Perplex ächzte er auf. "Das ist nicht Ihr Ernst!", brachte er heiser hervor. Ian verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. "Oh doch, Jethro. Ich habe es Ihnen gesagt, ich habe Sie gewarnt!" Ohne Vorwarnung streckte er sich zur Querstrebe am Kopfende des Betts, Gibbs' Rechte wurde mitgerissen, und noch ehe er reagieren konnte, schnappte auch die zweite Handschelle zu. Fassungslos starrte Jethro, halb liegend, halb sitzend, auf das Metall, das ihn nun im wahrsten Sinn des Wortes ans Bett fesselte. "Was...?!", begann er entgeistert, brach ab, schloss die Augen und schüttelte den Kopf, unfähig, das Geschehene als real zu akzeptieren. Doch als er wieder aufsah, waren da immer noch die Handschellen und er musste erkennen, dass ihm sein übermüdeter Verstand keinen Streich gespielt hatte. Ruckartig setzte er sich auf, wollte aufspringen, Ian notfalls mit Gewalt die Schlüssel für die Handschellen abnehmen. Doch dazu kam es gar nicht mehr, denn kaum saß er aufrecht, wurde ihm schwarz vor Augen. Und dieses Mal ließ sich die Schwärze nicht mehr wegblinzeln. Er schaffte es noch, leise zu fluchen, dann wurde es endgültig dunkel. Ian wich reflexartig einen Schritt zurück, als der Agent Anstalten machte, aufzuspringen. Aber statt tatsächlich aufzuspringen und auf ihn loszugehen, wie er es mit Sicherheit vorgehabt hatte, verlor Gibbs plötzlich alle Farbe, stieß ein halblautes "Scheiße!" aus, verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen. Gerade noch rechtzeitig, bevor er seitlich vom Bett kippte, fing Ian ihn ab. Hastig stemmte er sich gegen Gibbs, hielt ihn mit einer Hand fest und tastete mit der anderen nach dem Puls. Erleichtert atmete er auf, als er das rhymthmische Pochen an seinen Fingerspitzen spürte. Für einen winzigen, schrecklichen Moment hatte er geglaubt, der Agent hätte einen Herzanfall erlitten. Seine Vision vom mit Blaulicht und Sirene davonbrausenden Rettungswagen kam ihm in den Sinn und eine leise Stimme in ihm fragte sich, ob es sich dabei nicht eher um eine Vorahnung als tatsächlich eine Vision gehandelt hatte. Entschlossen schüttelte Ian die düsteren Gedanken ab und konzentrierte sich wieder voll und ganz auf die Gegenwart. Jethro hatte keinen Herzanfall erlitten, er war schlicht und ergreifend ohnmächtig geworden. In der Zeit seit seinem letzten Besuch hatte der Agent seinem Körper eindeutig zu viel zugemutet und ihn vermutlich auch mehr als nur einmal bis an die Grenzen belastet. Und dieses Mal war er eben einfach über die Grenzen hinausgeschossen und hatte die Rechnung in Form eines Kreislaufkollapses präsentiert bekommen. Behutsam beförderte Ian mit geübten Griffen den Grauhaarigen in die Waagerechte, streifte ihm rasch Schuhe und Strümpfe ab und öffnete Knopf und Reißverschluss der Jeans. Gibbs hatte in den vergangenen Tagen eindeutig Gewicht verloren, dennoch bereitete es Ian nicht wenig Mühe, dem ohnmächtigen Agenten die Jeans auszuziehen. Anschließend zog er die Decke über Gibbs, den Sweater und das T-Shirt ließ er ihn kurzerhand anbehalten. Eine kurze Durchsuchung des Kleiderschranks förderte eine weiche Jogginghose zutage, die er neben dem Bett hinlegte - für den unwahrscheinlichen Fall, dass Gibbs frieren sollte und nicht zu stur war, etwas dagegen zu unternehmen. Um die Geschicklichkeit des Agenten wissend, entfernte Ian noch alles, womit Gibbs eventuell die Handschellen öffnen könnte. Dann verließ er das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Auf der Treppe schoss ihm Kenny durch den Kopf und erschrocken beeilte er sich, ins Wohnzimmer zu sehen. Vor lauter Zorn über Gibbs' unkooperatives Verhalten hatte er völlig auf den Kleinen vergessen, nun plagte ihn das schlechte Gewissen. Wenn Kenny die lautstarke Auseinandersetzung aus nächster Nähe gesehen und Angst bekommen hatte, dann war das allein seine Schuld! Doch der Kleine schlief wider Erwarten tief und fest auf der Couch. Ian atmete erleichtert auf und sandte ein gedankliches Dankeschön gen Himmel. Leise trat er an die Couch heran und richtete die Wolldecke, die Kenny im Schlaf schon fast zu Boden befördert hatte. Der Junge seufzte leise im Schlaf und kuschelte sich erneut in die Decke. Vorsichtig fühlte Ian mit dem Handrücken seine Stirn und lächelte zufrieden. Das Fieber war verschwunden, allem Anschein nach hatte Kenny die Masern überstanden. Das Lächeln verschwand, als er an den Mann im Obergeschoss dachte. Ein Seufzen unterdrückend schlich er leise aus dem Wohnzimmer, um seine Tasche zu holen und zu seinem ganz persönlichen Sorgenkind zurück zu kehren. Doch bevor er sich erneut ins Schlafzimmer im ersten Stock begab, setzte Ian frischen Kaffee auf. Das Zeug, das Gibbs getrunken hatte, war nicht wirklich genießbar und außerdem schon längst eiskalt. Und er brauchte jetzt ganz einfach einen Koffeinschub. Für seine Nerven, um ruhig zu bleiben. Und vor allem, um einen Plan zu entwickeln, wie es nun weitergehen sollte. Immerhin würde Kenny erst übermorgen von seinem Vater abgeholt werden. Und Ian hatte keineswegs vor, Jethro noch einmal aufstehen zu lassen. Was bedeutete, dass er Kenny entweder ablenken oder einweihen musste. In Anbetracht seiner eher miserabel ausgeprägten Fähigkeiten auf diesem Gebiet war Ablenkung allerdings nicht wirklich eine Option. Erste Kopfschmerzen machten sich bemerkbar, und seufzend beschloss Ian, die Entwicklung eines Plans auf später zu verschieben. Nach dem Kaffee waren die Kopfschmerzen wieder verschwunden und seine Ruhe zurückgekehrt. Ein kurzer Blick ins Wohnzimmer auf dem Weg zur Treppe überzeugte Ian, dass Kenny nach wie vor schlief, und beruhigt setzte er den Weg ins Schlafzimmer zu Gibbs fort. Vor der Tür atmete er noch einmal tief durch, dann drückte er entschlossen die Klinke nach unten und trat ein. Offensichtlich war Gibbs noch nicht wieder zu sich gekommen, er reagierte jedenfalls in keiner Weise auf seine Anwesenheit. Trotzdem blieb Ian auf der Hut, zu oft schon hatte der Ältere seine ausgezeichneten Reflexe unter Beweis gestellt. Seine Vorsicht stellte sich dieses Mal allerdings als unnötig heraus, Gibbs war tatsächlich noch immer ohnmächtig. Stirnrunzelnd öffnete Ian seine Tasche und nahm die Blutdruckmanschette heraus. Eine derart lange Ohnmacht war ungewöhnlich, erst recht für einen Mann, der sonst eine fast schon übertriebene Resistenz gegen jede Art von Schwächeanfallen aufwies. Routiniert schlang McNamara die Manschette um Jethros Oberarm, nachdem er den Ärmel des Sweaters hochgeschoben hatte. Noch bevor er allerdings mit der Messung beginnen konnte, öffnete Jethro blinzelnd die Augen.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Blinzelnd öffnete der Ermittler die Augen, als er eine Berührung an seinem Arm registrierte. Reflexartig wollte er sich aufsetzen, wurde jedoch durch die noch immer am Kopfende befestigte Handschelle unsanft daran gehindert. "Was zum Teufel...." knurrte er und riss beide Augen weit auf. Als sein Verstand Ian erkannte, schloss er sie auf der Stelle wieder und ließ sich zurück in die Kissen sinken. "Ich bin nicht da..." stöhnte er matt.
Ian starrte den Agenten einen Moment lang überrascht an, ließ sich jedoch nicht aufhalten und fuhr seelenruhig fort, den Blutdruck des Agenten zu messen. Allerdings irritierte es ihn irgendwie, dass sein Patient nicht einmal im Ansatz protestierte. Gibbs blieb reglos liegen und schien es vorzuziehen, die Augen geschlossen zu halten. "Ich seh Sie trotzdem, Jethro," kommentierte Ian spöttisch, während er einen Blick auf die kleine Skala warf. "120 zu 60..." murmelte er dann. "Das ist für jemanden wie Sie verdammt niedrig, Gibbs."
Noch immer folgte keine Reaktion, und einen Moment lang fragte sich der Mediziner, ob Jethro einfach wieder eingeschlafen war - auch wenn er das für mehr als unwahrscheinlich hielt. Und tatsächlich musste er nicht lange auf eine Antwort warten. Das linke Auge des Ermittlers öffnete sich einen winzigen Spalt. "Wundert Sie dass, Ian?" McNamara konnte sich bei diesem Anblick ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Nein, nicht wirklich," gab er zu, während er die Manschette löste. "Aber bevor Sie auch nur auf die Idee kommen, an Kaffee zu denken: vergessen Sie's!" Der Ermittler lachte kurz auf, was allerdings auf der Stelle in einen heftigen Hustenanfall überging.
