A David Caruso Tribute - FanFiction

Another year has gone by

Re: Another year has gone by

Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich Euch heute. Ich weiß ja nicht, wie es in anderen Teilen Deutschlands das Wetter war, aber hier hat den ganzen Tag die Sonne geschienen und ich mußte bei einer kurzen Stippvisite aus dem Laden feststellen, daß es auch noch wirklich warm war. Na wenn das nicht nach Sommer ruft. Na ja, wie auch immer........

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@Flymoon: Freut mich wirklich, daß es Dir noch immer gefällt! Ich muß gestehen, bei der Länge kommt man schon mal auf den Gedanken, ob das wirklich noch so gut ist, wie der Anfang es einmal versprochen hat. Apropos: wie war der Anfang eigentlich noch?

@Eve: Weißt Du Eve, ich gehöre ebenfalls zu den unverbesserlichen. Schauen wir doch einmal ob sie es schaffen – und was mich außer der Frage wie, noch viel mehr interessiert ist....wann...

Momentan schreibe ich nicht weiter, sondern bin mit Euch mitten drin. Es gab da diese eine Sache, die ich unbedingt geändert haben wollte. Leider zieht sie sich durch mehrere Kapitel durch und dann muß auch noch das gröbste angepaßt werden. Aber Dank meiner kurzen Auszeit, und ein wenig Einsamkeit, bin ich Euch zumindestens jetzt wieder ein Kapitel voraus. Doch ganz ehrlich, der Druck rechtzeitig zu posten, ist doch ganz schön heftig. Aber ich verspreche Euch, ich gebe mein Bestes. Und bis jetzt schaut es so aus, als ob jedes neue Kapitel on time da sein wird. Wenn mir meine beiden Querulanten nicht doch noch irgendwie dazwischen funken....

Ich trage mich tatsächlich mit den Gedanken, mir zwei neue Katzen zuzulegen. Aber ich möchte den Maiwurf abwarten und dann brauchen sie ja noch sechs Wochen der Entwöhnung. Sprich bis Ende Juni habe ich wohl noch die Wohnung für mich allein.

So, aber jetzt geht es endlich weiter.

Ich sehe gerade, daß ich die magische Zahl zehn mal wieder überschreite und ich dieses Kapitel auf zwei Beiträge verteilen muß. Aber es ist wirklich nur ein Kapitel!

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Eine kurze Pause

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Um diese Uhrzeit durch New Yorks Straßen zu kommen, war wie immer ein Ding der Unmöglichkeit. Stockender Verkehr und Staus wohin das Auge schaute. Hupen erfüllten mit ihren unangenehmen Klang die Luft, gepaart mit gestreßten Menschen, die ihren Frust lautstark hinausbrüllten. Ja, das war New York.

Laurie selbst hatte es eilig, aber es würde sie ihrem Ziel auch nicht näher bringen, wenn sie ihren Vordermann durch ein ungerechtfertiges Hupmanöver in Rage bringen würde. Sie machte es sich auf ihrem Sitz bequem, trank statt dessen einen Schluck von ihrem Kaffee, den sie schon in Erwartung eines Staus vorsorglich aus einem der unzähligen Coffee Shops geholt hatte, und warf beiläufig einen Blick auf ihre Armbanduhr. Halb zwei. Ein wenig Spielraum hatte sie also noch, bevor sie im Revier sein mußte. Ihren Arm bequem auf dem Fensterrahmen abgestützt und den Kopf in der offenen Handfläche gebettet, betrachtete sie die vielen Autos vor sich. Das war wirklich ein dicker Stau, dachte sie, während sie ein weiteres Mal an ihrem Kaffee nippte, sie konnte von Glück sagen, wenn sie es noch rechtzeitig zu Medavoy schaffen würde. Und wenn sie es nicht schaffte, dann mußte er halt auf sie warten. Sie konnte doch auch nichts dafür, daß der Verkehr vor ihr zum erliegen gekommen war. Die Bremslichter ihres Vordermanns verloschen und für einen weiteren Meter, wurde Laurie ihrem Ziel entgegen getragen. Lauries warf erneuert einen Blick auf ihre Armbanduhr, so als ob der schnelle Blick die Zeit ein wenig zurückdrehen würde. Doch natürlich tat er es nicht, statt dessen war der Zeiger um weitere fünf Minuten vorwärts gekrochen. Achtlos zuckte sie die Achseln und nippte an dem Kaffe, welcher nun langsam eine Temperatur erreicht hatte, die ihn trinkbar machte, ohne sich daran die Zunge zu verbrennen. Mit dem nächsten Meter auf der Straße zu ihrem Ziel, wanderten Lauries Gedanken von der Zeit auf ihrer Uhr zu der vergangenen Stunde.

Nachdem sie vor drei Wochen den Endschluß gefaßt hatte, in der Anwaltskammer ein wenig nach Jeremy Sanders zu forschen, hatte sie nun endlich die Zeit gefunden, es auch wirklich zu tun. Bisher hatte ihr Chef immer wieder eine Ausrede gefunden, warum sie dringend im Büro anwesend sein mußte. Oder ein früher Termin hatte im Gericht für Ablenkung gesorgt. Oder aber ein Gespräch im Revier mit einem ihrer Verdächtigen, hatte sie von ihrem Vorhaben abgehalten. Und abends war nicht mal im Ansatz daran zu denken gewesen. Neue Akten, neue Gespräche, neue Treffen...es hatte immer einen Grund gegeben, warum sie es nicht mehr zu den Öffnungszeiten zur Anwaltskammer geschafft hatte. Aber heute hatte sie es endlich bewerkstelligt.

Dunkel war es in den Archiven der Anwaltskammer gewesen, erinnerte sich Laurie an ihren Vormittag. So dunkel, wie sie es eigentlich nur aus Filmen kannte. Niemals hatte sie für möglich gehalten, daß es in den Kellerräumen des Archivs wirklich so schummerig war. Und niemals hatte sie es für möglich gehalten, daß ein Raum so still sein konnte. Sie hatte ihren eigenen Atem gehört, das Knistern der Seiten….    

Wieder ging es einen Meter weiter.

Leider hatte sich ihr Besuch in der Kammer sich nicht als ganz so ereignisreich herausgestellt, wie sie angenommen hatte. Nun, jetzt wußte sie mit Sicherheit zu sagen, daß Jeremy Sanders bis vor sechzehn Jahren bei der Staatsanwaltschaft gearbeitet hatte, bevor er seine eigene Kanzlei eröffnet hatte. Sechzehn Jahre lang, hatte er ohne Partner gearbeitet und jetzt ganz plötzlich wollte er einen haben? Dies war der Punkt, der in Laurie noch immer Mißtrauen hervorrief. Dies und die Tatsache, daß die Kanzlei drei Jahre lang knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt war und dann ganz plötzlich zu den besten im Land gehörte. Drei Jahre lang hatte es nur einen Jeremy Sanders in dieser Kanzlei gegeben und seine Sekretärin und dann ganz plötzlich, waren fünf weitere Anwälte dazu gekommen. Und jetzt waren inzwischen an die fünfzehn in dieser Kanzlei beschäftigt. Woher kam dieser plötzliche Umschwung? Das klang ja fast so, als ob Jeremy Sanders an einen großen Mandanten geraten war, der seinerseits das Umfeld von sich, durch diese Kanzlei vertreten ließ. Aber welche wichtige Persönlichkeit, ging zu einer Kanzlei, die über kaum genügend Personal verfügte um kleine Mandanten entsprechend zu vertreten? Das waren lauter Fragen, die Laurie durch das Gehirn geschossen waren, als sie die Zahlen und Einträge in diesen altmodischen Büchern gesehen hatte.

Die Bremslichter von dem Chevrolet vor ihr verlöschten wieder und Laurie mußte nun tatsächlich ihre bequeme Position aufgeben, da es jetzt wirklich weiter vorwärts ging. Mit dem inzwischen fast leeren Kaffeebecher zwischen den Beinen, bog sie an der nächsten Möglichkeit rechts ab und versuchte über die kleinen Straßen, ihren Weg zum Revier schneller zu finden. Gott sei Dank kannte sie sich hier aus, so daß sie ausschließen konnte, sich so kurz vor ihrem Ziel noch zu verfahren.

Laurie hatte Glück, daß sie direkt vor dem Revier einen Parkplatz fand. Etwas außerordentlich positives nach diesem Verkehrschaos. Der leere Becher von dem Kaffee bekam einen Platz auf dem Armaturenbrett und der verstreute Inhalt ihrer Handtasche wurde achtlos wieder vom Beifahrersitz in diese hinein gestopft. Portemonnaie, Kaugummis, ihren Taschenkalender...alles fand wieder seinen Platz in der viel zu kleinen Tasche. Dannys Name fiel ihr ins Auge, als sie den aufgeschlagenen Kalender wieder in die Tasche räumen wollte. Groß und breit war er für den heutigen Abend unter der Uhrzeit acht Uhr vermerkt. Dann Folgte ein langer roter Strich durch die nächste Woche – seine Abwesenheit aus New York. Zusammen mit Stella würde er an einer Weiterbildung in Kalifornien teilnehmen. Für einen Moment beneidete Laurie Danny. Sie würde auch gerne die Stadt verlassen. Einfach weit weg fahren, alles hinter sich lassen. Und wenn sie dann zurückkam würde alles wieder so sein wie es gewesen war. Doch sie seufzte bei diesem Gedanken. Sie konnte nicht weg. Der freie Tag den sie sich an dem Dienstag nach dem Montag im Gericht genommen hatte, war schon nicht gerade mit Wohlwollen ihres Chefs aufgenommen worden, was würde er also dazu sagen, wenn sie ihm erzählte, daß sie ganz kurzfristig – am besten von heute auf morgen – Urlaub haben wollte? Mit dem Finger würde er sich an dem Kopf tippen und sie dann ganz nonchalant fragen, ob sie noch alle Tassen in ihrem Oberstübchen zusammen hatte. Um diese Jahreszeit Urlaub zu nehmen, wo sie geradezu in Arbeit erstickten. Spöttisch grinste sie bei den möglichen Antworten von ihrem Chef vor sich hin. Als ob sie jemals weniger zu tun hatten!

Laurie öffnete die Tür zu ihrer Seite und stockte dann mitten in der Bewegung, als sie einen flüchtigen Blick auf den Wagen neben sich war. Und vergaß, daß ihre Gedanken ursprünglich  noch Danny gegolten hatten. Die Beifahrertür war eingedrückt und als sie aus ihrem eigenen, unversehrten, Auto stieg, konnte sie sehen, daß auch der Kotflügel nicht seine Originalform mehr hatte. Überhaupt sah der ganze Wagen so aus, als ob er in einen unschönen Unfall verwickelt worden war. Aber das schlimmste an der ganzen Sache war für sie, daß dieser Wagen genauso aussah, wie der Dienstwagen von Andy und John. Allerdings wußte sie es nicht mit Bestimmtheit zu sagen, denn die beiden waren nicht die einzigen Cops, die dieses Modell fuhren. Es konnte auch durchaus auch der Wagen von jemand anderem sein. Nun von wem auch immer er war, sie hatte jetzt keine Zeit sich weiter auszumalen, was genau da passiert war, denn ein weiterer flüchtiger Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk zeigte ihr, daß sie nun doch reichlich zu spät war. Eilig verschloß Laurie ihren Wagen, warf noch mal einen kurzen Blick zu dem Auto neben sich und lief dann schnellen Schrittes auf den Eingang zu. Hoffentlich war es nicht der Wagen von John und Andy. Sie mochte gar nicht daran denken, daß es John gewesen war, der dort hinter der eingedrückten Tür gesessen hatte. Laurie drehte sich noch einmal mit zusammen gekniffenen Augen um und sah sich den eingebeulten Wagen an. Und wenn es doch ihr Dienstwagen war? Langsam kehrte sie zu dem verbeulten Wagen zurück und besah sich die Zahlen auf dem Nummernschild. Die Zahlen sagten ihr nichts, aber das hatte auch nicht viel zu sagen, denn bisher hatte Laurie noch keine Notwendigkeit gesehen, sich Kennzeichen zu merken, wenn sie nicht irgendwie mit ihrem Beruf im Zusammenhang standen.

Aber was ist, wenn es doch ihr Dienstwagen war? Was, wenn John etwas passiert war? Wenn er jetzt im Krankenhaus lag? Sie drehte sich wieder zurück und ging weiter auf die riesigen Türen des 15. Reviers zu. Dann konnte sie für sich nur hoffen, daß es ein Koma war, das ihn dort festhielt, denn anders würde er ihr wohl keine Chance auf einen Besuch geben.

Was sie wieder auf Danny zurück brachte. Schneller als ihr lieb war, wechselten sich die beiden Namen in ihrem Kopf ab und buhlten dabei um ihre Aufmerksamkeit. Ihr Sorge um John, ihre Sorge, wie es nun mit ihnen weiter gehen würde. Und gleich daneben Danny mit seinem Lächeln, welcher ebenfalls ihr Herz gefangen genommen hatte.

