Der Ermittler bekam nicht mehr mit, dass Ian den Raum verließ und zu Kenny zurückkehrte. Auch die Probleme, mit denen der junge Mediziner sich konfrontiert sah, als er den putzmunteren Jungen am Abend ins Bett bringen wollte, verschlief er. Allerdings hatten die beiden Infekte sein Immunsystem mittlerweile endgültig überwältigt, und so blieb dem erschöpften Körper ein erholsamer Schlaf verwehrt. Das Fieber stieg stark an, und die Atemwege des Agenten waren innerhalb kurzer Zeit vollkommen zugeschwollen. Und schließlich wachte er auf, weil sein Kopf zu zerplatzen drohte.
Gibbs wälzte sich unruhig hin und her und stöhnte leise. Er hoffte, dass Ian ihn nicht hören würde, auf der anderen Seite war ihm klar, dass der Arzt unter Umständen zumindest etwas gegen seine Beschwerden unternehmen konnte. Wenn schon nicht gegen die Masern, dann vielleicht zumindest gegen die Halsentzündung. Oder irgend etwas anderes, dass ihn zumindest wieder Luft bekommen ließ und diesen verdammten Kopfschmerz abstellte. War Ian überhaupt noch da? Oder hatte er nur Kenny ins Bett gebracht und war anschließend nach Hause gefahren, um nicht noch eine Nacht auf dem Sofa zu verbringen? Der Ermittler überlegte, ob McNamara irgendetwas in dieser Hinsicht erwähnt hatte, aber er konnte sich nicht daran erinnern. Und sein Kopf dröhnte zu sehr, um noch übermäßig funktionstüchtig zu sein. Jethro tröstete sich mit dem Gedanken, dass Ian ein verantwortungsvoller Mensch war und sicher eine vernünftige Lösung gefunden hatte.
Eine Stunde später hatte sich die Situation nicht nennenswert verändert. Der Ermittler hatte noch immer keinen Schlaf gefunden, statt dessen waren die Kopfschmerzen noch einen Schlag heftiger geworden und hatten sich bis in seine Augen ausgebreitet. Das linke tränte mittlerweile immer wieder in kurzen Intervallen, und Gibbs hatte das Gefühl, dass sein gesamtes Gesicht mittlerweile völlig verschwollen war - als ob er gerade einen Boxkampf über 15 Runden verloren hätte. Und zu seinem größten Unmut spielte sein anderes Auge mittlerweile ebenfalls völlig verrückt. Hatte es am Nachmittag nur etwas unangenehm gejuckt, brannte es mittlerweile höllisch. Die Umgebung des Auges war noch stärker angeschwollen als der Rest des Gesichts, wie seine tastenden Finger feststellten.
Jethros Laune verbesserte diese Erkenntnis allerdings nicht gerade, insbesondere, weil abzusehen war, dass er das kranke Auge nicht lange vor Ian würde verbergen können. Und so beherrscht er auch sonst war, was jegliche Arten von Behandlungen und Schmerzen anging - bei seinen Augen hörte der Spaß auf. Es war der einzige Punkt seines Körpers, an den er seit einer Verletzung kurz nach dem Boot Camp niemanden mehr herangelassen hatte. Und er schätzte seine derzeitige Verfassung realistisch genug ein, um zu wissen, dass er nicht genug Kraft übrig haben würde, um seine Angst vor Ian zu verbergen.
Seufzend drehte er sich erneut auf die andere Seite und hoffte, dass zumindest Kenny nicht dabei sein würde, wenn Ian sich ans Werk machte. Es war schlimm genug, vor Ian Schwäche zu zeigen, abgesehen davon legte er verdammt noch mal keinen Wert auf Zeugen, wenn er sich wie ein verängstigtes Kind beim Zahnarzt anstellte. Und Gibbs ahnte, dass es genau darauf hinauslaufen würde - er hatte die Szene im Militärhospital von damals noch in sehr lebhafter Erinnerung. Es war in medizinischer Hinsicht so ziemlich das einzige, wovor er tatsächlich Angst hatte - nackte, panische Angst.
Mittlerweile war er sehr durstig geworden, und tastete suchend nach einer Wasserflasche. Doch seine Hände fanden nichts dergleichen, und so griff er statt dessen nach dem Schalter der kleinen Nachttischlampe. Das schwache Licht sandte eine derart heftige Schmerzwelle durch das ohnehin schmerzende Auge, dass Gibbs es auf der Stelle zukniff und nach Luft schnappte. Mit dem verbliebenen Auge, das immerhin gerade nicht tränte, sah er sich rasch um und stellte fest, dass nur eine leere Flasche neben dem Nachttisch stand. Ein kurzer Blick auf den Wecker verriet ihm, dass es fast halb drei war - keine Uhrzeit, Ian oder sonst irgend jemanden zu wecken.
Seufzend schob der Ermittler seine schmerzenden Beine aus dem Bett und kämpfte sich auf die Füße. Er zog einen Pulli und die Jogginghose über, ebenso wie ein Paar dicke Wollsocken, ehe er sich leise auf den Weg in die Küche machte. Es schien Ewigkeiten zu dauern, dort anzukommen, und unterwegs musste er sich immer wieder festhalten, um das Schwindelgefühl niederzukämpfen. Die Reaktion auf die Nachttischlampe noch gut im Hinterkopf, verzichtete er darauf, das Licht anzuschalten und tappte im Dunkeln durch seine Wohnung. Als er den Wasserkasten endlich erreicht hatte, war er vollkommen erschöpft. Der Grauhaarige ließ sich auf den nächsten Stuhl sinken und leerte durstig fast die Hälfte der Flasche.
Im nächsten Moment stöhnte er auf, als das helle Küchenlicht aufflammte und in seine Augen stach. Er wandte den Kopf und entdeckte Ian, der im Pyjama in der Tür stand und ihn fassungslos anstarrte. "Glotzen Sie nicht so, McNamara!" knurrte der Agent, so gut er konnte. "Und machen Sie endlich das verdammte Licht aus!!"
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Als das Licht aufflammte, schloss Ian einen Moment lang geblendet die Augen. In der nächsten Sekunde hörte er ein Stöhnen und dann Gibbs' Stimme. Erschrocken aufjapsend wich er zurück, wobei er unsanft mit dem Türrahmen kollidierte. Gegen die ungewohnte Helligkeit anblinzelnd, starrte er entgeistert auf das unerwartete Bild, das sich ihm bot. Gibbs saß auf einem der Sessel beim Tisch, eine fast leere Wasserflasche in der Hand. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Jethros gereizter Nachsatz bis zu seinem Verstand vordrang, doch dann legte er wie automatisch den Lichtschalter wieder um. Im nächsten Moment war es stockdunkel in der Küche und der Agent atmete hörbar auf. Verwirrt ließ Ian die Hand sinken. "Ähem... gibt es einen besonderen Grund, warum Sie hier im Dunkeln sitzen?" Anfangs noch unsicher, klang seine Frage gegen Ende schon zunehmend ironisch. Innerlich ärgerte Ian sich bereits darüber, dass er dem Befehl des Agenten ohne nachzudenken nachgekommen war. Ein leises Seufzen ertönte, dann ein knappes "Ja." Ian schnaubte. "Dass es einen Grund gibt, habe ich mir fast gedacht - ich wollte eigentlich eher wissen, welchen?!" Es blieb still, und allmählich stieg echter Ärger in ihm auf. "Was soll das, Gibbs?" Wieder blieb es ruhig, bis auf die Atemgeräusche war kein Laut zu vernehmen. "Schön.", knurrte Ian, nun wirklich gereizt. "Dann eben nicht. Aber glauben Sie bloß nicht, dass ich Ihretwegen jetzt im Finstern umhertappe! Ich habe nämlich absolut keine Lust, weiß Gott wogegen zu stoßen und mir blaue Flecken zu holen. Also, entweder nennen Sie mir jetzt einen triftigen Grund, warum ich das Licht auslassen sollte, oder ich schalte es wieder ein."
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
"Wagen Sie es bloß nicht!" fauchte der Agent wütend und kniff sicherheitshalber das brennende Auge zu - was sich als verdammt gute Entscheidung erwies. Ians Geduld mit seinem störrischen Patienten war längst erschöpft, und so wurde es eine halbe Sekunde später erneut hell.
"Heilige Scheiße!" entfuhr es dem Mediziner. "Was ist denn mit Ihnen passiert?!" Gibbs gab ein unwilliges Knurren von sich, noch immer hoffend, dass ein Wunder geschah und Ian das zugeschwollene Auge nicht bemerken würde. Aber diese Hoffnung wurde enttäuscht. Der Jüngere trat rasch näher und blickte seinem Sorgenkind prüfend ins Gesicht. Ians Wut war im gleichen Moment verflogen, in dem ihm klar geworden war, dass Gibbs' Zustand sich in den letzten Stunden rapide verschlechterte hatte - und dass er sein Bett offensichtlich nur verlassen hatte, um seinen Durst zu stillen. Das geschwollene Gesicht des Ermittlers überraschte ihn nicht besonders, ihm kam auf der Stelle die klassische Masernsymptomatik "Verrotzt, verheult, verschwollen" in den Kopf. Dennoch war es verdammt ungewohnt, ausgerechnet Jethro in diesem Zustand zu sehen. Und "verheult" passte auch nur sehr eingeschränkt: während das linke Auge sichtlich nass und zugeheult war, schien das rechte vollkommen trocken und auffällig rot zu sein.
Gibbs musterte den Mediziner misstrauisch, als der noch einen Schritt näher trat und versuchte, sich besagtes Auge näher anzusehen - was der Ermittler allerdings erfolgreich zu verhindern wusste. Der Grauhaarige kniff die geröteten Lider fest zusammenund nutzte das verbliebene Auge, um den jungen Arzt wütend anzustarren. Unpraktischerweise gelang ihm das nicht besonders gut, insbesondere, da auch das linke Auge sehr empfindlich auf die Helligkeit reagierte. In Ian keimte bereits wieder Wut auf, doch er spürte, dass dies keine "normale" Sturheit des Agenten war. Normalerweise verstand der Arzt die Körpersprache seiner Patienten ausgezeichnet zu lesen, und diese hier signalisierte eindeutig unterdrückte Angst. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass es Leroy Jethro Gibbs war, der hier vor ihm saß, schob Ian diesen Gedanken rasch beiseite. Der Agent neigte dazu, auf gerade unheimliche Art und Weise seine Gedanken lesen zu können, und vermutlich war es besser, ihn nicht merken zu lassen, wie viel Schwäche er gerade zeigte.
