Lasst euch überraschen.... Ian und Vicky toben sich aus.....
Gibbs
"Jethro, wie lange baust du schon an dem Boot?" Der grauhaarige Chefermittler schmunzelte. "Schon sehr lange." "Wie lange?" Der kleine Junge hockte im Schneidersitz auf der Werkbank und schniefte. "Länger, als du auf der Welt bist. Hier, putz dir mal die Nase!" Jeden Widerspruch im Keim erstickend reichte der Silbefuchs seinem jungen Gast ein Taschentuch, ehe er weitersprach. "Sechs Jahre arbeite ich sicherlich schon daran. Du bist jetzt sechs, nicht wahr?" "Ich bin fast sieben!" krähte der Kleine und nieste kräftig, ehe er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wurde. Besorgt stand Gibbs auf und ging zu seinem Gast herüber. "Hey, Kenny, das hört sich aber gar nicht gut an. Hier im Keller ist es auch viel zu kalt für dich. Komm, wir gehen nach oben, dann kannst du dich in ein paar Decken kuscheln." "Oben ist es aber langweilig!" protestierte der Sechsjährige halbherzig. Doch er wehrte sich nicht, als Jethro ihn behutsam auf den Arm nahm und nach oben trug. Der Grauhaarige erschrak, als die Hitze spürte, die von dem kleinen Körper ausging. Kenny hatte schon gestern abend etwas angeschlagen gewirkt, aber Jethro hatte es auf die Müdigkeit und den nassen Regentag am Hafen geschoben. Verflixt, offensichtlich hatte der Kleine sich tatsächlich erkältet! Der Ermittler machte sich heftige Vorwürfe, nicht besser aufgepasst zu haben, doch dafür war es nun zu spät. Er trug den Jungen ins Wohnzimmer und breitete eine Decke über ihn. "So, alter Freund, jetzt machen wir es uns gemütlich," schlug er vor, während er alle verfügbaren Kissen um Kenny herum feststopfte. "Ich mache mir einen Kaffee, und du bekommst eine schöne, heiße Milch mit Honig. Ich glaube, die wird dir gut tun... hast du Halsschmerzen?" Kenny nickte. Seine Augen glänzten fiebrig, und seine Nase lief schon wieder kräftig. Schweigend zog Gibbs ein neues Taschentuch hervor, putzte seinem Schützling die Nase und forderte ihn auf, den Mund aufzumachen. Als er den geröteten und geschwollenen Rachen des Kindes sah, erschrak er noch mehr, doch er ließ sich nichts anmerken. "Ich bin gleich wieder da," erklärte er und eilte in die Küche. Heiße Honigmilch hatte gegen Kellys Halsschmerzen immer Wunder bewirkt, allerdings konnte Jethro sich nicht erinnern, dass Kellys Hals jemals so entzündet ausgesehen hatte. Andererseits war Kelly schon fast zwanzig Jahre lang tot, und er hatte kaum Erinnerungen daran, dass sie krank gewesen war. Als er mit der Milch ins Wohnzimmer zurückkehrte, war Kenny bereits tief und fest eingeschlafen. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, nahm der Ermittler das Kind erneut hoch und trug es ins Schlafzimmer, wo der Junge für die Dauer seines Besuchs ein Gästebett stehen hatte. Er blieb lange dort sitzen und betrachtete das fiebernde Kind, dem es sichtlich nicht gut ging. Verdammt, warum hatte er nicht besser aufgepasst?! Ihm selbst machte Dauerregen nichts aus, aber Kenny war ein Kind! Wie hatte er das nur vergessen können?! Das hier sah wirklich nicht gut aus!!
Gleichzeitig kam Gibbs ein Gedanke. Eigentlich hatte er seine Kaffeeschulden bei Ian McNamara erst nächtste Woche einlösen wollen, aber der junge Arzt konnte genauso gut auch heute schon vorbei kommen. Immerhin hatte er Urlaub, wie Jethro aus zuverlässiger Quelle wusste. Kurzerhand zog er sein Handy aus der Tasche, trat vor die Schlafzimmertür und wählte Ians Nummer.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Das schrille Geräusch, das an seine Ohren drang, war eindeutig nicht der Wecker. Gut. Weniger gut war, dass es nicht aufhörte und hartnäckig weiterklingelte. Noch nicht ganz wach, aber schon zu sehr aus dem Schlaf gerissen, um das Geräusch noch weiter ignorieren zu können, tastete Ian nach dem Störenfried. Endlich brachte er das Mobiltelefon zum Schweigen. "McNamara.", meldete er sich müde. Für einen Augenblick herrschte Stille in der Leitung, dann erklang die Stimme des grauhaarigen NCIS-Ermittlers. Noch zu verschlafen, um die Worte sofort zu erfassen, verstand Ian erst einmal nur Kaffee. Bis er mitbekam, dass Gibbs tatsächlich von Kaffee sprach. Oder eher, von Kaffeeschulden. "Was?" Irritiert schüttelte Ian den Schlaf und die Bettdecke ab und setzte sich auf. "Okay, ich bin wach.", seufzte er. "Und jetzt bitte nochmal von vorn, Gibbs." Ian hatte den Agent als einen Menschen kennen gelernt, der keine Zeit mit unnötigen Worten verschwendete, eher wenig als zuviel redete und sich stets kurz und präzise fasste. So war es auch dieses Mal, trotzdem verstand Ian mit jedem Wort weniger, was Gibbs eigentlich von ihm wollte. Einlösen der Kaffeeschulden, ja okay. Das war noch klar, auch wenn Ian nicht verstand, warum ausgerechnet an seinem ersten Urlaubstag. Aber dass er seine Tasche mitbringen sollte? Doch bevor er dazu kam, nach dem Warum zu fragen, hatte Gibbs bereits aufgelegt. Grußlos wie immer. Auch das war typisch für den meist knurrig wirkenden Agenten. Dennoch... Etwas in Gibbs' Stimme drängte ihn, der Aufforderung lieber früher als später nachzukommen. Nicht wirklich hastig, aber dennoch ohne überflüssiges Herumtrödeln stand Ian auf und zog sich an. Im Bad verzichtete er auf eine Rasur und putzte sich nur rasch die Zähne, ehe er seine im Flur bereit stehende Arzttasche schnappte und mit dem Mantel im Arm die Wohnung verließ. Am Auto angekommen, stellte er die Tasche am Beifahrersitz ab und schlüpfte fröstelnd in den Mantel. Während er die buntgefärbten Boten des Herbstes von der Frontscheibe zupfte, ließ er in Gedanken das kurze Telefonat Revue passieren. Gibbs hatte irgendwie seltsam geklungen. Es war nichts, worauf er den Finger hätte legen können, doch allmählich begann er, sich Sorgen zu machen. War der Ermittler am Schluss selbst verletzt? Im nächsten Moment schüttelte Ian unbewusst den Kopf. Wenn dem so war, dann war er mit Sicherheit der Letzte, den Gibbs anrief - sie waren schließlich schon oft genug aneinander geraten, weil ihre Meinungen über Relevanz oder Irrelevanz von Verletzungen weit auseinander klafften. Seufzend setzte Ian sich ans Steuer. Was es auch war, weswegen Gibbs ihn mitsamt seiner Arzttasche zu sich beorderte - er würde es in Kürze wissen. Und zumindest bestand dabei die Aussicht auf einen Kaffee, der die Bezeichnung auch tatsächlich verdient hatte.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis der Ermittler den Wagen McNamaras vor dem Haus halten hörte. Er stand auf, ging nach oben und stellte fest, dass Kenny noch immer fest schlief - allerdings nicht besonders gut. Das Fieber war nicht gesunken, und der Kleine schwitzte stark. Gibbs warf einen letzten sorgenvollen Blick auf das Kind und schloss leise die Schlafzimmertür. Als er die Treppe erreichte, hörte er bereits Ians fragendes "Jethro?" am Eingang zum Keller - der Arzt war inzwischen oft genug hier gewesen, um zu wissen, dass die Klingel ohnehin nicht funktionierte.