Laurie grüßte die beiden Cops, die neben dem Eingang des Reviers Wache hielten, und schob dann die schwere Tür vor sich auf.

Sie mußte unbedingt darüber nachdenken, wie es mit Danny und ihr weiter ging. Das Gespräch mit Jessie, über das Gefühlschaos in ihr in Bezug auf John und Danny, lag ihr noch immer schwer im Magen. Und Jessie hatte Recht, daß wußte sie nur zu gut. Der Streit mit John oder vielmehr seine Nichtachtung ihrer Person, zeigte ihr nur zu deutlich, wie wichtig ihr noch ihr Ex Mann war. Nicht das sie es nicht schon vorher gewußt hatte, aber sie hatte gedacht, daß sie mit Danny einen Neuanfang starten konnte. Besser machen, was sie bei John nicht geschafft hatte. Doch seit dem Streit mit John, hatte sich auch das Verhältnis zu Danny verschlechtert - was durchaus an ihr lag, wie Laurie wußte. Sie brachte die schlechte Stimmung mit nach Hause und sie war es, die die Treffen zwischen ihnen kurz hielt. Vielleicht war es ganz gut, daß er für ein paar Tage nicht da war, so konnte sie die Zeit nutzen und in Ruhe über die ganze Sache nachdenken.

Als Laurie das Revier betrat, merkte sie sofort, daß Ärger in der Luft hing. Mitten im Raum standen John mit Andy und dem Mann, den sie seit kurzer Zeit an ihrer Seite hatten. Vincent van Clendon, war sein Name, meinte sich Laurie zu erinnern, und er war den beiden zugeteilt worden, damit er einen Einblick von der Arbeit eines Detectives bekam. Aber genauso wie sein Name hochtrabend und arrogant klang, so war der Mann es auch selbst.

Laurie hatte ihn schon kennengelernt, als er noch Streife gefahren war und schon damals hatte sie diesen Typen und seine überhebliche Art nicht ausstehen können. Alles wußte er besser und nie war er Schuld an irgend etwas – immer waren es die anderen. Wie war Fancy nur auf den Gedanken gekommen, daß aus ihm ein fähiger Detective werden könnte?

„...es war nicht meine Schuld“, hörte Laurie seine aufgebrachte Stimme keifen, die John direkt anzugreifen schien. Sofort glitt ihr Blick auf John und ihr Herz zog sich zusammen, als sie ihn betrachtete. Offensichtlich war es doch der Dienstwagen von John und Andy gewesen, doch wo Andy gesund und munter aussah, machte John einen leicht lädierten Eindruck. Was nicht zuletzt daran lag, daß ein dünnes Blutrinnsal aus seiner Nase lief und immer wieder durch ein Taschentuch in seiner Hand aufgehalten wurde. Instinktiv wollte Laurie auf John zugehen und fragen, ob alles in Ordnung war, jedoch schaute John nicht mal in ihre Richtung, sondern starrte nur schweigend Vincent van Clendon an. Und dieser stand da, fuhr sich mit seiner Hand durch sein perfekt gestyltes schwarzes Haar und funkelte wütend abwechselnd von John zu Andy. „Es war nicht meine Schuld“, wiederholte er. Die Augen unvermittelt nun auf John gerichtete, denen er mit seiner Größe direkt hinein schauen konnte. Andy war zu klein für ihn, also würde der Blick aus seinen dunklen Augen nicht so gut ziehen. Aber John war in etwa gleich groß und deswegen auch der perfekte Ansprechpartner.

Sie sah von den drei Männern zu Janice hinüber, die ihren Dienst noch immer hinter dem Counter verrichten mußte. Was ist denn hier los?, fragte ihre Augen stumm. Und genauso stumm verdrehte Janice Ihre Augen zur Decke. Frag nicht, schien sie mit dieser Geste sagen zu wollen. Aber das hatte Laurie ohnehin nicht vor. Nicht jetzt. Nicht vor den Augen der drei Männer und schon gar nicht, als sie Medavoy sah, der bereits Ausschau nach ihr zu halten schien. Aufgeregt stand er auf der Treppe, winkte sie hoch und verschwand dann gleich wieder aus ihrem Blickfeld. Laurie mußte nicht erst auf ihre Uhr schauen um zu wissen, daß sie nun inzwischen fast eine halbe Stunde zu spät dran war.

Mit schnellen Schritten ging sie an den Männern vorbei und versuchte so viel wie möglich von ihrer Unterhaltung aufzuschnappen. Doch viel war das im Moment leider nicht. Außer einem: „Es war nicht meine Schuld“, von einem wütenden Vincent. „Der andere Fahrer hat nicht aufgepaßt.“ Und einem: „Ist ja schon gut, Vincent. Wir glauben dir ja“, von Andy, wurde gerade nicht viel gesagt, was Laurie die miserable Stimmung hier und den zerbeulten Wagen draußen erklärte.

Absichtlich langsam, ging sie an dem Trio vorbei und warf John dabei einen fragenden Blick zu, aber wenn er ihn gesehen haben sollte, so ging er doch nicht darauf ein. Statt dessen behielt er Vincent weiterhin im Auge und ergriff nun selbst endlich das Wort: „Nun, wie immer es auch war. Die Sache ist jetzt vorbei. Wir müssen sehen was wir daraus machen können.“ Seine Hand fuhr mit dem Taschentuch wieder zur Nase und tupfte das Blut von ihr ab. Vielleicht war es diese Geste, vielleicht waren es aber auch die Worte von John, die zwar beruhigend in ihrer Auswahl, vom Tonfall aber eindeutig anklagend waren. Auf jeden Fall wurde Vincent McClendon putterot im Gesicht und fing erneut an sich lautstark zu rechtfertigen.

Alle, die momentan in diesem Raum waren, fingen an sich nach dem aufgebrachten Mann umzudrehen. Und auch Laurie, die sich bereits auf der Treppe befand, drehte sich abermals zu ihm um.

„Ich hab doch gesagt, daß ich keine Schuld daran habe. Wir hatten die Sirene an. Der Mann hätte besser aufpassen müssen!“ Die letzten feindseligen Worte waren eindeutig an Johns Adresse gerichtet.

Laurie blieb auf der Treppe stehen und beobachtete, wie sich Vincent van Clendon aufplusterte wie ein Vogel in der Mauser. Johns Gesicht bleib ruhig, genauso wie seine Stimme, die ihm antwortete. „Ich weiß, daß wir die Sirene anhatten. Ich war dabei, schon vergessen?“ Eine weiteres tupfen, daß seine Worte von eben unterstützen. „Aber jetzt ist gut, ok?“ John deutete mit einem Nicken in den Raum. „Hier sind noch andere Leute anwesend.“ Clendon schaute sich nun ebenfalls in dem Raum um, schien aber nicht bereit die Diskussion jetzt aufzugeben. Aber in dem Fall beendete John einfach diese Unterhaltung, in dem er den gereizten McClendon stehen ließ und auf die Treppe zuging, auf der auch Laurie stand.

Er ging an ihr vorbei, ohne daß er sie zu sehen schien.

Andy der direkt hinter seinem lief, warf ihr ein Lächeln zu und folgte dann John zu seinem Schreibtisch. Auf sie wartete nun eine Menge Arbeit. Und auf Laurie wartete Medavoy. Ungeduldig stand dieser am Geländer der Treppe und sah ihr erwartungsvoll entgegen. Laurie dagegen, hatte aber keinen Blick für den nervösen Mann übrig – sie folgte John und Andy die Treppe hoch und hatte ihren Blick in Johns Rücken gebohrt.

Dreh dich um. Rede mit mir!, beschwor sie ihn stumm. Aber John lief weiter, ohne auf unausgesprochene Bitte zu antworten.




Re: Another year has gone by

Und wie so oft in letzter Zeit, verbrachte Laurie auch den Rest des Tages in ihrem Büro. Über Schriftsätze, am Telefon und in kurzen Meetings mit ihrem Chef. Und nach jedem dieser Gespräche, trug sie einen weiteren dicken Stapel an Blättern mit sich fort - zusätzlich zu der Arbeit, die sich überraschender Weise über Nacht auf ihrem Schreibtisch zu verdoppelt haben schien. Doch Laurie war darüber nicht mehr ganz so unglücklich wie noch vor einigen Wochen. Immerhin brachte sie diese Arbeit auf andere Gedanken – und sie brachte sie weit von John fort, der ihr noch immer keine Aufmerksamkeit schenkte.

Still seufzte Laurie vor sich hin und ließ für einen Moment die Finger auf der Tastatur liegen. Wie lange sollte das denn noch weitergehen?

Zu keinem Gespräch hatte sie ihn überreden können, keine noch so kurze Notiz hatte seine Aufmerksamkeit ereicht – und er war sogar noch einen Schritt weiter gegangen, und forderte nur noch Sylvia für sich und Andy an. Ließ ihr Terminplan einmal ihre Anwesenheit nicht zu, und Laurie erschien statt dessen zu der Aussage, so hatte Andy immer ein Lächeln für sie übrig – John jedoch tat so, als ob sie gar nicht da war. Alles weitere, was diese Aussage dann betraf, klärte sie nur noch mit Andy ab. Für John schien sie mit dem Vertreiben von Mika gestorben zu sein. Mittlerweile hatte sich Laurie an sein Verhalten gewöhnt und sie verspürte inzwischen auch kein Bedürfnis mehr danach, John ihr Verhalten zu erklären. Aber weh tat es immer noch.

Abermals stöhnte sie leise auf, tippte dann aber ganz artig weiter. Sich Gedanken um John zu machen hatte keinen Sinn, dachte sie, während ihre Augen über den Schirm huschten, vielmehr sollte sie sich um den weiteren Verlauf zwischen Danny und sich Gedanken machen. Wieder ruhten ihre Finger auf der Tastatur und wieder schenkte sie dem Schriftsatz vor sich keine Aufmerksamkeit. Was sollte sie bloß machen? Weiterhin mit Danny zusammen bleiben? Ignorieren, das da noch reichlich Gefühle für ihren Ex Mann im Spiel waren und hoffen, daß sie sich im Laufe der Zeit legten? John und seine Wut ignorieren und hoffen, daß sie sich in ein paar Jahren wieder legen würde?

Auf jeden Fall sollte sie mit Danny darüber reden, beschloß sie, als ihr Rose ihre Worte wieder in den Sinn kamen.

Reden, hatte sie gesagt. Reden ist das Geheimnis einer jeden Beziehung. Niemand weiß, was in uns vorgeht oder was uns bewegt. Auch wenn wir der Meinung sind, daß wir so offen sind, wie ein aufgeschlagenes Buch.

Ja, sie würde mit ihm reden. Sie hatte am Anfang mit ihm geredet und sie sollte es wieder tun. Sie würde Danny alles erzählen – die Sache mit Mika, Johns Reaktion auf ihre Einmischung und über die Traurigkeit in ihr, die sein Verhalten bei ihr auslöste. Sie hoffte nur, daß sie dann mit dem Mann in ihm sprach und nicht mit dem Csi Beamten, der John für seine Beziehung zu Mika an den Pranger stellte. Lauries Finger rutschten nun endgültig von der Tastatur vor sich. Er würde doch John dann keinen Strick draus drehen, oder? Unsicher biß sie sich auf die Lippe. Nein. Er würde nicht. Nicht Danny. Dafür kannte sie ihn zu gut. Aber kannte sie ihn wirklich dafür wirklich genug, um von solch einer Annahme auszugehen? Laurie ließ sich in die Lehne ihres Stuhls fallen. Ein paar Monate zusammen, gaben ihr noch nicht wirklich das benötigte Wissen über ihn.

„Hey Laurie, Lust auf eine kleine Auszeit?“ Unerwartet aus ihren Überlegungen gerissen, sah Laurie hoch. Sylvia stand in der Tür von ihrem Büro und lächelte die Rothaarige freundlich an. „Komm schon Laurie, eine kleine Pause kann dir nicht schaden. Du sitzt nun schon den ganzen Nachmittag an deinem Schreibtisch und versuchst den Stapel deiner Arbeit zu verringern.“ Sylvias Lächeln hatte fast etwas Mütterliches an sich. Und das durfte es auch, denn Sylvia war bestimmt zehn Jahre älter, als die junge Frau, welche sie nur mit großen Augen anschaute - noch nicht ganz wieder in der Realität zurück, mit den Gedanken noch immer bei John und Danny.