Ian beobachtete seinen Patienten aufmerksam und wartete ab, bis der Grauhaarige wieder Luft bekam. "Wollen Sie mir vielleicht etwas mitteilen, Agent Gibbs?" fragte er auffordernd. "Beispielsweise... ob Sie in den letzten Tagen irgendwelche Probleme mit Grippesymptomen hatten?!" Gibbs verdrehte die Augen, blieb aber ehrlich. "Etwas Halsschmerzen, nicht der Rede wert," gab er zu. "Und ein bisschen Husten." Ian musste sich zusammenreißen, den Agenten seine Überraschung nicht sehen zu lassen. Zwar war ihm klar, dass der Ermittler Symptome zeigte, aber dass er sie so offen zugab, war ein verdammt beunruhigendes Zeichen. "Halsschmerzen also," wiederholte er. "Dann setzen Sie sich mal hin und machen Sie den Mund auf."
Gibbs versuchte, seiner Aufforderung nachzukommen, so gut seine "Fessel" es zuließ. "Verdammt, Ian, können Sie das Teil mal wieder abmachen?!" knurrte der Silberfuchs finster. "Vergessen Sie's," antwortete Ian. "Ich habe keine Lust, Sie nachher wieder einzufangen. Rutschen Sie einfach ein Stück zurück, dann geht das mit dem Sitzen einfacher." Die blauen Augen warfen ihm einen finsteren Blick zu, und der Kommentar, den Gibbs in seinen nichtvorhandenen Bart murmelte, war vermutlich alles andere als jugendfrei. Doch er rutschte gehorsam ein Stück zurück und öffnete wie befohlen den Mund, um Ian einen Einblick in seinen Hals zu gewähren. Nur ein genervtes Augenrollen konnte er sich nicht verkneifen, doch es blieb der einzige Protest.
Überrascht inspizierte der Mediziner den Rachenraum, ehe sein Patient auf die Idee kam, es sich anders überlegen zu wollen. Wie erwartet hatte der Infekt den Schluckapparat des Agenten fest im Griff - was vermutlich erklärte, warum die Vorratsschränke noch so gut gefüllt waren. "Haben Sie Schluckbeschwerden, Jethro?" hakte er daher nach. "Maannchaa.." artikulierte Gibbs, woraufhin Ian schuldbewusst seine Finger aus dessen Mund zurückzog. "Manchmal," wiederholte der Ermittler. "Haben Sie sich deshalb nur noch von Kaffee ernährt?" Die Wut drohte Ian erneut zu überwallen. "Nur noch von Kaffee?!" fragte Gibbs verwirrt zurück. "Ich habe nicht..." "Verdammt!!" fauchte McNamara. "Ich glaube Ihnen kein Wort, Gibbs! Das Zeug, was vorhin in Ihrer Kaffeemaschine war, hätte selbst einen Elefanten umgehauen, das trinken selbst Sie nicht freiwillig!!" Gibbs runzelte die Stirn, blieb aber völlig ruhig. "Das habe ich doch auch gar nicht behauptet," stellte er anschließend fest. "Kenny... Kenny ging es sehr schlecht in den letzten Tagen, er hat einfach nie geschlafen... und ich ebenfalls nicht." Er blickte Ian an. "Ich weiß selbst, dass ich ein bisschen viel von dem Zeug getrunken habe. Aber das heißt nicht, dass keine festen Mahlzeiten auf den Tisch gekommen sind!" In den letzten Worten war nun doch eine unterschwellige Wut zu erkennen, allerdings ahnte Ian, worauf diese sich bezog. "Ich wollte Ihnen nicht vorwerfen, Kenny schlecht versorgt zu haben," beruhigte er den Agenten. "Ich habe nur festgestellt, dass Ihre Vorratsschränke noch fast genauso voll sind wie vor einer Woche."
Gibbs stöhnte. "Meine Schränke kontrollieren Sie jetzt auch schon?!" Er verdrehte die Augen. "Ist Ihnen schon mal in den Sinn gekommen, dass man frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse nicht unbedingt im Schrank lagert?!" Er hustete kurz. "Ich habe gestern den Supermarkt angerufen, die haben ja praktischerweise so was wie einen Lieferservice", fuhr er anschließend fort. "Allerdings haben wir tatsächlich nicht sehr viel verbraucht, Kenny war zu müde, um viel Hunger zu haben, und ich.... hatte ebenfalls nicht sehr viel Appetit. Und bevor SIE fragen: ihre verdammten Tropfen habe ich genommen. Täglich. Zufrieden?!" Der Mediziner nickte, ohne die Aussagen zu kommentieren.
Ruhig begann er anschließend, den Sweater seines Patienten ein Stück nach oben zu schieben, so dass er den Brustkorb des Agenten abhorchen konnte - jederzeit mit einem heftigen Protest des Grauhaarigen rechnend. Doch Gibbs ließ ihn vollkommen ungestört gewähren. In Ians Magen machte sich ein mulmiges Gefühl breit, offensichtlich schien es seinem Patienten wirklich verdammt schlecht zu gehen. Die Geräusche in der Lunge deuteten auf eine Verschleimung der Lunge hin - nicht besonders stark und auch nicht gefährlich, aber eindeutig vorhanden.
Als letztes stand noch die routinemäßige Temperaturüberprüfung auf dem Plan. Aber auch hier überraschte Ian die bereitwillige Kooperation des Agenten beinahe mehr als der gemessene Wert. Dass Gibbs Fieber hatte, wusste er längst, und dass es noch keine besorgniserregenden Werte erreicht hatte, war ebenfalls zu erwarten gewesen. Tief durchatmend schob Ian das Thermometer zurück in die Tasche und blickte Gibbs an. "Ich bin erst mal fertig," erklärte er. "Sie können Sich also wieder hinlegen."
Gibbs nickte schweigend und rutschte zurück unter die Decke. Allerdings hing seine rechte Hand noch immer am Kopfende fest, was dem kuscheligen Eindruck einen ziemlichen Dämpfer versetzte. "Ähm... Ian?!" fragte Gibbs denn auch prompt. "Was muss ich Ihnen versprechen, dass Sie das Ding wieder abmachen?" Er setzte sich noch einmal halb auf und blickte dem Arzt ruhig in die Augen. "Ich weiß selbst, dass ich es übertrieben habe," gab er leise zu. "Ich bin höllisch müde, und wenn Sie noch eine Weile auf Kenny aufpassen, werde ich schlafen wie ein Murmeltier. Allerdings gebe ich zu, dass ich keinen Wert darauf lege, dem Jungen zu erklären, warum der Onkel Doktor seinen Patienten Handschellen anlegt. Ich habe nämlich die Befürchtung, dass ihn diese Vorstellung ziemlich erschrecken würde. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich dieses Bett nicht eher wieder verlassen werde als nötig - und mit nötig meine ich in diesem Fall dringende menschliche Bedürfnisse. Zumindest, so lange jemand auf Kenny aufpasst."
Er blickte in Richtung Tür, als ob der Sechsjährige dort jeden Moment aufzutauchen drohte. "Verstehen Sie mich nicht falsch, Ian. Ich habe seinem Vater versprochen, auf ihn acht zu geben, und ich kann den Jungen nicht den ganzen Tag allein in der Wohnung lassen. Ich werde mich schonen, versprochen. Aber ich kann nicht den ganzen Tag im Bett bleiben - nicht, so lange Kenny hier ist. Sein Vater ist übermorgen zurück, danach können Sie von mir aus machen, was Sie wollen."
