A David Caruso Tribute - FanFiction

Another year has gone by

Re: Another year has gone by

Ich kann wohl mit Recht behaupten, daß diese Woche nicht die meine ist! So geht es deswegen auch erst heute weiter, und nicht wie sonst üblicherweise Donnerstag, oder wie ich es angedacht habe, Dienstag.

@Flymoon: Das Mika doch mehr Herz hat, haben wir eindeutig Smilla zu verdanken. Für mich hätte diese Episode in Johns Leben wesentlich kühler ausgesehen. Aber ich muß sagen, ihre Idee hat der Geschichte doch ein wenig mehr Pfiff gegeben, als ich ursprünglich vermutet habe.

@Eve: Nun ja, Mikas Gefühlswelt hat sich schon ein wenig verändert. Wer kann schon dem Charme von diesem Manne widerstehen? Jedenfalls nicht mal so ein durchtriebenes Biest wie Mika. Ich finde es schon ganz gut, daß es zwischen den beiden nicht geklappt hat. Wer aus solchen berechnenden Gründen eine Beziehung beginnt, dem geschieht es – meiner  Meinung nach – ganz recht, wenn er damit auf die Nase fliegt.

Und nun noch eine Antwort für Euch beide: Ich habe sehr lange über die Bemerkung – die  ja von Euch beiden kam –  nachgedacht, ob John wirklich nicht so verständnisvoll gewesen wäre wie Danny. Aber irgendwann bin ich doch wieder zu demselben Ergebnis gekommen, wie ich es auch ursprünglich angedacht habe: John hätte  – wenn auch auf andere Art und Weise – genauso reagiert hätte wie Danny. Zieht man nicht immer wieder automatisch die gleichen Männer im Leben an, bis man sich selbst soweit verändert hat, daß auch andere auf einen aufmerksam werden? Und Laurie hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich viel Gelegenheit gehabt sich zu ändern. Dementsprechend fällt Danny in die gleiche Kategorie von verständnisvollem Mann, wie auch John es ist.

Aber jetzt geht es wirklich weiter.....

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Routine

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In Laurie toben die verschiedensten Gefühle, als sie am nächsten Morgen an dem Officer vor Johns Revier mit einer flüchtigen Begrüßung vorbei ging. Leichter Nieselregen fiel vom Himmel und kräuselte mit seiner Feuchtigkeit ihr sorgfältig hochgestecktes Haar. Nach und nach verabschiedete sich ihre Mühe vom Morgen, das widerspenstige, vom Schlaf verlegende Haar, in eine einigermaßen brauchbare Form zu zwingen und ringelte sich nun wieder in seinem eigenen Willen. Müde strich Laurie sich mit der Hand über sie Feuchtigkeit auf ihrem Kopf und bedauerte für einen Augenblick keinen Schirm mitgenommen zu haben. Aber im Grunde genommen interessierte es sie auch nicht wirklich, war nur ein kleines Übel an ihrem heutigen Morgen. Ein Übel der ganz anderen Art, war das ständige Herzklopfen, das sich mit Schweißausbrüchen abwechselte und die Migräne die ihre müden Schritte taumeln ließ. Doch sie widerstand der Versuchung sich auch noch übers Gesicht zu streichen und benutzte statt dessen die Hand, um Janice hinter dem Counter zu zuwinken, die sie mit einem Lächeln bereits aus der Ferne begrüßt hatte. „Morgen, Laurie.“ „Morgen.“ Laurie änderte die Richtung ihrer Schritte zu Janice hin. „Nieselt es noch immer?“, fragte Janice, während sie Laurie die Hand zur Begrüßung reichte. „Nieseln wäre eine harmlose Beschreibung für das Wetter da draußen. Inzwischen sind wir irgendwo zwischen Nieseln und Regen angekommen.“ Genau das Wetter, das zu ihrer Stimmung paßte, dachte Laurie.

„Na, da bin ich aber glücklich, daß ich heute hinter den Tresen verdammt wurde. Ich mache das ja eigentlich nicht so gerne, aber bei dem Wetter, bin ich nur froh, daß nicht ich diejenige bin, die raus muß.“ Janice deutete mit dem Kopf zu zwei ihrer Kollegen, die ihre Mützen vor dem Regen bereits tief ins Gesicht gezogen hatten. „Viel Spaß, Jungs!“, rief sie an Laurie vorbei den beiden Männern hinterher, und ernte dafür einen bösen Blick unter ihren Mützen hervor. „Paß bloß auf was du sagst, Licalsi. Sonst reden wir mit dem Chief und nehmen dich mit.“ Janice lachte fröhlich. „Untersteht euch!“, drohte sie ihnen mit erhobenem Finger. „Aber ich werde euch einen Kaffee bringen, wenn ihr wieder zurück seid.“ Ein spöttisches Schnaufen kam von dem Blonden, als er sich den Kragen seiner Regenjacke höher schlug und seinem Kollegen folgte. „Paß auf was du sagst“, wiederholte er. „Ich nehme dich beim Wort!“ Mit seinen letzten Worten wandte er sich wieder von Janice und ihrem Spott ab, tippte sich dabei aber noch kurz grüßend an die Mütze. „Ich wünsch euch einen schönen Tag, Ladies.“