Gibbs schwieg noch immer, während Ian leise seufzte. Der Ermittler spürte, dass der junge Mediziner ihn durchschaute, und las die deutliche Verwirrung in seinen Augen. Offensichtlich rechnete Ian nicht damit, dass er tatsächlich Angst vor einer Untersuchung hatte nun, wenn er ehrlich war, hatte er selbst nicht damit gerechnet, dass die Panik so schnell zurückkehren würde. Eigentlich war der Vorfall von damals viel zu lange her, und seitdem hatte er unzählige, weitaus schlimmere Dinge ertragen, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Doch die Erinnerung an den Morgen im Krankenhaus von Quantico hatte das in keinster Weise gemildert. Verdammt noch mal, warum war er eigentlich nicht in der Lage, seine Alpträume irgendwann hinter sich zu lassen?! Hatte er eigentlich überhaupt nichts gelernt in seinem Leben?! Doch sein Kopf und das brennende Auge schmerzten zu sehr, um die Selbstvorwürfe weiter zu führen. Und er rechnete es McNamara hoch an, dass er nicht weiter auf dem Thema herumritt.
"Verdammte Scheiße," stöhnte Ian in diesem Moment. "Kommen Sie, ich bringe Sie wieder nach oben... und was zu trinken hole ich Ihnen dann auch." Der Grauhaarige erwiderte noch immer nichts, doch er widersprach auch nicht und stützte sich schwer auf Ian, als dieser ihn langsam in Richtung Treppe dirigierte. Mehr als einmal mussten sie eine Pause einlegen, weil der Kreislauf des Agenten aufzugeben drohte und er sich fest an Ian oder das Geländer klammerte. Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis sie die wenigen Meter und die Treppen hinter sich gebracht hatten. Und trotz aller Anstrengung entging Ian nicht, dass der Agent sein "rotes" Auge fest zugekniffen hielt - und das besagtes Auge selbst dann trocken blieb, wenn das linke heftig tränte.
Nachdem sie endlich im Schlafzimmer angekommen waren, ließ Gibbs sich geradezu erleichtert ins Bett sinken. Ian beschränkte sich darauf, die Nachttischlampe anzumachen, ehe er zurück in die Küche eilte und mit seiner Tasche sowie zwei Wasserflaschen im Schlepptau zurückkehrte. Als Jethro die Tasche entdeckte, rutschte er unbewusst ein Stück zurück - eine Bewegung, über die er sich selbst ärgerte und die Ian nicht entging. Konnte es etwa sein, dass der Grauhaarige tatsächlich so etwas wie Angst vor einem Arzt kannte? Oder halluzinierte er jetzt schon? Reiß dich zusammen! schimpfte er innerlich. Immerhin redest du hier von Gibbs! Und der würde eher sterben, als Schwäche zu zeigen! Das solltest du doch nun wirklich langsam wissen!!
Dennoch beschloss er, auf Nummer sicher zu gehen und stellte die Tasche ähnlich wie bei Kenny vor einer Woche erst einmal außerhalb des Sichtfeldes ab. Nur, dass das bei Jethro nicht unbedingt genauso gut funktionierte. Der Ermittler saß steil aufgerichtet im Bett, hatte das rechte Auge noch immer zugekniffen und versuchte mit dem Linken, ihn wütend anzufunkeln. Vergeblich. "Zeigen Sie mal her," forderte Ian den Agenten ruhig, aber bestimmt auf. Gibbs rückte ein weiteres Stück nach hinten, bis die Wand hinter dem Kopfende ihn bremste. Ian folgte ihm Stück für Stück, sorgfältig darauf bedacht, keine hastigen Bewegungen zu machen. Es war nicht zu übersehen, wie sehr der Ermittler gerade unter Stress stand, und Ian hatte nicht die geringste Absicht, erneut mit den Gibbs'schen Reflexen Bekanntschaft zu schließen. Im Moment erinnerte der Grauhaarige ihn ein wenig an einen knurrenden Hund, den man in eine Falle getrieben hatte - und der kurz vor dem Zuschnappen war.
Gibbs rührte sich nicht, als Ians Hand immer näher kam. Er hielt das schmerzende Auge noch immer geschlossen und verfolgte mit der anderen Hand jede Bewegung seines Gegenübers. "Verdammt, stell dich nicht so an!!" knurrte seine innere Stimme wütend. "Du hast schließlich gelernt, wie man seiner Angst begegnet - ein Marine hat keine Angst!" Doch Jethro wusste, dass die Stimme log. Er hatte Angst. Allerdings hatte er tatsächlich einmal gelernt, wie man sich in solchen Situationen verhielt - auch wenn das sehr lange her war. Er versuchte mit aller Macht, tief durchzuatmen und sich zu entspannen, um die Situation zu vereinfachen, doch es gelang ihm einfach nicht. Seine sonst so perfekte Selbstbeherrschung hatte sich offensichtlich aus dem Staub gemacht. Und statt das betreffende Auge zu öffnen, legte er die Hand darüber, als Ians Finger näher kamen.
McNamara war regelrecht überrascht, als Gibbs sich so offensichtlich wehrte. Er wusste nur nicht, wie er mit dieser Überraschung umgehen sollte - und ob Gibbs ihn nicht doch einfach nur an der Nase herumführte. Er beschloss, sich einfach nicht aus der Ruhe bringen zu lassen - zumindest äußerlich - und schob die Hand immer weiter heran, bis seine Finger auf denen des Ermittlers lagen, die er fest über das Auge gelegt hatte. Der Mediziner spürte, dass die Finger eiskalt waren, obwohl der Rest des Körpers vor Fieber glühte. Vorsichtig wollte er die Hand beiseite schieben, doch der Ermittler gab nicht einen Millimeter nach. Und schließlich gab Ian auf.
"Verdammt, Gibbs... was soll das?!" fragte er schließlich halb verärgert, halb besorgt. "Was haben Sie mit Ihrem Auge angestellt, dass ich nicht einmal sehen darf, was Sache ist?! Haben Sie sich selber verprügelt, weil es Ihnen im Bett zu langweilig wurde?" Der Grauhaarige gab keine Antwort und blickte mit dem verbliebenen Auge auf die Decke. Er ärgerte sich grün und blau über sich selbst, darüber, dass er nicht in der Lage war, seine irrationale Furcht in den Griff zu bekommen. Und darüber, dass es überhaupt so weit gekommen war.
Ian folgte seinem Blick und registrierte, dass die rechte Hand des Ermittlers leicht, aber unübersehbar zitterte. Verdammt, konnte es wirklich sein, dass Gibbs einfach nur Angst hatte?! Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Ein störrischer, sturer Gibbs war anstrengend, aber mehr oder weniger berechenbar, wenn man wusste, wie man ihn zu nehmen hatte. Aber ein verängstigter Gibbs? Das war definitiv Neuland... und Ian war nicht sicher, ob er dieses Minenfeld wirklich betreten wollte. Aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Seufzend atmete der Mediziner tief durch und nah die Hand weg, ehe er sich neben seinen Freund auf die Matratze sinken ließ. "Jethro..." erklärte er ruhig. "Was ist los? Wenn Sie nicht wollen, dass ich mir das angucke, dann sagen Sie es mir wenigstens, was Sie für Beschwerden haben. Sonst kann ich nämlich absolut nichts für Sie tun, und Sie sehen nicht so aus, als ob Sie sich damit wohlfühlen würden."
Gibbs Wut auf sich selbst war mittlerweile ins Unermessliche gewachsen, doch er hatte sich immerhin gut genug im Griff, diese nicht auf Ian abzuwälzen. Die Stimme des Grauhaarigen war heiser, als er endlich antwortete. "Das Auge brennt," gab er krächzend zu. "Seit... seit etwa heute Mittag. Die Schwellung und die Lichtempfindlichkeit sind erst später dazu gekommen." "Okay," nickte Ian ruhig. "Das klingt in der Tat nicht so, als ob es von selbst wieder gehen würde. Vermutlich ist Ihr Tränenkanal verstopft, das kann in den besten Familien vorkommen - sogar unabhängig von den Masern. Aber genau kann ich das erst sagen, wenn ich mir das Auge angesehen habe." Er atmete noch einmal tief durch. "Sie haben Schmerzen, Gibbs, das sieht ein Blinder mit Krückstock. Warum sperren Sie sich so? Warum wollen Sie nicht, dass ich Ihnen helfe? Einfach nur aus Sturheit? Weil Marines keine Hilfe brauchen?! Verdammt, Gibbs - können Sie nicht einmal ihren Stolz über Bord werfen und Hilfe annehmen?!" Das geöffnete Auge blickte verlegen zu Boden, während der Ermittler so gut es ging ausatmete. "Es hat nichts mit Stolz zu tun," erklärte er anschließend leise. "Ich... mag es nicht besonders, wenn sich jemand an meinen Augen zu schaffen machen will." Das war so ziemlich die größte Untertreibung, die Ian je gehört hatte, und er musste sich hart zusammenreißen, um den Ermittler seine Überraschung nicht sehen zu lassen. Er hatte wirklich Recht behalten, Gibbs hatte tatsächlich Angst davor, sich untersuchen zu lassen.
"Man könnte auch sagen: Sie haben eine mittelgroße Panik," sprach Ian aus, was in der Luft lag. "Auch wenn Sie zu stolz sind, das laut zuzugeben." Er blickte den Grauhaarigen ernst an. "Das ist keine Schande, Gibbs. Es ist menschlich. Aber es ändert nichts daran, dass ich mir Ihr Auge ansehen muss, wenn ich Ihnen helfen soll." Seine Stimme war leise und ruhig, ohne jeden Vorwurf und ohne eine Spur seines sonstigen Humors. "Ich bin vorsichtig, Jethro. Ich werde Ihnen jeden Schritt erklären, den ich tue, und ich werde nichts gegen Ihren Willen tun. Aber Sie müssen mir vertrauen."