„Ich sag dir was“, fügte Sylvia noch hinzu. „Die Arbeit wird nicht weniger werden. Egal wie lange du dich hier aufhältst. Sobald der Stapel zu schrumpfen beginnt, wird unser lieber Chef, ihn dir wieder auffüllen. Er steht auf dem Standpunkt, daß ein gewisses Kontingent an Arbeit einfach vorhanden sein muß.“ Das Lächeln auf Sylvias Gesicht wurde bissig, als sie sich umdrehte, um sicher zu gehen, daß genau dieser Chef nicht hinter ihr stand. „Na komm, nimm deine Sachen und dann laß uns eine Pause einlegen.“ Laurie nickte lächelnd Sylvia zu. „Deswegen wird mein Stapel von Akten nicht kleiner! Ich habe mich schon gewundert, daß wenn ich abends einen Teil davon bearbeitet habe, es am nächsten Morgen wieder genauso aussieht wie vorher.“ Laurie grinste bei ihren Worten, während sie aus dem kleinen Schrank unter ihrem Schreibtisch ihre Handtasche nahm. „Wo wollen wir hin?“, fragte sie auf dem Weg zu dem Weg zum Kleiderhaken hinter der Tür. Laurie stellte die Tasche zu ihren Füßen ab und zog sich den leichten Trenchcoat über, den sie bei den fast frühlingshaften Temperaturen da draußen, inzwischen mit ihrem dicken Wintermantel vertauscht hatte. „Was hältst du von dem kleinen Cafè unten an der Ecke?“, fragte Sylvia mit einem Augenzwinkern. „Das Lane? Das, welches diese furchtbar leckeren  Sandwichs hat?“ Begeisterung zeigte sich in Lauries Augen, noch bevor Sylvia ihr lachend zustimmte. „Genau dieses. Bist du fertig?“ Sylvia selbst, hatte sich schon ihren Mantel übergeworfen, der dem von Laurie sehr ähnlich sah. Den wahrscheinlich fast jede Frau um diese Jahreszeit trug, die nach außen hin etwas ausstrahlen mußten.

Gemeinsam, liefen die beiden Frauen die Treppen hinab zu dem besagten Cafè. Jetzt mit Sylvia an ihrer Seite, erschien Laurie ihre momentane Situation, nicht mehr ganz so unglücklich. Munter redete die Anwältin neben ihr drauf los, bezog sie ihn dieses Gespräch ein, lästerte dort über ihren Chef. Und sie tat es auf so eine charmante Art und Weise, die Laurie immer wieder zum lächeln brachte und ihre Sorgen immer weiter in den Hintergrund drängten. Und dann hatten sie auch noch Glück, als sie nach fünf Minuten Fußweg im Lane ankamen.

Der gemütliche Raum war zwar voll, aber nicht überfüllt. In dieser Gegend war das Cafè mehr als bekannt, wie die Anzahl der Gäste deutlich zeigte. Selbst jetzt, kurz nach vier, waren fast alle Tische belegt und die Kellner hart am schuften. Laurie und Sylvia fanden mitten im Raum einen kleinen Tisch, welcher nicht mehr als zwei Personen Platz bot. Aber mehr Platz brauchten sie ohnehin nicht, immerhin wollten sie hier kein ausgedehntes Lunch zu sich nehmen, sondern nur einen Kaffee trinken, ein Sandwich essen und sich vom Streß der Arbeit erholen. Laurie saß zwar nicht gerne mitten im Raum, aber besser, als ihren Kaffee mit zu einer Parkbank zu nehmen und sich dort der kalten Aprilsonne auszusetzen. Für einen dauerhaften Aufenthalt im Freien, ohne Bewegung, war es einfach noch zu kalt.

Unabgesprochen bestellten sie beide bei der Kellnerin, die trotz des Kundenverkehrs fast sofort an ihrem Tisch erschien, einen Kaffee und das Käse Sandwich. „Sag mal, weißt du was sich da heute im Revier abgespielt hat?“ Laurie sah ihre Kollegin fragend an, während sie an ihrem heißen Kaffee nippte. Sylvia nickte zustimmend. „Zufälliger Weise ja. Andy hat es mir in einem ruhigem Moment trauter Zweisamkeit erzählt.“ Im Gegensatz zu ihrem Freund, hatte Sylvia überhaupt keine Probleme über sie beiden als Pärchen zu sprechen. Laurie fragte sich, warum Andy noch immer so ein Geheimnis aus ihrer Beziehung machte.

„John und dieser van Clandon waren gemeinsam bei einem Überfall, als ein plötzlicher Funkspruch von einem weiteren Überfall, sie von dort weg holte...“ „Wo war Andy?“ Laurie schob den Salz Streuer ein Stück von sich fort, während sie auf die Antwort von Sylvia wartete. „Hing im Revier fest, sagt er.“ Sylvia besah sich kurz die Leute in dem Raum, bevor sie weitersprach. „Er hatte einen Termin mit einen gewissen.....“, Sylvia nahm überlegend die Hand zum Mund und fuhr sich mit den Fingern über den Lippen. „Keine Ahnung“, sagte sie nach einer kurzen Schweigeminute, „die Leute dort, kommen und gehen. Andy wirft jedes Mal mit soviel Namen um sich, daß ich es mir einfach nicht merken kann. Ist ja auch egal.“ Sie rutschte auf ihrem Stuhl ein Stück nach vorne und lehnte sich Laurie über den Tisch entgegen. „Auf jeden Fall ist Clendon gefahren, weil John noch mit dem Funkgerät zugange war.“ Die Kellnerin in ihrem rosa weißen Dreß kam mit ihren Kaffee und ihren Sandwichs zu ihnen an den Tisch. „Danke“, murmelte Sylvia, als sie die Sachen abstellte und Laurie lächelte sie an. „Nun“, fuhr Sylvia fort, während sich Laurie Milch in den Kaffee kippte, „John schaltete die Sirene ein und Clendon fuhr los. Doch sie sind nicht weit gekommen. In einer der kleinen Seitenstraßen, die Clendon als Abkürzung wählte, hatte er rechts vor links nicht beachtet. In der Annahme, daß die Sirene ihnen den Weg schon räumen würde, ist er einfach durch die kleinen Straßen gebrettert.“ Sylvia schüttelte den Kopf und Laurie, nun mit dem Kaffee an den Lippen, tat es ihr gleich. In einer kleinen Seitenstraße, sollte man schon ein wenig Vorsicht walten lassen. Unübersichtlich war dort der Straßenverlauf und nicht immer ganz deutlich für die anderen Fahrer, von wo die Sirene kam.

„Es kam wie es kommen mußte, ein Auto hatte sie nicht schnell genug orten können und ist, in der Annahme, daß er Vorfahrt hat, weiter gefahren. Direkt in Johns Seite rein.“

Laurie vergaß den Kaffee. „Oh Gott, ist ihm was passiert?“ Sylvia schaute sie einen Augenblick bedächtig von der Seite her an und schüttelte dann verneinend den Kopf. „Nein. Er hat schnell genug reagieren können und hat sich rechtzeitig zur Seite werfen können. Außer einer blutenden Nase und ein paar Prellungen hat er nichts abbekommen.“ Noch immer sah sie die junge Frau vor sich nachdenklich an. „Ihr redet immer noch nicht miteinander?“, fragte sie dann leise nach. Doch eigentlich hätte sie gar nicht fragen rauchen, sie wußte von Andy, daß zwischen den beiden Funkstille herrschte. „Nein“, antworte Laurie ihr genauso leise. „Wir schweigen noch immer.“ Kummervoll schüttelte Sylvia den Kopf, ging aber im Moment noch nicht auf das Thema ein, weswegen sie Laurie überhaupt zu diesem Cafè Besuch überredet hatte.

„Und weiter?“, fragte Laurie schließlich neugierig nach und Sylvia fuhr fröhlich fort. „Oh sehr viel mehr gibt es nicht zu erzählen. Sie sind natürlich nicht zu dem anderen Überfall gefahren, sondern schnurstracks zum Revier zurück gekehrt. Andy wartete schon auf die beiden, denn John hatte ihnen über Funk schon von dem Unfall berichtet.“ Sylvia nahm nun endlich das Sandwich zur Hand und biß herzhaft hinein. Erst als sie aufgekaut hatte, fuhr sie fort. „Und danach, hat Clendon natürlich sämtliche Schuld von sich gewiesen.“ Laurie nickte und biß ebenfalls von ihrem Sandwich ab. Diesen Teil, hatte sie mit eigenen Ohren hören können, auch wenn ihr der Zusammenhang fehlte.

„Kaum zu glauben, daß Fancy ihn als Detective ausbilden lassen will“, dachte sie laut nach. Laurie hatte nach ihrem ersten lustlosen Bissen von ihrem Sandwich, die Hände wieder um die heiße Tasse gelegt und lauschte aufmerksam Sylvias Ausführungen. „Ich hatte das Gefühl, daß er John nicht besonders leiden mag. Ist irgend etwas zwischen den beiden vorgefallen?“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue, sah Laurie Sylvia neugierig an. Abermals schüttelte Sylvia den Kopf. „Nicht das ich wüßte. Vielleicht ist es nur mal wieder der berühmte Hahnenkampf zweier Männer, die zeigen wollen wer hier das Sagen hat.“ Laurie lachte laut auf. Die Vorstellung gefiel ihr, auch wenn sie nicht so ganz daran glauben konnte. „John bestimmt nicht. Er ist eigentlich nicht der Typ der sich auf so ein Niveau herunterziehen läßt“, gab sie zu bedenken. „Allerdings sah es bei van Clendon schon danach aus. Ich dachte aber mehr an einem Vogel in der Mauser, als ich ihn da so stehen sah.“ Nun war es an Sylvia laut aufzulachen. „Das paßt fast noch besser zu ihm - ein Jungvogel, der sich vor seinen Daddy rechtfertigt.“ Die beiden Frauchen kicherten vor sich hin.

Aus dem Augenwinkel sah Laurie wie John zur Tür hineinkam und an der Bar stehen blieb, um direkt dort eine Bestellung aufzugeben. Ein trauriger Ausdruck trat in ihre Augen, als sie ihn dort so stehen sah. Mein Gott, wie sehr wünschte sie sich, daß er ihr endlich verzeihen würde. Sylvia folgte dem Blick von Laurie zu John und dann wieder zurück zu Lauries Gesicht. Sie schwieg, wußte nicht genau, ob sie dieses Thema anschneiden sollte oder nicht. Dieses Thema war zwar der Grund gewesen, warum sie Laurie von der Arbeit weggerissen hatte, dennoch war es ein Thema, über das Laurie nicht reden wollte. Und es war ein Thema, daß doch etwas von spiegelglatten Eis an sich hatte.

Von Andy hatte sie gehört was passiert war, und was die Aktion von Laurie für Konsequenzen mit sich gebracht hatte, war keinem im Revier verborgen geblieben. Doch sie wußte selbst nicht so ganz was sie davon halten sollte. Sicher, Laurie hatte sich in Johns Leben eingemischt. Und zwar in etwas was sie nun wirklich nichts mehr anging. Doch trotzdem konnte Sylvia nicht glauben, daß das ohne Grund passiert war. Nicht so, wie sie Laurie kennengelernt hatte. Nicht, nachdem Laurie ihr diesen dicken Briefumschlag in die Hand gedrückt hatte, den John nicht haben wollte. Ihre Hand hatte dabei gezittert, erinnerte sich Sylvia. Das mußte doch was zu bedeuten haben. Wobei, es konnte alles bedeuten. Ein schlechtes Gewissen, zum Beispiel für das was sie getan hatte und dann ein ellenlanger Entschuldigungsbrief. Aber Andy hatte ihr von seiner Unterhaltung mit John erzählt. Wort für Wort. Und ebenso wie Andy die ganzen Ungereimtheiten aufgestoßen waren, so lagen sie auch ihr schwer im Magen. Doch da war nichts Handfestes – nur ein Gefühl, daß an der Sache etwas faul war. Und dann war doch noch die Sache mit Laurie selbst. Sie arbeitete nun schon seit einiger Zeit dicht mit ihr zusammen, und soweit sie es wußte, tat diese nie etwas, daß gegen ihr ethisches empfinden sprach. Jedoch war die Gefühllage eines Menschen nicht unbedingt mit der Arbeit zu vergleichen. Was auf Arbeit so selbstverständlich war, konnte auf privater Linie schon ganz anders aussehen. Sylvia trank einen Schluck von ihrem Kaffee und musterte über den Rand der Tasse abwägend die rothaarige Frau vor sich. Nein, das glaubte sie eigentlich nicht. Und Andy auch nicht. Also hatte er versucht noch mal in Ruhe mit John darüber zu reden, jedoch gab es bei diesem Thema keine Ruhe. Jedenfalls nicht für John. Noch immer biß er die Zähne zusammen, wenn Andy versuchte das Thema zur Sprache zu bringen und reagierte nur mit Unwillen. Sie hatte seine Freundin weggeschickt und damit hatte es sich.

Allerdings mußte Sylvia sich fragen, warum ließ sich eine Frau wie Mika, die sie ja auch kennengelernt hatte, sich so einfach von Laurie vertreiben? Sylvia hätte Mika niemals so eingeschätzt. Sie hätte gedacht, daß diese Frau um ihren Liebsten kämpfen würde – wenn  ihr John wirklich so wichtig war, wie sie ihr in einem Gespräch von Frau zu Frau, einmal erzählt hatte. Nein, Sylvia war sich ganz sicher, daß da mehr hinter stecken mußte. Und wie war es doch gleich? Bei jeder Story waren mindestens zwei Menschen involviert und jetzt würde sie zu gerne mal die Geschichte von der anderen Seite hören. Doch jetzt, als sie mit Laurie hier am Tisch saß und beobachtete, wie ihr Blick an der Gestalt ihres Ex Mannes klebte, wußte sie nicht so recht wie sie dieses Thema zur Sprache bringen sollte. Laurie sah nicht so aus, als ob sie darüber reden wollte. Sylvia versuchte es trotzdem.