Grinsend drehte sich Janice wieder zu Laurie um. „John und Andy warten schon im Verhörraum auf dich. Sie sagten, daß sie schon anfangen wollen, du aber so schnell wie möglich zu ihnen stoßen solltest.“ John! Laurie seufzte resigniert bei dem Gedanken an ihn auf. An John zu denken, bedeutete an Mika zu denken. Und seit gestern Abend dachte sie mehr an die Frau, als sie es sich wünschte. Doch Janice bezog ihr Seufzen auf die immer wieder kehrenden Verhöre. „Du bekommst auch ein Kaffee von mir wenn du fertig bist!“, lachte sie Laurie freundschaftlich an. „Bäh!“ In einem Anflug von Übermut streckte Laurie der dunkelhaarigen Frau die Zunge heraus. Janice und sie grinsten sich kurz an, dann aber lenkte Laurie ihre Schritte der großen Treppe entgegen, um zu John und Andy zu stoßen. Noch immer lächelte ihr Mund über Janice ihrer guten Laune, nicht auf die Straße zu müssen, aber mit jedem weiteren Schritt den sie tat, verzogen sich ihre Mundwinkel wieder in die Haltung, den sie schon beim Betreten des Reviers gehabt hatte. Ernst und vor Anspannung zusammen gepreßt.

Lauries Füße trugen sie automatisch über das ausgetretene Holz der Treppe, während ihre Gedanken aber nicht den Füßen folgten. Diese folgten einem ganz anderen Fluß, nämlich dem von John und Mika und ihre Beziehung, die schon bald nicht mehr bestehen würde. Wenn alles gut ging.

Laurie glaubte nicht, daß Mika noch gestern Abend mit John geredet haben würde, trotzdem konnte sie ein gewisses Unwohlsein nicht verhindern.

Heute war Freitag und dann hatte das Wochenende noch mal zwei weitere Tage. Erst dann konnte sie wissen, wie die Sache weitergehen würde. Auf jeden Fall mußte sie sich noch mal mit Jessies Privatdetektiv in Verbindung setzten, überlegte Laurie und schob sich geistesabwesend an einem untersetzten Herren vorbei. Mit dem Rücken zu Geländer blockierte er die Hälfte der Treppe, sah abwechselnd die Stufen hinauf und dann wieder hinab. Offensichtlich wartete er auf jemanden. Laurie beachtete ihn nicht weiter und stieg weiter die Stufen hinauf. Langsam und müde, in sich versunken und mit einem nervösen ziehen in der Magengegend. 

Der Privatdetektiv könnte ihr dann mitteilen, ob Mika wirklich die Stadt verlassen hatte. Wenn er sich noch einmal auf Mika einließ. Jessie hatte ihr von dem Gespräch zwischen ihnen im Restaurant erzählt und nach ihren Worten hatte er nicht so geklungen, daß er sich noch einmal mit dieser Frau befassen wollte. Etwas, was Laurie nach seinem Bericht nur zu gut verstehen konnte. Aber anfragen konnte sie ja trotzdem mal. Vielleicht hatte sie ja Glück und er ließ sich von ein paar grünen Scheinen mit zwei Nullen hintendran umstimmen. Ob Mika auch John verlassen würde, daß würde John Laurie bestimmt selbst mitteilen. Egal ob er Worte gebrauchte oder nicht. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, wenn er Kummer hatte. Und Kummer würde es geben, da war Laurie sich sicher. Sie biß sich nervös auf die Unterlippe. Oh John, dachte sie. Es tut mir so leid. Ich wünschte, es hätte eine andere Möglichkeit gegeben, aber mir ist wirklich nichts anderes eingefallen. Laurie blieb vor der Tür des Verhörzimmers stehen, in dem sich John und Andy befanden. Und wie schon den Abend zuvor bei Mika, starrte sie zuerst die Tür an, ohne sie zu öffnen. Ich hoffe, du kannst mir das jemals verzeihen.

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Im Verhörzimmer eins war das Gespräch zwischen Andy, John und ihren Verdächtigen schon im vollen Gange. Das heißt, Andy hatte sich den Typen zur Brust genommen, während John, mit den Händen in den Hosentaschen, wie üblich an der Wand lehnte und Andy reden ließ. So lief es fast jedesmal und sie hatten mit der Taktik immer einen guten Erfolg erzielt.

