Piraten des Falgahten - Schwarze Braut

Im Auftrag des Falgathen IV

Im Auftrag des Falgathen IV

Es war kühl.
Viel zu kühl für diese Jahreszeit.
Die erste Brut der meisten Singvögel war durch die Kälte dieses Jahres nicht hochgekommen und in den Nestern an Kälte, Krankheit oder Hunger eingegangen. Die Imker schimpften weil ihre Bienen keinen Ertrag brachten. Schlimmer noch war es für die Obstbauern, denen die Blüte verhagelt worden war.
Bei den Getreidebauern gab es noch Hoffnung. Noch hatte die Wurzelfäule die zarten Pflanzen nicht ereicht. Noch konnten ein paar warme Tage die Ernte retten. Aber wenn es so weiterregnen und so kalt bleiben würde, dann würde es im nächsten Winter sehr schwer werden.
Ein starker Wind trieb Regenschauer von Norden her und näßte wiederum die Dächer und Straßen der Hafenstadt. Nahe der Hellig lag ein schlankes Schiff an der Mole und bewegte sich leicht an den Fendern. Überall an dem dunklen Schiffsrumpf waren helle Stellen zu erkennen, an denen wohl das Holz erneuert worden war. Die Backbordseite war fast gänzlich neu. Auch das stehende und laufende Gut des Schiffes war erneuert. Auf dem Deck, dem Zwischendeck und auch achtern blitzten polierte Bronzerohre, gut verzurrt und gesichert.
Über zwei Planken wurde Ladung an Bord gebracht. Wie auf einer Ameisenstraße herrschte reges Treiben, ein ständiges Hin und Her. Zwanzig oder dreissig Seeleute schleppten Kisten und Säcke während ein Gaffelbaum als Kran diente und Lasten in die Ladeluke beförderte, Wasserfässer, Säcke mit Mehl und Zwieback, Kohl oder Zwiebeln, Kisten mit Metallkugeln oder Fäßer mit Kreuzen darauf.
In der Takelage wurden Leinen festgezurrt, Segel angeschlagen und da ein Block gewechselt, dort ein Läufer überprüft. An der Fockmastgaffel wurde eine neue Klau angeschlagen.
Dieses Schiff wurde seeklar gemacht.
Soviel war klar.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