„Sag mal, was ist eigentlich mit dir und John?“ Ein neutraler Ansatz, der Laurie die Möglichkeit gab, darauf einzugehen und sich die ganze Geschichte von der Seele zu reden, oder aber genauso neutral zu bleiben wie Sylvia. Offensichtlich entschied sich Laurie für die zweite Variante. „Nichts Besonderes. Wir haben uns nur gestritten.“ Eine automatische Antwort, die Laurie bestimmt schon zwanzig Mal erzählt hatte. Aber dann schien sie sich zu erinnern, mit wem sie hier saß. Ihr Blick löste sich von der Gestalt an der Bar und schaute statt dessen wieder Sylvia an. Ihr schief gelegter Kopf und ihr vorwurfsvoller Blick, strafte Sylvia mit Ironie. „Komm schon Sylvia. Du weißt doch was los ist. Ich bin sicher, daß Andy es dir erzählt hat.“ Diese Tatsache abzustreiten, hätte Sylvia nicht viel gebracht. Laurie wußte, daß Andy und John eng miteinander befreundet waren und das, wenn John es jemanden erzählte, es garantiert Andy war. Und da sie Andys Freundin war, war es nur eine Sache der Schlußfolgerung, daß auch Sylvia Bescheid wußte.

„Ja, er hat mir davon erzählt. Das will ich ja gar nicht abstreiten. Aber ich höre mir gerne zwei Seiten einer Geschichte an.“ Sylvias Gesichtsausdruck war nicht verurteilend, als sie Laurie ansah. Eine Tatsache, die Laurie mit Erleichterung auffiel. „Eine Berufskrankheit, weißt du?“, setzte Sylvia noch einen kleinen Scherz dazu. Ein halbes Lächeln kehrte auf Lauries Gischt zurück. Wieder warf sie einen Blick zur Theke, sah aber nur noch, Johns wehenden Mantel, als er den Laden verließ. Laurie atmete niedergeschlagen aus und wandte sich dann wieder Sylvia zu, welche noch immer auf eine Antwort wartete. „Es gibt keine zweite Seite der Geschichte“, erwiderte Laurie. „Ich war eifersüchtig auf Johns Freundin, bin zu ihr gegangen und habe sie unter Druck gesetzt. Entweder sie verläßt John, oder ich würde ihr versuchen etwas anzuhängen.“ Nicht mal eine ganze Lüge, als sie die Worte von Mika wiedergab, die diese John aufgetischt hatte. Nur ein wenig untertrieben. Laurie schaute zur Tür, die John gerade durchschritten hatte. Nun wieder geschlossen, trennte sie die Straße genauso von den Besuchern des Cafès, wie eine unsichtbare Tür Laurie von John trennte. Sie blinzelte ein paar Mal um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, bevor sie an die Oberfläche kommen konnten und wandte sich dann mit einem lautlosen seufzten wieder Sylvia zu. Und mußte feststellen, daß Sylvia ihr forschend in die Augen schaute.

Das waren exakt Andys Worte gewesen, die Andy ihr als kurzen Zusammenfassung den Abend vor drei Wochen erzählt hatte. Ganz genau die gleichen Worte, auf die Silbe genau. Da mußte mehr sein. Sylvia war sich ganz sicher, ansonsten hätte Laurie in ihren eigenen Worten geredet, in ihrer eigen Sprache, mit ihrem eigenen Wortschatz, der von Mensch zu Mensch unterschiedlich war. Jedoch schien Laurie nicht gewillt zu sein, Sylvia mehr zu erzählen. Sie lächelte Sylvia nur reumütig an und versenkte dann den Blick in die Kaffeetasse vor ihr, die schon längst ausgetrunken war. Als ob das ein Stichwort für die Kellnerin gewesen war, kam diese mit einer vollen Kanne Kaffee an den Tisch der beiden Frauen. „Möchten sie gerne noch Kaffee?“ Fragend schaute sie Laurie und Sylvia an und sah nur zwei Frauen, die sich für ein Gespräch zusammengesetzt hatten. „Ja, danke.“ Sylvia schob der Kellnerin ihre Kaffeetasse entgegen und nachdem diese ihn wieder gefüllt hatte, tat Laurie es ihr gleich. „Danke“, kam es diesmal von Laurie. Rosie, wie das Namenschild auf ihrer Brust verkündete, nickte ihr freundlich zu und setzte dann ihre Runde fort, auf der Suche nach weiteren Gästen, die gerne noch etwas aus ihrer halbvollen Kanne haben wollten. Schnell breitete sich der aromatische Duft des schwarzen Wassers sich zwischen ihnen aus. Laurie nahm ein weiters mal die Milch zur Hand und begann ihren Kaffee damit eine hellbraune Farbe zu verleihen. Mit ihrer frisch gefüllten Tasse am Mund, betrachtet Sylvia abschätzend die junge Frau vor sich, deren Beschäftigung es nun war, den Grund ihrer Kaffeetasse hingebungsvoll zu studieren „Du weißt schon, daß man die Zukunft aus dem Satz einer Teetasse liest und nicht auch einer vollen Kaffeetasse?“ Ein Versuch das Thema wieder auf neutralen Boden zu lenken, den Sylvia aber eigentlich gar nicht betreten wollte. Sie wollte die Wahrheit, sie wollte wissen, was wirklich Lauries Beweggründe für ihren Besuch bei Mika gewesen waren. Laurie schaute aus ihrer Tasse hoch, halbherzig lächelnd über Sylvias Scherz, doch nichts darauf erwidernd. In der Stimmung der sie momentan war, wollte sie ihre Zukunft lieber gar nicht kennen.

„Du willst nicht darüber reden!“ Die Hartnäckigkeit der Anwältin, brach bei Sylvia durch.  Ein Umstand den Laurie wohl verstehen, aber nicht erfüllen konnte. „Es gibt nichts weiter zu erzählen.“ Laurie ließ den unberührten Pott vor sich stehen und wühlte in ihrer Handtasche nach der Geldbörse. Schnell zählte sie die Scheine ab und legte sie auf den Tisch zwischen sich uns Sylvia. „Ich muß wieder hoch. Auch wenn unser lieber Chef des Nachts Heinzelmännchen spielt, so wollen unsere Mandanten doch ihr verdientes Recht bekommen.“ Sie schnappte sich den Mantel von dem Stuhl zu ihrer Seite und zog ihn sich über. „Du kommst nicht mit?“, fragend sah Laurie zu Sylvia hinüber, welche sitzen geblieben war, ihren heißen Kaffee mit kleinen Schlückchen trank und dabei Laurie beobachtete. Noch immer mit dem abschätzenden Blick, den sie vorhin schon bei ihrer Frage an sie, in den Augen gehabt hatte. Die Angesprochene schüttelte verneinend den Kopf. „Nein“, antworte Sylvia auf Lauries Frage. „Ich habe in einer viertel Stunde eine Anhörung. Es würde sich nicht lohnen für die Zeit noch mal mit hoch zu kommen. Bis ich da wäre, könnte ich gleich wieder gehen.“ Laurie nickte zustimmend. „Das klingt logisch. Du Glückliche“, setzte sie dann noch mit einem seufzen hinzu. „Ich habe erst morgen wieder eine. Bis dahin darf ich mich um solch interessanten Dinge wie Akten, Telefonate und einem nicht ausgelasteten Chef vergnügen.“ Sie verzog ironisch das Gesicht. „Tolle Aussichten.“ Sylvia lachte, während Laurie sich ihre Tasche vom Tisch angelte und selbst dabei von einem grinsen heimgesucht wurde. „Na dann...viel Spaß. Und laß dir nicht auf der Nase herumtanzen.“ Sie hängte sich ihre Handtasche über die Schulter, während Sylvia noch immer genußvoll von ihrem Kaffee trank.  „Niemals“, lächelte Sylvia zurück. „Wir sehen uns später im Büro.“ Laurie nickte Sylvia zum Abschied zu und bahnte sich dann durch die Tische und Stühle in ihrem Weg, einen Pfad nach draußen.

Sylvia blieb auf ihrem Platz und schaute erst der rothaarigen Frau hinterher und dann auf das angebissene Käsesandwich von Laurie. So sehr hatte sie sich auf das belegte Brot gefreut und dann doch kaum einen Bissen zu sich genommen. Nachdenklich nahm sie einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee. Da gab es mehr zu sagen, bekräftigte sie für sich selbst. Sie war sich so sicher. Vielleicht sollte sie mal mit John sprechen. Ihr gegenüber konnte er nicht so schroff sein, wie bei Andy. Die Frage war nur, ob sie ihn auch zu fassen bekam.




Re: Another year has gone by

Ein ziemlich ruhiges und beschauliches Kapitel, welches aber doch recht interessant war.

Ich kann mir denken, dass Laurie nach einer gewissen Zeit einfach keine Lust mehr hat mit John über die Mika-Sache zu sprechen.

Dass er aber doch so unversöhnlich ist?!
Eigentlich hätte er ja seine Ex-Frau ein bisschen besser kennen sollen und inzwischen mal nachhaken können!

Laurie könnte somit tatsächlich Hilfe von außen gebrauchen in dieser Sache.
Was ist eigentlich mit Danny? Irgendwie vermisse ich ihn.
Hat die Beziehung der beiden, denn irgendwie gar nicht unter den Spannungen, die Laurie mit John hat zu leiden? Oder sehen sich die beiden gar nicht mehr?

LG Eve

Re: Another year has gone by

Ohje, da ist aber einer wirklich sehr hartnäckig! Hätte ich jetzt von John so gar nicht gedacht!

Und was mich jetzt auch ein wenig verwundert hat ist das Laurie mit Sylvia nicht über das alles gesprochen hat, ich denke es hätte ihr doch ganz gut getan sich noch jemanden anzuvertrauen, der die Sache mit Abstand sieht. Das Sylvia vermitteln kann, glaube ich nicht, denn John würde wohl auch sie abblocken, ich denke er würde das nur als einen weiteren Eingriff in sein Privatleben sehen. Bei Andy wäre das was anderes, aber hmmm, Andy ist ein Mann!

Ich kann Eve nur zustimmen, ein sehr ruhiges informatives Kapitel wo man wieder mal ein Einblick bekommt in die Gedankengänge von Laurie! Und das ist doch sehr interessant!

Ich freu mich schon sehr auf dein neues Kapitel, Chyio! Und ich gebe dir recht, ich glaube ich fange nochmal von vorne an zu lesen, denn es ist ja auch schon sooo vieles passiert!

LG Flymoon





Danke Chris!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

@Eve: ich glaube jedes normale Kapitel nach der ganzen Aufregung, wäre als ruhiges Kapitel durchgegangen. Und ruhige Kapitel müssen auch einmal sein, sonst kann es ja keine Steigerung mehr geben. Was Danny angeht, gebe ich Dir vollkommen Recht, möchte aber an dieser Stelle und zu diesem Thema doch so ein zwei Sachen anmerken.

 Zum einen ist diese ganze Sache mit Mika, dem Abschied von ihr und auch das fortlaufende zur Weihnachtszeit geschrieben worden. Also in der Zeit, wo ich mehr für meine Schokolade gelebt habe, als zu Hause. Trotzdem habe ich versucht mich selbst zu überlisten, indem ich morgens eine Stunde früher aufgestanden bin, um wenigstens ein wenig zu schreiben, um meine Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn ich es also von der Warte her betrachte, bin ich ganz schön stolz darauf, daß ich es geschafft habe Laurie nicht zu verlieren.

Und dann kommt noch dazu, daß ich erst zwei Monate zuvor Lucie geschrieben habe, mit genau 31 Seiten. Die Geschichte danach, war ungefähr genauso lang. Another year ist also erst meine dritte FF und garantiert die erste in meinem ganzen Leben, die so ausführlich und so lang geworden ist.  Es ist nicht immer leicht an alles und jeden zu denken. Sicher, man wächst im Laufe der Zeit da hinein und man entwickelt sich auch weiter, trotzdem passiert es hin und wieder, daß jemand mal verloren geht. Daß im Endeffekt ein ganzes Kapitel über Danny und Laurie fehlt, welches ihre Diskrepanzen aufzeigt, ist mir erst zu spät aufgefallen (aber immerhin ist es das). Aber wie gesagt zu spät. Der Punkt ist überschritten, wo es reingepaßt hätte. Und so müßt ihr Euch leider mit der ursprünglichen Version und den vier fünf Sätzen zufrieden geben, die ich am Anfang des letzten Kapitels geschrieben habe. Tut mir wirklich leid. Rein aus meinem eigenen Perfektionismus würde ich es ja gerne noch reinsetzten, aber wie gesagt, der Punkt ist eindeutig verpaßt. Ich hoffe, sie gefällt Euch trotzdem noch.