Der Grauhaarige genoss es, den jungen Mediziner herumfahren zu sehen, als er aus der entgegen gesetzten Richtung antwortete. "Ich bin hier, Ian." Ohne weiteres Vorgeplänkel schob er seinen Gast ins Wohnzimmer, ehe er Tassen mit frischem, dampfendem Kaffee aus der Küche holte. Ihm entging nicht, dass der Mediziner ihn prüfend musterte und nach Anzeichen für Verletzungen oder Krankheiten Ausschau hielt. "Geben Sie sich keine Mühe, Ian... ich bin nicht krank, und davon können nicht einmal Sie mich abbringen," grinste er.
"Erwischt!" gab McNamara zu. "Guter Kaffee." "Ich weiß," antwortete Gibbs ruhig. "Aber warum..." "... Sie Ihre Tasche mitbringen sollten?" vollendete der Grauhaarige die Frage, die dem jungen Arzt auf der Zunge lag. "Es geht nicht um mich. Ich möchte gerne, dass Sie mal einen Blick auf einen kleinen Jungen werfen, er ist ziemlich erkältet und hat Fieber. Die Sache gefällt mir nicht." Die Sorge des Ermittlers war nicht zu übersehen, doch Ians Neugier war stärker. "Ein Kind? Wie sind Sie denn zu einem Kind gekommen?" platzte es aus ihm heraus. Über das Gesicht des Agenten lief ein winziger Schatten, der dem Mediziner nicht entging. Doch ehe er etwas dazu sagen konnte, war der übliche, undurchdringliche Ausdruck bereits wieder zurückgekehrt. "Als Mediziner sollten Sie doch nun wirklich wissen, wie so was geht, oder?!" zog Gibbs seinen Besucher auf. Anschließend wurde er rasch wieder ernst. "Kenny ist der Sohn eines guten Freundes von mir. Ich habe Matt vor Ewigkeiten im Corps kennen gelernt, eine der wenigen Freundschaften, die auch darüber hinaus erhalten geblieben ist. Er ist ein hervorragender Marine, der seit dem Tod seiner Frau vor einem Jahr dauerhaft in Quantico stationiert ist. Es ist für beide nicht ganz einfach, aber Kenny und er kommen inzwischen ganz gut klar. Letzte Woche wurde Commander Mattingly allerdings kurzfristig in den Irak beordert, weil es mit seiner Einheit Probleme gab. Und da ich im Moment ohnehin Urlaub habe, haben Kenny und ich beschlossen, uns hier ein paar schöne Tage zu machen." Ian nickte, während er einen weiteren Schluck Kaffee trank. "Wie alt ist Kenny?" Jethro ließ das heiße Getränk ebenfalls durch seinen Kehle rinnen. "Er wird in zwei Monaten sieben. Und bevor Sie fragen: nein, er übernachtet nicht in meinem Keller!" Der Agent biss sich auf die Lippen, weil ihm gerade bewusst wurde, dass er sich gegen eine Anschuldigung verteidigte, die Ian nicht einmal geäußert hatte. Verdammt! Wenn er sich nur nicht so viele Vorwürfe machen würde! Matts Stimme klang geradezu höhnisch in seinen Ohren, als er Ken abgeholt hatte. "Ich glaube, du bist der einzige Junggeselle in ganz Washington, dem ich beruhigt mein Kind anvertrauen würde." So viel also zu dem Thema.... Er fuhr hoch, als ihm auffiel, dass Ian gerade eine Frage gestellt hatte. "Was?" Ian grinste breit und stellte die leere Tasse auf den Tisch. "Dann sollten wir den Kleinen wohl nicht mehr allzu lange warten lassen, meinen Sie nicht, Jethro? Ich bin noch mal eben für kleine Jungs, aber dann kann es losgehen." Gibbs nickte. "Ich gehe schon mal hoch und bereite ihn schonend darauf vor, dass der Onkel Doktor zu Besuch kommt..."