Der Silberfuchs atmete tief durch. Er wusste verdammt genau, dass Ian Recht hatte und er sich im Moment absolut indiskutabel aufführte. Dennoch fiel es ihm mehr als nur schwer, die Hand langsam sinken zu lassen. Und noch mehr Beherrschung kostete es ihn, sie nicht auf der Stelle wieder hochzureißen, als Ians Finger sich erneut vorsichtig näherten. Seine rechte Hand hatte er mittlerweile fest um die Bettdecke geklammert, damit das Zittern seiner Finger nicht mehr so deutlich sichtbar war. Die Fingergelenke schmerzten mittlerweile heftig, doch der Ermittler bemerkte es kaum. Sicherheitshalber zwang er die linke Hand um die Bettkante, um McNamara nicht unbeabsichtigt außer Gefecht zu setzen. Trotz aller Panik entging ihm nicht, dass Ian seine Hände höchst beunruhigt im Auge behielt und er wusste selbst, dass die Sorge des Jüngeren nicht ganz unbegründet war. Er atmete noch einmal tief aus, soweit er es vermochte, dennoch zuckte er zusammen, als Ians Finger sein Gesicht berührten.
Der Mediziner legte einen Finger auf das obere Lid, einen auf das untere, und zog beide höchst behutsam auseinander. Er spürte, dass der Körper unter ihm bis in die letzte Faser angespannt war in seinem Berufsalltag nicht ungewöhnlich, doch im Zusammenhang mit Gibbs höchste Alarmstufe. Das Auge war stark gerötet, schien aber im Wesentlichen unverletzt zu sein. Vorsichtig wanderte er mit den Fingern weiter und tastete den Bereich der Tränenkanäle neben der Nase ab, der wie erwartet stark geschwollen war. Ian wurde beinahe ebenso bleich wie sein Patient, als ihm klar wurde, was ihm nun bevorstand.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Fast schon hastig zog er seine Finger zurück und schluckte trocken. "Das habe ich befürchtet." Der Agent wurde noch etwas blasser und sein Griff um Bettkante und Decke verstärkte sich. "Was?", brachte er krächzend heraus. Ian atmete tief durch. "Der Tränenkanal ist tatsächlich verlegt, und das auch noch ziemlich heftig. Offensichtlich ist etwas Tränenflüssigkeit zu einem Pfropfen verklumpt, deshalb ist das Auge auch trocken und gereizt." Er schluckte. "Entfernen kann man eine solche Stauung nur, indem man sie ausspült, indem Flüssigkeit in den Tränenkanal injiziert wird." Schlagartig verlor Gibbs auch noch das letzte bisschen Farbe und nur seine bis an die Grenzen ausgereizte Selbstbeherrschung verhinderte, dass er dem Impuls zu flüchten nicht nachgab. "Nein." Ian ahnte das Wort eher, als es zu hören. Lautlos bewegten sich die Lippen des Ermittlers, der in diesem Moment so gar nichts mehr mit dem hartgesottenen NCIS Special Agent gemein hatte. Ian zögerte, doch dann sprach er den Rest der Hiobsbotschaft auch noch aus: "Und ich kann Ihnen nicht einmal etwas geben, das Sie währenddessen ausknockt, Sie müssen bei Bewusstsein sein. Die Flüssigkeit, die zum Ausspülen benutzt wird, enthält einen Bitterstoff, den Sie schmecken, sobald der Pfropfen entfernt ist." Ian hatte Gibbs' Reaktion auf seine Worte genau im Auge behalten. Als er vom Ausknocken gesprochen hatte, war der Gesichtsausdruck des Agenten nicht wie sonst verächtlich geworden. Dennoch war ihm bewusst, dass er sich mit dem Angebot, das er im Kopf hatte, gleich auf ziemlich dünnes Glatteis bewegen würde. Noch einmal atmete er tief durch. "Ich könnte Ihnen allerdings ein Beruhigungsmittel spritzen, das die Prozedur zumindest etwas erträglicher macht."
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Der Grauhaarige schloss die Augen und atmete mehrfach tief durch. Ian konnte sehen, wie es hinter der gerunzelten Stirn arbeitete und der Ermittler einen harten Kampf mit sich selbst führte. Doch schon nach wenigen Sekunden schien dieser entschieden zu sein. Gibbs öffnete das "gesunde" Auge und blickte den Mediziner ernst an. Sein Gesicht war noch immer vollkommen farblos, und McNamara verdrängte kurzerhand jeden Gedanken an Jethros vermutlich sehr bedenkliche Blutdruckwerte.
"Nein," brachte der Silberfuchs mühsam hervor. Seine Hände waren noch immer um die Bettkante geklammert, doch er schaffte es, einen Hauch von Entschlossenheit in seiner Stimme mitklingen zu lassen. "Ich laufe nicht vor einem Gegner davon," fügte er finster hinzu. "Schon gar nicht, wenn es gar keinen Gegner gibt. Auf ein Schmerzmittel lasse ich mich notfalls noch ein, aber ein Beruhigungsmittel? Nur über meine Leiche!" Ian verkniff sich den Kommentar, dass der Ermittler derzeit nicht mehr allzu weit davon entfernt war. Stattdessen musterte er seinen Patienten skeptisch. "Ein Schmerzmittel wird nicht nötig sein," erklärte er ruhig. "Es wird nicht sehr wehtun - schon gar nicht für Ihre Verhältnisse. Ich wollte es Ihnen nur..." "... etwas leichter machen, schon klar," brachte Gibbs gepresst hervor. "Aber kann sowieso nicht ewig davor weglaufen, also... fangen Sie schon an!"
Ian nickte. "Okay, ganz wie Sie wollen. Geben Sie mir zwei Minuten, dann habe ich alles nötige vorbereitet." Er rang mit sich selbst, ob er besagte Vorbereitungen besser in die Küche verlegen sollte. Vermutlich würde es nicht gerade hilfreich sein, wenn Gibbs in seiner Panik allzu früh sah, mit welchem Gerät er sich seiner empfindlichen Stelle zu nähern gedachte. Doch als er sich erhob, hielt Gibbs' Stimme ihn zurück. "Hiergeblieben, Doc. Ich will wissen, was Sie vorhaben, ist das klar?" Verdammte Scheiße. Ian unterdrückte ein Seufzen, doch er setzte sich gehorsam wieder hin und begann, in seiner Tasche zu kramen.
Während Ian verschiedene Ampullen zusammensuchte, beäugte der Ermittler ihn misstrauisch. Seine Hände zitterten noch immer, und er war selbst nicht sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, Ians Angebot abzulehnen. Er wusste, dass besagtes Mittel die Sache mit Sicherheit vereinfacht hätte, aber es wäre einem Eingeständnis seiner eigenen unterlegenheit gleichgekommen. Und dabei ging es Jethro bestenfalls am Rande darum, was der junge Mediziner von ihm halten mochte, sondern darum, wie viel Schwäche er sich selbst zugestand. Ian würde ihn vermutlich für den Rest seines Lebens necken, aber damit würde er klarkommen. Mit dem morgendlichen Blick in den Spiegel allerdings nicht.
Angst zu haben gehörte für den Agenten im Normalfall zur Tagesordnung, und es war ihm immer gut bekommen, auf dieses Gefühl zu hören. Er hatte im Boot Camp gelernt, wie er damit umzugehen hatte, und diese Fähigkeit im Laufe seines Lebens nahezu perfektioniert. Aber Angst vor einem Gegner, der nicht existierte, war absolut indiskutabel. Ohne es zu wissen, hatte Ian genau das Richtige vorgeschlagen - er hatte Jethros Kampfgeist geweckt. Die Behandlung in Quantico war keine physische Tortur gewesen, nichts, wovon man ein lebenslanges Trauma mit sich herumschleppen musste. Und somit kam es gar nicht in die Tüte, sich deswegen ein Beruhigungsmittel verabreichen zu lassen!!
Ian benötigte tatsächlich nicht lange, ehe er sich wieder zu seinem Patienten umdrehte. Es war deutlich zu sehen, dass es ihm wesentlich lieber gewesen wäre, wenn Gibbs sich auf das Mittel eingelassen hätte, aber nun war es zu spät. Er registrierte, dass Gibbs noch eine Spur blasser wurde, als er die Spritze in Ians Hand entdeckte, doch McNamara zwang sich, sein Angebot nicht zu wiederholen. Es würde Gibbs bestenfalls wütend machen, und ein wütender UND verängstigter Agent war eine lebensgefährliche Mischung. Wenn Gibbs seine Meinung änderte, würde er es schon sagen müssen. Mit einem letzten tiefen Atemzug hob der Mediziner das Instrument ein Stück an. "Sie wollen mir jetzt nicht im Ernst sagen, dass Sie mit DEM Ding in mein Auge wollen, oder?!" knurrte Gibbs heiser. "Doch, in gewissen Sinne schon... leider," antwortete Ian. "Allerdings nicht direkt in Ihr Auge, sondern in den Tränenkanal... was nicht sehr weit auseinander liegt, das gebe ich zu. Und bevor Sie sich doch noch zur Flucht entscheiden - ich steche damit nicht weit zu. Nur ein winziges Stück, um in den Kanal zu kommen." Gibbs atmete tief durch und musterte die lange Nadel höchst misstrauisch. "Bringen wir es hinter uns," krächzte er anschließend, und Ian dirigierte seinen Kopf in Position. Anschließend griff er nach dem Lichtschalter, um sein Behandlungsfeld nicht nur im Halbdunkel erahnen zu können. Im gleichen Moment, in dem die Deckenlampe aufflackerte, schoss der Agent in die Höhe, an Ian vorbei und aus dem Bett. Oder zumindest: fast aus dem Bett, bis er von seinem Kreislauf gestoppt wurde, der im wahrsten Sinne des Wortes die Notbremse zog. "Was war DAS denn??" fragte Ian verwirrt, als der Ermittler kurz darauf wieder zu sich kam. Gibbs stöhnte. "Mussten Sie unbedingt das Licht anmachen, McNamara?" ächzte er, die Augen noch immer geschlossen haltend. "Tut mir leid," seufzte der Mediziner, der innerlich zugeben musste, die Lichtempfindlichkeit seines Patienten deutlich unterschätzt zu haben. Mit einer derart heftigen Reaktion des Agenten hatte er beim besten Willen nicht gerechnet, und sie zeigte ein erschreckendes Bild vom Zustand des Grauhaarigen. Und das, bevor die Masern überhaupt richtig losgelegt hatten. Verdammt!