@Flymoon: Was soll ich sagen? Es sieht so aus, als ob der einfache Streit, aus dem sie sich damals getrennt haben, doch eine wenig ernstere Grundlage hat, als man bisher vermutete. In dem Fall kann ich nur sagen: habt Geduld.

Aber nun geht es weiter................

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Eine ungewöhnliche Geräuschkulisse

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Ganze zwei Tage später, war der Unfall von Vincent und John noch immer das Gesprächsthema Nummer eins im Revier. Was sonst unter Mißgeschick verbucht worden wäre, wurde Dank van Clandon selbst, zu einem Fall, über den inzwischen das ganze Revier diskutierte. Doch der Kerl konnte einfach nicht seinen Mund halten und versicherte jedem der es hören wollte, und auch jenen, die es nicht interessierte, daß er nicht Schuld an dem Unfall sei, daß er die Sirene angehabt hatte. Gerüchte setzten ein, machten die Runde und kehrten, noch viel schlimmer aufgebauscht, zu seinem Erzähler zurück, als sie erzählt worden waren. Daraus wurde dann eine neue Wahrheit, die abermals die Runde machte. 

Und Vincent van Clandon suchte in seiner Paranoia einen Schuldigen, den er für diese Gerüchte verantwortlich machen konnte. Und wer war besser dafür geeignet, als der Mann, der mit ihm zusammen in dem Wagen gesessen hatte und – nach neuesten Gerüchten zu folge, ihm mit Absicht nicht Bescheid gesagt hatte, daß sich ein Wagen von rechts nährte, um seinen Partner auszuwischen?

Wie so viele andere auch, war Laurie einfach nur noch genervt von diesem arroganten Typen, der sich die Wahrheit so zurrecht bog, wie sie ihm am dienlichsten war. Allerdings hatte Laurie, das ausgesprochene Pech, auch noch selbst mit in die ganze Sache involviert zu werden. Vielleicht lag es daran, daß van Clendon an ihr einen Narren gefressen hatte, vielleicht aber auch nur, weil sie die Ex Frau von John und somit jemand war den van Clendon gerne auf seiner Seite gewußt hätte. Doch was immer es auch war, es reichte aus, daß er ihr ständig und andauernd an den unmöglichsten Orten auflauerte.

Wahrscheinlich war es beides, dachte Laurie, als sie nach einer Aussagenaufnahme mit Martinez zusammen ihre Sachen zusammen packte. Denn seine Annährungsversuche, wenn man sie denn als solche bezeichnen mochte, waren einerseits gespickt mit den Fragen, wie sie denn einen so hinterhältigen Mann hatte heiraten können, und setzten sich aber dann ganz eindeutig mit dem Punkt auseinander, warum Laurie denn nicht mit ihm zu Abend essen würde. Angewidert schüttelte sich Laurie bei dem Gedanken und verlor dabei den Kugelschreiber aus der Hand, den sie gerade in ihre Tasche stecken wollte. Mit dem Kerl essen gehen, würde bedeuten, daß sie ihn den ganzen Abend beobachten durfte, wie er sich daß schwarze Haar zurück strich und ihr die Wahrheiten über John erzählte, die er sich in seinem kranken Gehirn zusammen gebaut hatte. Ihre Augen suchten den Fußboden nach dem Kugelschreiber ab. Und sie würde sich stundenlang anhören müssen, wie eifersüchtig doch John auf ihn, Vincent, war und das er deswegen, solche infame Lügen über ihn in Umlauf brachte. Sie entdeckte den Stift auf dem Weg unter einen der Schränke und ging konnte gerade verhindern, daß er unter diesen rollte. Nein, dachte Laurie, lieber würde sie allein eine Nacht in der Antarktis verbringen müssen, bevor sie mit diesem Mann was essen ging! Gott sei Dank ließ er sie inzwischen im großen und ganzen in Ruhe. Laurie grinste vor sich hin, während sie daran dachte, wie es dazu gekommen war und verstaute den Kugelschreiber in ihrer Tasche.

Zum Anfang dieser Annäherungsversuche hatte sie sich noch verpflichtet gefühlt, sich ernsthaft mit ihm zu unterhalten. Diskret hatte sie seine Einladung zurück gewiesen, mit dem Hinweis, daß sie sich in einer Beziehung befand, und versucht das verschrobene Denken dieses Mannes wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Beim zweiten und dritten Mal, war ihre Antwort schon wesentlich kürzer ausgefallen und als er das letzte Mal auf sie zukam, hatte sie ihn nur noch gefragt, ob er schon mal bei einem Psychologen gewesen war, um seinen Geisteszustand überprüfen zu lassen.

Kaum zu glauben, daß dieser Unfall erst zwei Tage her war. Nach der Aufregung die hier im Haus herrschte und seinen ungezählten Aufdringlichkeiten, hätte man meinen können, daß inzwischen eine Woche vergangen war. Laurie schüttelte wieder den Kopf und packte nun auch noch ihr Brillenetui in die Tasche. Hartnäckig schob sie den unangenehmen Gedanken an van Clandon beiseite und widmete sich einem ganz anderen Mann. Jeremy Sanders.

Seit dem Besuch in der Anwaltskammer, war sie noch nicht dazu gekommen sich weiter mit ihm zu beschäftigen. Für heute Abend jedoch hatte sie beschlossen dies zu ändern. Danny war nun fort, Überstunden standen für heute eigentlich nicht mehr auf dem Programm und soweit sie wußte, waren auch ihre lieben Freundinnen alle anderweitig beschäftigt. Und das bedeutete...einen ruhigen Abend, nur für sich.

Während sie den Verhörraum verließ, faßte Laurie den Entschluß, daß sie heute Abend noch einmal bei der Web Side von Sanders vorbeischauen sollte. Nicht das ihr diese Seite was brachte, aber die dort geschriebenen Worte, würden ihr vielleicht zu einer Idee verhelfen, warum Noah Lewis sich um den Fall Diabolo gekümmert hatte.

Wahrscheinlich waren es diese Gedanken um Jeremy Sanders, die verhinderten, daß sie ihrer Umgebung nicht mehr als einen flüchtigen Blick gönnte. Sie sah zwar schon, daß sich in dem Raum, wo die meiste Arbeit der Ermittler statt fand, mehr Cops und Detectives als üblicher Weise aufhielten, aber so richtig zu Bewußtsein kam ihr das erst, als sie unvermutet der der laute Gesang eines Mannes unter der Dusche vernahm. Verblüffung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und ihre Schritte stoppten so selbstverständlich, daß sie es noch nicht einmal mitbekam. Und genauso automatisch wandte sie sich den Menschen hier im Raum zu, um festzustellen, ob alle es hörten, oder ob diese ungewöhnliche Geräuschkulisse, die zumindestens diese Etage mit ihren Gesangskünsten unterhielt, eine Ausgeburt ihrer Fantasie war. Doch da war nichts einbildet. Zusammen standen die Cops in zweier und drei Grüppchen an ihren Schreibtischen und kicherten hinter vorgehaltener Hand. Amüsierte Blicke flogen zu ihr, welche Laurie nur mit einem eigenen hilflosem kichern beantworten konnte.

Gesang im Revier, wo dem herzlosen Verbrechen auf die Spur gegangen wurde, war schon etwas sehr außergewöhnliches. Aber das hier.... das schlug dem Faß den Boden aus! Laurie lauschte mit zunehmender Bestürzung dem Versuch eines Liedes – und Versuch war in diesem Fall genau das richtige Wort für eine Beschreibung. Denn es war ein Kinderlied, was da zu Besten gegeben wurde. Das war gar nicht mal das, was Laurie so sehr aus der Fassung brachte, auch wenn es nicht gerade zu ihrem eigenen täglichen Repertoire gehörte. Was ihr dagegen Ohrenschmerzen bereitete, war die offensichtliche Hingabe an das Lied mit einem vollkommen falschen Text und der schiefen Tonlage. Trotzdem konnte sie es nicht vermeiden, daß sich ihr Lächeln nun übers ganze Gesicht zog, als sie zur Tür sah, hinter der gleich die Treppe lag und somit auch die Tür zu der Herrenumkleidekabine. Wo die Dusche ihren Platz hatte. Nur zu sehen bekam sie dort nichts. Dafür aber, wurde sie nun mit einer weiteren Strophe des Liedes beglückt. Wo schon bei der ersten Strophe die Worte nicht zueinander gehört hatten, wurde es jetzt noch schlimmer. Seine künstlerische Freiheit voll ausschöpfend, lieh sich der Sänger den Text eines zweiten Kinderliedes aus, fügte ihn ohne mit der Wimper zu zucken in seinen Gesang ein und trällerte ihn lautstark für alle Beteiligten. Laurie schüttelte sich leicht vor Abscheu und Verwunderung. Wie konnte jemand nur so falsch singen? Und so hoch? Sie verstand ja nicht viel von Musik, aber diese Tonlage gehörte doch eher zu einer Frau. War das wirklich ein Mann, der dort unter der Dusche stand?

Abermals glitt ihr Blick über die hier Anwesenden, und erneuert konnte sie ein leises Lachen nicht zurückhalten. Jedoch: Wie falsch auch immer dieses Lied gesungen wurde und so schmerzhaft es auch in ihren Ohren klang, so war es doch mal eine sehr nette Abwechslung in dem tristen Alltag!

Eine Weile blieb Laurie mit dem Blick zur Tür stehen und lauschte mit demselben Schmunzeln im Gesicht, wie es auch in den Gesichtern der anderen Anwesenden zu finden war. Doch schließlich schüttelte sie sich – es war Zeit dem grausamen Gesang zu entfliehen! In ihrem Büro wartete ihr Schreibtisch und auf ihm lagen die Papiere, welche das Heinzelmännchen in der Nacht ihr hatte zukommen lassen.

Die Tasche in ihrer Hand umklammernd, das Lächeln in ihrem Gesicht nun fest verankert, schritt sie durch den kleinen Gartenzaun, der den Besucherbereich der Etage, von der Treppe trennte. Noch immer erklang verhaltenes Kichern in ihrem Rücken und Laurie sah, daß es sich ebenso in den Gesichtern von John und Andy wieder spiegelte, die beide gerade auf dem Weg nach oben waren. „Hey Laurie!“ Andys Gesicht strahlte sie so fröhlich an, daß sich ihr Lächeln in ein Grinsen verwandelte. „Hallo Andy. John...“ Doch Johns Gesichtsausdruck hatte sich mit dem Anblick von Laurie wieder in eine Maske der Unnahbarkeit verwandelt. Andy, welcher hinter ihm lief bemerkte es nicht, aber Laurie sah es wohl. „Hübsch nicht wahr?“ Andy deutete mit dem Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam und Laurie nickte automatisch zu seinen Worten, war aber mit ihren Gedanken nicht bei ihnen. Traurig sah sie zu, wie John zielstrebig den Herrenumkleideraum ansteuerte – so wie er es seit nun mehr drei Wochen immer tat, wenn sie sich an dieser Stelle über den Weg liefen. Doch diesmal blieb er verblüfft stehen.

Sperrangelweit stand die Tür zu dem Raum offen und Laurie, die John beobachtete hatte, folgte seinem ungläubigen Blick zum Boden. Und dort, fein säuberlich und sehr akkurat ausgerichtet, klemmte ein Keil unter der Tür. Die Traurigkeit in Laurie wurde durch ein spontanes grienen abgelenkt.

Das war also der Grund, warum man so ungehindert in den Genuß dieses Liedes gekommen war!

Jeder, der er es nur wollte, konnte nun einen ungehinderten Blick in diesen Raum mit der Dusche und seinen Spinds werfen. Laurie wollte eigentlich nicht, aber der Gesang unter der Dusch zog automatisch ihren Blick an. Hinter dem gelben Duschvorhang konnte sie die Silhouette von einem Mann erkennen, der sich gerade Schaum aus dem Haar spülte und nun das ohnehin schon malträtierte Lied, auch noch mit einem gurgeln unterstütze, als das Wasser ihm in den Mund lief. Ungefähr drei Schritte von ihr entfernt hörte sie ein unterdrücktes kichern – Andy, der sich die Hand vor den Mund hielt, um nicht laut los zu platzen. John sah sie noch immer nicht an.

Der Gesang wurde abrupt eingestellt, der Duschvorhang beiseite gezogen und Laurie, und all den anderen, die sich inzwischen zusammen mit ihr und John hier versammelten hatten, präsentierte sich ein nackter Vincent van Clendon. Der sie genauso verblüfft anstarrte, wie sie ihn.