Als Gibbs das Schlafzimmer betrat, schlug Kenny gerade die Augen auf. "Hallo, Ken," begrüßte Jethro ihn leise. "Wie geht es dir, hm?" Er setzte sich zu dem Kind auf die Bettkante. "Blöd...." murmelte der Kleine, dessen Nase schon wieder bedrohlich verstoft war. "Mein Kopf tut weh und mein Hals und meine Nase... und mir ist soo heiß!" Mitfühlend zog der Ermittler seinen Schützling an sich. Tatsächlich glühte das Kind noch immer, und er hoffte, dass Ian etwas für Kenny tun konnte. "Gleich geht es dir bestimmt besser. Ich habe einen Freund von mir angerufen, der ist Arzt. Der guckt gleich mal nach dir, und der weiß bestimmt, wie er dir helfen kann." Die Augen des Kleinen weiteten sich vor Schreck. "Ein Arzt?!" fragte er entsetzt, bevor er mit einem Ruck unter der Bettdecke verschwand. Gibbs blickte einen Moment lang überrascht auf das Laken, ehe er seinen Kopf ebenfalls darunter steckte. "Hey, Ken, was ist los?" fragte er und versuchte, in der heißen Dunkelheit nicht zu ersticken. "Ich hab Angst!!" flüsterte Ken zurück. "wovor?" "Vor dem Arzt... Dad hat mich einmal zu einem Arzt gebracht, und der war ganz schrecklich gemein zu mir!" Die Tränen des Jungen waren in der Dunkelheit zwar nicht zu sehen, doch sein Schluchzen war unüberhörbar. Jethros scharfe Ohren nahmen außerdem war, dass Ian mittlerweile das Schlafzimmer betreten hatte, doch er verschwendete keinen Gedanken daran, was der Jüngere von ihm denken mochte. "Ian ist aber ein netter Arzt," flüsterte er zurück. "Er ist ganz bestimmt nicht gemein zu dir." "Wirklich nicht?" fragte Kenny verunsichert. "Ganz bestimmt nicht." "Er tut mir nicht weh?" "Das kann ich dir nicht versprechen. Manchmal müssen Ärzte Menschen wehtun, damit es ihnen nachher wieder besser geht. Aber ich verspreche dir, dass er ganz bestimmt nicht gemein zu dir sein wird." "Aber ich hab Angst, Jethro!" flüsterte der Kleine fast unhörbar. Jethro holte tief Luft, so gut das unter der Decke möglich war, und zog das Kind fest an sich. "Du must keine Angst haben, Kenny. Ich bin bei dir und passe auf, dass dir nicht passiert. Okay?" "Will der dich denn auch untersuchen?" kam die noch immer zögerliche Antwort. Gibbs musste ein Lachen unterdrücken - dazu war die Luft unter der Decke definitiv zu knapp. "Nein, ich bin ja nicht krank", gab er zurück. "Ich auch nicht!" behauptete Kenny schnell. "Das glaube ich dir nicht," erwiderte Gibbs entschieden. Angst hin oder her, es wurde Zeit, dieses Spiel zu beenden. "Ich glaub dir aber auch nicht, dass der nett ist!" Kenny stand noch immer kurz vor der Panik, und Jethro beschloss, Matt bei Gelegenheit zu fragen, was bei jenem verhängnisvollen Arztbesuch passiert war. Oder zumindest, warum er dort gewesen war. "Kenny, Angst ist etwas sehr nützliches," erklärte er schließlich. "Aber sich zu verstecken hilft einem nicht weiter. Wirf doch mal einen Blick nach draußen und guck dir Ian wenigstens mal an. Das tut nämlich garantiert nicht weh." Hin und hergerissen zwischen Angst und Neugier schob Kenny vorsichtig den Kopf nach draußen - um sofort wieder unter der Decke zu verschwinden. "Und, hast du ein Monster gesehen?" fragte Gibbs überrascht zurück. "Nein," keuchte Kenny atemlos. "Der Mann sieht nett aus. Aber der ist überhaupt kein Arzt!" "Wie kommst du darauf?" fragte Jethro verwirrt. "Der hat überhaupt keinen Kittel an! Und keine weißen Schuhe! Das kann gar kein Arzt sein, das ist bestimmt ein Betrüger!!" Die Bestimmtheit, mit der Kenny seine kindliche Logik vertrat, brachte den Ermittler nun endgültig zum Lachen. Gleichzeitig rutschte die Decke über ihm zurück und gab endgütlig den Blick auf ihn und das Kind frei, dass er noch immer fest im Arm hielt.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Verblüfft blieb Ian mit zum Klopfen erhobener Hand in der Tür stehen. Der Anblick, der sich ihm bot, war aber auch mehr als nur unerwartet: Der kranke Junge, von dem Gibbs gesprochen hatte, hatte sich offensichtlich unter der Bettdecke versteckt. Das war noch nicht so ungewöhnlich, Kinder in dem Alter reagierten nun mal selten begeistert auf die Ankündigung eines Besuchs vom Onkel Doktor. Aber auch den Ermittler selbst zur Hälfte von der Decke verborgen vorzufinden? Damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet. Ratlos ließ Ian die Hand sinken, als er nun auch noch ein leises Schluchzen hörte, dem noch leiseres Geflüster folgte. Sollte er sich bemerkbar machen? Unschlüssig blieb er stehen, und schließlich wurde ihm die Entscheidung abgenommen: Der Junge streckte für einen Augenblick seinen Kopf unter der Decke hervor und war in der nächsten Sekunde schon wieder darunter verschwunden. Überrascht blinzelte der Arzt, er hatte kaum mehr als dunkle, verwuschelte Haare erkennen können. Das Geflüster wurde lauter, doch immer noch war es unmöglich, auch nur ein Wort davon zu verstehen. Im nächsten Moment war das auch nicht mehr nötig, Gibbs lachte und gleichzeitig rutschte die Decke etwas herunter, um ihn und den Jungen in seinem Arm zu enthüllen. Der Arzt erfasste sofort das auffällig erhitzte und gerötete Gesicht, die fiebrig glänzenden Augen und die allgemein kränklich wirkende Erscheinung des Jungen. Und noch etwas fiel auf, nämlich die eindeutig ängstliche Körperhaltung. Nun gut, von einem knapp siebenjährigen Kind war das zu erwarten gewesen - wenn es ihn auch irritierte. Ian ließ sich davon jedoch nichts anmerken, stattdessen hob er die Hand zum Gruß und ließ sich gleichzeitig in die Hocke nieder, um sich so auf eine Ebene mit dem Jungen zu begeben. "Hi Kenny. Ich bin Ian. Ich hab gehört, dir geht's nicht gut?"
Re: Kinderkrankheiten
Kenny
Der Siebenjährige starrte den jungen Mann vor seinem Bett an und brachte kein Wort heraus. Die Tatsache, dass Jethros Gelächter ihn so abrupt aus seinem Versteck gerissen hatte, passte ihm gar nicht. Aber die starken Arme seines großen Freundes hielten ihn fest und sorgten dafür, dass er nicht gleich wieder abtauchen konnte. Gleichzeitig gaben sie ihm aber auch ein Gefühl enormer Sicherheit. Jethro würde schon auf ihn aufpassen, da war er sich sicher.
Schüchtern blickte er den schwarzhaarigen Mann an, der so gar nicht wie ein Arzt aussah. Er sah auf jeden Fall wesentlich freundlicher aus als Dr. Hopsted, zu dem sein Dad ihn gebracht hatte. Gleichzeitig bemerkte er, dass dieser Ian ihm schon die ganze Zeit freundlich die Hand entgegen streckte - und sein Dad hatte ihm beigebracht, dass es unhöflich war, so was zu ignorieren. Was sollte Jethro bloß von ihm denken? Hastig fasste er die Hand des Mannes und nuschelte "Hi, ich bin Kenny", ehe er seine Finger rasch wieder zurück zog und sich noch fester in Jethros Arm presste.