"Klar bei Dalbentrosse!"
"Dalbentrosse ist klar!"
"Focksegel setzen! Dalbentrosse los!"
"Dalbentrosse ist los!"
Der kräftige ablandige Wind blähte das Focksegel. Langsam rückte das schlanke Schiff mit dem Bug von den Dalben ab.
"Klar bei Achtertrosse! Bugtrosse holt ein!"
"Achtertrosse klar!"
"Innenklüver hoch! Klar bei Fockmars!"
"Fockmars klar!"
"Achtertrosse los! Alle Mann an Bord! Heißt Fockmars!"
"Achtertrosse ist los!"
Mit lautem Knattern entfaltete sich das Marssegel am ersten Mast. Langsam setzte sich das Schiff in Bewegung. Die Seeleute, die die Tossen gelöst hatten bewegten sich ruhig und gelassen und erst im letzten Augenblick stiegen sie mit einem kurzen Schritt an Bord der Schwarzen Braut.
"Achtertrosse holt ein! Klar bei Großsegel!"
Ja, jetzt fuhr es wieder. Sein Schiff. Er war an Bord der Braut und es gab keine Diskussionen mehr, ob er an Bord bleiben durfte oder nicht. Diesmal mußte er sich nicht im Langboot verstecken oder im Kabelgatt oder in der Bilge. Er war an Bord und durfte bleiben.
Das Schiff wurde schneller und schneller. Das Gaffelsegel des zweiten Mastes wurde gehisst. Dann die restlichen Stagsegel und das Großmars.
Er war stolz, dass er mittlerweile alle Segel, Spirren und auch das laufende Gut benennen konnte. Einiges hatte er von Piet Speigatt selbst beigebracht bekommen. Dem Kapitän. Dem Kapitän der Schwarzen Braut. Dem schnellsten Schiff der Nordsee, der Westsee und aller Meere überhaupt. Und dem stärksten Schiff. Mit der Braut konnte es keiner aufnehmen. Sie war schwer bewaffnet. Die bronzenen Bombarden an Deck waren nur ein Teil der Bewaffnung. Noch weitere Geschütze waren unter Deck angebracht. Und wenn eine ganze Breitseite geschossen wurde, so verdunkelte sich die Sonne hinter dem Pulverdampf.
"Klar bei Leesegel!"
"Heißt Leesegel!"
Die rauhe Stimme von Hein brüllte über das Deck.
Ein bischen zuckte er bei der Stimme immer zusammen. Er wusste auch nicht warum. Aber der Quartiermeister machte ihm immer ein wenig Angst. Hein hatte ihn mehrfach von Bord geschickt. Immer wieder. Und Hein hatte ihn auch immer wieder aufgestöbert, auch wenn Fiete, Klüver-Klaas und der Pöhlerjan ihn versteckt und gefüttert hatten. Hein war in letzter Zeit immer so düster und humorlos. Eigentlich kannte er Hein gar nicht anders. Aber Hein hatte wohl hinnehmen müssen, dass er jetzt an Bord war. Wahrscheinlich hatte der große Kapitän Speigatt dafür gesorgt.
Oder Jocke, der Steuermann. Ein Riese von einem Kerl und stark wie ein Baum. Der sang immer, wenn er an der Pinne stand. Und er sang gut.
Oder es war Xiana zu verdanken. Der hübschen Freibeuterin. Die steckte ihm immer wieder ein paar Leckerbissen zu. Obwohl er sich da weiß der Klabauter nicht beschweren konnte.
Die Frauke, die Pöpke, die Fiete, die Helke, der Pöhlerjan, der Fedder oder wie sie alle hießen, alle ließen ihm dann und wann etwas zukommen. Pöpke hatte im auch schon gezeigt, wie man das Deck schrubbt. Der Deckschrubber Jupp war ja gestorben. An Land, nachdem er einen riesigen Golem besiegt hatte und einen Lindwurm oder so. Und allen das Leben gerettet hatte. Zumindest erzählte man sich das.
Viele waren gestorben.
Der Popelper, der dritte Hauke, Silvi die Schmierige, Frieder und viele andere auch. Alle waren sie gefallen. Im Kampf! Unter dem Kommando von Kapitän Piet Speigatt.
Aber die Braut hatte es überstanden.
Jedesmal.
Das Schiff hatte sie alle geschlagen.
Unmengen Galeeren, eine größer als die andere.
Und das riesige französische Schiff gut ein Drittel länger als die Braut. Auch die hatten sie zum Teufel geschickt. Mit einem riesigen Knall.
Er hatte es gesehen, von Bord eines der Nordmännerschiffe. Er war dort nicht an Bord gewesen, Hein hatte ihn wieder weggeschickt. Dabei wäre er so gern dabeigwesen. Als der Franzmann in die Luft geflogen ist.
Kapau!
Wumms!
Und vorbei war es.
Ha!
Legt euch halt nicht mit der Braut an ihr Franzmänner.
Besser ist das.
"Ruder zwei Strich steuerbord!"
Wohin es wohl diesmal ging?
Welche Abenteuer wohl diesmal auf sie warteten?
Und diesmal war er dabei. Diesmal hatte Hein ihn nicht weggeschickt können, diesmal würde er es alles selbst erleben. Mit eigenen Augen sehen und riechen und hören. Das Getöse der Bombarden, das Klirren der Bolger, und das Schreien der Verwundeten. Er war mittendrin und dabei.
Endlich!