"Sieht so aus, als bräuchten wir doch ein Schmerzmittel," korrigierte Ian seine Einschätzung von eben, und der Ermittler protestierte nicht, als er ihm ein rasch wirkendes Mittel injizierte. "Okay, zweiter Versuch," knurrte Jethro statt dessen verbissen und zwang seinen Kopf erneut in Position. Ian entging nicht, dass er mittlerweile am ganzen Körper zitterte und beide Hände erneut fest um die Bettkanten klammerte. "Wie Sie wollen." antwortete der Arzt und schaltete erneut das Licht ein. Der Ermittler zuckte zusammen, rührte sich aber keinen Millimeter. Ian schloss einen Moment die Augen, ehe er sich vorsichtig dem geschwollenen Auge näherte. Er spürte, wie sehr Gibbs gegen den Drang kämpfte, einfach davonzulaufen, und wirklich sicher fühlte er sich so nah an dessen Fäusten nicht gerade. Und je näher die Nadel dem Auge kam, desto angespannter wurde auch Ian - und desto nervöser. Verdammter Mist!! Er hatte diese Behandlung noch nicht allzu oft selbst durchgeführt, auch wenn er theoretisch genau wusste, was zu tun war. Aber Theorie half ihm hier nicht weiter, und seine linke Hand, die das Auge des Patienten offen halten sollte, begann verdächtig zu zittern. Und auch die Rechte, mit der er die Spritze führte, war alles andere als ruhig. Anderthalb Zentimeter vor dem Auge stoppte er, weil seine Finger den Kampf gegen Gibbs' Augenlider zum ersten Mal verloren. Das Ganze wiederholte sich noch drei Mal, bis der Ermittler sich schnaufend in die Kissen sinken ließ.
Jethro lief mittlerweile der Schweiß von der Stirn, und sein Atem ging schwer, als er einen Moment Entspannung suchte. Ihm war Ians Unsicherheit nicht verborgen geblieben, und ihm war ebenfalls nicht entgangen, dass der Mediziner immer wieder rasche Blicke in Richtung seiner rechten Faust geworfen hatte - nicht ganz ohne Grund, wie er sich selbst eingestehen musste. Auch wenn das in diesem Moment nicht gerade hilfreich war - für keinen von beiden. Aber aufgeben kam nicht in Frage. Während Ian noch nach Worten suchte, hob der Ermittler auffordernd den Kopf in Richtung Nachtschrank. "Machen Sie mich fest," forderte er den Mediziner auf, dem daraufhin die Kinnlade herunterfiel. "Wie bitte?!" "Die Handschellen," verdeutlichte der Ermittler matt. "Sie haben Angst, dass ich Ihnen eine reinhaue, und ich will Ihnen nichts versprechen, was ich nicht halten kann. Also, machen Sie die verdammten Dinger fest - das ist immer noch besser, als wenn Sie mir ins Auge stechen, weil Sie im entscheidenden Moment weggeguckt haben!" Sprachlos starrte Ian den Grauhaarigen an. Gibbs WOLLTE, dass er ihn mit den Handschellen ans Bett fesselte?! Der Mann schaffte es doch immer wieder, ihn zu überraschen. Dennoch ließ er sich kein zweites Mal auffordern, immerhin beruhigte ihn diese Maßnahme tatsächlich um ein Vielfaches. Auf diese Weise war er zumindest vor einer der gefürchteten Fäuste sicher. Wenig später startete der junge Arzt dritten Anlauf, den mittlerweile extrem geschwächten Agenten zu behandeln. Er registrierte, dass Gibbs sich mit ganzer Kraft in den Stahlreifen legte, als ob der dort verursachte Schmerz ihn von dem Geschehen vor seinem Auge ablenken würde. Dann blendete er alles um sich herum aus und konzentrierte sich nur noch auf die Nadel und das blaue Auge unter seinen Händen.
Jethro konzentrierte sich mit aller Macht darauf, weiter zu atmen, während sich die Nadel seinem Auge immer weiter näherte. Mehr als einmal musste er den Reflex unterdrücken, Ian zu schlagen, und er war froh über die Absicherung durch die ungeliebten Handschellen. Spätestens in dem Augenblick, in dem die Nadelspitze den Eingang des Tränenkanals berührte, hätte der Reflex die Oberhand behalten. Mittlerweile brannte sein gesamter Körper wie Feuer, weil er noch immer jeden Muskel anspannte. Die Umgebung drohte zu verschwimmen, wie durch einen Nebel hörte er Ians Stimme. "Sobald Sie den Bitterstoff schmecken, sagen Sie Bescheid, Gibbs! Und bleiben Sie bei mir, verdammt noch mal!"
Der Agent musste hart kämpfen, dem verlockenden Weiß nicht nachzugeben und wach zu bleiben. "Jethro!!" mahnte Ian immer wieder, und seine Stimme wirkte wie ein Wegweiser aus dem Nebel. Doch es wurde immer schwieriger, der Stimme zu folgen. Im gleichen Moment, in dem Gibbs' Kraft endgültig erschöpft war, spürte er einen absolut widerlichen, ekelerregenden Geschmack im Rachen, der ihn auf der Stelle heftig würgen ließ. Ian beendete die Behandlung auf der Stelle und ließ die Spritze sinken. Es war geschafft.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Er gestattete sich ein kurzes, innerliches Aufatmen, dann entsorgte er mit routinierten Handgriffen die Nadel im bereitgestellten Spezialbehälter, dessen Sicherheitsverschluss er danach sofort einrasten ließ. Diese Gewohnheit war Ian in Fleisch und Blut übergegangen, seit er einmal - ganz am Anfang seiner Berufslaufbahn - eine kontaminierte Nadel nur in die Box fallen lassen und dann den Behälter beiseite gestellt hatte. Eine unachtsame Bewegung, die knallgelbe Kontamedbox war umgefallen und hatte ihren Inhalt auf dem Boden verteilt. Als er die Bescherung verärgert hatte beseitigen wollen, war es prompt geschehen und er hatte sich an einer Nadel gestochen. Das Warten auf die zum Glück negativen Ergebnisse der üblichen Tests war ihm eine harte Lehre gewesen und seitdem hatte er stets darauf geachtet, die Box sofort sicher zu verschließen. Mit den Jahren waren ihm die wenigen Handbewegungen, die dafür notwendig waren, derart zur Routine geworden, dass er sie fast schon automatisch ausführte. Die nun nadellose Spritze ließ Ian in den Mülleimer fallen, dann machte er sich eilig daran, Jethro von seinen Fesseln zu befreien. Besorgt betrachtete er die sichtbaren Spuren, die die Handschellen auf Gibbs' Handgelenk hinterlassen hatten, ignorierte sie jedoch vorerst. Im Moment war es wichtiger, Jethro mit Flüssigkeit zu versorgen, ehe sein Kreislauf noch tatsächlich schlappmachte. Der Kampf gegen die Phobie hatte Gibbs alles an Kraft abgefordert und eigentlich wunderte es Ian, dass der Agent nicht erneut ohnmächtig geworden war. Andererseits hatte Gibbs ihn schon weit öfter als nur ein Mal überrascht, insbesondere, was die körperliche Belastbarkeit anging. Trotzdem, lieber auf Nummer Sicher gehen. Die Schelle sprang auf und sofort griff Ian nach der Wasserflasche am Nachttisch, schraubte sie eilig auf und drückte Jethro die Flasche in die Hand. Mit geschlossenen Augen setzte der Agent an und trank durstig. Er leerte die Flasche, als ob er tagelang nichts mehr getrunken hätte und ließ sie dann matt sinken. Ian tauschte sie sofort gegen die zweite Wasserflasche, die er in der Zwischenzeit geöffnet hatte. Erschöpft deutete Gibbs ein Kopfschütteln an. "Genug?", hakte Ian nach und ein schon etwas kräftigeres Nicken war die Antwort. Beruhigt stellte Ian die Flasche auf den Nachttisch zurück. "Wie fühlen Sie sich?", fragte er als nächstes. "Bestens.", gab Jethro heiser, doch unverkennbar ironisch zurück. Ian rollte die Augen. "Sehr witzig, Gibbs. Wie wärs zur Abwechslung mal mit der Wahrheit?" Blinzelnd schlug der Agent die Augen auf. "Als ob mich ein Panzer überrollt hätte. Sie haben hoffentlich die Kennung notiert?" Ian schüttelte belustigt den Kopf. "Die war unkenntlich gemacht.", gab er schlagfertig zurück und rang Gibbs damit ein schiefes Grinsen ab. "Okay, genug der Scherze. Ich verbinde nur noch rasch Ihr Handgelenk, dann lass ich Sie wieder in Ruhe." Irritiert senkte Jethro den Blick und tatsächlich, sein rechtes Handgelenke blutete. Während der Prozedur hatte er kaum gemerkt, wie die metallenen Fesseln ins Fleisch schnitten und tiefe Male hinterließen. Doch nun, wo er die Wunde sah, schoss der Schmerz heißglühend in seine Handgelenk, er sog scharf die Luft ein, unfähig, den Schmerzenslaut zu unterdrücken. Ian warf ihm einen besorgten Blick zu. "Wie schlimm ist es?" Jethro biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Ein Schmerzmittel reichte, musste reichen. Außerdem wollte er verhindern, dass McNamara auf die Idee kam, ihn doch noch ausknocken zu wollen. Es reichte schon, dass er dessen Vorschlag vor der kleinen Horrorshow von eben ernsthaft in Erwägung gezogen hatte! Dank seiner angeschlagenen Verfassung gelang es ihm jedoch nicht, einen weiteren, leisen Schmerzenslaut zu unterdrücken, als der Arzt den Verband straffzog. "Sorry.", entschuldigte Ian sich, lockerte die Mullbinde etwas und wickelte eine weitere Lage um das Handgelenk. "Entschuldigen Sie sich