"Und, hat er dich gebissen?" kommentierte Jethro belustigt, dem der innere Kampf des Kleinen nicht entgangen war. "Nein," musste Kenny zugeben. "Aber er sieht immer noch nicht wie ein richtiger Arzt aus," flüsterte er anschließend in Richtung von Gibbs' Ohr. "Nun, wenn er nicht wie ein richtiger Arzt aussieht, ist er vielleicht gar nicht so schlimm wie ein richtiger Arzt. Hm, oder was denkst du? Mutig genug, es herauszufinden?" Kenny zögerte einen Moment, ehe er vorsichtig nickte. "Okay," erklärte er anschließend tapfer. Man konnte sehen, dass er seinen ganzen Mut zusammen nahm für dieses kleine Wort. "Super," lobte Gibbs. "Ich wusste doch, dass du ein echtes Marinekind bist. Komm mal her, ich helf dir, den Pulli auszuziehen. Dann kann Ian mal gucken, was mit dir los ist. Okay?" Kenny nickte. Während der Ermittler ihm half, sich auszuziehen, wisperte er noch einmal leise in sein Ohr. "Und du passt wirklich gut auf?!" Jethro strich ihm beruhigend über den nackten, fieberglühenden Rücken. "Ich passe auf. Versprochen." flüsterte er ebenso leise zurück. Kenny atmete noch einmal tief durch und straffte die Schultern. "So, es kann losgehen!" verkündete er todesmutig. Genau, wie sein Vater immer sagte, wenn er mit irgend etwas beginnen wollte. Und Kenny fühlte sich in diesem Moment verdammt erwachsen, immerhin war er ja kein kleines Kind mehr, sondern schon groß. Und nur kleine Kinder machten sich vor Angst in die Hose. Also musste er da jetzt durch, wenn er Jethro nicht enttäuschen wollte. Dass der grauhaarige Ermittler bei seinen Worten schmunzelte, bemerkte er nicht.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Innerlich atmete Ian auf, als die erste Hürde mit dem flüchtigen Händedruck genommen war. Im nächsten Moment hatte er allerdings Mühe, sich bei Gibbs' Kommentar ein Grinsen zu verkneifen. Was der Kleine dem Ermittler ins Ohr flüsterte, konnte er zwar nicht verstehen, doch auch hier war Gibbs' Antwort recht aufschlussreich und verlangte ihm erneut Selbstbeherrschung ab. Auch die zweite Hürde war schneller als erwartet überwunden und Kenny ließ sich von Jethro den Pullover ausziehen. Ian trat einen Schritt ans Bett heran und setzte sich mit etwas Abstand seitlich zu dem Jungen auf die Matratze. Seine Arzttasche stellte er am Boden ab, bewusst außerhalb des Blickfeldes von Kenny. Dessen Augen folgten der schwarzen Ledertasche, und als sie aus seiner Sicht verschwand, konnte er ein leises Aufatmen nicht verhindern. "Okay, Kenny.", redete Ian den Sechsjährigen sanft an, um die Aufmerksamkeit auf sich und von der Tasche abzulenken. "Dann wollen wir mal herausfinden, warum es dir nicht gut geht, einverstanden?" Das Nicken kam nur zaghaft. Ian ließ unauffällig den Verschluss seiner Tasche aufschnappen. "Gut, ich brauche aber ein bisschen Hilfe dabei." Kenny sah ihn skeptisch an. "Von wem?", fragte er, ehe er sich daran erinnerte, dass er ja eigentlich Angst vor dem Mann hatte, der so gar nicht wie ein Doktor aussah. Vielleicht hatte Jethro ja Recht und nur die Doktoren mit weißem Kittel und weißen Schuhen waren schlimm? Ian schmunzelte. "Von dir, aber du brauchst nichts machen. Nur sagen, ob dir etwas weh tut und wenn ja, wo es weh tut." Kenny überlegte einen Moment. Das hörte sich nicht schlimm an. Er kuschelte sich zur Sicherheit aber trotzdem noch etwas näher an Jethro, bevor er noch einmal tief durchatmete und dann von seinem Hals- und Kopfweh erzählte. Ian nickte. "Okay. Dann werde ich mir jetzt mal deinen Hals genauer angucken, in Ordnung?" Er griff nach der kleinen Stabtaschenlampe, die ganz oben in der Tasche verstaut war und zeigte sie Kenny. "Damit leuchte ich in deinen Mund rein. Du brauchst nicht mehr tun, als den Mund aufzumachen, damit ich rein schauen kann." Kenny schluckte, presste unbewusst die Lippen fest aufeinander. Etwas ratlos sah Ian zu Gibbs, der den Jungen kurz an sich drückte und ihm ins Ohr flüsterte: "Das tut nicht weh, Kenny." Zögernd öffnete Kenny den Mund. "Und jetzt bitte einmal kräftig "Aaaaaah" sagen.", bat Ian, die bereits leuchtende Lampe parat haltend. Ein nicht wirklich kräftiges, aber immerhin hörbares "Aaaah" später hatte Ian ein weiteres Puzzleteilchen für die Diagnose. "Dein Hals ist entzündet, deshalb tut er weh.", erklärte er und legte die Lampe beiseite. "Als nächstes möchte ich deinen Hals abtasten, so." Ian demonstrierte den tastenden Griff an sich selbst. "Das kann vielleicht ein bisschen weh tun, aber ich verspreche dir, dass ich vorsichtig bin und auch sofort aufhöre, wenn es so ist, okay?" Dieses Mal dauerte es schon länger, bis Kenny sich zu einem zögerliches Nicken entschließen konnte.