Re: Kinderkrankheiten
McNamara "Was muss ich Ihnen versprechen, dass Sie das Ding wieder abmachen?" Ian hob spöttisch eine Braue und wollte schon den Kopf schütteln, als Gibbs weitersprach. Bei der Bemerkung mit dem Onkel Doktor musste er grinsen, doch die folgenden Worte brachten ihn zum Nachdenken. Als Gibbs den für ihn ungewöhnlich langen Monolog beendet hatte, fischte Ian seufzend den Schlüssel für die Handschellen aus seiner Jeanstasche. "In Ordnung, ich befreie Sie davon." Jethro verkniff sich ein erleichtertes Aufatmen, einen bangen Moment hatte er befürchtet, dass Ian ihn im wahrsten Sinn des Wortes hängen lassen würde. Seine Erleichterung war ihm aber offensichtlich dennoch anzusehen, denn Ian steckte den Schlüssel zwar ins Schloss der Handschelle, drehte ihn aber noch nicht herum. "Ich werde Sie beim Wort nehmen, nur damit das klar ist." Jethro grinste schief. "Ich weiß." Ian nickte. "Gut." Leise klickend öffnete sich die Handschelle und sofort zog Jethro seine Hand aus der Fessel. Unbewusst rieb er sich das etwas in Mitleidenschaft gezogene Handgelenk. Während Ian auch die zweite Schelle vom Bett nahm, musterte er den jungen Mediziner mit widerwilligem Respekt. Er hätte nicht gedacht, dass McNamara wirklich den Mumm haben würde, sich auf derart dünnes Eis zu begeben. Und ihn mit Handschellen ans Bett zu fesseln fiel definitiv unter die Kategorie verdammt dünnes Eis. Tatsächlich hatte es bisher nur eine Person gegeben, der eine solche Aktion zuzutrauen war - Ducky. Eben hatte sich die Zahl der Personen allerdings um eine erhöht. Die Handschellen verschwanden in der Lade des Nachtkästchens und Jethro hob ironisch die Braue. "Wollen Sie auf Nummer sicher gehen?" Sofort wieder misstrauisch, sah Ian ihn an. "Nein. Sollte ich?" Ungeduldig mit den Augen rollend knurrte Jethro: "Ich halte mein Wort!" McNamara zuckte die Schultern. "Dann kann es Ihnen ja egal sein, wo die Dinger liegen. Nur zu Ihrer Information, ich wollte lediglich sicherstellen, dass sie Kenny nicht in die Hände fallen." Gibbs brummte etwas Unverständliches und rutschte ein Stück vor, um sich richtig hinlegen zu können. Noch ehe sein Kopf den Polster berührte, war er schon eingeschlafen. Zufrieden sammelte Ian seine Instrumente wieder ein, ließ die Tasche zuschnappen und stand auf. Er sah noch einmal nach dem Kind, das zwar immer noch schlief, aber blinzelnd aufwachte, als Ian die heruntergerutschte Decke richten wollte. "Jethro...?" Verschlafen rieb Kenny sich die Augen. "Nein, ich bins, Ian. Jethro schläft." Kenny verzog das Gesicht. "Immer noch?", fragte er quengelnd. Ian schüttelte den Kopf. "Nein, er war mal kurz munter. Aber er ist so müde gewesen, dass ich ihm gesagt hab, er soll ins Bett gehen." Das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber zumindest nicht gelogen. Beleidigt setzte Kenny sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Aber ich wollte ihn doch fragen, ob er mit mir Film guckt!" Schmunzelnd wuschelte Ian ihm durchs Haar. "Das kannst du ja später immer noch machen." Der Kleine rümpfte die Nase. "Wann später?", quengelte er weiter. "Wenn Gi.. Jethro aufgewacht und nicht mehr müde ist." Kenny grinste. "Du wolltest Gibbs sagen, hab ich Recht?" Ian lachte leise. "Yep, erwischt. So wie Jethro mich manchmal bei meinem Nachnamen nennt, rede ich ihn auch manchmal mit seinem Nachnamen an." Kenny legte stirnrunzelnd den Kopf schief. "Warum?", fragte er neugierig. "Ähm... keine Ahnung.", gestand Ian. "Ich schätze, weil es bei seinem Team auch so ist." Der Junge sah ihn misstrauisch an. "Aber du bist doch gar nicht in Jethros Team. Oder?" Langsam kam Ian ins Schwitzen. "Äh, nein. Nicht wirklich." Er rieb sich den Nacken. "Vielleicht ist Jethro es ja einfach nur gewöhnt, die Leute mit ihren Vor- und Nachnamen anzureden?", schlug er vorsichtig vor. Kenny schien zu überlegen. "Kann sein.", stellte er dann fachmännisch fest. Ian atmete innerlich auf, der Kleine machte mit seinem Kreuzverhör ja Gibbs alle Ehre! Und tatsächlich, schon folgte die nächste Frage. "Kannst du eigentlich kochen? So wie Jethro?", wollte Kenny wissen. Ian ignorierte den zweifelnden Unterton der zweiten Frage. "Ja, ich kann kochen. Hast du Hunger, soll ich was zu Essen machen?" Kenny zögerte mit der Antwort und schließlich antwortete sein Magen für ihn mit einem hörbaren Knurren. Ian grinste. "Hört sich schon so an. Ich mach dir einen Vorschlag: Ich mach was zum Essen und du kannst mir ein bisschen helfen und dabei aufpassen, dass ich alles richtig mache, in Ordnung?" Begeistert nickte Kenny. "Au ja! Ich kann gut aufpassen!" Wenig später musste Ian seine innere Einschätzung über Kennys Worte revidieren. Dem Jungen entging tatsächlich nichts, keine einzige Zutat blieb unkommentiert und jeder seiner Handgriffe wurde mit Argusaugen beobachtet. Bei jedem Gewürz, das er dem Essen hinzufügte, fragte der Junge wissbegierig nach dem Namen. "Wie heißt das?", hörte Ian zum x-ten Mal. Schmunzelnd öffnete er den Streuer und hielt ihn Kenny entgegen. "Riech mal, vielleicht kennst du das ja sogar?" Neugierig schnupperte der Sechsjährige am Gewürz. "Mmmh... ich glaube schon." Er dachte angestrengt nach. "Aber ich weiß nicht, wie es heißt!", klagte er dann. "Das ist Basilikum.", verriet Ian. "Damit schmeckt die Spaghettisauce gleich viel besser." Nach dem gemeinsamen Kochen - Kenny hatte tatkräftig mitgeholfen und die Sauce umgerührt - glich der Arbeitsbereich der Küche eher dem Austragungsort einer mittelschweren Schlacht als dem sauberen und aufgeräumten Ursprungszustand. Ian verkniff sich ein Seufzen, als er die roten Saucenspritzer an den Fliesen hinterm Herd sah. Wenn er Gibbs davon überzeugen wollte, dass er ebensogut auf Kenny aufpassen konnte, dann musste er diese Schweinerei beseitigen, ehe der Agent sie sah. Bevor er sich jedoch ans Aufräumen und Putzen machte, war erst einmal Essenszeit. "Futter ist fertig!", dirigierte er den Jungen grinsend zum Tisch. Während des Essens bombardierte Kenny ihn unaufhörlich mit Fragen und mehr als nur einmal verschluckte Ian sich fast an den Spaghetti. Was der Kleine alles wissen wollte! Kenny verdrückte eine ganze Portion der sättigenden Nudeln, was Ian endgültig davon überzeugte, dass er die Masern überstanden hatte. Einen derartigen Appetit hatte nur ein gesundes Kind. Und abgesehen davon war Kenny weitaus lebhafter als bei ihrem Kennenlernen - und noch viel zappeliger, als Ian jemals für möglich gehalten hätte. So war es kein Wunder, dass er nach dem Essen, als Kenny pappsatt und zufrieden ins Wohnzimmer zu Matchboxautos und Malsachen abmarschierte, erschöpft aufstöhnte. "Himmel! Wie hält Jethro das nur einen ganzen Tag aus? Geschweige denn, eine Woche??" Im nächsten Moment schalt Ian sich selbst einen Narren. Im Krankenhaus hatte er immer nur mit kranken Kindern zu tun - einem gesunden Kind lag es nun mal in der Natur, lebhaft zu sein. Es war vielleicht anstrengend, während des Kochens darauf aufzupassen, dass Kenny vor lauter Übereifer nicht den Topf mit dem heißen Nudelwasser vom Herd riss, gleichzeitig die Sauce im Auge zu behalten und nebenbei noch jede Zutat zu nennen und zu erklären. Es war auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig für einen kinderlosen Single, Dinge plötzlich kindgerecht erklären zu müssen. Und es war definitiv ein Fakt, dass er schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt hatte beim Kochen. Mit einem Mal gar nicht mehr so erschöpft, machte Ian sich versonnen lächelnd ans Aufräumen. Fast drei Stunden später waren sowohl Küche als auch die Kochutensilien wieder im ursprünglichen Zustand. Die Fliesen glänzten, alle Oberflächen waren abgewischt und von verirrten Saucenspritzern befreit worden. Ganz zuletzt kam das Geschirr an die Reihe. Er war gerade fertig mit dem Abwasch, als er plötzlich ein vertrautes Kribbeln im Nacken spürte. "Ah, Sie weilen wieder unter den Lebenden.", kommentierte er ironisch, drehte sich um und musterte Gibbs prüfend. Jethro unterdrückte ein Gähnen. "Mehr oder weniger.", gab er trocken zurück. Sein Blick glitt zur Kaffeemaschine und Ian verkniff sich ein Grinsen, als er für einen Moment so etwas wie Sehnsucht über das Gesicht des Agenten huschen sah. Im nächsten Augenblick war der Ausdruck verschwunden und Jethro nahm das Geschirrtuch ins Visier, mit dem Ian abtrocknete. Amüsiert nahm der Arzt zwei der frisch abgespülten Tassen vom Abtropfgestell, rieb sie trocken und stellte sie wortlos neben die Kaffeemaschine. "Sie werden Koffein brauchen, wenn Sie sich nachher zu Kenny ins Wohnzimmer setzen. Er will sich unbedingt einen Film mit Ihnen ansehen." Jethro goss stirnrunzelnd beide Tassen voll. "Wo liegt das Problem?" Schmunzelnd schüttelte Ian den Kopf. "Nirgends, ich bin voll und ganz damit einverstanden. Kenny hat etwas Zeit mit Ihnen und Sie können sich davon überzeugen, dass ich durchaus in der Lage bin, auch weiter auf ihn aufzupassen." Gibbs hob eine Braue. "Wenn ich davon nicht überzeugt gewesen wäre, hätte ich Sie wohl kaum mit ihm allein gelassen." McNamara grinste hinterhältig. "Dann wäre das wohl geklärt. Kenny zuliebe können Sie es sich die nächsten anderthalb Stunden mit ihm auf der Couch bequem machen." Jethro hatte das Gefühl, irgendetwas Wichtiges verpasst zu haben. Stirnrunzelnd sah er den Arzt an. Irgendetwas an dessen Grinsen machte ihn stutzig. Dann fiel der Groschen, verspätet durch die Müdigkeit, die ihn immer noch fest im Griff hatte. "Oh, kommen Sie, Ian!", stöhnte er auf. "Ich bin gerade erst aufgestanden!" Ian nickte. "Nachdem Sie knappe fünf Stunden geschlafen haben." Jethro verkniff es sich, darauf hinzuweisen, dass diese fünf Stunden am Stück vermutlich mehr waren, als er die letzten paar Tage insgesamt geschlafen hatte. Ihm fiel jedoch keine andere Antwort ein, und so zog er es vor, gar nicht zu antworten. Anscheinend hatte sein Pokerface durch die Müdigkeit gelitten, denn Ian schien ihm seine Gedanken anzukennen. "Und nein, diese fünf Stunden reichen nicht." Gibbs schluckte einen weiteren Kommentar hinunter, bevor er damit eine Neuauflage der Auseinandersetzung von vor ein paar Stunden heraufbeschwor. Aber verdammt noch mal, er hatte geschlafen! Er hatte kooperiert, hatte immerhin fünf Stunden geschlafen und wie versprochen das Bett in der Zeit nicht ein einziges Mal verlassen. Ian räusperte sich. "Sollten Sie allerdings auf die Idee kommen, dass Sie Ihr Versprechen damit bereits eingelöst haben... Nun, es gibt noch andere, weitaus effektivere Möglichkeiten als ein Paar Handschellen.", schloss er süffisant lächelnd.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Erleichtert, dass Ian ihn offensichtlich nicht mehr als nötig quälen wollte und ihm zumindest wieder etwas Kaffee erlaubte, griff der Ermittler nach der Tasse. Die heiße Flüssigkeit tat seinem Hals gut und sorgte dafür, dass er sich auf der Stelle deutlich besser fühlte. Eigentlich war er noch immer hundemüde und nur aufgestanden, um kurz nach dem Rechten zu sehen. Doch dieser Plan wurde im nächsten Augenblick endgültig durchkreuzt.