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Eiskalte Hagelschauer prasselten ans Fenster. Kurz nach Sonnenuntergang hatte der Wind aufgefrischt und die ersten Graupelschauer fielen vom Himmel. Die Braut bewegte sich immer stärker in der Dünung, die noch im Hafenbecken ankam und rieb sich an den Fendern.
Hein van Fleet bemerkte diese Veränderung der Lage des Schiffes wie er auch die Wetteränderung registrierte. Jedoch ohne den Blick von den Karten auf dem großen Kartentisch zu heben. Auf einer dieser Karten war ein Dorf oder eine Stadt an einer Flußmündung zu sehen. Hein hatte kurze Pfeile auf diese Karte eingetragen mit vielen kleinen Notizen daran. Daneben lagen lange Listen und kurze Notizzettel in einer wilden Unordnung -oder vielleicht in einer Ordnung,die nur Hein verstand.
Es klopfte.
Nur ein brummiges Murmeln ließ erkennen, dass Hein verstanden hatte, dass jemand Zutritt zum Kartenraum der Braut erbat.
Die Tür öffnete sich und Xiana steckte ihren hübschen Kopf in den Kartenraum.
"Hein? Darf ich stören?" fragte sie grinsend.
"Klar, was gibt es denn?" bummelte Hein zurück.
"Eine Nachricht von Hagen von Treist." Sie reichte ihm eine kurze Notiz.
Hein las sie sorgfältig.
"Ist es was wichtiges?"
"Hm..." murmelte er und kratzte sich am Bart. Er warf einen kurzen Blick auf die Gezeitentabelle von Perlhafen, maß kurz die Windrichtung über die Bewegung des Schiffes und wühlte eine Karte von Norddanglar aus seinem auf dem Tisch liegenden Haufen.
"Hm..." brummte er wieder. Mit einem Zirkel huschte er vom Landesinneren in Richtung Norden und dann von Perlhafen in Richtung Nordwesten.
"Hm..." brummte er ein drittes Mal.
Xiana schaute immer noch nur mit dem Kopf in den Kartenraum.
Hein warf die Notiz von Hagan auf den Kartentisch.
"Lass die Schiffswache antreten. Der Befehl heißt alle Mann an Bord. Lass sie in Gruppen zu viert die Kaschemmen durchstöbern und alles an Bord holen. Egal ob sie laufen können oder nicht. Du selbst gehst mit sechs Mann in die "Rote Latüchte". Da dürfte Piet und Jocke sein. Schlepp sie an Bord. In sechs Glasen werden wir ablegen müssen. Ich kümmer mich um den Frischproviant und das Material, das noch fehlt. Wer immer nach sechs Glasen noch an Land ist, wird es für eine Weile bleiben müssen."
"Was ist denn los?" fragte die junge Frau. "Werden wir angegriffen?"
"Nein, ..." Hein grinste. "eher das Gegenteil."
Der Kopf von Xiana verschwand. Hein schaute noch einmal kurz über die Karten. Dann stapfte er aus dem Kartenraum, um sechs Schweine, zwei Dutzend Hühner und Unmengen an Gemüse vom Händler zu holen. Der würde sich über den nächtlichen Besuch sicher freuen.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