Überrascht stellte er fest, dass der Mann sein Wort hielt und wirklich sofort wieder aufhörte, als es weh tat. Dabei war er nur ganz leicht zusammengezuckt! "Wars das jetzt?", fragte er trotzdem hoffnungsvoll. "Noch nicht ganz, Großer. Ich möchte mir noch dein Herz und deine Lunge anhören." Kenny verzog enttäuscht das Gesicht. "Wie denn? Und warum überhaupt?" Ian nahm das Stethoskop aus der Tasche und reichte es dem Jungen schmunzelnd. "Damit. Das ist ein Stethoskop. Guck, die Stöpsel da kommen in die Ohren und die flache Scheibe am unteren Ende nennt man eine Membran. Wenn ich die auf deinen Rücken lege und du tief ein und ausatmest, kann ich deine Lunge und dein Herz abhören. Willst du's vorher selbst mal ausprobieren?", lenkte er geschickt von der Frage nach dem Warum ab. Skeptisch nahm Kenny die Membran in die Hand. "Warte, ich zeig dir, wie man das macht." Sanft richtete Ian die Ohrstöpsel, ehe er vorsichtig das Ende des Stethoskops aus Kennys Hand nahm und dagegen hauchte. Ein verblüffter Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Jungen. "Das klingt ja wie ein Zug!" Ian musste lachen und auch Jethros Mundwinkel zuckten verdächtig. "Dann warte nur mal ab, gleich hörst du ein anderes Geräusch." Sachte drückte er die Membran an den Brustkorb des Jungen. "Das ist kalt!", beschwerte Kenny sich, doch im nächsten Moment hatte er die Kälte schon wieder vergessen. "Das hört sich komisch an.", stellte er stirnrunzelnd fest. "Tatsächlich? Darf ich auch mal?" Ohne Zögern zog Kenny die Stöpsel aus den Ohren und reichte sie Ian. Eine knappe Minute verging, in der Ian den Jungen abhörte, ohne dass es Kenny überhaupt auffiel. "Hört sich für mich alles ganz normal an.", meinte er schließlich lächelnd und gab die Stöpsel wieder zurück. "Das dumpfe Pochen ist dein Herzschlag, das soll so sein. Und das tiefe Rauschen ist deine Lunge, wenn du Luft holst." Aufmerksam lauschte Kenny, ob er die beschriebenen Geräusche auch hören konnte. In der Zwischenzeit nahm Ian das Ohrthermometer aus der Tasche, das er sich extra für seine kleinen Patienten zugelegt hatte. Aber eigentlich bevorzugten auch einige seiner "großen" Patienten diese Variante der Temperaturmessung, was er durchaus nachvollziehen konnte. "So, jetzt noch Fieber messen, und dann hast du es auch schon fast geschafft." Kenny schüttelte den Kopf. "Ich hab kein Fieber, sicher nicht.", beteuerte er mit all der Ernsthaftigkeit, die ein fast siebenjähriger aufbringen konnte. "Hmm... da möchte ich mich lieber selbst davon überzeugen.", ging der Arzt genauso ernsthaft darauf ein. "Aber es stimmt, das kannst du mir ruhig glauben." Ian verkniff sich das Lachen. "Ich würde dir ja glauben, aber dein Hals hat mir was anderes gesagt." Nun schaltete sich auch Gibbs wieder ein. "Komm schon, Kenny. Fieber messen tut nicht weh und ist auch gleich vorbei." Ein beleidigter Blick traf den Agenten. "Aber ich mag das nicht! Es ist blöd, so ein Tremo... so ein Dingsda im Mund zu haben!" Ian nickte. "Stimmt. Deshalb hab ich auch kein Thermometer für den Mund, sondern eines fürs Ohr." Der Junge sah ihn skeptisch an. "Wirklich?" Ian hielt lächelnd das Gerät hoch. "Wirklich. Und es dauert auch nur ein paar Sekunden. Na komm, leih mir kurz dein Ohr." Wider Willen musste Kenny grinsen. "Das kann man doch gar nicht herleihen!" Aber da er neugierig war, wie das Fieber messen im Ohr funktionierte, drehte er brav den Kopf zur Seite und beugte sich sogar ein bisschen vor. Er spürte etwas Kühles, dann ein leises Piepsen und kurz darauf ein zweites Piepsen. Fast war er enttäuscht. "Das war alles?", wollte er wissen und Ian nickte. "Das war's fürs Erste, Großer. Du kannst dich wieder anziehen." Kenny war sich nicht sicher, ob er stolz darauf sein sollte, dass Jethros Freund ihn Großer nannte. Immerhin hatte er gesagt, fürs Erste. Hieß das nicht, dass noch etwas Zweites kam? Aber jetzt wollte er erst einmal seinen Pullover wieder anziehen, auch wenn ihm gar nicht kalt war. Trotzdem, sicher war sicher. Jethro half ihm dabei, während Ian die gemessenen Werte auf einem Block notierte. Blutdruck würde er etwas später noch messen, jetzt hatte sich der Kleine erstmal eine Pause verdient. Außerdem war ihm in der Mundhöhle von Kenny etwas aufgefallen, was er mit Gibbs besprechen wollte - unter vier Augen. Er gab Jethro ein unauffälliges Zeichen und der Agent ging sofort darauf ein.
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Trotz aller Heiterkeit, mit der Ian Kenny untersucht hatte, war dem Ermittler nicht entgangen, dass dem Arzt die Ergebnisse nicht sonderlich gefielen. Während er dem Kleinen half, sich wieder anzuziehen, registrierte er Ians unauffällige Handbewegung. Vermutlich wollte der Mediziner nicht in Kennys Gegenwart besprechen, was ihm Sorgen machte - nicht die allerschlechteste Idee.
Er nickte fast unmerklich mit dem Kopf, und Ian verstand auf der Stelle. "Okay, Großer, wir sehen uns später... okay?" verabschiedete er sich. Kenny brachte immerhin schon wieder ein Grinsen zu stande und nickte ein tapferes "Okay." Er hatte ein erstes Vertrauen zu dem jungen Mann gefasst, auch wenn ihm dessen Untersuchungen noch immer nicht sonderlich geheuer waren.
Nachdem das Kind wieder vollständig angezogen war, zog Gibbs die Decke fest um seine Schultern. "Ich bring dir nachher noch heißen Tee und etwas Honigmilch, einverstanden? Das ist gut für deinen Hals." Kenny nickte und blickte dem Ermittler nach, als er zur Tür ging. "Jethro?" fragte er schließlich. "Kann ich dich was fragen?" Der Grauhaarige zog die Augenbrauen hoch und kehrte ans Bett zurück. "Sicher kannst du das.", antwortete er ruhig. "Hat... hat Ian dich auch schon mal untersucht?" kam es vorsichtig. Jethro konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als er an ihre erste Begegnung dachte. "Ja, das hat er. Mehr als einmal." "Tut... hat das wehgetan?" Offensichtlich war die Furcht vor einem "dicken Ende" doch größer als Kenny zugeben wollte. Der Ermittler atmete tief durch, ehe er antwortete. "Ein bisschen," gab er schließlich zu. "Aber ich war damals auch ganz anders krank als du jetzt." Er überlegte, wie er die Ereignisse auf Joshua McLanes Yacht darstellen konnte, ohne Kenny den Schreck seines Lebens einzujagen. "Und es tat wirklich nicht besonders weh. Ganz ehrlich nicht." "Also hast du keine Angst vor ihm?" "Nein," lachte Gibbs. "Vor Ian habe ich ganz sicher keine Angst, Ken. Und die musst du auch nicht haben." "Auch nicht, wenn er dich untersuchen will, Jethro?" "Nein, Kenny. Auch nicht, wenn er mich untersuchen will." Eine leise Stimme seinem Hinterkopf erinnerte Gibbs daran, dass es wohl besser war, dass Ian diese Unterhaltung nicht mithörte. Denn er hatte sich bei den damaligen Behandlungen nur unwesentlich besser angestellt als Kenny - wenn auch mehr aus Prinzip, weniger aus Angst. Und beide hatten mehr als eine harte Diskussion darüber gehabt, ob bestimmte Untersuchungen nun wirklich notwendig waren oder nicht - aber verdammt, er war ein erwachsener Mann und konnte selbst auf sich aufpassen. Kenny war ein Kind und die Sachlage war eine völlig andere.