"Jethro!!" quietschte es begeistert aus dem Wohnzimmer. Kenny stürmte auf Socken heran und sprang dem Grauhaarigen erleichtert in die Arme. "Du lebst!!" strahlte der Kleine begeistert. "Ich hatte richtig Angst um dich, als du so fest geschlafen hast," gab er leise zu. Jethro drückte den Kleinen fest an sich. "Aber jetzt ist alles wieder gut," flüsterte er leise in sein Ohr. "Ich war sehr müde, aber jetzt habe ich ein bisschen geschlafen und jetzt geht es mir wieder viel besser." "Das ist toll!!" freute sich Kenny. "Kannst du dann endlich einen Film mit mir gucken? Dad hat mir ganz viele DVDs mitgegeben, damit uns nicht langweilig wird, und wir haben noch keine einzige davon geguckt!"
Vorsichtig setzte der Grauhaarige das Kind wieder auf den Boden. "Das liegt daran, dass ich keinen DVD-Player besitze, Kenny," erklärte er ruhig. "Du hast keinen DVD-Player?!" echote der Junge verständnislos. "Jeder hat so was!" Ian musste ein Schmunzeln unterdrücken, als der Kleine ihn ansah. "Oder, Ian?!" "Nun, ich habe zumindest einen," beeilte er sich zu antworten und war gespannt, wie Gibbs dem Kleinen beibrachte, dass der Wunschfilm leider ausfallen musste. "Mein Dad sagt, heute hat wirklich JEDER einen DVD-Player, Jethro!" protestierte Kenny noch einmal, als würde das ein entsprechendes Gerät herbeizaubern.
Gibbs lachte leise. "Da hat dein Dad sich leider geirrt, Kenny. Mittlerweile haben wirklich sehr viele Leute so ein Ding, da hat er sicher recht. Aber... ich habe nicht so viel Zeit, Filme zu gucken, deshalb habe ich so was nicht." "Warum hast du denn keine Zeit?" fragte Kenny verwirrt. Gibbs grinste erneut. "Wenn ich nicht arbeiten bin, baue ich meistens an meinem Boot. Da braucht man keine DVDs." Das leuchtete dem Kind ein. "Und was machen wir dann jetzt?" Gibbs hob ihn hoch und trug das Kind ins Wohnzimmer. "Wir gucken einfach mal, was grade im Fernsehen läuft, okay? Da gibt es nämlich manchmal auch ganz nette Filme."
Kenny schien davon nicht unbedingt überzeugt, protestierte aber nicht und ließ sich von Jethro auf dem Sofa absetzen. Kaum hatte der Grauhaarige einen bestimmten Kanal angewählt, war sein Unmut vergessen. "Boah, cool!" rief er begeistert. "Madagaskar, den habe ich schon EWIG nicht mehr gesehen!!" Gibbs und Ian konnten bei dieser Bemerkung ein breites Grinsen nicht unterdrücken. "Dann ist ja alles in Ordnung," murmelte der Ermittler, während er sich zu Kenny aufs Sofa kuschelte. "Ich kenn den Film gar nicht, aber dann kann ich dich ja immer fragen, wenn ich was nicht verstanden habe." "Pssssst!" kam es verärgert zurück. "Gleich kommt voll die gute Szene, wo die Alex die Haare gefönt haben..." Er kicherte unterdrückt los, und als die wallende Mähne des Zeichentricklöwen endlich in voller Pracht auf dem Bildschirm erstrahlte, begann er lauthals zu lachen. Gibbs warf Ian, der noch immer in der Tür lehnte, einen amüsierten Blick zu. "Wollen Sie sich nicht setzen, McNamara?" grinste er.
Ian zuckte mit den Schultern und ließ sich mit einem breiten Grinsen in einem der Sessel nieder. Kenny und die beiden Erwachsenen verfolgten anschließend gleichermaßen amüsiert die Abenteuer der New Yorker Zootiere. Insbesondere Giraffe Melman trieb den Jungen regelmäßig zu lauten Lachanfällen. Gibbs warf zwischendurch immer wieder einen Blick zu Ian herüber, der immer tiefer in seinen Sessel sank. Noch vor der ersten Werbepause waren die Augen des Mediziners zugefallen und er tief und fest eingeschlafen.
Als der erste Werbespot versuchte, ein besonders tolles Spielzeug anzupreisen, verlor Kenny auf der Stelle das Interesse an der Mattscheibe. "Ian und ich haben gekocht!" erklärte er ohne übergang. "Ian kann das sogar richtig gut, ich hab genau aufgepasst!" Er warf einen Blick zu dem jungen Arzt herüber. "Warum schläft Ian jetzt, Jethro? Sind Erwachsene immer so viel müde? Mein Dad ist nie müde, und du warst sonst auch nicht so müde!" Gibbs warf ebenfalls einen Blick auf den Schwarzhaarigen, dessen Züge im Schlaf noch immer überraschend kindlich wirkten. "Warum Ian müde ist, weiß ich nicht," gab er zu. "Und dein Dad ist bestimmt auch manchmal müde, oder?" Kenny nickte. "Na ja, manchmal," gab er zögernd zu. "Aber warum bist du so müde? Und warum hast du auf dem Fußboden geschlafen?" Der Aufmerksamkeit des Kindes entging nichts. "Ich habe in der letzten Woche nicht so viel geschlafen," erklärte Jethro vorsichtig. "Du warst sehr krank, und ich wollte dich nicht allein lassen. Deswegen habe ich ein bisschen weniger geschlafen als sonst. Das ist aber nicht schlimm, jetzt geht es dir ja wieder gut und ich hab mich auch ausgeschlafen."
Stirnrunzelnd nickte der Kleine. "Aber dir geht es nicht gut, oder, Jethro? Du bist ganz heiß, viel wärmer als sonst." Jethro verfluchte sich innerlich, das Gespräch nicht längst auf andere Themen gebracht zu haben. "Mach dir um mich keine Sorgen, Kenny," beruhigte er das Kind. "Mir geht es gut." Überzeugt war Kenny noch lange nicht. "Ich sag Ian nachher, er soll dich noch mal untersuchen," erklärte er im allbesten Erwachsenentonfall. "Und ich helf ihm dann dabei!!" setzte er voller freudiger Erwartung hinzu. Der Grauhaarige konnte ihn gerade noch daran hindern, vom Sofa zu springen und den Schlafenden zu wecken. "Lass ihn erst mal schlafen, Ken," erklärte er. "Komm wieder zu mir, der Film geht weiter."
Erleichtert registrierte der Agent, dass Kenny seiner Aufforderung Folge leistete und sich wieder voll und ganz auf die Abenteuer der Zeichentricktiere konzentrierte. Gibbs hoffte, dass er seinen Plan bis zum Ende des Films vergessen haben würde, doch er ahnte, dass es ein frommer Wunsch bleiben würde. Nachdem Alex und seine Freunde ihre Abenteuer unbeschadet überstanden hatten, stand er leise auf, um Ian nicht zu wecken. "Ich leg mich noch ein bisschen hin, Kenny, okay?" Er warf einen grinsenden Blick auf den schlafenden Arzt und freute sich jetzt schon auf dessen dummes Gesicht. Denn dass Jethro sich ohne seine Aufforderung freiwillig mitten am Tag in sein Bett legte, hatte McNamara mit Sicherheit nicht auf der Rechnung. Nur zu schade, dass er besagtes Gesicht vom Bett aus nicht würde sehen können. Aber er spürte selbst, dass er nicht fit war und den fehlenden Schlaf der letzten Woche noch lange nicht ausgeglichen hatte.
Er wollte gerade aus der Tür gehen, als Kenny ihm einen Strich durch die Rechnung machte. "Warte!!" rief der Kleine aufgeregt. "Ian muss doch noch nach dir gucken, du kannst noch nicht schlafen gehen!!" Jethro unterdrückte ein Seufzen. Genau das hatte er vermeiden wollen - die Lautstärke des Jungen hätte Tote aufgeweckt. Und abgesehen davon war Kenny längst vom Sofa gesprungen und rüttelte den schlafenden Arzt an der Schulter. "Ian!" rief er begeistert. "Jethro hat bestimmt Fieber, du musst ihn unbedingt noch mal untersuchen!! Darf ich dir dabei helfen, bitte??? Bitte, bitte???"
McNamara war kurz vor dem Aufwachen, als Kennys Stimme an sein Ohr drang. Allerdings war sein Verstand noch zu müde, um ihren Sinn genau zu erfassen. Er registrierte lediglich die Worte "Jethro", "Fieber" und "untersuchen". Und diese Kombination ließ auf der Stelle alle Alarmglocken läuten. "Ich komme!" Hastig schoss er aus dem Sessel hoch und wollte bereits nach seiner Tasche greifen, als er das amüsierte Funkeln in den Augen seines Gegenübers bemerkte. "Wach, McNamara?" kommentierte der Agent spöttisch. "Was zum...." Erst jetzt erfasste der Mediziner die Situation. Kenny zog erneut aufgeregt an seinem Ärmel. "Darf ich, Ian, darf ich?" "Darfst du was?" fragte der Schwarzhaarige verständnislos zurück, ein Gähnen unterdrückend.
"Gibbs hat Fieber und du sollst ihn noch mal untersuchen!" wiederholte Kenny ungeduldig, während Jethro es vorzog, rasch nach oben zu verschwinden. "Hat ER das gesagt?!" fragte Ian, nun endgültig durcheinander. "Nein," gab Kenny zu. "Aber er hat Fieber, er ist ganz heiß, das habe ich genau gespürt. Du musst ihn noch mal untersuchen Ian. Und ich will dir soooooooo gerne dabei helfen!" Dem flehenden Blick konnte der Mediziner nur schwer widerstehen. "So so...," brummte er. "Wenn du das sagst, wird es wohl auch so sein."