"Die Zwiebeln und den Knoblauch in den achteren Verschlag!"
Heins Stimme hallte über das Deck.
"Den Kohl, Wirsing und die Karotten in die Backbordkammer, die Erbsen, Linsen und Bohnen in die auf steuerbord."
Ein Dutzend Hühner, die von einem der Haukes kopfüber an einem Stock transportiert wurden, machten lauthals ihrem Unmut Luft. Aus dem Frachtraum drang ein wildes Gequike herauf.
"Die Fäßer mit dem Mehl und dem Zwieback in der Back verstauen. Und zurrt sie ordentlich fest."
Von den Männern und Frauen, die ihre Ladungen verstauten kam nur ein müdes Brummen. Es war kurz vor Zwölf und eigentlich hatten sie jetzt schon besoffen unter einem Tresen liegen wollen oder unter einer netten Hübschlerin.
"Passt auf die Bierfässer ...." Hein brach unversehens ab.
Das was er da sah, wollte er nicht glauben.
Xiana war mit ihrem Trupp aufgetaucht und zwischen ihnen hochaufgerichtet und nichteinmal von ihren Nebenmännern gestützt Jocke van Helgen und Piet Speigatt. Kaum betrunken und weder verbeult noch gar bewußtlos.
Hein blieb der Mund einen Augenblick offen stehen.
Gemessenen Schrittes marschierte die Gruppe an Bord und in ihre Quartiere. Nur Xiana stapfte rauf zum Achterdeck.
Sie grinste breit.
"Was war das denn? Das gabs ja noch nie. Piet Speigatt nüchtern vom Landgang zurück. Ist er Mönch geworden?" Heins Erstaunen war echt.
"Ne, ne, das hat alles seine Richtigkeit, aber den beiden kocht die Galle. Die waren tatsächlich in der "Roten Latüchte". Aber da hausten eine Gruppe von Söldnern und Landsknechten. Die hatten das ganze Lokal und auch alle Mädels für zwei Wochen gebucht. Und soffen wie die Kesselflicker. Die wollten den beiden keinen Schnapps und auch keine von den Mädeln abgeben. Die müssen wohl vor kurzem richtig zu Geld gekommen sein und verprassen jetzt alles in der Latüchte. Als ich kam, wollte Piet gerade zumindest die Zahnlücken-Anni - du weisst schon, die mit den Krabbeltierchen - für eine Glasen auslösen. Er war schon bei zwei Silber und einem Kupfer. Nicht einmal zu Trinken hatten sie was. Ich glaub die waren sogar froh, dass sie Anni dann vergessen konnten. Zumindest Jocke sah erleichtert aus." Xiana Grinsen wurde immer breiter.
Hein schmunzelte.
"Naja, dann müssen die beiden zumindest nicht wieder von Frauke gepudert werden. Ich weiß noch, wie die das letzte Mal gejammert haben."
Gerade wurden zehn Sack Rüben an Bord gebracht. Und das Grinsen vom Hein erfror.
Naja, dachte er bei sich, zumindest Pöpke wird sich freuen.
Und der volle Mond näherte sich dem Zenit.

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Xiana war froh das zumindest der Joche nicht zum zechen gekommen war. Wer weis was er sonst mal wieder angestellt hätte.
Müde schaute sie sich das treiben auf der Braut an.
Es war wieder so weit.
Lange hatten sie an Land ausharren müssen.
Vielleicht waren sie sogar schon auf dem Weg um diesen aufgeblasenen Corneille in den Arsch zu treten.
Sie hatte vor sich von seiner Besatzung und, wenn es klappte, von Corneille selbst einige Informationen zu holen.
Das was sie von ihrem neuen Mannschaftsmitglied erfahren hatte war zwar nicht schlecht, reichte aber in keiner Weise.
"Wohin geht die reise denn?", fragte Xiana an Hein gerichtet wärend sie ein paar junge Burschen zur Ordnung rief.
Lange hatte sie auf die Gelegenheit gewartet. Dieser Hundesohn hat die Scwarze Wittwe nicht umsonst versenkt. Er würde für diese Tat bitter büßen müssen.
Piet Und Jocke kamen zu ihnen. Man merkte ihnen die Spannung an die sie empfanden. Die beiden hatten gerne ihre zeit in den Spelunken verbracht und konnten sich zum Teil richtig austoben.
Doch man merkte das sie sich wieder nach den schwankenden Planken sehnten.
Genau wie sie.


Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Das Blatt hatte sich bereits braun gefärbt und mit seinen Brüdern bildete es den kräftig roten Ton seiner heimatlichen Buche. Der Herbst war zweifellos und unaufhaltsam über Danglar hereingebrochen. In den letzten Tagen hatte manch Regenschauer dem Blatt zugesetzt und nun, als der kalte Wind seinen Weg aus dem Norden-Westen hinab gefunden hatte und entlang der Küste Danglars erneut nach Nord-Osten drehte, da gab das Blatt nach, löste sich und wurde mit Kraft empor gehoben. Die eisige Briese trug es weiter, über schäumende Dünung und endlose Wogen wirbelte es oft mit aller Kraft um die eigene Achse, ließ es dann und wann etwas sinken, um es mit noch mehr Kraft erneut hinauf zu schnellen. Alsbald eilte das braune Blatt zwischen Fetzen eilenden Meeresschaums dahin und über blankgeschliffene Sandbänke hinweg, wich geschickt den wankenden und mit Reisig gekrönten Pricken im Flachwasser aus und eilte auf ein in das Wasser ragende Gestell aus Holz zu. Eine Bö wirbelte es über Kisten und Stoffballen hinweg und durch zwei nach unten greifende Arme hindurch. Das braune Blatt schnellte die feuchten Planken des Stegs entlang, tänzelte über den Strand, wurde an der Dünenkante empor gerissen und verfing sich klatschend in einem zotteligen Gestrüpp...


Normanshavn südlich der Skanseborg, der Nordmann-Schanze auf Runkel:

Hásteinn, ein stämminger Draengr aus Vestirgard, fuhr sich erschrocken ins Gesicht und fischte sich ein nasses Buchenblatt aus dem Bart. Brummig bestaunte er es einen Augenblick, bis er es zerknüllte und hinter sich warf. Dann wandte er sich wieder seinem Nebenmann zu, mit dem er Posten auf dieser Seite des Hafens bezogen hatte. Ófnir und er blickten auf die Busse hinunter, die an dem Steg festgemacht hatte und nun ausgeladen wurde. „Tydligen den Trana är tillbaka. Jag tror, jarlen det vill veta.“ sagte Hásteinn, doch Ófnir zuckte nur mit den Schultern. Er deutete mit der Hand auf einen Mann, der den Pfad hinauf eilte, welcher zur Skanseborg führte. „Men han har bråttom.” meinte Ófnir staundend „Dålig nyheter?“


Die Skanseborg, der Nordmann-Schanze auf Runkel:

Die Havahål der Skanseborg war an diesem Nachmittag gut mit jenen Nordmannen gefüllt, die sich auf Runkel vom Dienst in Perlhafen erholten und welche die Gemeinschaft sowie etwas Unterhaltung suchten. Lachen und Gesang erfüllte Halle, in der ein großes Feuer prasselte, über dem ein Schwein für den Abend zubereitet wurde. Das Klackern von Würfeln und Anfeuerungsrufe bei Wettkämpfen erfüllten neben dem bunt gemischten Gerüchen von frisch gebratenem Schwein, Ale, Wein und Kräutern die Luft. Manch einer hatte auch ein kleines Instrument, eine Flöte aus Bein zum Beispiel, mit auf die Reise genommen, andere verstanden sich auf Sagas und waren lebhafte Erzähler.

Doch all das gelassene Feiern spiegelte sich nicht auf dem Gesicht Hrocs Earricsons wieder, als er das Pergament in seiner Hand durchlaß. Eher beiläufig winkte er Frostan, den Überbringer dieser Nachricht, an die Tafel und wies an, ihm Essen und Getränke zu bringen. Als er endete, wandte er sich sofort an den Boten. „Und es ist nicht bekannt, wer hinter den Angriffen steckt?“ Frostan schüttelte den Kopf. „Trotz überschaubarer Zahl sind sie schnell und stark aufgetreten, so daß den Hirten nur die rasche Flucht blieb. Einar hat ihnen eine Falle gestellt, doch sie sind daraus entkommen. Sie sind kampferprobt und nicht leicht zu täuschen. Zudem tragen sie nichts, was auf ihre Herkunft hinweisen könnte. Ihre Schilde sind ungefärbt…“ er hob vielsagend die Schultern und Hroc nickte. „Einar hat recht, es sind wohl Sticheleien. Ich wüßte sonst nichts, was dies bewirken soll. Anscheinend wollen sie die Huscarle aus Husgard hervorlocken. Ein Glück, daß dies bislang nicht gelungen ist.“