"Bis gleich, Kenny," verabschiedete sich der Ermittler sanft und ging erneut zur Tür. "Bis gleich..." murmelte Ken, ehe er sich in seine Kissen kuschelte. Jethro trat auf den Flur und schloss leise die Tür. Das Gurgeln der Kaffeemaschine verriet ihm, wo Ian auf ihn wartete. "Was ist mit dem Kleinen?" fragte er ohne Umschweife, als er die Küche betrat.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara Ian wirbelte erschrocken herum und konnte nur dank einer akrobatischen Spontaneinlage die Tasse, die er eben aus dem Schrank geholt hatte, vor dem Absturz bewahren. "Himmel, Jethro!", schimpfte er, mehr über sich selbst als wirklich über das für Gibbs nun einmal typische Anschleichen verärgert. Er seufzte. "Bevor Sie wieder mal Ihre Agentenfähigkeiten an mir trainiert haben, habe ich mir Kennys Symptome noch mal durch den Kopf gehen lassen." Ian wies auf seinen Notizblock, der neben der Kaffeemaschine lag. Reflexartig griff Gibbs danach, konnte jedoch mit den meisten Begriffen nicht viel anfangen. "Was zum Teufel sind Koplikflecken?" Seufzend fuhr Ian sich mit beiden Händen übers Gesicht. "Weiße, kalkspritzerartige Flecken an der Wangenschleimhaut." Gibbs hob lediglich eine Braue. Ian rieb sich den Nacken. "So wie es aussieht, sind es die Masern." Der Agent musterte ihn nachdenklich. "Die Masern." Ian nickte, ein schiefes Grinsen im Gesicht. "Da kommt eine harte Zeit auf Sie zu, Jethro." Das Röcheln der Kaffeemaschine war mittlerweile verstummt und automatisch griff Ian nach der Kanne, um ihnen beiden Kaffee einzuschenken. "Harte Zeit?" Gibbs schüttelte grinsend den Kopf und ging zum Kühlschrank, um die Milch für Kenny zu holen. "Sicher, für Kenny wird es bestimmt nicht leicht, aber für mich? Ich habe schon Schlimmeres erlebt als ein krankes Kind." Ian hielt im Einschenken inne. "Ein masernkrankes Kind.", stellte er klar. "Kenny ist nicht einfach nur erkältet, Gibbs. Er hat die Masern." Jethro hob spöttisch eine Braue. "Mein Gehör ist in Ordnung, Doc." Er füllte einen Becher mit Milch und stellte ihn die Mikrowelle. "Aber Ihr Gedächtnis scheint zu leiden", gab Ian belustigt zurück und stellte die Kanne zurück in die Halterung der Kaffeemaschine. "Oder haben Sie vergessen, wie es als Kind war, die Masern zu haben?"
Gibbs lachte leise. "Kann schon sein. Ich kann mich nicht dran erinnern." Ian grinste breit. "Kommt da etwa mit dem Alter die Vergesslichkeit?" Der Agent hob eine Braue, erwiderte aber nichts. Ian lachte belustigt auf. "Keine Antwort ist auch eine Antwort." Er stellte den Becher auf der Arbeitsplatte ab und zählte feixend an den Fingern ab: "Altersweitsichtigkeit. Vergesslichkeit. Was kommt als nächstes? Chronische Erkältungen?" Gibbs zuckte gelassen die Schultern. "Ich werde nie krank." Dieses Mal war es Ian, der eine Braue hob. "So? Was war dann letzten Winter?" Gibbs Antwort war lapidar: "Eine Ausnahme."
Amüsiert nahm Ian seinen Becher wieder an sich. "Mal sehen, wann die nächste Ausnahme kommt." Gibbs nahm die Milch aus der Mikrowelle. "Nope, keine Chance. Ich war nie krank, schon als Kind nicht." Ian schüttelte grinsend den Kopf. "Auch wenn es letzten Winter nur zwei Erkältungen waren, aber nie ist definitiv übertrieben. Kommen Sie, Gibbs - Kinderkrankheiten heißen nun mal so, weil man sie als Kind bekommt!" Jethro sah ihn amüsiert an. "Neidisch, McNamara?" Ian lachte. "Ich glaube Ihnen einfach nur nicht." Der Agent hob eine Braue. "Warum sollte ich lügen?" Das Lachen verstummte. "Das ist Ihr Ernst? Sie waren als Kind nie krank?" Jethro nickte nur, überrascht von dem abrupten Stimmungswechsel. "Äh... Jethro?" McNamaras Stimme klang plötzlich alarmiert. "Die Masern hatten Sie aber schon. Oder?!"
Re: Kinderkrankheiten
Gibbs
Jethro war noch immer überrascht von Ians Reaktion. "Wessen Gehör ist hier nicht in Ordung, Ian?" neckte er den jungen Arzt. "Ich habe es mittlerweile doch wohl oft genug erwähnt. Bevor ich Sie kannte, war ich überhaupt noch nie krank."
Ian überhörte die Anspielung und hakte ein weiteres Mal nach. "Sie... sie hatten wirklich nie die Masern, Gibbs?" Mittlerweile war das Entsetzen in seiner Stimme kaum noch zu überhören. Der Angesprochene hob irritiert die Brauen. "Nein. Ich hatte weder die Masern noch die Windpocken noch Ziegenpeter oder was man sonst so als Kind bekommt. Das ist alles brav an mir vorübergegangen." Ians Gesicht verlor deutlich an Farbe. "Aber... Sie sind gegen Masern geimpft, oder?" fragte er schwach, auch wenn er bereits ahnte, welche Antwort er bekommen würde. Wie erwartet schüttelte Gibbs den Kopf. "Nope... warum soll ich mich gegen eine Kinderkrankheit impfen lassen, wenn ich erwachsen bin?"
Ian seufzte. "Eben WEIL Sie erwachsen sind... Gibbs, haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung, wie ansteckend Masern sind? Und wie gefährlich diese Krankheit ist? Die meisten Menschen bekommen Masern als Kind - wenn sie nicht vorher geimpft wurden. Eben weil das Masernvirus so hochinfektiös ist. Man bleibt sein Leben lang dagegen immun, wenn man es einmal überstanden hat. Daher kommt der Ausdruck Kinderkrankheiten - wenn man es als Kind schon hatte, bekommt man es als Erwachsener nicht mehr. Wenn man sich allerdings im Erwachsenenalter ansteckt, verläuft die Krankheit deutlich schwerer - insbesondere bei Masern können schwerste Folgeschäden auftreten. Das Bundesseuchenamt spricht bei Masern von einer Sterblichkeitsrate von 1: 500. Das ist kein Spaß, Gibbs!"