So wenig wie Laurie den Mann mochte, so mußte sie ihm doch eins zu gute halten – er war der erste, der seine Fassung wieder erlangte. Und seine Wut. Und John der der Tür am nächsten stand, war das Zentrum seiner Aufmerksamkeit. „Netter Scherz, Kelly“, ätze er und baute sich mit verschränkten Armen vor dem Mann auf. „Eigentlich hatte ich ja etwas mehr Stil von ihnen erwartet, wenn es darum geht mich aus dem Revier zu vertreiben.“

Ungläubig über den Anblick von van Clendon, der noch nicht einmal ein Handtuch bei all seinen Zuschauern für nötig hielt, und die offenen Feindseligkeit in seiner Stimme, riß Laurie die Augen auf und schaute von ihm automatisch zu John. Und zum ersten Mal seit langer Zeit trafen sich ihre Blicke wieder und es war etwas anderes als Ablehnung die sich in Johns Augen abzeichnete. Es hatte den Anschein, als ob dieser durchgeknallte Typ, Johns Ignoranz ihrer Person für einen kurzen Augenblick zum erliegen brachte.

Ein entgeistertes Kopfschütteln über diese Anschuldigung, gesellte sich zu ihren ungläubigen Ausdruck, wofür sie von John ein schmales Lächeln erhielt. Kein sehr aufregendes, aber immerhin ein Zeichen, das er sie gesehen hatte.

John wandte sich von ihr wieder dem nackten van Clendon zu. „Ich befürchte, ich muß sie enttäuschen, diese Aufmerksamkeit haben sie nicht mir zu verdanken.“ Auch wenn seine Worte die Anschuldigungen von Clendon zurückwiesen, so klang doch der Tonfall seiner Stimme eindeutig danach, daß er es sehr bedauernswert fand, daß er nicht auf die Idee gekommen war. Doch Laurie wußte, daß John nicht mal im Ansatz in die Nähe dieses Gedanken gekommen wäre.

„Sicher“, antworte ihm van Clandon mit hörbarem Spott in der Stimme. „Es war die lieben Heinzelmännchen, welche die Tür geöffnet und den Keil dazwischen geschoben haben!“ Laurie unterdrückte mühsam das Kichern, das sich nach der ersten Fassungslosigkeit ihrer Kehle entringen wollte. Ihr Chef sollte den Scherz mit van Clandon getrieben haben? Na, das wagte sie arg anzuzweifeln. Doch das Kichern verging ihr sogleich wieder, als van Clandon sie entdeckte und sie direkt ansprach. „Na Lady, was halten sie von diesem Prachtkörper?“ Vincent van Clendon hob die Arme, streckte sie seitlich von sich aus und drehte sich einmal um seine eigene Achse, um seinen Körper von allen Seiten für Laurie zu präsentieren. Laurie fehlten selten die Worte, und auch dieses Mal taten sie es nicht, doch sie blieben ihr bei seiner Unverfrorenheit im Hals stecken. Hilfesuchend sah sie zu John, doch dieser beachtete sie gar nicht, sondern schüttelte nur den Kopf über den Mann vor sich. „Was halten sie davon? Sieht doch gut aus nicht wahr?“ Sein Blick glitt abschätzend über Johns schlanken Körperbau, dann verzog er geringschätzig die Lippen  - ganz in der Ansicht, daß Laurie mit ihm, die bessere Wahl treffen würde. „Was halten sie nun von einem Kaffee mit mir?“

Mein Gott, was war dieser Mann arrogant!

 „Nun“, hob Laurie ab und versuchte sich den Rest der Worte zu verbeißen, die ihr als erstes in den Sinn kamen. „Ich stehe auf Männer, die ein wenig besser bestückt sind!“ Es hatte nicht funktioniert! Schneller als sie sich hatte auf die Zunge beißen können, waren ihr die Worte entschlüpft und das Resultat war nun, daß jeder der hier Anwesenden John auf den Schritt schaute und sich ausmalte, was nun dahinter verborgen lag. Laurie sah John an und John sie. Ein verlegendes Lächeln umspielte ihre Lippen und auch eine gewisse Röte konnte sie nicht so ganz verbergen. Schnell richtete sie deswegen den Blick wieder auf Clendon vor sich. „Also stecken sie sich ihren Kaffee oder ihr Abendessen sonstwohin!“ Ein Kichern machte sich um sie herum breit und wenn Laurie zu John gesehen hätte, dann wäre ihr auch aufgefallen, daß auch er sie nun richtig anlächelte. Aber Laurie schaute nicht zu John, sondern war damit beschäftigt ihre fallen gelassene Tasche aufzuheben. Und so sah sie weder Johns Lächeln, noch van Clendons Gesichtszügen, die ihm vor der öffentlichen Demütigung entglitten waren. Dafür war Laurie sichtlich genervt. Wie konnte es dieser arrogante Typ es sich nur wagen! Verärgert verdrehte sie für alle gut sichtbar die Augen und schob sich durch den kleinen Menschenauflauf, der Treppe entgegen. Doch als sie bei John ankam, stoppte sie kurz und faßte ihm entschuldigend an den Arm. „Sorry“, sagte sie leise, „das war bestimmt nicht zu deinem Vorteil.“ „Schon gut“, antwortete er ihr genauso leise. Laurie ließ die Hand wieder sinken und setzte ihren Weg aus dem Revier fort, im vorbei gehen Lieutenant Fancy grüßend, der nur einen kurzen Blick und ein knappes Lächeln für sie übrig hatte, bevor auch seine Augen auf dem Spektakel dort oben hängen blieben.

Sie hätte sich freuen sollen, daß John wieder mit ihr geredet hatte. Aber sie tat es nicht, denn John war unter ihrer Berührung ein Stück zurück gewichen.

Den ganzen Tag ging Laurie noch diese absurde Szenerie noch durch den Kopf. Und sooft Laurie an den Zwischenfall dachte, während sie versuchte wieder in ihre Routine zu finden, so mußte sie doch jedesmal den Kopf schütteln, als sie van Clendons stolzes Gesicht über seinen Körper vor sich sah.

„Hirnloser Trottel“, schimpfte sie vor sich hin, während ihre Finger über die Tastatur ihres Computers glitten und wieder löschten, wo sie sich vertippt hatte.

„Wer ist ein hirnloser Trottel?“ Laurie schaute, abgelenkt von ihren Gedanken und abgelenkt von der Stimme vor ihr, hoch und sah Sylvia an ihrem Schreibtisch stehen. Überrascht schaute sie ihre Kollegin an, die sie weder kommen gehört, noch gesehen hatte, wie sie ihr Zimmer betrat. „Hey, was machst du denn hier? Ich dachte du hast ein Termin mit dem Anwalt der Verteidigung.“ Achtlos zuckte Sylvia mit den Achseln. „Hat sich nach hinten verschoben. Er will vorher noch mit seinem Mandanten reden.“  Sie setzte sich auf den Besucherstuhl vor Lauries Schreibtisch. „Also, wer ist ein hirnloser Trottel?“, erkundigte sie sich ein zweites Mal. „Du meinst doch nicht etwa John?“  Laurie lächelte still vor sich hin. „Nun, der manchmal auch. Aber in Dem Fall habe ich von Vincent van Clendon geredet.“ Auf den verständnislosen Blick von Sylvia reagierend, fügte sie noch hinzu: „Du weißt schon, der Typ der John und Andy zur Seite gestellt wurde, damit sie ihn zu einem Detective ausbilden können.“ Belustigt lachte Sylvia auf. „Ach den van Clendon meinst du. Der, der diesen tollen Unfall gebaut hat.“ Laurie nickte zustimmend, wobei sie sich aber fragte wie viele Typen es mit diesem arroganten Namen gab, daß Sylvia nicht gleich wußte von wem die Rede war. „Genau den. Als ich vorhin vom Verhör kam, hatte er uns mit einem Kinderlied unterhalten und es dann für nötig befunden uns in seiner ganzen Nacktheit zu präsentieren.“  „Waas?“  Überrascht zuckte Sylvia zurück, rutschte dann aber sofort auf die äußerste Kante ihres Stuhles. „Einzelheiten, bitte!“ Und es war deutlich sichtbar für Laurie, daß Sylvia nicht an den Einzelheiten des Kinderliedes interessiert war!

Sie mußte über den neugierigen Gesichtsausdruck von Andys Freundin lachen. Mit einem Male kam ihr die Sache gar nicht mehr so absurd und Unverständlich vor, sondern sie sah sie aus den Augen, von jemand der nicht dabei gewesen war. „Du hast richtig gehört. Hat Andy dich noch nicht auf den laufenden Stand gebracht?“ Sylvia schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, leider nicht. Aber ich denke, er hätte mir die interessanten Details sowieso verschwiegen.“ Sylvia und Laurie grinsten sich über den Schreibtisch hinweg an. Tja, es gab halt ein paar Dinge, über die man mit Männern einfach nicht reden konnte. Einen gut gebauten Körper, der nicht den Liebsten selbst gehörte, war bestimmt eines dieser Gesprächsthemen.

„Wie sah er aus?“, wollte Sylvia auch sogleich wissen. „Auf jeden Fall besser gebaut als Andy.“ Sylvia winkte ab. „Na dazu gehört nicht viel.“ Auf der anderen Seite des Schreibtisches brach Laurie in schallendes Gelächter aus. „Laß ihn das bloß nicht hören.“ Mit einer Hand strich sie sich eine gelöste Strähne aus ihrer Stirn, während Sylvia nur still vor sich hin grinste. Es war nicht wichtig wie Andy aussah, er hatte sein Herz auf dem richtigen Fleck und das war das einzige was Sylvia interessierte. Aber schauen durfte man doch wohl. Laurie wußte, was Sylvia nicht aussprach. Oft genug hatte sie die beiden zusammen gesehen, um zu wissen, daß Äußerlichkeiten bei den beiden wirklich nicht wichtig waren.

„Also, erzähl.“ Eine weitere Aufforderung von Sylvia an Laurie, endlich mit ihren Bericht fortzufahren. „Es gibt nicht viel zu erzählen. Als ich, wie gesagt vom Verhör kam, trällerte mir eines dieser Kinderlieder entgegen. Vollkommen falsch gesungen, übrigens“, Laurie verzog an die Erinnerung daran gepeinigt das Gesicht. „Und als ich dann John und Andy an der Treppe begegnet bin, und John mir – wie immer – ausweichen wollte, stellten wir fest, daß jemand einen Keil unter die Tür zum Umkleideraum geschoben hatte. Van Clendon kam aus der Dusche und hielt Handtücher für eine unnötige Erfindung.“ „Einfach nur so? Ohne Grund?“ Ungläubig schaute Sylvia Laurie an, die sich abermals dieselbe Strähne aus dem Gesicht strich. Laurie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht einfach nur so. Er beschuldigte John, daß er sich diesen Streich ausgedacht hatte, um ihn aus dem Revier zu vertreiben. Na ja....“ Laurie unterbrach sich für einen Augenblick, um Sylvias Spannung ein wenig zu steigern. „Und dann lud er mich zu einem Kaffee ein, nachdem er mir, und allen die noch da standen, stolz jeden Teil seines Körpers präsentiert hatte.“ „Waas?“, kichernd ließ sich Sylvia in ihren Stuhl zurück fallen, wurde aber schnell wieder ernst. Doch der Grund lag nicht darin, daß Laurie die Verabredung mit van Clendon angenommen haben könnte. Dieser Gedanke war so abwegig für Sylvia, daß sie ihn nicht einmal weiter verfolgte. Etwas ganz anderes ging ihr durch den Sinn.

„Also schlägt unser Küken mit der einzigen Waffe zurück, die er glaubt, zur Verfügung zu haben“, überlegte sie laut. „Sieht so aus.“ Laurie nickte zustimmend und lehnte sich ebenfalls zurück. „Kindergarten“, ein einziges Wort aus Sylvias Mund, die ihre Einstellung zu diesem Mann zum Ausdruck brachte.




Re: Another year has gone by

Oh nein wie klasse!!!! Ich hatte jetzt diese Duschszene aber sowas vor meinen Augen, lach und den Blick den alle Anwesenden auf John's beste Körperstelle warfen auch! Himmel, wie köstlich. Das frischt einem doch wirklich den Tag auf, einfach klasse, Chyio! Und jetzt geh ich um einiges beschwingter in die Arbeit!

LG Flymoon





Danke Chris!!!

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--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

Die Duschszene, ha, wie geil.
Nun hatte ich heute wirklich einmal etwas zu lachen.
Obwohl ich auch Johns Meinung bin, ob das so klug gewesen ist, diesen arroganten Kerl so unverblümt zu demütigen.
Schön zu lesen, dass die beiden nicht mehr ganz so sehr auf Konfrontationskurs stehen. Nun halte ich auch wieder ein klärendes Gespräch (ich weiß, ich nerve) wieder für möglich.

Noch eins, chyio, ich hatte den Eindruck, Du hast etwas genervt reagiert, als ich nach Danny fragte....Im Grunde ist es Deine FF und es ist allein Deine Sache wie Du die Story gestaltest. Du mußt Dich nicht unbedingt verpflichtet fühlen zu erklären, warum Du etwas so und nicht anders schreibst. Ich mach Dir da bestimmt keine Vorwürfe und wenn Danny eben nicht mehr dabei ist, dann ist es eben so. Es ist mir nur aufgefallen und im Grunde bin ich ja eh der Laurie/John Shipper und mir kanns ja eigentlich nur recht sein, wenn er nicht mehr auftaucht.
Ich persönlich hätte da schon einige Ideen, warum er nicht mehr auftaucht, aber, wie gesagt, es ist alles Deins und Du mußt da nichts erklären oder anders machen als bisher.