Der Hersir der Nordmänner auf Runkel führte einen Becher mit Wein an seinen Mund und verzog diesen, als sei der Wein bitter geworden. „Von meinem Bruder gibt es noch immer keine Spur?“ Frostan schüttelte den Kopf. „Wir hatten auch nicht viel Möglichkeit nach ihm zu suchen. Wo sollten wir anfangen? Die Jäger haben jedenfalls den Wald und die Berge abgesucht, als sie den Plünderern nachstellten. Zumindest dort haben sie noch nichts gefunden.“ Er blickte Hroc an. „Willst Du nach Hause segeln?“

Hroc prustete und schüttelte den Kopf. „Es ist die Zeit der Höststorme. Niemand segelt im Winter freiwillig mit einer Flotte ins Nordmeer. Nein, ich werde die Männer nicht gefährden. In den Armen der Ran helfen sie niemandem.“ Er schüttelte den Kopf und knirschte mit den Zähnen. „Ich werde Fearn zurückhalten müssen, wenn er davon erfährt.“ Er stellte den Becher wieder ab. „Wir warten hier auf die Ameländer, denn ich habe ihren Hersir Hein hierhin eingeladen und wir warten auf Thjálmi, Bjarne und Tyyni. Sie waren auf dem Festland und sind wohlmöglich mitten in ein Wespennest getreten. Sie wollten in ein Gebiet, in dem der Feind vor ein paar Tagen fast durchgebrochen wäre. Ich hoffe, ihnen ist nichts geschehen.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Nein, wir sind verdammt zu warten...“

Aus der Menge traten nun Jálfur Langaxt Aldurson und der schwarzbärtige Brynjar an die Tafel heran. Sie trugen frisch gefüllte Krüge mit schäumenden Bier und stellten auf dem Tische ab. Ein kurzer Blick Jálfurs erfaßte die Lage. „Probleme?“ fragte er kurz und erhielt das Schreiben von Hroc herübergereicht. Er grunzte kurz als er zu lesen begann. „Nun, mein Albionisch ist nicht das Beste, aber vielleicht solltest Du solch persönliche Zeilen lieber selbst...“ er stutzte und laß weiter. „Oha, ja, ja...“ Sein Blick folgte den geschwungenen Lettern einer Frauenhand interessiert und sein Blick verdüsterte sich. Dann gab er das Pergament an Hroc zurück und er maß seinen Hersir mit abschätzenden Blick. „Ich nehme an, wir eilen nicht direkt nach Hause?“ fragte er ganz offen.

Hroc hob eine Augenbraue, was als Antwort durchaus gereicht hätte. „Nein, wir werden einen weiteren Winter auf Runkel bleiben. Für einen Aufbruch ist es bereits zu spät, wir haben schon Nebelung, den Windmond. Wir würden die gesamte Flotte gefährden, würden wir jetzt gen Nordmeer in See stechen.“ Grübelnd fuhr Hroc sich über das Kinn. „Wir erwarten Gäste. Der ameländer Hersir wird bald hier eintreffen und er tut dies sicherlich nicht uneigennützig. Wir werden gewiß noch einmal Arbeit finden, bevor wir gen Heimat aufbrechen.“ Dann lehnte er sich zu Jálfur und Brynjar hinüber. „Habt Ihr Erfolg gehabt? Gibt es Männer mit Interesse?“ fragte er fast schon verschwörerisch, auf das Jálfur und Brynjar grinsen mußten. „Ich denke, ja. Die Skanseborg ist auch zu reizvoll, um sie anderen zu überlassen, nicht wahr?“ Die Männer schauten sich an und lachten...