Falls den Ermittler diese Information beunruhigte, so zeigte er es in keinster Weise. Er zuckte lediglich mit den Schultern und grinste. "Keine Panik, Ian. Ich werde schon nicht krank, ich bin topfit. Falls es Sie beruhigt - ich habe heute noch nicht einmal geniest!" Ian beruhigte diese Aussage absolut nicht, aber er ahnte, dass es sinnlos war, dem Grauhaarigen weiter zuzureden. Wenn Gibbs der Überzeugung war, dass er sich nicht angesteckt hatte, dann halfen vermutlich nur noch Gebete.
"Ich würde Kenny gleich gerne etwas Blut abnehmen," fuhr er daher fort. "Einfach, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht geirrt habe." Der Ermittler nickte."Ich weiß nicht, wie er darauf reagieren wird, aber das kriegen wir schon hin. Kenny ist ein tapferes kleines Kerlchen, es würde mich wundern, wenn er in diesem Alter schon eine Nadelphobie entwickelt hat..." Mit einem breiten Grinsen griff Gibbs nach der Milchtasse und machte sich auf den Weg nach oben.
Ian beschloss, auch diesen Seitenhieb erst einmal zu ignorieren und eilte rasch hinter dem Grauhaarigen her. Als er das Zimmer erreicht hatte, saß Gibbs bereits wieder an Kennys Bett und reichte ihm die Tasse. Der Kleine rückte ein Stück näher an seinen großen Freund heran, schien sich aber ansonsten mit der Anwesenheit des "Onkel Doktors" abgefunden zu haben. Nachdem er die Milch getrunken hatte, ließ er widerstandslos zu, dass Ian seinen Ärmel nach oben schob und eine Blutdruckmanschette um den dünnen Arm schlang.
"Ich lasse dir ein paar Tabletten da, Kenny," erklärte er anschließend. "Die musst du nur lutschen, nicht runterschlucken. Sie helfen gegen die Halsschmerzen." Er zog eine Packung roter Dragees aus der Tasche. "Und sie schmecken nicht mal schlecht," setzte er hinzu, als er Kennys zweifelnden Blick bemerkte. "Wirklich?" fragte der Kleine. "Hast du sie schon mal probiert?" Ian lachte. "Ja, das hab ich. Sie schmecken nach Kirschkaugummi." "Cool!" fand Kenny. "Kann ich sofort eine haben?" "Gleich," wehrte Ian ab. "Wir sind leider noch nicht ganz fertig, Großer. Ich muss dir noch ein bisschen Blut abnehmen, damit ich es im Labor untersuchen kann."
Kenny spürte auf der Stelle, dass nun etwas wenig angenehmes folgen würde. Er hatte zwar keine Ahnung, was "Blut abnehmen" genau bedeutete, aber es konnte definitiv nichts gutes sein. Im gleichen Moment, in dem er die Nadel in Ians Hand entdeckte, war er aus Gibbs Armen gerutscht und erneut unter der Decke verschwunden. Diesmal spielte Jethro das Spiel allerdings nicht mit. Er griff nach dem Laken und zog es sanft, aber bestimmt zur Seite, bis Kennys Kopf wieder zum Vorschein kam. "Hey, Buddy... ich hab dir was versprochen, oder?" Kenny nickte scheu. "Und warum tauchst du dann ab, hm?" "Ich... ich hab Angst!" gab der Kleine zu. "Dr. Hopsted hatte auch so eine Nadel, und das hat ganz schrecklich weh getan!" So tapfer der Sechsjährige bisher gewesen war, so verzweifelt war er jetzt. Die Tränen kullerten über seine Wangen, während Gibbs ihn sanft an sich zog. "Ian ist nicht Dr. Hopsted," beruhigte er das Kind. "Ian kann ganz vorsichtig mit Nadeln umgehen, glaub mir. Wenn er das macht, tut es wirklich nicht weh." Er registrierte, dass Ian bei diesen Worten ein Schmunzeln unterdrückte, doch er ging nicht darauf ein. "Das geht gar nicht!" protestierte Kenny. "Oh doch, das geht. Glaubst du mir etwa nicht?" Kenny war hin und hergerissen und antwortete nicht. "Er... er will ja auch mich stechen und nicht dich," gab er schließlich trotzig zurück. Gibbs unterdrückte ein Seufzen.
"Wozu braucht er überhaupt so eine Nadel?" heulte Kenny weiter. "Du hast gesagt, er tut mir nicht weh!" "Nein, Kenny, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ich auf dich aufpasse, und genau das tue ich. Weißt du, Ian muss gucken, ob du eine ganz bestimmte Krankheit hast. Die kann er sehen, wenn er dein Blut unter ein Mikroskop legt. Weißt du, was ein Mikroskop ist, Kenny?" Das Kind nickte. "Klar, ich bin doch kein Baby mehr!" "Na also. Ian muss ein bisschen von deinem Blut abzapfen. Sonst müsste er ja den ganzen Kenny unter das Mikroskop legen!" Bei der Vorstellung musste der Kleine trotz der Tränen kichern. "Das geht doch gar nicht..." "Stimmt, da hast du Recht. Das geht nicht. Deshalb muss er dich nun mal kurz pieksen. Und glaub mir, das ist wirklich nicht schlimm. Es zwickt vielleicht, aber nur ganz wenig. Glaub mir, ich hab das schon ausprobiert. Ian macht das wirklich gut!" "Und wenn er aus der Übung ist?" fragte Kenny, noch immer nicht überzeugt.
Der Agent nahm aus dem Augenwinkel war, dass Ian mittlerweile kurz vor einem Lachanfall stand. Aber das war ihm in diesem Moment egal. Kennys Frage von vorhin im Hinterkopf, kam ihm schließlich ein Gedanke. "Okay, Ken, ich hab eine Idee," schlug er vor. "Ian darf erst mal an mir üben, bevor er dich behandeln darf. Okay? Du kannst dir alles ganz genau angucken. Und wenn ich dabei immer noch lächle und nicht mal blinzle, dann gibst du ihm auch eine Chance, okay?"
Dem Ermittler entging nicht, dass Ian bei diesen Worten fast die Kinnlade herunter fiel. Das war vermutlich kein Wunder, wenn man bedachte, wie sehr er sich normalerweise gegen jede noch so kleine Behandlung wehrte. Aber hier ging es schließlich nicht um ihn, sondern um Kenny. Der Grauhaarige legte zwar keinen gesteigerten Wert darauf, sich stechen zu lassen, aber wenn es einem kleinen Jungen half, seine Angst zu überwinden, dann war es den kleinen Piekser wert. Und Ians Gesichtsausdruck entschädigte ihn bereits jetzt für den Schmerz - falls es überhaupt funktionieren würde.