Er folgte dem Agenten nach oben, mit einem kurzen Abstecher in den Flur, wo seine Tasche auf den nächsten Einsatz wartete. Kenny ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, während er ungeduldig um ihn herumhüpfte. Verdammt, wie hatte Jethro es mit so einem lebhaften Kerl eine ganze Woche lang ausgehalten?! Oder besser gesagt: zwei Wochen. Allmählich ahnte der Mediziner, warum sein Sorgenkind in den vergangenen Tagen so wenig Schlaf bekommen hatte.
Als der junge Arzt und sein frischgebackener Gehilfe das Schlafzimmer betraten, lag Jethro bereits wieder im Bett. Er grinste innerlich, als er McNamaras Erstaunen bemerkte, doch er verzog keine Miene. Kenny stürzte sich auf der Stelle ebenfalls ins Bett. "Du musst dich hinsetzen, Jethro!" forderte er. "Und den Mund aufmachen. Ganz weit!" "Sie haben meinen Assistenten gehört," grinste Ian, die Situation von eben verdrängend. Der Agent knurrte hörbar, spielte das Spiel jedoch Kenny zuliebe einmal mehr mit. Geduldig ließ er seinen Blutdruck messen, sich abhorchen, ließ den Jungen das Fieberthermometer in sein Ohr halten und seinen Hals abtasten. Dieser Punkt kostete ihn allerdings eine gute Portion Selbstbeherrschung, da seine Lymphknoten mittlerweile äußerst empfindlich waren. Kenny bemerkte nichts davon, doch Ian entging die unterdrückte Reaktion nicht. "Fehlt nur noch ihr Hals," stellte er ruhig fest, was Kenny ein aufgeregtes "Oh ja!!" entlockte. Gibbs atmete tief durch. "Dann gucken Sie mal nach, was Sache ist, Dr. Mattingly," erklärte er und rang sich zu einem freundlichen Grinsen durch, ehe er gehorsam den Mund öffnete. Ihm entging nicht, dass Ians Inspektion sich dieses Mal nicht allein auf seinen Rachen beschränkte, auch wenn er Kenny gegenüber nichts anderes erwähnte. "Fertig," kommentierte er lediglich, nachdem er seine Handschuhe ausgezogen hatte. "Nein!" quiekte Kenny aufgeregt. "Du musst ihm doch noch Blut abnehmen, das hast du bei mir auch gemacht!" Das Kind war nicht nur aufgeweckt, es hatte auch ein ausgezeichnetes Gedächtnis, notierte Ian im Geiste. "Nein, Kenny," wehrte er dann allerdings ab. "Ich habe Jethro doch damals auch schon Blut abgenommen. Das brauche ich jetzt nicht noch mal zu machen." Bevor Kenny seiner Enttäuschung Luft machen konnte, knuffte Jethro ihn freundschaftlich in die Seite. "Hey Buddy, wer hatte denn hier letzte Woche noch solche Angst vor Nadeln?" Kenny ließ sich davon nicht im Geringsten irritieren. "Das ist doch was ganz anderes," erklärte er altklug. "Außerdem hast du gesagt, dass du keine Angst vor Ian hast, wenn er dich untersucht." Die Verblüffung auf dem Gesicht des jungen Arztes war nicht zu übersehen, und er beschloss, diese Situation besser rasch zu beenden. "Kenny?" bat er den Kleinen daher. "Magst du meine Tasche schon mal wieder runterbringen? Oder ist die zu schwer für dich?" "Nein, bestimmt nicht!!" versicherte der Sechsjährige aufgeregt. "Aber nicht fallen lassen, okay?" "Okay!!"
Sekunden später war Kenny verschwunden, und Jethro und Ian blickten sich einen Moment lang schweigend an. "Okay, spucken Sie es aus," forderte Jethro, einen aufkommenden Hustenanfall unterdrückend. "Haben Sie bei mir jetzt auch diese Koplikfleckendinger gefunden?"
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Ian nickte. "Ja." Jetzt, wo er seine Besorgnis nicht länger vor Ken verbergen musste, war sie ihm deutlich anzusehen. Ihm graute jetzt schon vor den nächsten Tagen, wenn die Krankheit richtig ausbrechen würde. Müde rieb er sich das Gesicht, dann wanderte die Rechte weiter in den Nacken und er seufzte leise. "Ach verdammt, Jethro." In der Stimme des Arztes klang weitaus mehr Sorge als Frustration mit und Gibbs räusperte sich unbehaglich. "Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit irgendwelchen dummen Bemerkungen, Jethro!", würgte Ian jeden Beschwichtigungsversuch schon im Vorhinein ab. Er klang nicht einmal wütend, viel eher resigniert. Im nächsten Moment war von der Resignation allerdings schon nichts mehr zu merken. "Verdammt! Ihr Immunsystem ist so gut wie außer Gefecht gesetzt und in den nächsten Tagen geht es erst richtig los!" Der Mediziner fuhr sich noch einmal übers Gesicht, dann straffte er sich. "Gut. Oder eher, nicht gut, aber darüber jammern bringt nichts. Jetzt ist es schon passiert und es bleibt ohnehin nichts anderes über, als die Situation zu akzeptieren." Er seufzte leise. "Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, dass bei Erwachsenen Komplikationen auftreten können." Gibbs nickte. "Ja..?", meinte er vorsichtig. Nicht, dass McNamara am Schluss noch auf die Idee kam, ihn prophylaktisch ins Krankenhaus schicken zu wollen! Ian schüttelte den Kopf. Er schien ihm diese Befürchtung anzusehen, vielleicht kannte er ihn aber auch einfach nur gut genug, um derartige Gedanken zu erahnen. "Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich Sie nicht ins Bethesda einweisen werde." Bevor Jethro auffahren und Einspruch erheben konnte, hob er eine Hand. "Halt, ehe Sie sich groß aufregen, ich habe nicht vor, Sie in nächster Zeit ins Krankenhaus zu schicken." "Nicht?" Skeptisch ließ sich Jethro wieder zurücksinken. Ian grinste schief. "Nicht, solange ich es verantworten kann, dass Sie zuhause bleiben." Er winkte ab, als der Agent antworten wollte. Leise seufzend rieb er sich mit beiden Händen den Nacken, der seit dem Nickerchen auf dem Couchsessel schmerzte. "Sollte allerdings der Zeitpunkt kommen..." Er ließ den Satz unvollendet, doch Gibbs war klar, was er damit sagen wollte. Widerwillig gestand er sich ein, dass McNamara Recht hatte. Sollte es tatsächlich zu einer gefährlichen Situation kommen, hatte er zuhause nichts mehr verloren, dann gehörte er in ein Krankenhaus. Vorerst jedoch schob er den Gedanken ans Bethesda und alle dazugehörigen Überlegungen beiseite. Damit würde er sich beschäftigen, wenn es soweit war, nicht vorher. Und schon gar nicht jetzt. "Wie geht es jetzt weiter?", erkundigte er sich. Ian warf ihm einen tadelnden Blick zu. "Auf jeden Fall nicht wie die letzte Woche." Gibbs verdrehte genervt die Augen, was Ian gekonnt ignorierte. "Sie haben ja gemerkt, dass Kenny ein aufgewecktes Kerlchen ist. Es ist also sinnlos, weiter so zu tun, als ginge es Ihnen gut." Jethro ahnte, was nun folgen würde. Und behielt Recht. "Also werden wir es morgen genauso handhaben wie heute. Sie bleiben den Großteil des Tages im Bett, ich kümmere mich um Kenny. Und übermorgen, wenn Kennys Dad ihn abholen kommt..." Der Agent hob eine Hand, um Ians Redefluss zu unterbrechen. "Moment." Er atmete tief durch. "Mit Ihrem Plan für morgen bin ich... einverstanden." Es kostete Gibbs sichtbar Überwindung, die Worte auszusprechen. "Aber was Matt angeht... Nein. Er hat mir den Jungen anvertraut, also werde ich auch derjenige sein, von dem er ihn wieder abholt. Ich weiß, dass Kenny bei Ihnen in guten Händen ist, aber Sie sind für Matt trotzdem ein Fremder." Er sah, dass McNamara etwas sagen wollte und redete rasch weiter. "Matt wird anrufen, bevor er kommt. Bis er anruft, werde ich mich hier nicht wegbewegen, versprochen. Aber wenn der Anruf kommt, werde ich aufstehen und unten gemeinsam mit Kenny auf seinen Dad warten." Ian lachte leise. "Hätten Sie mich aussprechen lassen, wüssten Sie, dass ich Ihnen genau das vorschlagen wollte. Ich hätte allerdings nicht erwartet, dass Sie freiwillig versprechen, den ganzen Tag im Bett zu bleiben." Gibbs ließ sich aufstöhnend zurücksinken. "Das nächste Mal lasse ich Sie ausreden!" Grinsend erhob sich McNamara vom Bett. "Bleibt abzuwarten. Bis dahin... Vergessen Sie ihr Versprechen nicht." Gibbs sah ihn kurz finster an, schloss aber dann kommentarlos die Augen. Schmunzelnd ging Ian zur Tür. "Gute Nacht, Jethro."