LG Eve

Re: Another year has gone by

Sorry Eve, daß das so rüber gekommen ist, das wirklich nicht so gemeint!

Ich bin seid einiger Zeit selbst so gefrustet, daß ich mich wahrscheinlich (mal wieder) nicht richtig zum Ausdruck gebracht habe. Und dazu kommt bei mir auch noch ein leichter Hang zum Perfektionismus. Und als ich selbst gemerkt habe, daß ich da so einige Sachen vergessen habe, hat meine Depression so richtig zugeschlagen.
Wie gesagt, war nicht persönlich gemeint, sondern mehr eine Rechtfertigung vor mir selbst. Sorry!
ABER, die geschriebenen Worte habe mich selbst wieder ein wenig aus dem Loch hinaus gerissen und ich habe heute doch noch eine Idee gehabt, wie ich Danny mit einem Rückblick wieder mit einbringen kann (nicht das ich ihn gänzlich vergessen hatte). Und Rose (die hat mir nämlich auch gefehlt), wird dann auch wieder dabbei sein.

Also noch Mal tausend Entschuldigungen von mir, daß mein Frust ausgerechnet Dich erwischt hat. War wirklich, wirklich nicht so gemeint!



Re: Another year has gone by

Da hab ich doch tatsächlich gedacht, Du hättest jetzt noch außer der Reihe gepostet.....

Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, eine kleine kreative Krise hat wohl jeder mal und bei der Länge dieser FF ist das wohl auch kein Wunder und für so winzig kleine Hinweise sind wir Reviewer ja da...:-)

LG Eve

Re: Another year has gone by

Diesmal könnte ich den Kommentar Eurer Reviews glatt zusammen fassen. Er klang doch sehr ähnlich!

@Flymoon: schön, daß ich Dir den tag so versüßen konnte. Ich muß gestehen, ich habe auch beim schreiben fürchterlich gegrinst. Und Tony, die sie ja immer so mitten im Laden liest, hat mit ihrem herzhaften Lachen, doch einige unserer Kunden verschreckt. Hihi....ich muß mir wirklich langsam neue Sprüche einfallen lassen, warum wir immer so am kichern sind. Aber John stand einfach zu bildlich vor Augen!

@Eve: seit wann handelt Laurie denn mal überlegt? Manchmal frage ich mich, wie sie es geschafft hat eine gute Anwältin zu werden. Viel lächeln hat ihr wohl sehr weiter geholfen! Und den Punkt mit dem klärenden Gespräch übergehe ich jetzt einfach mal. Er wiederholt sich!

Aber nun müssen wir wieder ein wenig ernster werden! Viel Spaß damit......

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Logische Schlußfolgerung

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Es war derselbe Abend, als Laurie vor ihrem Schreibtisch hockte und zum wiederholten Male ihren Computer startete. Wieder in der üblichen Langsamkeit, die sie erneuert daran erinnerte, daß sie ihn noch immer nicht aufgeräumt hatte.

Mit einem resignierten Aufseufzen starrte Laurie auf den Schirm, der ihre Daten in beunruhigender Gemächlichkeit lud. Und wie schon sooft in den letzten Monaten, versprach sie sich selbst, sich morgen endlich um den Computer zu kümmern – wohl wissend, daß sie es wahrscheinlich doch nicht tun würde. Wie oft hatte sie es sich schon vorgenommen und hatte dann doch jedes Mal wieder eine Entschuldigung gefunden, es noch um einen weiteren Tag zu verschieben – bis sie wieder vor dem Bildschirm saß und wartete. Aber irgendwann würde sie es doch machen müssen. Laurie seufzte bei dem Gedanken an die viele Arbeit die da auf sie zukommen würde, denn auf dem Rechner befanden sich nicht nur ihre Sachen, sondern die von John waren ebenfalls noch gespeichert.

Ihre Augen verfolgten die Icons wie sie auf ihrem Bildschirm erschien und wanderten dann kurz hinunter zu der Taskleiste. Doch die kleinen Symbole die ihr verkündeten, daß der Pc Einsatzbereit war, erschienen nur gemächlich.

Sylvia kam ihr in den Sinn, während sie den Kopf in ihren aufgestützten Händen bettete und mit leerem Blick auf ihren Desktophintergrund starrte. Sylvia, die mit ihrer mütterlichen Art, irgendwie zu einer Freundin geworden war. Nicht so wie es eines ihrer Mädels war, dafür war ihr Verhältnis auf Grund der mangelnden Zeit, die sie sich kannten, noch zu distanziert. Aber sie war auch nicht mehr die einfache Kollegin, mit der man sich kurz in den Pausen über die oberflächlichsten Themen unterhielt.

Sämtliche Symbole waren nun dort wo sie hingehörten, doch Laurie gab ihre bequeme Position noch nicht auf. Nachdenklich starrte sie auf den Bildschirm und überlegte, warum sie Sylvia in dem Cafè nicht ihr Herz ausgeschüttet hatte. Weil, gab sie sich selbst die Antwort, sie aufgehört hatte, ihre Gefühle anderen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Weil, sie ihr doch nicht in ihrem Kummer helfen konnten. Weil, Sprüche wie: Es wird schon wieder werden, Zeit heilt alle Wunden und für eine Tür die sich schließt, öffnet sich eine neue, sie einfach nicht mehr hören konnte. Sie waren nicht wahr! Sie waren eine Lüge. Eine Erfindung von Menschen, die glaubten etwas Sinnvolles sagen zu müssen.

Schnell schob Laurie ihre aufwallenden Gefühle beiseite und griff statt dessen nach dem leeren Blatt Papier, das zu ihrer Seite lag. Hier wollte sie ihre Gedanken niederschrieben, die für sie vielleicht das Rätsel lösen würden, warum ein Mann wie Noah Lewis einen kleinen Fisch wie Diabolo verteidigte. Lieber wollte sie sich darüber Gedanken machen, als über die viele Traurigkeit, die ihr Herz inzwischen zum platzen bringen wollte.

Mit Absicht holte sie sich das Bild von Noah Lewis vor ihr inneres Auge und dachte noch mal ganz konkret an jeden Punkt seines Erscheinungsbildes. Dachte so lange an seinen Anzug und sein schmieriges Lachen, bis ihre Sorgen sich wieder in den Hintergrund zurück gezogen hatten und sie nur noch den Anwalt im Kopf hatte. Erst jetzt löste sich Laurie aus ihrer Erstarrung und verband sich mit dem Internet, um die Web Side von Jeremy Sanders aufzurufen.

Und dann las sie. Las alles was sie finden konnte. Klickte jeden erdenklichen Link an und kam doch zu keinem Ergebnis. Keine Idee, kein Gedankensprung wollte sich bei ihr einstellen, so sehr sie auch auf den Bildschirm starrte und versuchte aus den Zeilen irgend etwas herauszulesen, das ihr half die gesammelten Puzzelteile miteinander in Verbindung zu bringen.

Gefrustet schob Laurie die Tastatur ein Stück von sich fort. Es mußte doch irgend etwas geben! Nachdenklich klopfte sie mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte und starrte wieder auf die Homepage des Anwalts. Doch da war nichts! Vielleicht würde ihr ein Glas Wein so weit die Sinne vernebeln, daß ihr dadurch auf einen Gedanken kam. Zufrieden mit dem Entschluß, stand Laurie auf und ging in die Küche, um sich nach dem turbulenten Tag, den sie hinter sich hatte, sich selbst mit einem Glas Wein zu belohnen.

Sie holte den Wein aus der Vorratskammer, den Korkenzieher aus der Schublade und ihre Gedanken weilten noch immer bei Jeremy Sanders. Ihre Ergebnisse von den Nachforschungen aus der Anwaltskammer, kamen ihr in den Sinn. Drei Jahre an der Insolvenz knapp vorbei und plötzlich ganz oben.

Ihre Hand zog mit einem Ruck den Korken aus der Flasche. Seit dem Abend, als sie das letzte Mal mit John geschlafen hatte, hatte sie mit Weinkorken keine Probleme mehr, schoß es ihr absurder Weise durch den Kopf. Doch es war nur ein flüchtiger Gedanke, der sich auch sofort wieder in ihr Unterbewußtsein zurückzog.

Laurie dachte an ihr Gespräch mit Noah Lewis zurück. Ebenfalls ein ereignisloses Gespräch, ohne irgendwelche Resultate.

Sie legte den Korken zusammen mit dem Korkenzieher neben die Flasche und griff über sich in das Regal zu einem ihrer Gläser.

Eine Menge Aufwand ihrerseits, ohne das es etwas gebracht hatte.

Sie stellte das Glas vor sich ab und fing an den Wein in das Glas zu füllen. Dunkel schimmerte die rote Flüssigkeit in der schwachen Beleuchtung der Dunstabzugshaube.

Auch der Auftritt von Jeremy Sanders in Noahs Büro, hatte ihr keinerlei Anhaltspunkte über den Mittfünfziger gegeben. Er hatte freundlich auf sie gewirkt und ganz der Chef, der seine Dinge erledigt wissen wollte, als er Noah seine Akte übergab. Kein außergewöhnliches Verhalten, keine Nervosität ihr gegenüber. Warum auch?

Mitten im gießen, hielt Laurie plötzlich inne und hielt die Weinflasche in der Hand, ohne sich zu rühren. Die Akte! Die Akte ohne Namen!

Und auf einmal liefen ihre Gedanken in solch einer Geschwindigkeit durcheinander, daß Laurie Schwierigkeiten hatte, sie unter Kontrolle zu bringen. Die Akte ohne Namen, die Laurie aufgefallen war, als Jeremy Sanders das Büro betrat und sie Noah in die Hand drückte. Noah, der Wachsamkeit zeigte als sie von der Gerichtsverhandlung von Diabolo sprach. Drei Jahre kurz vor der Insolvenz. Ein Jeremy Sanders, der nur kurze Zeit nach Laurie das Büro verlassen hatte und eilig in sein Büro gestürmt war. Seiner Sekretärin noch zurufend, daß er nicht gestört werden will, da er ein wichtiges Telefonat zu erledigen hatte. Laurie hatte es schon fast wieder vergessen, denn sie hatte bereits den Fahrtstuhl betreten und wartete nun auf das Schließen der Türen.....

Bilder schossen durch Lauries  Gedächtnis, in unkontrollierter Reihenfolge, scheinbar vollkommen zusammenhangslos. Doch es gab eine Reihenfolge, Laurie konnte es fühlen, auch wenn sie den Sinn dieser Bilder noch nicht so ganz erfassen konnte.

Mit beiden Händen stütze sie sich auf der Arbeitsfläche vor ihr ab, das Weinglas direkt unter ihrer Nase, die Augen für eine bessere Konzentration geschlossen.  Drei Jahre kurz vor der Insolvenz. Sechzehn Jahre ohne Partner.

Zwei Sekretärinnen, welche sich über die bevorstehende Partnerschaft von Noah unterhielten. Ein Noah, der bei der Erwähnung des namens Diabolo, sichtliche Wachsamkeit zeigte. Ein Jeremy Sanders der zu Noah ins Büro kam und ihm eine Akte ohne Namen gab. Ein Jeremy Sanders, der nach Lauries verlassen des Büros, eilig in sein eigenes Büro gestürmt war. Seiner Sekretärin noch zurufend, daß er nicht gestört werden will, da er ein wichtiges Telefonat zu erledigen hätte.

Die Bilder vor Lauries Augen schoben sich in die richtige Reihenfolge und Laurie öffnete wieder die Augen und sah konzentriert auf das Glas Wein vor ihr, ohne es zu bemerken. Die Akte! Das war der Schlüssel!

Laurie drehte sich auf den Absatz um und rannte fast zurück in das Arbeitszimmer, zu ihrem Schreibtisch und den darauf liegenden weißen Papier. Ihre Finger suchten einen Stift in dem Glas vor ihr und ihre Hand flog über das weiße Blatt, als sie versuchte genauso schnell zu schreiben, wie ihre Gedanken durchs Gehirn jagten.

Zehn Minuten später lehnte sie sich zufrieden zurück und betrachtete das Diagramm. Ihre schnellste Version des Schreibens, ohne den Überblick zu verlieren. Ganz oben auf der Liste stand die Akte, ein Strich verband sie mit Jeremy Sanders, ein weiterer folgte zu Noah Lewis. Auf die zweite Hälfte des Blattes, hatte sie in Stichpunkten all die Einzelheiten notiert, die sie zu Diagramm gebracht hatte.