Doch die Technik zeigte tatsächlich Erfolg, Kenny biss tapfer die Zähne zusammen und nickte. Gibbs zeigte mit keiner Miene, was er dachte, während er seinen Ärmel aufkrempelte und Ian auffordernd den Arm hin hielt. Er wusste, das Ian über geschickte Hände verfügte und er nichts zu befürchten hatte. Doch er wusste auch, dass Kenny seine Miene mehr als aufmerksam beobachten würde und beim kleinsten Anzeichen von Unbehagen Angst bekommen würde. Es war ein riskantes Spiel, das er hier spielte. Denn auch wenn er gelernt hatte, Schmerzen weitesgehend zu ignorieren - eine Nadel blieb eine Nadel, und auch Ian hatte durchaus schlechte Tage, an denen er mehrere Anläufe brauchte, um eine Vene zu treffen. Und dabei überhaupt keine Reaktion zu zeigen, war selbst für Gibbs eine Herausforderung.
Re: Kinderkrankheiten
McNamara
"Okay, Ken, ich hab eine Idee", hörte er Gibbs sagen. "Ian darf erst mal an mir üben, bevor er dich..."
Den Rest bekam Ian nicht mehr wirklich mit,
seine Gesichtszüge entgleisten und sein Kiefer kämpfte gegen die Schwerkraft.
Gibbs
wollte
,
dass er ihm auch Blut abnahm?! Völlig perplex schüttelte Ian unbewusst den Kopf. Was lief denn hier auf einmal verkehrt? Im nächsten Moment drehte sich der Grauhaarige auch schon zu ihm und begann, seinen Ärmel hochzukrempeln. Auffordernd streckte er ihm dann den bloßen Arm entgegen. Ian bemühte sich, seine Mimik wieder unter Kontrolle zu bekommen - was ihm anfangs jedoch nur leidlich gelang, wie er am amüsierten Funkeln in Jethros Augen erkennen konnte.
Immer noch sprachlos vor Überraschung nahm er stumm einen Alkoholtupfer und desinfizierte Gibbs' Armbeuge. McNamaras Miene sah immer noch leicht verblüfft aus und Jethro musste sich ein Grinsen verkneifen, um sich vor Kenny nicht selbst zu verraten. Gut, dass der Junge bisher nicht auf die Idee gekommen war, auch Ian zu beobachten! Ansonsten hätte der ungläubige Ausdruck auf dessen Gesicht mit Sicherheit die Neugier des Kindes geweckt.
McNamara hatte sowohl Jethro als auch Kenny im Blickfeld und ihm entging durchaus nicht, dass der Kleine die Nadel in seiner Hand sehr genau im Auge behielt. Er sah ihn zusammenzucken, als er die Nadel an Jethros Armvene ansetzte. Er war es zwar inzwischen fast schon gewöhnt, dass der Blick des Ermittlers ihm ständig im Nacken klebte, aber nun wurde ja wirklich jede einzelne seiner Handbewegungen beobachtet. Gleich von zwei sehr aufmerksamen Augenpaaren derart verfolgt zu werden, war seiner Selbstsicherheit nicht gerade förderlich. Was, wenn er die Vene nicht gleich erwischte? Innerlich stöhnte Ian auf. Himmel, wurde er jetzt selbst etwa auch noch nervös?! Fragend sah er Gibbs an, der ungeduldig die Augen rollte. "Na los, jetzt fangen Sie schon an."
Ian räusperte sich. "Ähem... okay." Ein kurzer Seitenblick zu Kenny überzeugte ihn davon, dass der Kleine das Kunststück fertigbrachte, Jethro ins Gesicht und gleichzeitig auf den Arm zu sehen. Um zu seiner professionellen Gelassenheit zurückzufinden und dadurch vielleicht auch den Jungen etwas zu beruhigen, begann Ian sachlich, die nächsten Schritte zu erklären. Dennoch hielt nicht nur Kenny unbewusst die Luft an, als der Arzt die Nadel in Jethros Arm versenkte.
Routiniert steckte er ein Probenröhrchen an die Kanüle - doch es kam nichts. Irritiert sah Ian auf und erkannte ein Aufflackern von Schmerz in den Augen des Agenten. "Oh-oh..."
, dachte er und zog schnell, aber unauffällig die Nadel etwas zurück. Im nächsten Moment füllte sich das Röhrchen bereits mit Jethros Blut, und nicht nur Ian atmete verstohlen auf. "So, das war's.", verkündete er wenig später und zog die Ampulle ab.
Mit einer Hand legte er einen Tupfer an die Einstichstelle, mit der anderen zog er rasch die Nadel heraus. Fest drauf drücken., wies er Gibbs an. Jethro löste sich von Kenny, nutzte die Sekunde, in der der Junge sein Gesicht dadurch nicht sah und funkelte Ian vorwurfsvoll an. Im nächsten Moment präsentierte er Kenny wieder die entspannte Miene, die er sich wenige Sekunden zuvor nur noch dank seiner ausgeprägten Fähigkeit zum Pokerface aufrecht erhalten hatte können und drückte wie verlangt den Tupfer auf die Armbeuge.
Während Ian die benutzte Nadel entsorgte, sah Kenny Jethro unverhohlen beeindruckt an. Gibbs bemühte sich um ein Lächeln. Siehst du? Nur ein kleiner Pieks und ist auch gleich wieder vorbei. Der Kleine schaute zu Ian, der sich eben mit einem Pflaster in der Hand wieder zu ihnen umdrehte. Sekunden später klebte das Pflaster auf der Einstichstelle und Gibbs sah Kenny aufmunternd an. Jetzt du, Kenny. Der Kleine schluckte, atmete tief durch und nickte. Okay., flüsterte er. Ian lächelte aufmunternd. Du musst nicht hingucken, Kenny. Wie wärs wenn du die Augen zu machst und bis zehn zählst? Wenn du bei zehn bist, bin ich auch sicher schon fertig.
Erleichtert nickte Kenny und kniff die Augen zu. Bei der vierten Ziffer verzog er kurz das Gesicht und kniff die Augen noch fester zusammen, gab aber ansonsten keinen Mucks von sich. Als er bei zehn angelangt war, öffnete er vorerst lieber nur ein Auge. Und riss im nächsten Moment auch das andere auf. Auf seinem Arm klebte ein Pflaster, aber nicht irgendeines. Das ist ja ein Auto!, rief er verblüfft. Ian grinste. Na klar, das hast du dir ja auch verdient. Du warst wirklich tapfer, Kenny. Der kurze Schmerz war längst vergessen, stolz straffte der Kleine die Schultern und nickte.