"Die armen Schweine!" murmelte Fedder-Jan in seine Bartstoppeln. "Wenn da einer rausgekommen ist, hat er richtig Gl..." Plötzlich verstummte der Signalgast. Da war doch was! Das war nicht bloss ein Wappenrock, der da auf dem Wasser trieb! Das war einer von der Galeere! Schnell hatte sich der Seemann ein langes Ende gegriffen, eine Schlaufe hineingeknotet und fing an, es zum Schwung holen über dem Kopf zu wirbeln. "Pack das Tau, du verdammter Hurensohn!" brüllte er dem schiffbrüchigen Kharator zu, und schleuderte das Tau hinaus. Ein Stück vor dem Mann, der im kalten Wasser sicher nicht lange überlebt hätte, klatsche es ins Wasser und der Kharator schwamm mit schwachen Bewegungen darauf zu, in der Hoffnung, vom vorbeisegelnden Schiff gerettet zu werden.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Hein van Fleet schaute sich die Segel an und wie sie standen. Hielt seine Nase in den Wind. Blickte zum Himmel und zu den schnelltreibenden und tiefhängenden Wolken. Die Strömungen hier kannte er gut. Hein schaute sich die beiden Galeeren durch das Fernrohr genauer an. Sie versuchten gegen den Wind näher zu kommen. "Gut Jocke!" sagte er zum Steuermann. "Fall etwas ab, nimm den Druck aus den Segeln." "Hey, Fedder-Jan!" brüllte er zu dem Signalgasten der gerade dabei war, irgendwelches Gut von der Galeere zu bergen. "Schmeiß den Mist wieder rein und lass das da. Schnapp dir zwei Mann und schlag ein paar Taue an die alte Großmars mit dem Riss. Bringt sie aufs Vorschiff und zieht ein Tau vor dem Bug durch." Jocke schaute etwas irritiert.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Vadder roch es, bevor er es sah. Der altgewohnte Gestank des Todes, Blut, Kot, Schweiß, Gedärme und wissen die Götter was sonst noch erfüllte das Deck. Immer noch wie betäubt von der Schande seines Fehlschusses, griff er sich einen Lappen und einen Eimer und fing an, das Blut und den Unrat aufzuwischen. Wischen, auswringen, wischen, auswringen. Dann den vollen Eimer nach oben tragen und nach Lee in die See. Und wieder unter Deck, wieder wischen. Vadder wunderte sich etwas, dass der Fedder schon anfing, das Treibgut einzusammeln. Aber der Hein sagte ihm da auch schon direkt das passende. Warum ließ der denn das dämliche Tau nicht los? Und warum brüllte er überhaupt das Treibgut an? Vadder ließ den leeren Eimer fallen.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Fedder guckte eher unglücklich, gehorchte aber und holte schnell die Leine ein, bevor er sich an die von Hein angewiesenen Aufgaben machte. Bei einem letzten Blick nach achtern sah er den Kharator ein letztes Mal verzweifelt den Arm heben, bevor er unter der Wasseroberfläche verschwand.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Vadder war neben Jan-Fedder geeilt und sah gerade noch, wie der Kharator versank. "Verdammter Mist! Was packt der Arsch auch das Seil nicht! Idiot! Aber jetzt können wir nichts mehr tun. Nicht während der Schlacht." Vadder klopfte dem an seine Arbeit eilenden Jan hilflos auf die Schultern und kehrte zu seinem Eimer zurück.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Pöpke hatte Jan nicht allein lassen wollen, aber Frauke hatte sie losgeschickt, um irgendetwas zu holen. Bloß hatte die junge Frau bei all den Eindrücken, die sie überwältigten, vergessen, was das war ... Unschlüssig stand sie da und versuchte, den vorbeieilenden Seeleuten nicht im Weg zu stehen, als sie ihren Vadder samt Eimer entgegenkommen sah. Auch er blieb stehen, als er sein Töchterchen bemerkte. Pöpke glotzte abwechselnd auf den verdreckten Eimer und die schwarze Träne in Vadders Gesicht. "Was tust du da, Vadder?", fragte sie verwirrt. "Und was soll diese komische Bemalung?!"