Kenny langweilte sich allmählich. Er hatte die Tasche herunter getragen, so wie Ian ihn gebeten hatte. Sie war schwer gewesen, aber er war ja schließlich schon fast sieben und richtig stark! Stirnrunzelnd sah er auf die Tasche neben ihm, zur Sicherheit hielt er sie mit einer Hand fest. Er passte jetzt schon ziemlich lange darauf auf, und langsam wurde es langweilig. Aber er würde trotzdem hier sitzen bleiben und weiter auf die Tasche von Ian aufpassen, so etwas machten nämlich Assistenten. Zumindest hatte sein Dad das mal gesagt. Laut die Luft auspustend drehte Kenny sich um und schaute nach oben, ob Ian inzwischen aus dem Schlafzimmer gekommen war. Aber die Tür war immer noch zu und Ian auch immer noch bei Jethro drinnen. Es war doof, alleine im Flur zu sitzen, aber er war nun mal Ians Assistent und musste auf die Tasche aufpassen. Zum Glück konnte er richtig gut auf Sachen aufpassen. Sogar sein Dad hatte ihn schon dafür gelobt. Naja, er hatte auch schon geschimpft, weil er was kaputt gemacht hatte. Aber das war ja nicht mit Absicht gewesen! Und außerdem war das gar nicht oft gewesen und es waren sowieso nur blöde Sachen gewesen. Und für den kaputten Abfluss von der Badewanne konnte er wirklich nichts, das war nämlich Captain Zero gewesen. Die Bösen hatten sich in der Wanne versteckt, aber das hatte ihnen nichts geholfen, Captain Zero hatte sie trotzdem gefunden und besiegt! Kenny grinste bei der Erinnerung an die Schlacht. Die hatte wirklich Spaß gemacht! Nur schade, dass sein Dad nicht so begeistert davon gewesen war, dass Captain Zero die Bösen alle besiegt und runtergespült hatte. Stirnrunzelnd sah Kenny wieder auf die Tasche neben sich. Wofür Ian das ganze Zeug da drin wohl brauchte? Er hatte ja schon mal kurz reingeschaut, aber da waren so komische Sachen drin gewesen, dass er lieber wieder weggeguckt hatte. Nachdenklich schob Kenny die Unterlippe vor. Wenn er Arzt werden wollte, dann musste er aber wissen, was in so einer Tasche alles drin war. Vielleicht ließ Ian ihn ja mal reingucken, wenn er ihn darum fragte? Kenny überlegte einen Moment, dann nickte er überzeugt. Ja, ganz bestimmt ließ Ian ihn in die Tasche schauen, schließlich war er doch sein Assistent! Und er hatte ja auch helfen dürfen, als er Jethro untersucht hatte. Wie lange man wohl Assistent sein musste, bevor man ein Arzt werden durfte? Kenny nahm sich fest vor, Ian auch danach zu fragen. Hoffentlich war der dann nur nicht traurig, weil er nicht für immer sein Assistent sein wollte! Seufzend lehnte Kenny sich ans Geländer, wobei seine Hand an den Griff der Tasche stieß und ihn umstupste. Unwillig richtete er den Griff wieder, doch sofort kippte er wieder um, dieses Mal auf die andere Seite. Stirnrunzelnd versuchte er es erneut, und wieder war die Schwerkraft stärker. "Hmmm...." Erst verärgert, aber mit jedem Versuch mehr fasziniert, versuchte Kenny weiter, die in Leder eingefasste Metallplatte exakt in der Mitte auszurichten. Nach dem fünften Versuch nahm er die zweite Hand zu Hilfe, und schon war ein neues Spiel gefunden. Immer schneller ließ er den Griff von einer Seite zur anderen umfallen und vergaß dabei völlig auf seine Langeweile. An Ian dachte er gar nicht mehr, er war voll und ganz in das neue Spiel vertieft, und sein fröhliches Kichern übertönte das leise Geräusch der schließenden Schlafzimmertür. Ians Schmunzeln vertiefte sich, als er den Jungen auf der untersten Treppenstufe sitzend erblickte. Einen Moment lang sah er Kenny amüsiert zu, der mit Feuereifer den Griff hin und her schubste und fröhlich auflachte, wenn er einmal daneben fasste. Es tat einfach gut, für einen Augenblick alle Sorgen zu vergessen und dem spielenden Kind zuzuschauen. Kennys Lachen war ansteckend, und ungewollt machte er sich durch sein eigenes leises Lachen bemerkbar. Der Kopf des Jungen flog herum, eine Sekunde lang ein schuldbewusster Ausdruck auf seinem Gesicht. Dann registrierte Kenny, dass er ihm nicht böse war und das Grinsen kehrte zurück. Eifrig sprang er auf, straffte die schmalen Schultern und deutete auf die Tasche. "Ich hab ganz fest aufgepasst!", verkündete er stolz. "Ich hab deine Tasche die ganze Zeit nicht losgelassen!" Belustigt ging Ian die Treppe hinunter. "Ist mir aufgefallen.", meinte er schmunzelnd und wuschelte Kenny durchs Haar. "Ich seh schon, ich hab mir genau den richtigen Assistenten ausgesucht." Kenny nickte strahlend, unverkennbar stolz über das Lob. Im nächsten Moment erinnerte er sich an die Fragen, die er Ian stellen wollte und schoss auch gleich die erste ab. "Darf ich in deine Tasche reingucken? Ich muss doch wissen, was da alles drin ist, weil ich doch auch Arzt werden will!"
Eine für Ian recht anstrengende Stunde später war Kennys Wissenshunger fürs Erste wieder gestillt, doch nun verlangte der Magen des Kindes nach Nahrung. Selbstverständlich wollte Kenny wieder bei der Zubereitung des Essens helfen, und Ian hatte alle Mühe, das Chaos dieses Mal zumindest in Grenzen zu halten. Nichtsdestotrotz war er mehr als nur erleichtert, als er Kenny, der nach dem Essen im Wohnzimmer einen Film geguckt hatte, nach dem Aufräumen tief und fest schlafend auf der Couch vorfand. Zu erschöpft, um sich etwas Bequemeres zu wünschen, ließ er sich auf einen der breiten Couchsessel nieder. Kaum eine Minute später schlief Ian ebenso tief und fest wie Kenny.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Der Ermittler schlief ein Stockwerk höher ebenfalls fest wie ein Stein. Erst am nächsten Morgen erwachte er zu seiner üblichen Zeit gegen halb fünf und wunderte sich einen Moment lang, warum er sich so zerschlagen fühlte. Allerdings erinnerte er sich rasch an den vergangenen Tag und Ians Diagnose, dass er gerade dabei war, die Masern zu bekommen. Und dass dieser verdammte Grippeinfekt ihn ebenfalls fest im Griff hatte.
Wie auf Kommando überfiel den Agenten ein heftiger Niesanfall, der ihn nach Luft ringend zurücklies. Er fühlte sich hundeelend und schlapp wie ein Waschlappen, auch wenn er das insbesondere Ian gegenüber niemals laut ausgesprochen hätte. Und Infekt hin, Masern her - er brauchte jetzt erst mal einen Kaffee und eine anständige Dusche. Ächzend schob er seine müden Knochen aus dem Bett und tappte ins Bad, sorgfältig darauf bedacht, weder Kenny noch den jungen Arzt zu wecken. Unterwegs warf er einen vorsichtigen Blick ins Gästezimmer, um sich zu überzeugen, dass der Kleine tief und fest schlafend unter seiner Decke lag.
Nach einer kurzen, aber äußerst erfrischenden Dusche zog der Grauhaarige sich rasch etwas über und ging anschließend lautlos nach unten, ohne auch nur eine einzige der Treppenstufen zum Knarren zu bringen. Er wusste selbst nicht, warum er das tat, aber diese Angewohnheit war ihm im Laufe der letzten Jahrzehnte in Fleisch und Blut übergegangen. Sein Kopf schmerzte noch immer, und auch die verstopfte Nase hatte die Dusche nicht beseitigen können. Aber ein anständiger Kaffee würde auch hier sicher weiterhelfen. Ein kurzer Blick ins Wohnzimmer verriet ihm, dass Ian noch immer die Stellung hielt und auf dem Sofa tief und fest schlief.
Mit geübten Griffen stellte der Ermittler die Kaffeemaschine an und ließ sich ächzend auf einem Stuhl nieder. Er mochte die morgendliche Stille des Hauses, die normalerweise von einem verführerischen Kaffeeduft begleitet wurde. Doch seine Geruchsnerven hatten vor der Erkältung längst kapituliert. Leise knurrend goss Jethro sich eine Tasse der schwarzen Flüssigkeit ein, trank einen Schluck und genoss die Wirkung des heißen Getränks. Sein scharfes Gehör, das bislang glücklicherweise nicht unter der Erkältung litt, registrierte ein Knacken aus Richtung Couch - offensichtlich wurde Ian ebenfalls gerade wach.
Tatsächlich tauchte die verschlafene Gestalt des Mediziners wenig später im Türrahmen auf. "Was tun Sie hier, Gibbs?" fragte er gähnend. "Haben Sie mal auf die Uhr geguckt?" Der Ermittler grinste. "Frühstücken. Und es ist genau 4.35 Uhr." Er fischte vom Stuhl aus eine zweite Tasse aus dem Schrank, griff erneut nach der Kaffeekanne und schob den gefüllten Becher auf den Arzt zu. Ian war so verwirrt, dass er sich tatsächlich setzte und einen Schluck trank - bis ihm einfiel, warum er eigentlich in die Küche gekommen war. Trotzdem entfuhr ihm ein anerkennendes "Guter Kaffee...", ehe er wieder vollkommen in der Realität angekommen war. Und sich daran erinnerte, dass der Chefermittler eigentlich im Bett bleiben sollte.
Jethro war mittlerweile wieder munter geworden und verfolgte das Mienenspiel seines Gegenübers sehr aufmerksam. Er musste sich ein Grinsen verkneifen, als McNamara - noch immer nicht völlig wach - ihn mit einem mal finster anstarrte und brummte: "Warum sind Sie eigentlich nicht in Ihrem Bett, Gibbs?" "Weil ich frühstücke und es mir gut geht," antwortete sein Patient. "Und bevor Sie mir jetzt wieder mit den Handschellen kommen - ich bin so gut wie wieder weg." Allerdings konnte er nicht verhindern, dass sein Ärger über sein etwas voreiliges Versprechen durchaus hörbar wurde. Doch er konnte nicht leugnen, dem jungen Mediziner sein Wort gegeben zu haben - und es somit eine Frage der Ehre war, nun auch dazu zu stehen. Es bedurfte keiner weiterer Aufforderung, nach dem Leeren der zweiten Tasse aufzustehen und ins Schlafzimmer zurück zu kehren.