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Kalte Schauer peitschten über die dunkle See. Von Südwesten drückte der Wind immer wieder düstere Wolken über den Harästuar. Dann und wann wurden von dem starken Südwester die Wolken aufgerissen und der volle Mond lugte hervor. Die unruhige See brach das fahle Licht der runden Scheibe in einen wilden Tanz von glitzerndem Flackern. Ein Schiff brach die unruhige See auf und teilte das Flackern als der schlanke Rumpf gen Norden hielt. Die beiden Masten des Schiffes waren voll getakelt und das Schiff kränkte ein gutes Stück nach Lee.
"Ein Reff in die Großmars! Ein weiterer Reff in die Fockmars!"
Tief senkte sich der schlanke Bug des kleinen Schiffes in die nächste See.
"Freiwache an Deck!"
Hein van Fleet brüllte gegen die raue See an.
Viele Hände und Füße folgten seinen Anweisungen. Gut zwanzig der Seeleute enterten die Mars und schwangen sich trotz Wind und Wetter und der rauen See auf die Rahen der beiden Masten.
Aus den Luken und Niedergängen erschienen weitere Seeleute.
"Freiwache nach Luv!"
Gut und gerne 50 Seeleute wandten sich nach backbord und lehnten sich über das Schanzkleid, teilweise hingen sie an den Wanten und reckten ihre Körper in den Wind.
"Treib sie nicht so, Hein. Der Wind ist stark und die Braut ist gerade erst wieder seetüchtig." Jocke van Helgen hatte Mühe den Kurs nach Norden zu halten und Hein half ihm mit ganzem Körpereinsatz die Ruderpinne in die richtige Position zu drücken.
Xiana stapfte sich mit beiden Händen festhaltend den Niedergang zum Achterdeck herauf.
"Die Freiwache ist an Deck!" brüllte sie den beiden zu.
"Wo ist Piet?" Hein hatte weniger Mühe die See zu übertönen.
"Der ist am Bug und logt. So munter hab ich ihn in der letzten Zeit selten gesehen." antwortete Xiana gegen die See.
"Wo geht es eigentlich hin? Warum treiben wir die Braut so?"
"Das würde ich auch gern wissen? Warum die Eile mitten in der Nacht, als wenn wir den Klabauter jagen würden?" warf Jocke in die Runde.
Hein schaute die beiden mit einem leichten Grinsen an.
"Corven von Herodin, quasi einer der vier wichtigsten Fürsten von Danglar, einer der wichtigsten Schergen des Kharad..." Hein machte eine genüssliche Pause und sein Grinsen wurde so breit wie schon lange nicht mehr. "...Corven von Herodin, hat die Beine in die Hand genommen und will sich absetzen. Mit einem kleinen Schiff gen Mittellande. Weglaufen übers Meer, und wir sollen den guten Corven einfangen und der Gerechtigkeit übergeben. Als Auftrag vom Falghaten."
Das Grinsen vom Hein steckte die beiden anderen an.
"Weglaufen über die See, und wir liegen in Perlhafen." kicherte Jocke van Helgen, der Steuermann der Schwarzen Braut.
"Was für ein Trottel!"

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Das ist mal was anderes, dachte sich die junge Freibeuterin.
Nicht ganz das was sie sich erhofft hatte, aber es würde eine schöne Abwechslung sein.
Soweit konnte er ja nicht gekommen sein.
Wenn alles glatt ging würde es ein relatiev kurzes Vergnügen werden.
Aber egal.
Die Männer würden sich mal wieder austoben können und die Braut würde samt Mannschaft noch etwas mehr in der Achtung steigen und wieder eine gute Tat für Danglar und den Falgathen mehr verseichnen können.
Natürlich freute sie sich auch. Endlich mal wieder auf dem Meer zu sein und die gewohnten Aufgaben durchführen.
Man gewöhnte sich zwar an den langen Aufenthalt an Land, aber es gibt einfach nichts schöneres als auf den Meeren umher zu segeln.
Heins gebrüllte Befehle rissen sie aus ihren Gedanken.
Sie schaute sich das Treiben an Deck an und was vollauf zufrieden.
Die vielen neuen an bord hatten sich gut eingearbeitet und beherschten die Handgriffe im Schlaf.
"Weißt du wo sich die Ratte aufhält und wann wir sie ungefähr eingeholt haben werden?, fragte sie den immer noch, leicht grinsenden Hein.


Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Wieder spritzte die Gischt eines Brechers über das Achterdeck. Die drei auf dem Achterdeck mußten sich gut festhalten.
"Der Bursche soll vor zwei Tagen entweder schon von Scherburg losgefahren sein oder er ist erst vor zwei Tagen in Richtung Scherburg aufgebrochen. Das ist wohl noch nicht klargewesen."
Hein wischte sich das Salzwasser aus dem Gesicht.
"Doch was immer er auch tut, er wird das Land in Richtung Mittellande verlassen. Und dann muß er durch die Tiranaische Meerenge. In Trigandon oder beim Herrn Algonkin ist er immer noch in unserer oder in der Reichweite der Khardin. Dort wird er kein Asyl suchen. Ich habe gehört, dass Corven von Herodin gern französischen Wein trinken soll."
Xiana kicherte.
"Wie auch immer,..." gluckste Hein.
"er wird die Tiranaische See verlassen müssen und das wird er durch die Tiranaische Meerenge tun. Und dort werden wir auf ihn warten."
Hein grinste böse.
"Dort werden wir warten."

Re: Im Auftrag des Falgathen IV

Langsam klarte es auf. Die Morgendämmerung brachte besseres Wetter, wenn auch der Wind noch immer sehr stark blies und der Wellengang sich eher erhöhte. Besseres Wetter. Naja, zumindest regnete es nur noch strichweise und man konnte weiter sehen. Einige Möwen ließen sich vom Wind durch die Luft jagen und freuten sich offensichtlich ihres möwischen Lebens. Ein etwas übernächtigter Jocke stand neben einem frierenden Hein an der Ruderpinne.
"Langsam kommen wir aus der Trichtermündung heraus, bald sind wir auf der offenen See." Jocke gähnte herzhaft.
"Ja, das Kapfeuer müßte bald an luv zu sehen sein." Hein kratzte sich an seinem grauer werdenden Bart.
"Fedder und Frieder zu Ismael in die Mars. Haltet die Augen offen und nehmt einen Kiker mit." brüllte Hein dann über das Deck. Jocke nutzte die Ablenkung um sich ausgiebig am Hintern zu kratzen und gähnte nochmals.
Pöpke stapfte mit zwei großen Bechern den Niedergang herauf. Ein würziger Dampf füllte die Luft, selbst gegen den Wind.
Jockes und Heins Gesicht hellte sich auf.
"Mit Grüßen von Helke, zwei Becher Grog." Die kleine Frau grinste die beiden fröhlich an.
Dankbar nahm Hein das heiße Getränk entgegen und schob seinen Südwester nach hinten. Genau das hatte er gebraucht.
Mit den Beinen die Bewegungen des Schiffes ausgleichend nahm er den Becher entgegen.
Jocke hatte den Becher schon am Hals und gab gluckernde Geräusche von sich.
Hein schlürfte genüßlich und der heiße Grog schien in ihm die Lebensgeister wieder zu wecken.
"Segel!" tönte es aus der Mars. "Segel, ein Strich backbord!"
Hein drückte den Becher wieder Pöpke in die Hand. Mit einem Handgriff hatte er den Kiker gezogen und ans Auge gesetzt. Im morgendlichen Dunst war nicht viel zu erkennen. Die hellen Lappen hoben sich noch nicht weit vom Horizont ab. Hein meinte zwei erkennen zu können. Sehr dicht beieinander. Lugger oder nein Lateinersegel. Hein setzte den Kiker ab.
"Alle Mann an Deck!" brüllte er sofort so laut, dass Pöpke das Gesicht verzog. "Alle Mann an Deck! Schiff klar zum Gefecht!"
Pöpkes Grinsen erstarb. Die Schiffglocke schlug Dauerton.
Auch Jockes Müdigkeit war wie weggeblasen.
Hein setzte den Kiker wieder ans Auge. Ja, jetzt war es sehr gut zu erkennen. Ein schlanker langer Rumpf, zwei Lateinersegel. Unverkennbar.
Eine Galeere.