Was war, wenn diese Akte zu einem wichtigen Kunden gehörte? Zum Beispiel zu so einem, der Jeremy Sanders damals geholfen hatte, seine Krise zu überstehen. Vielleicht mit nicht ganz legalen Mitteln. Was war, wenn dieser Klient nun für seine damalige Hilfe eine Gegenleistung forderte? Wie zum Beispiel die Verteidigung von Diabolo.

Jeremy Sanders konnte nicht ablehnen, wenn er nicht wollte, daß die ganze Sache herauskam. Und beauftragte Noah Lewis mit dem Fall. Nicht ohne ihn eine Partnerschaft in Aussicht zu stellen, um das Mundwerk des Anwaltes verschlossen zu halten.

Nur was hatte ein abgerissener, kleiner Fisch wie Diabolo mit einem Mann oder Frau zu schaffen, der anscheinend genügend Geld und Einfluß besaß, um eine mickrige Kanzlei zu einer der besten des Landes zu machen?

Darauf wußte Laurie keine Antwort. Trotzdem sagte ihr ihr Instinkt, daß es so richtig war. Die einzelnen Teile fügten sich so nahtlos in einander, daß es einfach keine andere Möglichkeit geben konnte.

Lauries Hand fuhr zu dem Telefonhörer zu ihrer Rechten. Sie mußte mit jemanden reden, mußte jemanden von ihrem Verdacht erzählen. Von dem ersten Hinweis, daß der Fall Diabolo wohl doch nicht so ganz abgeschlossen war, wie alle immer gedacht hatten. Den Hörer in der Hand, überlegte sie, wem sie davon erzählen sollte. John, schoß ihr durch den Sinn. Es war Johns Fall gewesen und er wußte, daß sie noch weiter forschen wollte. Ihr Finger drückten bereits die Zahlen seiner Nummer auf dem Hörer, doch bevor sie die Verbindung herstellte, ließ sie den Hörer wieder sinken. Würde ihr John überhaupt zuhören? Sie legte das Telefon wieder vor sich auf die Schreibtischplatte ab und dachte nach. Wahrscheinlich nicht. Aber das hier war wichtig. Kein Privatgespräch, sondern eins, welches sich ausschließlich um die Arbeit drehte. Unschlüssig schaute sie auf die Zahlenkombination, die in diesem Augenblick mit einem leisen Piepen wieder vom Display verschwanden. Laurie unterbrach ihre Überlegungen diesbezüglich, als sie sich an das Glas Wein in ihrer Küche erinnerte. Das war jetzt definitiv der richtige Augenblick für einen Schluck von dem Chianti. Sie könnte auch Andy anrufen, dachte sie, auf dem Weg in die Küche. Es war auch sein Fall gewesen. Oder sie weihte Sylvia ein. Sie war die Bezirksanwältin und war somit für die neue Lage eigentlich die verantwortliche Person. Außerdem war sie damals ebenfalls an dem Fall dran gewesen.

Mit ihrem Glas in der Hand, lehnte sich Laurie mit den Rücken an den Tresen an. Der Mann/Frau ohne Namen fiel ihr wieder ein, die genügend Einfluß hatten, um die Kanzlei hoch zu bringen. So viel Macht, so viel Einfluß...wo hatte der oder diejenige überall seine Männer sitzen? Was war, wenn welche davon im Revier tätig waren? Was war, wenn er oder sie davon Wind bekam, bevor sie ihn mit konkreten Ergebnissen festnageln konnten? Lösten sie damit vielleicht eine Welle der Ereignisse aus, die sich schnell einer Kontrolle entziehen konnten, bevor es zu einer Verhandlung kam? Noch wußten sie nichts. Wußten nicht warum Diabolo verteidigt worden war. Unglücklich schürzte Laurie die Lippen. Nicht schon wieder! Hatte sie nicht gerade solche Überlegungen in Bezug auf Mika angestellt? Mußte denn das jetzt schon wieder sein?

Fakt war jedoch, daß wenn sie die beiden von ihrem Verdacht unterrichtete, sie sie in unmittelbare Gefahr brachte. Sicher, sie hatten beide den Beruf gewählt und wußten um seine Risiken. Aber Laurie wollte nicht diejenige sein, die sie damit in Gefahr brachte. Nicht bevor sie nicht mit jemanden darüber gesprochen hatte. Was den Kreis wieder schloß und sie wieder zu John führte. Sie mußte zuerst mit ihm reden, wenn sie wissen wollte, wie sie weiter vorgehen sollte. Ob sie die beiden einweihte oder nicht.

Oder sie rief zuerst Danny in Miami an und fragte ihn, was sie tun sollte. Das erschien ihr von all den Möglichkeiten die sie hatte, als die vernünftigste. Er wußte schließlich ja auch von dem Fall.

Erneuert steuert sie ihr Arbeitszimmer an und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Die Nummer von Dannys Handy war ihr geläufig, dafür brauchte sie nicht einmal mehr nachzuschauen. Zu oft hatte sie ihn angerufen, um Verabredungen zu bestätigen oder abzusagen. Lauries Finger gaben die Nummer ein und dann wartete sie, die Wand vor sich anstarrend, auf das Tuten in der Leitung, das ihr sagte, daß Danny ihre Anfrage bemerken würde. Doch es kam kein tuten. Statt dessen erklärte ihr eine metallisch klingende Frauenstimme, daß der Teilnehmer momentan nicht erreichbar sei.

Verdammt! Laurie unterbrach die Verbindung und sah auf das Telefon in ihrer Hand hinunter. Und jetzt? Doch John anrufen? Wie schon zuvor in der Küche, war Laurie klar, daß es doch darauf hinauslaufen mußte. Wieder gab sie die Nummer von John ein, und bevor sie es sich wieder anders überlegen konnte, stellte sie auch sofort die Verbindung her. Mit dem Hörer in der Wand wartete sie. Hörte da tuten in der Leitung und hoffte, daß er in der Nähe seines Handys war. Lange klingelte es, bis John endlich den Anruf annahm.

„Ich kann jetzt nicht“, war alles was er ihr mit einem schroffen Tonfall sagte, bevor er die Verbindung wieder unterbrach. Lauries Augen kniffen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, während sie tief ein und aus atmete. Bastard, dachte sie. Hier geht es doch nicht um etwas privates, sondern um etwas Berufliches. Das war auch der einzige Grund, warum Laurie auf die Wahlwiederholungstaste drückte. Wut kroch in ihr hoch, darüber das John sie hatte nicht einmal zu Wort kommen lassen. Beim zweiten Mal dauerte es nicht solange, bis John den Anruf annahm. „John, das.....“ Laurie fing sofort an zu reden, ohne auf seine Abfuhr zu warten, aber weiter als diese zwei Worte kam sie nicht. Ein barsches `Nein`, fuhr ihr über den Mund und die Verbindung wurde abermals unterbrochen.

„Scheißkerl!“, brüllt Laurie in den monotonen Piepton der Leitung. Die Wut, die schon bei ihrer ersten Abfuhr in ihr aufgekommen war, erreichte nun ihren Höhepunkt und Laurie schmiß aus einer Drehung heraus das Telefon an die vor ihr liegende Wand. Schlecht gezielt traf es aber zuerst die Vase, die darauf stand und die durch die Wucht des Aufpralls, sofort in tausend Scherben zersprang. Aber immerhin war genügend Wut in ihr gewesen, daß das Telefon trotzdem nicht in seinem Flug unterbrochen wurde, sondern an die Wand knallte und dort in alle Einzelteile zerfiel.

„Scheißkerl“, wiederholte sie ein zweites Mal und fegte mit einer stürmischen Armbewegung ihren Schreibtisch leer. Mit zusammengebissenen Zähnen betrachtete sie die vielen Teile ihres Telefons. Tief atmete sie ein und aus. Hektisch und wütend zuerst, später dann schon kontrollierte und langsamer. Als letztes ließ dann auch das wütende Hämmern ihres Herzens in der Brust nach. Laurie trank einen Schluck von ihrem Wein und dachte, daß sie wirklich Glück gehabt hatte, daß sie das Telefon und nicht das Glas in der Hand gehalten hatte. Sonst hätte sie vermutlich auch noch renovieren müssen. Und John dann die Rechnung zugeschickt.

Noch immer war sie stinksauer auf John, aber in diesem Augenblick, wo es eine Entscheidung zu fällen galt, half ihr das auch nicht weiter. Sie hob das Blatt mit ihrem Diagramm wieder vom Boden auf und betrachtete es.

Sollte sie sich allein um die ganze Sache kümmern? Ihr fielen wieder ihre Befürchtungen für Andy und Sylvia aus der Küche ein. Befürchtungen, die bestimmt nicht aus der Luft gegriffen waren. Es wäre Wahnsinn, wenn sie alleine ohne Rückendeckung weitermachen würde. Viel zu gefährlich entschied sie. Und definitiv eine Nummer zu groß für sie.

Laurie stütze den Kopf auf ihrer Hand ab und betrachtete noch immer das Blatt vor ihr. Viel zu gefährlich, wenn ihre Hypothese stimmte.

Sie griff nach dem Blatt mit dem Diagramm, zerknüllte es zu einem Ball und warf es in dem Papierkorb zu ihrer Linken. Nein, es war ja sowieso nur eine Spekulation gewesen. Diabolo war im Gefängnis, der Fall war abgeschlossen und es gab keinen Grund an der Stelle noch weiter zu machen. Sie würde die Sache jetzt auf sich beruhen lassen und nie wieder darüber nachdenken. 

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Vor einem Computer in einem kleinen engen Raum, ohne Fenster, nur mit künstlichem Licht beleuchtet, saß eine Frau und ihre Finger flogen über die Tastatur. Um einiges schneller, als es bei Laurie der Fall gewesen war und sehr, sehr viel schneller, als John mit seinem Ein-Finger-System.

Zum zweiten Mal schon, hatte sich dieselbe Servernummer auf die Web Side von Jeremy Sanders eingeloggt. Was nicht gerade ungewöhnlich wäre, wenn der Name nicht der Person Laura Kelly gewesen wäre. Schon seit einiger Zeit, beobachtete sie den Zugriff auf diese Seite, aber erst jetzt, nach dem abermaligen auftauchen der Frau, beschloß sie weiter zu forschen.

Lange, schlanke Finger verbanden sich mit dem Zentralrechner der Polizei. Mit einem amüsierten Lächeln betrachtete die Frau vor sich die Sicherheitscodes und Paßwörter, die vor ihr auf dem Schirm erschienen. Ah, endlich mal eine Herausforderung. Sie liebte den Adrenalinkick, etwas Verbotenes zu tun. Ihre Finger gaben verschieden Befehle und Buchstaben ein und der Bildschirm veränderte sich mit jeder Eingabe immer wieder aufs Neue. Sicherheitssysteme stellten für sie keine wirklichen Schwierigkeiten da. Neben ihrem eigentlichen Beruf, war es ihr größtes Hobby, sich in den Rechner von anderen Leuten einzuhacken.

Mit dem letzten Befehl veränderte sich das Bild vor ihren Augen und zeigte das Symbol für New Yorks Polizei. Sie war drin.

Lauries Name wurde eingegeben und mit der Bestätigung erschien ihr Profil vor der Frau am Bildschirm. Neugierig lehnte sie sich nach vorne und begann leise murmelnd die Liste an Informationen dem Bildschirm zu entnehmen. Verfolgten mit den Augen Lauries Privatleben. Ein bißchen von John, ein wenig von ihr selbst…..ein wenig von ihnen beiden. Beiläufig nahm sie ihr Glas Tee zur Hand und nippte an dem heißen Getränk. Dichter beugte sie sich  zu dem Bildschirm hin, um nur keine der Informationen zu verpassen. „…verstorben 2002“, murmelte sie vor sich hin, während ihre Augen den Text immer weiter verfolgten. Über die Informationen der nicht vorhanden Vorstrafen, ihren Ausbildungsweg, ihrer derzeitigen Arbeitsstelle….

Fünf Minuten las sie. Von vorne, wenn sie am Ende angekommen war, und die Mitte noch ein wenig öfter. Schließlich ließ sie sich in die schwarze Lehne ihres Ledersessels zurückfallen. Nachdenkliche Falten durchfurchten ihre Stirn und ihre Hand fand automatisch die Strähne ihres schwarzen Haars, um sie sich hinter das Ohr zu streichen. Sie war überrascht. Was auch immer sie erwartet hatte zu lesen, daß war es nicht gewesen. Ihre Hand tastete geistesabwesend nach dem Glas auf dem Tisch. Doch sie nippte nur wenig daran, denn er war inzwischen kalt und kalter grüner Tee war nicht anregend, sondern versprach in seiner Bitterkeit nur Übel für den Magen. Immer wieder formten ihre Lippen die einzelnen Worte aus dem Text, während sie den Kopf in Ungläubigkeit schüttelte.




Re: Another year has gone by

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Cliffhanger hasse?
Bin mal gespannt, was Laurie so entdeckt hat.

Dieses Mal spannst Du uns ja wohl wieder auf die Folter....

Schön, dass jetzt mal die Beziehungssache in den Hintergrund gerät und der Fall in den Vordergrund tritt.

LG Eve