nie, das ist ein..." Ian rollte die Augen. "Zeichen von Schwäche, ich weiß.", unterbrach er ihn auf fast schon DiNozzo-mäßige Art. "Halten Sie still.", wies er Jethro im nächsten Moment an, als dessen Hand scheinbar schon der Vorstellung von einer Kopfnuss folgen wollte. Als der Arzt einige Lagen später fertig war, kam Jethro unwillkürlich das Bild einer Mumie in den Sinn und er musste trotz des scharfen Brennens grinsen. "So, fertig." Ian riss noch rasch zwei Streifen von einer Rolle Pflasterband und fixierte damit die Mullbinde. "Fehlen nur noch die Grabbeigaben.", bemerkte Jethro spöttisch. Ian wirkte für eine Sekunde verwirrt, dann hatte er die selbe Assoziation und lachte auf. "Sie werden noch dankbar dafür sein, dass ich das Handgelenk ruhig gestellt habe.", versprach er schmunzelnd. "Und Kaffee war ohnehin keine der üblichen Grabbeigaben zu Zeiten von Tutanchamun." "Moderne Mumien, moderne Grabbeigaben.", meinte Gibbs trocken, nicht bereit, vorschnell aufzugeben. "Keine Chance." Ians Mundwinkel zuckten, doch er blieb hart. "Beim Frühstück wieder, Jethro. Und bis dahin... Gute Nacht." Er packte Pflasterrolle und Kontamedbox in seine Tasche zurück, verschloss sie und stand leise ächzend auf. "Bleiben Sie liegen, in Ordnung? Sie sollten Ihren Kreislauf heute Nacht ohnehin besser nicht mehr strapazieren - und ich könnte ebenfalls ein paar Stunden Schlaf brauchen." Gähnend wechselte er die Tasche in die andere Hand. "Falls aber etwas sein sollte, das nicht mit Koffein in irgendeiner Form zu tun hat, möchte ich durchaus geweckt und davon benachrichtigt werden. Klar?" Gibbs runzelte mit finsterer Miene die Stirn. "Ich werde ganz sicher nicht mitten in der Nacht nach Ihnen rufen, McNamara.", weigerte er sich entschieden. "Immerhin schläft Kenny nebenan." Ian grinste schief. "Wer hat davon geredet, dass Sie nach mir rufen sollen? Ich bringe Ihnen einfach Ihr Telefon rauf, dann können Sie mich anrufen. Und Kenny fällt damit als Ausrede auch weg, Jethro." Auch wenn Ians Worte humorvoll klangen, schwang in seiner Stimme doch auch eine ernstgemeinte Aufforderung mit. Verdammt! Er hatte Kooperation versprochen, und es passte ihm absolut nicht, dass McNamara ihn immer wieder an dieses Versprechen erinnerte. Allerdings kam Matt irgendwann im Laufe des nun ja bereits angebrochenen Tages, und er wollte Kennys Dad auf keinen Fall als Double einer Geisterbahnfigur gegenüber stehen. Das Sprichwort "Eine Hand wäscht die andere.", kam ihm in den Sinn, und widerstrebend nickte er. "Holen Sie das Telefon.", knurrte er. Wenn er sich weiter kooperativ verhielt, war McNamara vermutlich eher bereit, ihm ein paar Tassen Kaffee mehr zuzugestehen. Und die würde er mit Sicherheit benötigen, um zumindest halbwegs wieder wie ein Mensch auszusehen.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Nachdem Ian das Telefon auf den Nachttisch gelegt und sich wieder hingelegt hatte, schloss auch Jethro erschöpft die Augen. Er hätte auch ohne McNamaras Ermahnung nicht vorgehabt, sein Bett schnell wieder zu verlassen, aber auf diese Weise hatte er hoffentlich zumindest etwas Kooperation vortäuschen können. Der Agent schlief auf der Stelle ein, er war von der Prozedur viel zu erschöpft, um die Augen noch länger offen zu halten. Der Ermittler war so müde, dass er nicht einmal von Nadeln, Handschellen oder ähnlichem träumte, sondern sich einfach nur erholte.
Allerdings blieb ihm dieser Zustand nicht allzu lange vergönnt. Knapp dreieinhalb Stunden später war Kenny nämlich putzmunter, und anstatt in die Küche zu gehen, stattete er erst einmal seinem großen Freund einen morgendlichen Besuch ab. Dass der Agent krank war, hatte er in diesem Moment vergessen, und so riss er einfach die Tür auf und sprang begeistert in das große Bett. Das hatte er in den vergangenen zwei Wochen fast genauso gern gemacht wie zu Hause, abgesehen von den Tagen, an denen die Masern ihn überwältigt hatten. Normalerweise war Jethro um diese Zeit längst wach und in der Regel auch schon aufgestanden, was ihn allerdings nie davon abgehalten hatte, mit Kenny noch eine Runde zu toben. Heute schoss sein Kreislauf von null auf hundert, als die kleine Gestalt mit einem Mal neben ihm im Bett landete. Beinahe instinktiv wollte er nach seiner Waffe greifen, bis er registrierte, wo er sich befand und was gerade geschah. Kenny hatte die hastige Bewegung nicht weiter beunruhigt, allerdings schmerzte das verletzte Handgelenk mit einem Mal wie die Hölle, als es unter der Decke herscheuend gegen seine Hüfte gepresst wurde. Hastig schloss Gibbs die Augen. Wie zum Teufel sollte er Kenny jetzt erklären, woher der Verband stammte?
Für den Augenblick erschien diese Frage allerdings zweitrangig, da der Kleine überrascht zurückfuhr und das mittlerweile blau unterlaufene Auge anstarrte. "Was hast du denn gemacht?" fragte er verwirrt. "Hast du dich mit Ian geprügelt?" Jethro lachte leise. "Nein, Kenny... es geht mir gut. Ich hatte ein bisschen was im Auge, da ist das ein bisschen blau angelaufen. Aber das ist nicht schlimm, das ist schon wieder weg - und in ein paar Tagen sieht man es auch nicht mehr." Beruhigt kuschelte Kenny sich ebenfalls unter die Decke und schmiegte sich an den Körper des Chefermittlers. "Und wie geht es deinen Masern?" fragte er weiter. "Geht es dir jetzt auch so schlecht wie mir neulich? Du bist ganz heiß!" Jethro schmunzelte und zog das Kind mit der gesunden Hand an sich. "Mach dir keine Sorgen, Kenny. Ich habe im Moment ein bisschen Fieber, so wie du letzte Woche. Aber das wird schon wieder." "Bist du sicher?" fragte Kenny zögernd zurück. "Klar," versicherte der Grauhaarige. "Du bist doch jetzt auch wieder fit. Warum sollte ich das nicht auch schaffen?" Kenny war noch immer nicht recht überzeugt. "Weil du viel größer bist als ich," argumentierte er. "In dich passen viel mehr Masern rein als in mich." Gibbs konnte sein Lachen kaum unterdrücken, auch wenn er noch immer viel zu müde für große Heiterkeitsausbrüche war. "Ich hab aber auch viel mehr Blut und damit viel mehr weiße Blutkörperchen, die gegen die vielen Masern kämpfen können." Kenny runzelte die Stirn und dachte über das Argument nach. "Okay," stimmte er schließlich zu. "Aber ich geh trotzdem besser noch mal Ian holen, dass der dich noch mal genau im Auge behält!" Jethro seufzte innerlich, als er seine eigenen Worte aus der vergangenen Woche wieder erkannte. "Lass Ian noch eine Weile schlafen, Ken," bat er. "Und mich auch, wenn es dir nichts ausmacht." Das Kind kuschelte sich noch ein Stück tiefer in die Decken, längst wieder schläfrig geworden. "Okay...."
So fand Ian seine beiden Patienten vor, als er zwei Stunden später ebenfalls aufgestanden war - und die Hausbewohner vermisste, die sich um diese Zeit längst in der Küche befinden sollten. Immerhin war es schon halb neun, und weder Gibbs noch Kenny neigten dazu, länger als sieben Uhr zu schlafen. Normalerweise jedenfalls nicht. Gibbs Abwesenheit war mehr als verständlich, wenn auch beunruhigend. Aber Kenny hätte längst durchs Haus toben sollen. Nicht, dass er noch einen Rückfall erlitten hatte, heute, wo sein Vater ihn endlich wieder abholen wollte? Ken gefiel es bei Jethro ausnehmend gut, doch dem Mediziner war nicht entgangen, wie sehr der Kleine seinen Dad vermisste. Kurzerhand marschierte er nach oben, wo er Gibbs Schlazimmertür angelehnt fand. Und beide Vermissten tief schlafend aneinander gekuschelt unter der Decke lagen.
Leise schlich Ian wieder nach unten und begann, das Frühstück vorzubereiten. Da er wusste, wie schwach der Agent derzeit war, entschied er sich für die Variante vom Vortag und füllte ebenso wie Kenny das große Tablett mit allen erforderlichen Zutaten. Wie erwartete wirkte das Geräusch der Kaffeemaschine auf den Grauhaarigen wie ein Wecker, und nachdem die erste Duftschwade durchs Haus gezogen war, war im Obergeschoss die Tür des Badezimmers zu vernehmen. Und im nächsten Moment kam Kenny in die Küche geschossen, beinahe Ian samt Tablett über den Haufen rennend. "Langsam, junger Mann!" bremste der Mediziner ihn lachend. "Ich komme ja schon..." "Das ist gut," versicherte ihm Kenny. "Jethro hat gesagt, er will verflucht sein wenn er keinen Kaffee bekommt oder so ähnlich. Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, er hat Hunger. Dad knurrt auch immer so morgens vor dem Frühstück, bis er einen Kaffee getrunken hat." Ian grinste noch breiter und betrat hinter Kenny das Schlafzimmer, in dem der Grauhaarige auf der Bettkante saß.