Ian war überrascht, wie wenig Protest ihm von seiten seines störrischen Patienten entgegen schlug, auch wenn er ahnte, dass sich das im Laufe des Tages noch ändern würde. Für den Moment war er zufrieden und kehrte auf sein Sofa zurück, um noch zwei Stunden zu schlafen, ehe ihn ein putzmunterer Kenny wecken und den ganzen Tag auf Trab halten würde. Tatsächlich war der Kleine wieder vollkommen fit und ließ nach dem Frühstück anstandslos einen kurzen Checkup über sich ergehen, der Ian endgültig davon überzeugte, dass er die Masern unbeschadet überstanden hatte. "Wo ist Jethro?" fragte Kenny anschließend. "Der ist noch im Bett," erklärte Ian. "Weißt du, Jethro hat nämlich jetzt auch die Masern. Und wie du ja jetzt weißt, bleibt man damit am besten im Bett." Kennys Gesicht zeigte einen Moment tiefe Bestürzung, anschließend wurde er sofort ernst. "Das ist nicht gut, wenn Jethro die Masern hat. Masern sind doof!" Ian nickte. "Da hast du Recht. Aber wir beide passen ja gut auf ihn auf, da wird er hoffentlich genauso schnell wieder gesund wie du." Er sprach nicht aus, wie sehr er genau darauf hoffte - und was stattdessen vermutlich geschehen würde. Kenny dachte angestrengt nach und lief plötzlich in die Küche, wo er zielstrebig begann, einige Schubladen aufzuziehen. "Hey, was hast du vor?" fragte Ian, eilig hinterher eilend. "Wenn Jethro jetzt im Bett bleiben muss, dann muss ihm doch jemand Frühstück machen," erklärte das Kind bestimmt und legte zwei Gabeln und ein Messer auf ein Tablett. "Als ich im Bett war, hat Jethro mir auch immer Frühstück gemacht. Kannst du mir dabei helfen?"
Perplex nickte Ian und stellte nach Kennys Anweisungen ein ausgiebiges Frühstückstablett zusammen, das sich unter Brot, Müsli und einem Berg von Obst bedenklich durchbog. Aber Kenny bestand darauf, dass sein Frühstück auch immer so ausgesehen habe, und dass auch die Tasse Kakao auf keinen Fall fehlen durfte. "Muss Jethro jetzt auch so blöde Medizin nehmen?" fragte er auf dem Weg nach oben. "Die schmeckte nämlich wirklich scheußlich!" Ian schmunzelte, während er vor der Schlafzimmertür stehen blieb. "Ich fürchte, sie wird ihm genauso wenig erspart bleiben wie dir. Krank werden ist nun mal nicht schön." "Das hast du Recht," stimmte Kenny ihm im schönsten Erwachsenentonfall zu. Ian lachte, als er an die Tür klopfte und eintrat.
Gibbs hatte sich an sein Wort gehalten und sein Bett nicht verlassen, doch er war hellwach, als Kenny auf ihn zustürmte. Er genoss es sichtlich, den Kleinen um sich zu haben, und Ian setzte sich unauffällig auf einen Stuhl in der Ecke, während die beiden gut gelaunt scherzten. Und zu Ians Überraschung vertilgte der Ermittler tatsächlich einen großen Teil des Frühstücks - Obst und Kakao eingeschlossen. Seine letzte eigene Grippe sowie die letzte Racheninspektion des Grauhaarigen im Hinterkopf, fragte sich der junge Mediziner, welche Schmerzen das Schlucken seinem Patienten bereiten musste. Doch offensichtlich ließ Jethro sich von solchen Nebensächlichkeiten nicht von der Nahrungsaufnahme abhalten, und Ian widersprach nicht, als beide anschließend gemeinsam ins Bad gingen, um sich die Zähne zu putzen.
Jethro konnte ein schiefes Grinsen nicht unterdrücken, als Kenny ihn nach erfolgreicher Prozedur am Ärmel fasste. "Komm Jethro, du musst wieder ins Bett!" erklärte der Kleine nachdrücklich - und der Grauhaarige erkannte seine eigenen Worte der vergangenen Woche wieder. Da hatte er sich ja was schönes eingebrockt... er ahnte, dass Kenny sehr genau aufpassen würde, dass er die Bettruhe einhielt, die er selbst so hartnäckig durchgesetzt hatte. Und wie gut Kenny aufpassen konnte, wusste er nur zu gut. Also gab er nach und legte sich folgsam wieder ins Bett, Ians feixenden Blick ignorierend. Es war nun einmal wirklich nicht von der Hand zu weisen, dass es ihm mittlerweile nicht gerade gut ging, und ein heftiger Hustenanfall unterstrich diese Feststellung noch einmal.
Wie erwartet bestand insbesondere Kenny anschließend auf einer gründlichen Untersuchung, und da der Kleine sich in der vergangenen Woche dabei immer gut benommen hatte, blieb auch dem Grauhaarigen nicht viel anderes übrig. Geduldig ließ er das Kind gewähren und ermöglichte somit auch dem Mediziner, alles gewünschte zu überprüfen. Ian nutzte die Gelegenheit, dass Gibbs zu "gutem Benehmen" verpflichtet war, und verabreichte dem Grauhaarigen einen Erkältungssirup - allerdings verschwieg er, dass es die Variante für die Nacht war, die ein leichtes Schlafmittel enthielt. Er hoffte, dass es seinem Patienten helfen würde, den Tag so ungewohnt untätig zu überstehen. Gibbs würgte den Sirup kommentarlos herunter und ließ sich anschließend in die Kissen sinken - ein Indiz dafür, dass er auch ohne Sirup verdammt müde war. Und ein sicheres Zeichen dafür, ihn allein und in Ruhe zu lassen.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Auch Kenny war aufgefallen, wie müde Jethro wirkte, weshalb es nicht viel an Überredung brauchte, um den Jungen aus dem Schlafzimmer zu komplimentieren. Da Kenny ja bereits mit Gibbs gefrühstückt hatte, richtete Ian für sich selbst in der Küche nur schnell eine Schale Müsli her. Der Abwasch musste vorerst warten, denn kaum war Ian mit seinem Frühstück fertig, forderte Kenny ungeduldig nach Beschäftigung. Mit der dritten Tasse Kaffee an diesem Morgen folgte Ian ihm ins Wohnzimmer, wo der Junge bereits das Spielbrett für "Mensch ärgere dich nicht" aufgebaut hatte. Zu seiner eigenen Überraschung genoss Ian es, mit dem Jungen eine Partie nach der anderen zu spielen, insbesondere, da er nicht beleidigt war, wenn er einmal verlor. Der Vormittag verging wie im Flug, doch irgendwann wurde Kenny des Würfelspiels doch überdrüssig. "Können wir was anderes spielen, Ian?", fragte er so hoffnungsvoll, dass Ian lachen musste. "Sicher, Großer. Was willst du denn spielen?" Kenny überlegte einen Moment angestrengt, dann sprang er auf und lief zum Regal. Mit einem dicken Buch im Arm kehrte er zur Couch zurück. "Liest du mir eine Geschichte vor?" Ian blinzelte überrumpelt. "Ich soll dir was vorlesen?" Erinnerungen an seine eigene Kindheit durchfluteten ihn, an die unzähligen Gute-Nacht-Geschichten, die ihm seine Mutter vorgelesen und erzählt hatte. Und daran, wie sehr er es genossen hatte, den durch ihre Stimme lebendig gewordenen Abenteuern der Ritter, Zauberer und anderen mystischen Figuren zu lauschen. Selbst eine Geschichte vorgelesen hatte er jedoch noch nie. "Ja, lies mir was vor!", forderte Kenny erwartungsvoll. Ian griff zögernd nach dem schweren Wälzer aus, den Kenny ausgesucht hatte. "Okay, in Ordnung. Aber ich mache das zum ersten Mal, also sei nicht enttäuscht, wenn ich es nicht so gut kann wie dein Dad oder Jethro, okay?" Kenny wirkte überrascht. "Du hast noch nie eine Geschichte vorgelesen?" Ian musste lachen. "Nein, noch nie. Weißt du, ich kenne außer dir eigentlich keine Kinder." Kenny sah ihn ungläubig an. "Echt nicht?" Schmunzelnd nickte Ian. Kenny runzelte erst die Stirn, dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, und ehe Ian sich versah, war der Junge auf seinen Schoss gekrabbelt. "Du musst nicht traurig sein, jetzt kennst du ja mich!", verkündete er und schloss den Erwachsenen in eine feste Umarmung. Etwas unbeholfen erwiderte Ian die Umarmung sanft. "Ähem..." Er räusperte sich, um den Frosch in seinem Hals loszuwerden, der sich dort plötzlich eingenistet hatte. "Dann fange ich wohl mal an, hm?" Kenny nickte, machte es sich auf seinem Schoss bequem und kuschelte sich zufrieden in Ians Armbeuge.