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Vadder zog es die Kehle zusammen. Mit Unrateimer von der Tochter gesehen. Auch nicht besser als ein Rübenbauer. Na ja, hätte er halt die Klappe nicht soweit aufgerissen. "Unter Deck aufklaren tu' ich, damit Ihr nicht in Blut und Dreck ausrutscht. Und die Bemalung ist eine Träne, die ist aus sentimentalen Gründen. Wenn uns heute nicht die Fische fressen, erkläre ich es Dir nachher gerne. Und jetzt sieh zu, dass Du von Deck verschwindest, bevor die Kartätschen kommen." Vadder schob die protestierende Pöpke zum Niedergang.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Jetzt wurde es Pöpke aber zu bunt. Sie sträubte sich mit Händen und Füßen gegen das Abgeschobenwerden, klammerte sich an einer Luke fest und funkelte Vaddern empört an. "Komm mir nicht mit später! Wenn unsere Seite heute aufgeschlagen ist, krieg ich ja nie ne Antwort von dir! Was heißt hier sentimentale Gründe? Ich geh hier nich eher wech, bis dass du mir gesagt hast, was los ist!"
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Vadder schwoll die Brust vor aufrichtigem Vaterstolz. Seine Tochter! Erst zu den Piraten abgehauen, und dann dem eigenen Vater mitten in der Schlacht die Meinung geigen! Wunderbar. Wenigstens war sie keine duckmäuserische Rübenpflückerin geworden, die vor den Khardin im Staub kroch. "Nun gut, Du hast Recht. Also ich bin früher auch mal ein bißchen zur See gefahren. Erst auf einem kleinen Segler, da haben wir ein bißchen Küstenhandel betrieben. Später dann habe ich auf einem größeren Schiff angeheuert, der Walross. Mit Kapitän Stein. Und da haben wir dann auch schon mal das eine oder andere Seegefecht führen müssen. Und irgendwann kamen wir halt auf die Idee, dass es doch sehr praktisch wäre, wenn man während einer Seeschlacht nicht mehr um die Gefallenen weinen müsste, sondern um die halt schon im Vorhinein geweint hat und eben nicht mehr als diese eine Träne weint. Und weil es doch jetzt eine Schlacht ist, habe ich mir eben wie früher diese Träne angemalt." Vadder hielt kurz inne. War es zu schönfärberisch? "Ihr werdet für keinen mehr als die eine Träne vergießen, Ihr Ratten," hatte der alte Stein gebrüllt, randvoll mit Wut und Rum. "Wenn Ihr noch einmal Leute aus dem Meer fischt, geht ihr mit einem Sack Kugeln an den Füßen baden!" Und dass die Walross nichts anderes war als ein ganz übler Kaperfahrer, dessen Kapitän im Vollrausch alles angriff, was nicht das Weite suchte oder dem jeweiligen Auftraggeber gehörte, war vielleicht auch nichts, das Pöpke jetzt schon wissen musste.
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Pöpke starrte Vaddern ungläubig an. Ihr Vadder - ein echter Seefahrer? Auf einmal wurde ihr so einiges klar. Der olle Säbel an der Wand, der immer blitzte, auch wenn sich auf dem Fußboden in der Ecke schon Staub angesammelt hatte, Vadders manchmal träumerischer Blick, wenn er auf der von der Schwarzwurzelsäure geschwärzten Bank vor dem Haus saß und den Blick in die Ferne übers Meer schweifen ließ, sein zusammengekniffener Mund, wenn die alten Seebären in der Spelunke von ihren Abenteuern auf hoher See erzählten ... "Der Säbel an der Wand, hast du mit dem richtig gekämpft?", fragte sie aufgeregt. "Erzähl mir davon!"
Re: Im Auftrag des Falghaten...
Hein gab Fedder ein Zeichen, worauf der das alte Segel vor den Bug der Braut ins Wasser warf. Schnell zogen sich die Taue straff und durch die Braut fuhr ein Ruck. "Fedder, macht euch bereit, die Taue auf mein Zeichen zu kappen!" Er wies den Jocke an das Schiff einige Male hin und her zu führen und dann weder in den Wind zu gehen. Er schaute mit dem Fernglas zu den beiden Galeeren. Die Sipho glänzten am Bug. Sie begannen langsam aufzuholen.