"Jethro!!" schrie der Kleine aufgeregt, als er zum ersten Mal den Verband entdeckte. "Was ist passiert?!?" Er starrte den Ermittler derart entsetzt an, als erwarte er, dass dieser jeden Moment tot umfiel. "Kein Grund zur Panik, Ken," brummte Gibbs, dessen Stimme kurz davor stand, den Geist aufzugeben. "Ich bin diese Nacht noch mal in die Küche gegangen, um was zu trinken. Und dabei bin ich aus Versehen ausgerutscht und habe mich etwas blöd abgestützt. Ian hat einen groooßen Verband drumgemacht, damit das Gelenk jetzt erst mal ruhig bleibt. Das sieht ein bisschen wild aus, aber das ist gar nichts schlimmes. Bist du noch nie umgeknickt?" "Doch, schon," überlegte Kenny. "Mit dem Fuß. Da hat Dad auch so einen Verband drumgewickelt. Aber das hat voll gemein wehgetan." Gibbs schielte in gespielter Verlegenheit auf die Decke. "Na ja... ein bisschen weh tut es schon," gab er zu. "Aber das geht ganz schnell vorbei. Und jetzt lass uns frühstücken... einverstanden?"
Kennys Magen knurrte bereits lauthals, und so hatte er diesem Vorschlag nichts entgegen zu setzen. Auch Ian griff zu, während er den Grauhaarigen sorgfälitg beobachte. Gibbs aß wesentlich weniger als noch am Vortag, aber dennoch mehr, als der Mediziner befürchtet hatte. Gut so. Sein Körper war geschwächt und würde jede Stärkung brauchen können. Nach dem Frühstück und dem allgemeinen Zähneputzen hüfte Kenny erneut aufgeregt um Ians Tasche herum. Die "Visite" bei Jethro übte immer noch eine enorme Faszination auf ihn aus, und Ian erklärte nach wie vor sehr geduldig, was er mit dem Agenten tat. Es gab ihm die Möglichkeit, die Ergebnisse der Untersuchungen nicht sofort mit dem Ermittler zu besprechen, was wiederum bedeutete, dass er eine Galgenfrist hatte, sich eine passende Strategie auszudenken.
Denn die Werte des Grauhaarigen hatten sich seit der Nacht noch einmal radikal verschlechtert, und Ian hatte kein gutes Gefühl dabei, den Agenten in diesem Zustand auch nur eine Minute aus dem Bett zu lassen. Allerdings ahnte er, dass Jethro seinen Freund Matt nicht unbedingt im Schlafzimmer empfangen wollte - und auch nicht als lebende Mumie. Auch wenn dieser Zustand im Moment kaum zu verbergen war. Für weitere Gedanken blieb ihm allerdings keine Zeit, da Kenny das Blutdruckmessgerät entdeckt hatte und ausführlichste Erklärungen dazu haben wollte. Und Ian gefiel absolut nicht, dass der gemessene Wert anzeigte, dass der Ermittler selbst nach dem Frühstück noch immer kurz vor dem Kollaps war.
Er griff erneut in seine Tasche und nahm eine kleine Glasflasche heraus. Anschließend griff er nach einem kleinen Löffel und begann, zwanzig Tropfen abzuzählen, wobei Kenny ihn sorgfältig unterstützte. Der Kleine war regelrecht stolz, als Ian ihm den Löffel anschließend vorsichtig überließ und Gibbs aufforderte, den Mund zu öffnen. "Für Ihren Kreislauf," erklärte er rasch, ehe der Grauhaarige protestieren konnte. "Und weil Ihr Blutdruck so im Keller ist, kriegen Sie gleich ausnahmsweise noch eine zweite Tasse Kaffee." Bei diesen Aussichten sperrte Jethro regelrecht fordernd den Schnabel auf, so dass Kenny keine Probleme hatte, den Löffel im Mund unterzubringen, ohne etwas zu verschütten.
Anschließend folgte die schon zum Ritual gewordene Gewohnheit, mit der Kenny die schwarze Tasche nach unten schleppte - und Gibbs und McNamara allein zurück ließ.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Kaum war Kenny aus dem Zimmer, wurde Ians Miene ernst. "Bei den Werten wundert es mich, dass Sie sich vorhin überhaupt aufrecht halten konnten." Jethro runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Was hätte er auch antworten sollen? Dass ihm auf dem Weg ins Badezimmer durchaus einige Male fast schwarz vor Augen geworden war? Sicher nicht! Erstens war nichts passiert und zweitens würde McNamara ihn kaum noch aus den Augen lassen - geschweige denn aus dem Bett! Und er hatte keineswegs vor, liegen zu bleiben. Er wusste zwar noch nicht wie er es zustande bringen sollte, Matt aufrecht gegenüberzustehen, wenn dieser kam, um Kenny abzuholen. Aber irgendwie musste er es einfach schaffen, denn die Alternative war schlicht inakzeptabel. Es kam einfach nicht in Frage, dass Matt ihn so sah, und ebensowenig kam es in Frage, dass Ian an seiner Stelle mit Kennys Dad sprach. Er hatte Matt versprochen, dass er auf Kenny aufpassen würde - und diese Aufgabe an jemand weiterzureichen, den Matt nicht kannte, war definitiv keine Einlösung dieses Versprechens. Schlimm genug, dass er die letzten beiden Tage kaum die Energie aufgebracht hatte, sich wirklich mit Kenny zu beschäftigen - alleine das Filmschauen hatte ihn beide Male erschöpft. Zwar schien Ian recht gut mit dem Kleinen umgehen zu können, und Kenny war von der anfänglichen Angst vor dem Arzt nichts mehr anzusehen, aber das war eben nun mal nicht der Punkt. Der Punkt war, dass er versprochen hatte, sich um Matts Sohn zu kümmern. Und er hatte vor, dieses Versprechen einzulösen - und wenn er dafür Tonnen von diesen verdammten Medikamenten in Ians Tasche schlucken musste! Ian sah förmlich, wie es hinter der Stirn seines Patienten arbeitete. Er ahnte, dass Gibbs ihm etwas verschwieg - und auch den Grund dafür. "Sie müssen schon mit mir reden.", forderte er. Als Gibbs nicht gleich reagierte, seufzte er leise. "Jethro..." Der Agent unterdrückte ein Seufzen. McNamara brachte es fertig, seinen Namen auf eine derart mahnende Art und Weise auszusprechen, dass sich fast schon automatisch sein Widerspruchsgeist meldete. Und Ian jetzt zu widersprechen, würde sich garantiert nicht positiv auf seine Situation auswirken. Trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, McNamara etwas zu triezen. "Ich halte nichts von Smalltalk. Stellen Sie Fragen, dann erhalten Sie auch Antworten." Ian blinzelte überrascht, dann fing er sich. "Na schön, dann eben kein Smalltalk.", gab er leicht verärgert zurück. "Ihr Blutdruckwert ist, um es vorsichtig auszudrücken, bedenklich niedrig - erst recht, wenn man in Betracht zieht, dass Sie gerade eben eine Dosis Koffein zu sich genommen haben, die bei jedem Anderen den Blutdruck hochgejagt hätte. Warum also ist Ihr Wert immer noch jenseits von Gut und Böse?" Gibbs hob eine Braue. "Sie sind der Arzt, sagen Sie es mir.", meinte er trocken. "Richtig, ich bin der Arzt. Verdammt, Gibbs!" Entnervt rieb Ian sich übers Gesicht. Wenn dieser Agent nur nicht so dickköpfig wäre! Er beschloss, die Strategie zu wechseln. Gibbs hatte Fragen verlangt, dann sollte er auch welche bekommen. "Schwindel, Sehstörungen?" Als Jethro nach kaum merklichem Zögern den Kopf schüttelte, seufzte Ian innerlich auf. Präzise Fragen, erinnerte er sich. Präzise Fragen, nur dann bekommt man auch ehrliche Antworten. "Vorhin im Bad.", verdeutlichte er die Frage deshalb mahnend. "Ich hatte keine Probleme.", wich Gibbs einer direkten Antwort aus. Ian rollte die Augen. "Das war keine Antwort auf meine Frage!" Allmählich wurde er wirklich ärgerlich. Er war müde, und diese ständigen rhetorischen Kämpfe gingen ihm langsam aber sicher auf die Nerven. Dabei genoss er es sonst sogar, sich mit Gibbs im verbalen Schlagabtausch zu messen. Wenn der Agent gesund und er nicht für dessen Genesung verantwortlich war. Jetzt im Moment war das typische Hin und Her einfach nur anstrengend - sowohl für ihn, als auch für den Ermittler. Und Gibbs wusste verdammt noch mal, dass er seine Kräfte besser aufsparen sollte! Gereizt atmete er mit geschlossenen Augen tief durch, ehe er wieder aufsah und den Agenten abwartend musterte. Gibbs beobachtete, wie Ian sichtlich um Beherrschung rang und gab sich selbst eine gedankliche Kopfnuss. So war das nicht geplant gewesen! Er hatte McNamara lediglich etwas aufziehen wollen, nicht aber ihn verärgern. Doch genau das war passiert, und er hatte absolut keine Lust auf eine weitere Begegnung mit einem wirklich verärgerten McNamara. Ganz abgesehen davon sanken seine Chancen auf Ians Hilfe parallel mit dessen Laune - und das war gar nicht gut. So wie es aussah, würde er nämlich McNamaras Hilfe benötigen, um es überhaupt bis ins Erdgeschoss hinunter zu schaffen. Und allmählich war es fraglich, ob er seinen angeschlagenen Zustand vor Matt überhaupt verbergen konnte! Mit Sicherheit nicht ohne McNamaras Unterstützung, wodurch er wieder am Anfang angelangt war. Verdammt, er hasste es wirklich, auf Hilfe angewiesen zu sein! Missmutig erwiderte er Ians Blick. "Ja.", gab er widerwillig zu. "Aber nur für ein paar Sekunden.", schwächte er ab, als McNamara mit fast schon grimmiger Miene nickte. Ian hob eine Braue. "Ach, Sie haben die Zeit genommen?" Gibbs unterdrückte den Impuls, sich vorzubeugen und McNamara eine saftige Kopfnuss zu verpassen. "Nein, geschätzt!", knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ian schluckte die scharfe Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, hinunter. "In einer halben Stunde sehe ich mir Ihren Blutdruck nochmal an.", kündigte er knapp an und stand auf. Rasch griff er sich das Tablett, auf dem sich die kläglichen Reste des gemeinsamen Frühstücks befanden, und ging. Als die Tür geräuschvoll ins Schloss fiel, ließ Jethro sich frustriert zurückfallen. So viel also zu seinem Plan, Ian nicht allzu sehr zu verärgern. "Verdammt!" Vor der Tür atmete Ian mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen, ehe er zu Kenny hinunterging. "Da bist du ja endlich, Ian!", begrüßte ihn der Kleine erfreut. "Hast du Lust, eine Runde Mensch-ärgere-dich-nicht mit mir zu spielen?" Ian überlegte nicht lange. Eine Runde des Brettspiels ging sich locker aus, bis er nochmal zu Jethro hinauf musste. Und etwas Ablenkung konnte er im Moment auch gut brauchen. "Sicher, warum nicht?", antwortete er. "Gehst du schon mal vor und baust das Spielbrett auf? Ich komme dann gleich nach." Kenny nickte begeistert und sauste los. Bei der Freude, die der Junge ausstrahlte, war Ians Ärger endgültig vergessen, und schmunzelnd trug er das Tablett in die Küche. Aus der geplanten halben Stunde wurde eine Dreiviertelstunde, und als sich die Tür schließlich öffnete und Ian eintrat, war Jethros Laune kurz vor dem Gefrierpunkt. Er beherrschte sich jedoch und zwang sich, die sarkastische Bemerkung über unpünktliche Ärzte hinunterzuschlucken. Schweigend ließ er die zweite Blutdruckmessung über sich ergehen, gab auch dann noch kein Wort von sich, als McNamara die Manschette stirnrunzelnd ein zweites Mal aufpumpte und die Messung wiederholte. "Das gefällt mir nicht.", murmelte der Arzt dann leise - jedoch nicht leise genug. "Was soll das heißen?", knurrte Gibbs. "Ihr Blutdruck ist immer noch zu niedrig, trotz des Medikaments." Gibbs biss die Zähne zusammen und verkniff sich ein frustriertes Aufstöhnen. Musste man dem Mann denn alles aus der Nase ziehen?! "Ja, und?", stieß er ungeduldig hervor. Ian sah ihn stirnrunzelnd an. "Wenn das so bleibt, sehe ich schwarz für Ihren Plan. So können Sie nicht aufstehen, das hält Ihr Kreislauf nicht aus." - "Das werden wir ja dann sehen!", schoss der Agent sofort angriffslustig zurück. Ian schüttelte den Kopf. "Jethro, Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen! Und abgesehen davon, dass es Ihnen kaum gefallen dürfte - wenn Sie vor Kenny zusammenklappen, verpassen Sie dem Kleinen den Schock seines Lebens!" Gereizt funkelte Gibbs ihn an. "Ich klappe aber nicht zusammen, verstanden?!" - "Ist das wieder eine Ihrer Schätzungen?!", gab Ian kaum weniger verärgert zurück. "Reizen Sie mich nicht, McNamara!", warnte Jethro mit unheilverkündendem Unterton. "Sonst was?", konterte Ian gereizt, riss unsanft den Klettverschluss der Manschette auf und zog sie von Gibbs' Arm. "Wollen Sie aufspringen und mir eine verpassen?" Schnaubend schüttelte er den Kopf. "Nur zu, versuchen Sie Ihr Glück! Sie kommen keine zwei Schritte weit!" Jethro wollte schon die Decke beiseite stoßen und dem sarkastischen Vorschlag nachkommen, doch kaum hatte er sich ganz aufgesetzt, wurde ihm tatsächlich für eine Sekunde schwarz vor Augen. "Verdammt!", fluchte er unterdrückt. Er hasste es, wenn McNamara Recht behielt! "Legen Sie sich wieder hin, dann wird es besser.", riet Ian ihm kühl. Zähneknirschend kam Jethro der Aufforderung nach und beinahe sofort hörte das Schwindelgefühl auf. "Verdammt, Gibbs!", seufzte Ian leise, als er endlich wieder klar sah. "Musste das unbedingt sein?!" McNamara rieb sich frustriert das Gesicht. "Wenn Sie so weitermachen, werden Sie Ihren Freund gar nicht sprechen, weil Ihr Kreislauf spätestens auf der Treppe schlappmacht. Muss ich extra erwähnen, dass Sie dann ein echtes Problem haben? Ich bin Arzt, kein muskelbepackter Marine!" Das saß. Widerstrebend gestand Jethro sich ein, dass McNamara nicht ganz unrecht hatte. Obwohl ein kleiner Teil von ihm sich über den Vergleich amüsierte, malte Ian damit ein äußerst plastisches Bild. Er seufzte leise. "Ich verstehe, was Sie mir sagen wollen, Ian." Der Arzt schnaubte. "Besser spät als nie." Immer noch verärgert stand er auf und ging zur Tür. "Ich sehe später nochmal nach Ihnen." Dieses Mal klang es fast wie eine Drohung. Der Vormittag verging nur zäh - jedenfalls für Gibbs. Obwohl er müde war, konnte er nicht schlafen, und jedes Mal, wenn er sich aufzurichten versuchte, kehrte der Schwindel zurück. Er war mehr als nur frustriert, als Ian kurz vor Mittag wieder einmal nach ihm sah. "Was zum Teufel muss ich tun, damit der verdammte Schwindel endlich aufhört?!", beschwerte er sich, kaum dass der Arzt das Zimmer betreten hatte. "Liegenbleiben.", kam es lakonisch zurück. "Sparen Sie sich die blöden Witze, McNamara!", fuhr Jethro ihn an und gleichzeitig auf. "Das würde ich... nicht tun.", beendete Ian resigniert seinen warnenden Satz, als Gibbs auch schon unterdrückt aufstöhnte und sichtbar gegen das Schwindelgefühl ankämpfte. "Legen Sie sich wieder hin.", wiederholte er den Rat, den er in den letzten Stunden bei fast jeder Kontrolle gegeben hatte. Doch dieses Mal kniff Gibbs nur die Augen zu und schüttelte den Kopf. "Nein.", stieß er gepresst hervor. Kopfschüttelnd stellte Ian seine Tasche neben dem Bett ab. "Was wollen Sie damit beweisen, Jethro?" Der Agent schluckte trocken, fast als ob ihm übel wäre, dennoch blieb er stur sitzen. "Das bringt doch nichts, legen Sie sich wieder hin, bevor Sie noch wirklich kollabieren!", schimpfte Ian ungehalten und fasste seinen unwilligen Patienten an den Schultern. Doch sofort wehrte Gibbs seine Hand ab. "Nein, verdammt!", knurrte er. "Entweder Sie geben mir jetzt was, damit das aufhört, oder ich gehe duschen - und wenn ich auf dem Weg ins Bad dreimal umkippe!" "Sie schaffen es ja noch nicht mal, sich ganz aufzusetzen, wie wollen Sie da aufstehen?!" Jethro öffnete blinzelnd die Augen. Das Zimmer schwankte, verschwamm zu einem Doppelbild, dann wieder zum tatsächlichen Zustand. "Das werden Sie ja sehen.", knurrte er, fest entschlossen, sich dieses Mal nicht mehr aufhalten zu lassen. "Verdammt, seien Sie doch vernünftig!" Er ignorierte den fassungslosen Protest und schob grimmig die Decke beiseite. Nacheinander schob er erst ein, dann das zweite Bein an die Bettkante und darüber. "Verdammt, Jethro!" Wieder ignorierte er McNamara, konzentrierte sich ganz auf die belebende Kälte des Holzbodens unter seinen bloßen Füßen. Entgeistert sah Ian zu, wie der Agent es tatsächlich schaffte, sich aufzurichten, bis er schließlich vor ihm stand. Wacklig, mit bleichem Gesicht und mehr als nur unsicher. Aber er stand. Allerdings ahnte Ian, dass das nur von vorübergehender Dauer war. Allein das Aufrichten und Aufstehen hatte den Agenten sichtbar Kraft gekostet und in seiner Verfassung war der Weg ohne ein kreislaufpushendes Mittel schlicht nicht zu schaffen. Auch nicht mit der schier unerschütterlichen Willenskraft, über die Gibbs verfügte. Und er hatte nicht vor, es so weit kommen zu lassen, dass Jethro tatsächlich auf dem Weg ins Badezimmer kollabierte. Entschlossen trat er dem Grauhaarigen in den Weg. "Verdammt, Gibbs! Sie legen sich jetzt auf der Stelle wieder hin! Ich lasse nicht zu, dass Sie sich selbst Schaden zufügen, nur weil Sie verdammt noch mal zu stur sind, um vernünftig zu sein!" "Erstens nehme ich von Ihnen keine Befehle an. Und zweitens... versuchen Sie ruhig, mich aufzuhalten." "Sie mögen der Marine sein, aber ich habe die schnell wirkenden Medikamente!" Abrupt herrschte Schweigen. Und dann zerriss das Klingeln des Mobiltelefons die Stille.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
"Das ist nicht ihr Ernst." Jethro starrte den Mediziner finster an, so gut er es in seinem aktuellen Zustand vermochte. "Oh doch, Gibbs. Sie wissen verdammt genau, dass das mein Ernst ist." Ian starrte ebenso fest entschlossen zurück. Das Mobiltelefon klingelte noch immer auf dem Nachttisch. "Wollen Sie nicht rangehen?" Knurrend griff Gibbs neben sich und bellte seinen Namen in den Hörer. "Hallo, Jethro!" vernahm der Grauhaarige die Stimme seines Freundes. "Was ist denn mit dir los, steckst du mitten in einer Ermittlung oder hat Kenny dich in diese unterirdische Laune getrieben?" Der Agent riss sich auf der Stelle zusammen. Matt konnte nun wirklich nichts dafür, dass er hier mit Ian herumdiskutieren musste. Und während er telefonierte, sollte er seine spärliche Kraft besser nicht mit Herumstehen vergeuden. Innerlich seufzend ließ er sich wieder auf die Bettkante sinken. "Keins von beidem, Matt," beruhigte er den Commander. "Kenny geht es gut, er freut sich schon seit drei Tagen darauf, dass du zurückkommst. Wobei es ihm hier auch durchaus gefallen hat." "Ich weiß," lachte Matt. "Vermutlich weiß er jetzt alles über Bootsbau und gibt nicht eher Ruhe, als bis ich ihm einen Modellbausatz besorge. Hat er die Masern gut überstanden?" Trotz der großen Entfernung zwischen Washington und Bagdad hatte Matt in den letzten Wochen regelmäßig angerufen, um Kennys Stimme zu hören und wenigstens ein paar Minuten mit seinem Sohn sprechen zu können. "Oh ja, das hat er," versicherte Jethro. "Er ist wieder putzmunter, im Moment ist er unten und guckt einen seiner Filme." Matt lachte. "Ja, das ist tyisch Kenny. Seine Filme liebt er über alles." Er räusperte sich. "Ich bin gerade aus dem Terminal raus und muss noch kurz etwas Papierkram auf dem Stützpunkt erledigen. Ist es okay für euch, wenn ich in zwei Stunden vorbeikomme und Kenny abhole?" Gibbs nickte. "Okay, kein Problem. Willst du Ken noch sprechen? Dann hole ich ihn eben." "Nein, keine Umstände. Ich sehe ihn ja gleich. Bis später!" Im Hintergrund begann ein Hupkonzert, und die beiden Freunde verabschiedeten sich rasch.