"... und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.", schloss Ian und klappte erleichtert das Buch zu. Wer hätte gedacht, dass einfaches Vorlesen auf Dauer richtig anstrengend werden konnte? Er jedenfalls ganz sicher nicht. Müde streckte er sich, soweit es mit Kenny auf dem Schoss möglich war, und unterdrückte ein Gähnen. "Du bist ja auch schon wieder müde!", stellte der Junge vorwurfsvoll fest. "Sind Erwachsene immer so müde? Dann will ich nämlich nicht erwachsen werden, das ist doch doof, wenn man immer müde ist! Da kann man doch..." Ian stoppte Kenny leise lachend. "Hey, langsam, sonst versteh ich ja gar nichts mehr von dem, was du sagst." Grinsend rutschte der Junge von seinem Schoss und sprang vom Sessel. "Musst du jetzt auch schlafen wie Jethro?", wollte er lachend wissen. Ian unterdrückte ein weiteres Gähnen und schüttelte den Kopf. "Nein, keine Sorge. Aber ich brauche jetzt ganz dringend einen Kaffee." Ein beiläufiger Blick auf die Uhr, deren Zeiger kurz nach Mittag anzeigten, ließ ihn hinzufügen: "Und du hast sicher auch schon Hunger, oder?" Wie selbstverständlich "half" Kenny auch dieses Mal wieder beim Kochen, was zur Folge hatte, dass Ian anschließend dringend die Kleidung wechseln musste. Doch wie zu frischen Sachen kommen, wenn er Kenny nicht alleine lassen konnte? Kurzerhand entschloss Ian sich dazu, den Jungen einfach auf einen Abstecher in seine Wohnung mitzunehmen und anschließend auch gleich frische Lebensmittel zu besorgen. Wie erwartet war Kenny von der Aussicht, endlich wieder einmal an die frische Luft zu kommen, mehr als nur begeistert und sofort einverstanden. So schrieb Ian nur noch rasch eine Notiz für Gibbs, in der er ihm mitteilte, dass er mit Kenny zum Einkaufen gefahren war. Den Zettel legte er direkt auf Jethros Nachttisch neben dem Bett, wobei er sich gleichzeitig auch davon überzeugte, dass der Agent nach wie vor schlief. Während der Fahrt bombardierte Kenny ihn erneut mit Fragen. "Wo wohnst du denn? In einem Haus, wie Jethro? Oder in einer Wohnung? Und wie sieht es bei dir aus? Sagt dein Dad dir auch so oft, dass du aufräumen sollst? Hast du einen Hund?" Bei der letzten Frage musste Ian lachen. "Nein, ich habe keinen Hund, Kenny. Ein Hund wäre aber auch gar nicht glücklich bei mir, weil ich nicht die Zeit habe, mich richtig um ihn zu kümmern." Kenny nickte. "Weil du auch so viel arbeiten musst, stimmts?" Ian setzte zu einer Antwort an, aber der Junge schüttelte bereits den Kopf. "Ich werde ganz sicher nicht so viel arbeiten müssen, wenn ich groß bin. Und dann hab ich auch Zeit für einen Hund!", erklärte er ernsthaft. Ian verkniff sich ein Lachen und verzichtete darauf, dem Sechsjährigen darauf hinzuweisen, dass dessen derzeitiger Berufswunsch im krassen Gegensatz zu seinen Plänen stand. Kenny würde, falls er tatsächlich einmal die medizinische Laufbahn einschlagen sollte, noch früh genug erfahren, dass der Arztberuf sich manchmal eben nicht mit einem Haustier vereinbaren ließ. In seiner Straße angekommen, ging die Fragerei weiter. Kenny wollte wissen, wie viele Wohnungen in dem großen Mietblock waren, wer die Nachbarn waren und ob Ian sie mochte. Warum Ian eine Wohnung im dritten Stock hatte und warum er an der Tür zwei Schlösser und ein Guckloch hatte. Geduldig beantwortete Ian die Fragen, über die Wissbegier des Jungen aufs Neue erstaunt. Und Kennys Neugier war damit noch lange nicht gestillt, ohne falsche Scheu sah er sich aufmerksam in der Wohnung um. Es dauerte nicht lange, bis er den DVD-Player entdeckt hatte und unverkennbar sehnsüchtig darauf starrte. Einer Eingebung folgend hockte Ian sich neben ihn. "Ich mach dir einen Vorschlag, Großer. Wenn du mir versprichst, dass du nachher beim Einkaufen brav bist, dann nehm ich den Player zu Jethro mit und du kannst dir heute Abend mit ihm einen von deinen Filmen angucken. Einverstanden?" Begeistert nickte Kenny. "Super!" Ian packte rasch ein paar Kleidungsstücke in eine kleine Reisetasche, dann steckte er wie vereinbart den DVD-Player aus und packte ihn mitsamt der Kabel ebenfalls ein. Ein Blick in den Spiegel im Flur erinnerte ihn daran, dass er immer noch das beim Kochen verschmutzte Hemd trug. Von Kennys Kichern begleitet, kehrte er hastig noch einmal ins Schlafzimmer zurück, um das Hemd gegen einen sauberen Sweater auszutauschen. "Fertig!", verkündete er anschließend und begeistert schoss Kenny zur Wohnungstür, wo er ungeduldig wartete, bis Ian mit der Reisetasche zu ihm kam. Im Supermarkt stellte sich Ians Eingebung als zeit- und nervensparend heraus. Ohne zu hetzen, aber dennoch zügig, schoben sie zu zweit den Einkaufswagen durch die Gänge, und mehr als nur einmal erkannte Ian, wie schwer es Kenny fiel, sich an das gegebene Versprechen zu halten. Sehnsüchtig schweifte der Blick des Jungen über die Süßigkeitenregale, doch er presste die Lippen aufeinander und fragte nicht ein einziges Mal, ob er etwas davon in den Wagen legen durfte. An der Kasse schließlich leuchteten Kennys Augen beim Anblick einer Schütte mit Matchboxautos derart auf, dass Ian gar nicht anders konnte, als nachzugeben. "Eines darfst du dir nehmen, Kenny.", erlaubte er und begeistert flitzte der Junge los. "Das hier, das ist super!", entschied Kenny schließlich und legte vorsichtig einen kleinen, roten Truck in den Wagen. Strahlend sah er dann zu ihm auf. "Danke, Ian!" Auf dem Rückweg zu Jethro plapperte Kenny erneut die ganze Zeit vor sich hin und Ian war richtig erleichtert, als er den Wagen vor dem Haus parkte. Kenny erbot sich freiwillig, seine Reisetasche ins Wohnzimmer zu tragen, und Ian erlaubte es ihm schmunzelnd, Kennys Motiv hinter dem Angebot erahnend. In der Reisetasche befand sich schließlich auch der DVD-Player, den Kenny in seiner Wohnung fast mit Blicken verschlungen hatte. Ian trug die beiden Tüten mit den Lebensmitteln nur rasch in die Küche, dann folgte er Kenny ins Wohnzimmer, bevor der Junge noch auf die Idee kam, selbst das Gerät anschließen zu wollen. Wenig später flimmerte der erste von Kens Filmen über die Mattscheibe und Ian kehrte in die Küche zu den Einkäufen zurück. Ein Blick auf die Wanduhr über der Küchentür verriet ihm, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis der Hunger den Agenten weckte und ins Erdgeschoss herunter trieb. Da Kenny vollauf von den Abenteuern von Lilo und Stitch gefangen war, schaffte Ian die Zubereitung des Abendessens, ohne dabei allzu großes Chaos zu verursachen. Er war gerade mit dem Tischdecken fertig geworden, als ein etwas verknittert wirkender Gibbs in der Tür auftauchte, ihn müde anblinzelte und auf direktem Weg die Kaffeemaschine ansteuerte. Grinsend holte Ian zwei Tassen aus dem Geschirrschrank und stellte sie neben der Maschine ab. Einzige Reaktion des Agenten war ein undeutliches Knurren, das zwischen "Danke" und "Lassen Sie mich bloß in Ruhe!" wohl so ziemlich alles bedeuten konnte. Ian ersparte es Gibbs, ihn auf seine ungewohnt matte Erscheinung aufmerksam zu machen und rief stattdessen Kenny zum Essen. Der Junge begrüßte Jethro ausgelassen und fing sofort an, vom Tag zu berichten. Während des Essens erzählte Kenny fröhlich, was er alles mit Ian erlebt hatte und mehr als nur einmal streifte ein überraschter Blick den Mediziner. "Und jetzt haben wir sogar einen DVD-Player da, Jethro!", schloss Kenny erwartungsvoll. "Aha.", machte der Agent schmunzelnd und wuschelte dem Kleinen durchs Haar. "Ich nehme mal an, dass du dir jetzt der Reihe nach alle deine Filme angucken willst, hm?" Kenny nickte eifrig. "Und du guckst mit mir, ja?" Hier schritt Ian lieber ein, bevor Gibbs noch auf die Idee kam, dadurch sein Versprechen umgehen zu können. "Einen Film könnt ihr wieder gemeinsam gucken, Kenny.", sagte er bestimmt und warf Jethro einen warnenden Blick zu. Kurz sah er den Agenten einen inneren Kampf ausfechten, dann nickte Gibbs leicht. "Ian hat Recht, mein Großer. Einen Film guck ich mit dir an, aber dann werde ich wieder ins Bett gehen. Ich bin nämlich immer noch ziemlich müde, weißt du?" Kenny zog einen Flunsch, widersprach aber nicht. Ungeduldig wartete er, bis Jethro mit dem Essen fertig war, dann sprang er auf und zog ihn mit sich ins Wohnzimmer. Ian erledigte noch den Abwasch, dann folgte er den beiden. Der Rest des Abends war eine fast exakte Wiederholung des vorherigen Abends, nur mit dem Unterschied, dass Jethro dieses Mal schon fast schlief, als Ian mit Kenny das Schlafzimmer betrat. Ian stellte sofort fest, dass das Fieber gestiegen und Jethro kaum noch in der Lage war, seinen Zustand vor Kenny zu verbergen. So schnell wie möglich brachte er den Checkup hinter sich und schickte den Jungen dann wie schon am Vorabend mit der Tasche aus dem Zimmer. Jethro schloss erschöpft die Augen, als die Tür hinter Kenny geräuschvoll ins Schloss fiel. Das Essen, der lebhafte Bericht von Ken, das gemeinsame Filmgucken und die anschließende Prozedur hatten ihn weitaus mehr geschafft, als er es je für möglich gehalten hätte. Er spürte, dass McNamara die Decke über ihn zog und stieß ein mattes Knurren aus. Er hasste es, derart betüdelt zu werden, doch im Moment fühlte er sich sogar zu erschöpft, um Ians Hand wegzustoßen und selbst nach der Decke zu greifen. Die Stimme des Arztes drang wie durch Watte an seine Ohren, aber er war zu müde, um den Sinn der Worte zu erfassen. Angestrengt versuchte er zu blinzeln, und das Letzte, das er vor dem Einschlafen sah, war das verschwommene Gesicht von Ian.