Anschließend sah Gibbs erneut zu Ian, der ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. "Matt wird in zwei Stunden hier sein," kündigte er an. "Und es ist mir völlig egal, was Sie davon halten, aber ich werde zu diesem Zeitpunkt auf meinen Füßen stehen und ihm die Tür öffnen!" "Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg damit," knurrte Ian wütend zurück. Die Sturheit des Agenten ärgerte ihn maßlos, und seine Geduld war erschöpft. Sollte der Grauhaarige doch sehen, wie er klarkam... dann musste er eben auf die harte Tour einsehen, dass er im Moment einfach zu schwach war, um den Helden zu spielen. McNamara drehte sich auf dem Absatz um und verschwand nach unten, um dem Kind beim Fernsehen Gesellschaft zu leisten und darauf zu warten, dass Gibbs wieder zur Vernunft gekommen war.
Der Silberfuchs atmete tief durch, nachdem der Arzt verschwunden war. Er hatte nicht die Absicht gehabt, sich mit Ian zu streiten, aber dessen ständige Einwände waren einfach nicht akzeptabel. Er WÜRDE Matt gegenüber nicht zugeben, wie schlecht es ihm derzeit ging. Eine halbe Stunde lang musste das einfach zu schaffen sein, immerhin würde Kenny anschließend nicht mehr da sein und er hatte alle Zeit der Welt, um sich auszuruhen. Und in zwei Stunden war einiges zu schaffen. Der Ermittler legte sich erneut unter seine Decke und dachte nach, und wenig später stand sein Plan fest. Er schlief auf der Stelle ein und erwachte fast genau eine Stunde später - und damit blieb ihm noch fast ebenso viel Zeit bis zu Matts Besuch. Langsam und vorsichtig schob er erneut seine Beine aus dem Bett. Am Schwindel hatte sich nicht allzu viel geändert, doch mit eisernem Willen und langsamen Bewegungen schaffte der Ermittler es tatsächlich in eine aufrecht stehende Haltung. Punkt eins war damit immerhin schon geschafft - nun musste er nur noch den Weg bis unter die Dusche schaffen, ohne dabei umzufallen.
Es dauerte fast fünfzehn Minuten, bis er sich die wenigen Meter an der Wand entlang geschoben hatte. Aus dem Erdgeschoss war das Gelächter von Kenny und Ian zu hören, die einen offensichtlich lustigen Film verfolgten. Das war gut, so musste er immerhin nicht befürchten, dass McNamara ihm unbeabsichtigt in die Quere kam. Schwer atmend lehte Gibbs sich an die kalten Fliesen und zog vorsichtig das T-Shirt über seinen Kopf. Der kurze Weg hatte seinen erbärmlich schwachen Kreislauf bereits auf eine harte Probe gestellt, doch das eiskalte Wasser, das im nächsten Moment auf ihn einprasselte, wirkte eindeutig belebend. Jethro biss die Zähne aufeinander, als seine Haut vor Kälte zu schmerzen begann, und rührte sich geschlagene drei Minuten nicht vom Fleck. Erst dann drehte er mit zitternden Händen das Wasser ab, griff nach dem Handtuch und trocknete sich vorsichtig ab. Aufmerksam lauschte er nach unten, doch selbst wenn Ian das Rauschen des Wassers gehört hatte, schien es ihn nicht vor dem Fernseher weggelockt zu haben. Gut so.
Die kalte Dusche schien Wunder gewirkt zu haben, und der Weg zur Treppe sollte nun eigentlich kein Problem mehr darstellen. Allerdings musste Jethro sich eingestehen, dass er seine Verfassung deutlich überschätzt hatte. Bereits an der Badezimmertür musste er sich zum ersten Mal wieder festhalten, bis die Schwärze vor seinen Augen nachließ, und am oberen Ende der Treppe rettete ihn nur der Handlauf davor, ungebremst nach unten zu stürzen. Verdammt. Aber aufgeben kam für den Gunny noch immer nicht in Frage. Zähneknirschend ließ er sich am Pfosten des Geländers nach unten sinken, bis er auf der obersten Stufe saß. Falls er jetzt ohnmächtig wurde, würde er zumindest nicht tief fallen und sich nicht so schwer verletzen. Langsam schob er sich ein Stück vor und stützte sich mit den Händen auf der nächsten Stufe ab, bevor er den Rest seines Körpers folgen ließ. Stufe für Stufe kämpfte er sich auf diese Weise in Richtung Küche, immer gegen den allgegenwärtigen Schwindel ankämpfend.
Nach etwa zehn Minuten war er endlich unten angekommen und brachte es irgendwie fertig, erneut auf die Füße zu kommen. Anschließend lehte er matt an der Wand und schöpfte Atem, ehe er sich weiter in Richtung Küche schob. Er konnte die Kaffeemaschine schon sehen, und das gab ihm ausreichend Energie, den Schwindel auch weiterhin niederzukämpfen. Schnaufend ließ er sich schließlich auf einen Stuhl sinken und setzte das Gerät in Gang. Anständiger Kaffee war ein todsicheres Mittel, um wieder auf die Beine zu kommen, und das Gebräu "Marke Herztod", das sich gerade in der Kanne sammelte, würde seinen Zweck schon erfüllen - es war einfach nur eine Frage der Menge, die er davon zu sich nehmen musste. Sollte Ian doch denken, was er wollte.
Als hätte man ihn gerufen, erschien der junge Arzt in diesem Moment in der Küchentür. "Was zum Teufel machen Sie da, Gibbs?!"
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Die Antwort des Ermittlers ließ Ian nach Luft schnappen. "Kaffee herrichten - wonach sieht es sonst aus?", gab Jethro knurrig zurück. "Wollen Sie sich unbedingt umbringen?!", fragte Ian entgeistert, wartete aber gar nicht erst auf eine Antwort, sondern musterte rasch prüfend die Erscheinung des Agenten. "Himmel, Sie können froh sein, dass Sie sich auf der Treppe nicht das Genick gebrochen haben!", schimpfte er aufgebracht, als er zu seiner Erleichterung nur ein paar kleinere Kratzer an den Händen des Grauhaarigen entdeckte. "Nein, sagen Sie jetzt besser nichts!", fuhr er Gibbs ärgerlich an, als dieser etwas entgegnen wollte. Zu seiner Überraschung schloss der Agent seinen Mund tatsächlich wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Ian atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Das Ganze geriet allmählich zu einem einzigen Alptraum! Dennoch musste er Gibbs widerwillig Respekt zollen. Er hätte nie geglaubt, dass die Willenskraft seines unwilligen Patienten derart eindrucksvoll über den körperlichen Zustand siegen würde. Seufzend sah Ian auf, und sein Blick fiel auf die Kaffeemaschine, von der aus sich nun der verlockende Kaffeeduft in der Küche ausbreitete. "Kaffee allein wird nicht reichen, Jethro.", meinte er resigniert. "Abwarten.", konterte Gibbs stur. Ian schüttelte zweifelnd den Kopf. "Jethro, Koffein mag Ihren Blutdruck für eine kurze Weile in die Höhe treiben, aber bei weitem nicht lange genug für das, was Sie vorhaben!" Gibbs sah ihn finster an. "Ich werde mit Matt sprechen, egal ob Ihnen das nun passt oder nicht - klar?!" Ian rieb sich seufzend den Nacken. "Ja, das ist mir mittlerweile klar geworden. Allerdings kann ich einfach nicht verantworten, dass Sie sich dabei selbst umbringen." Bevor Gibbs ihn erneut anfahren konnte, hob Ian eine Hand. "Also werde ich Ihnen helfen." Der harsche Protest, der ihm auf der Zunge gelegen war, löste sich in Luft auf, und verblüfft starrte er den Arzt an. "Was?!" Ian grinste schief, ging aber sonst nicht weiter auf Gibbs' verblüfften Zwischenruf ein. "Ich werde Ihnen ein kreislaufförderndes Mittel geben, etwas Stärkeres als die Tropfen. Aber..." Sein Gesicht wurde ernst. "Ihnen muss klar sein, dass das eine einmalige Aktion ist, Jethro. Wenn die Wirkung des Medikaments nachlässt, ist auch endgültig Schluss mit lustig. Ich erwarte, dass Sie dann wirklich kooperieren, verstanden?" Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte Ian sich um und holte seine Tasche. Binnen weniger Sekunden hatte er alles vorbereitet, und noch ehe die Kaffeemaschine in den letzten Zügen lag, injizierte er Gibbs das Medikament. "Die Wirkung sollte in ein paar Minuten eintreten und etwa zwei Stunden anhalten.", meinte er knapp, und entsorgte Nadel und Ampulle.