„So“, hörte er Andy sagen, während er selbst einen Blick auf seine Armbanduhr warf. Wo blieb denn Laurie? Das Verhör war für zehn Uhr angesetzt worden und nun war es schon viertel nach. Lange konnten sie nicht mehr um den heißen Brei reden. Ihr Mann stellte sich mit jeder verstrichenen Minute sturer und bockiger. „Sie haben also für den besagten Dienstag ein Alibi und waren nicht in der Wohnung von Mrs. Meyers, um sie mal eben um $1000 zu erleichtern?“ Der kleine Kerl, der Andy gegenübersaß, zuckte nicht einmal zusammen, als Andys Stimme vor Ärger lauter wurde. „Das sagte ich doch schon“, entgegnete er genervt und rollte die Augen zur Decke. „Ich war bei meiner Freundin Samantha und wir haben den Abend zusammen verbracht.“ Mit verschränkten Armen saß Cameron Swift, ihr Verdächtiger für diesen Überfall, auf seinem Stuhl und starrte nun mit sturem Blick Andy über den Tisch hinweg an. Entweder hatten sie wirklich den falschen Mann, oder er war sich sehr sicher, daß seine Freundin Samantha bereit war für ihn zu lügen.

Abermals warf John einen Blick auf seien Uhr. Wo blieb sie nur? Unpünktlichkeit lag doch sonst nicht in ihren Genen! Die Möglichkeit, daß sie auf ihrem Weg hierher einen Unfall gehabt hatte, schoß John durch den Kopf und zerfurchte seine Stirn in tiefer Sorge. Wen würde das Krankenhaus benachrichtigen, wenn sie dort eingeliefert wurde? Seine Gedanken malten sich in entsetzlicher Scheußlichkeit Einzelheiten über eine Laurie aus, wie sie blutüberströmt auf einer Bahre lag und mit dem Leben kämpfte. Blut floß unaufhörlich aus ihren Wunden und Ärzte rannten neben der Trage her, schreiend ob sie sie hören konnte, auf ihren Weg in den Operationssaal. Der Gedanke daran ließ John erbleichen. Würden sie Danny anrufen? Würde er ihm, John,  Bescheid sagen?

Und obwohl Johns Gehirn gefangen in dieser verängstigten Schleife hing, sah er, wie Andy sein Notizheft und den Stift in die Hand nahm, bereit den vollen Namen und die Adresse der Freundin niederzuschreiben. „Und wie heißt ihre Freundin?“

Mit dem letzten Wort von Andy öffnete sich die Tür und eine atemlose Laurie erschien im Türrahmen. Nicht atemlos von einem Rennen, wie John oder auch Andy vermuten würde, sondern ohne Atem von der Aussicht John unter die Augen treten zu müssen. Unter seinem Blick, der sie nun freundlich, fas schon erleichtert, ansah. Tschuldigung, formten ihre Lippen lautlos und lächelten ein wenig zurück. John nickte und wies dann mit dem Kopf zu ihrem Mann, der beim Anblick der Anwältin anfing zu lächeln. Offensichtlich sehr begeistert über das was da gerade seinem Auge geboten wurde. Er vergaß Andys Frage und starrte statt dessen bewundernd die junge Frau in dem schicken grauen Kostüm an, welche soeben das Zimmer betreten hatte und deren Gesicht zu einem schmalen Lächeln verzogen war. Noch lieber wäre es Cameron Swift gewesen, wenn sie unter ihrer Jacke einen schönen kurzen Rock anstatt dieser Hose getragen hätte, aber dennoch pfiff er leise vor sich hin.

Alle drei hörten es und reagierten unterschiedlich darauf. Johns Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, während Andy genervt mit dem Kugelschreiber auf seinen Block klopfte. Laurie dagegen setzte sich in aller Seelenruhe zu Andy und Mr. Swift an den Tisch, öffnete ihre Tasche und zog mit der Mappe dieses Falls, auch noch ihr Brillenetui heraus. Ohne Hast oder Eile öffnete sie es, entnahm ihr die Brille und setzte sie sich mit geübter Bewegung auf ihre Nase. „Und wie heißt ihre Freundin, Mr. Swift?“, wiederholte sie Andys Worte, welche sie beim Betreten des Raumes offenbar aufgeschnappt hatte. John sah, wie sie die braune Pappmappe vor sich öffnete und vorgab nochmals in der Akte zu lesen. Als keinerlei Reaktion von Mr. Swift kam, schaute sie ihn über den Rand ihrer Brille an. „Mr. Swift. Sie haben soeben meinem Kollegen erzählt, daß sie eine Freundin haben. Ist das eine Tatsache, oder haben sich gerade bei meinem Anblick voneinander getrennt?“

Sich ein Grinsen verkneifend, wandte sich John hastig zur Seite. Er kannte den Tonfall von Laurie nur zu gut. Sie war eindeutig nicht gut drauf und diese plumpe Anmache von ihrem Verdächtigen gingen ihr schon jetzt gewaltig auf die Nerven. Eine beachtenswerte Leistung von Cameron Swift, wenn man bedachte, daß Laurie noch keine zwei Minuten im Raum war.

„Ich...äh“, Cameron Swift wechselte die Gesichtsfarbe und fing vor Verlegenheit an zu stottern. Abwechselnd warf er einen Blick von Andy zu John, doch keiner der beiden Männer hatte Mitleid mit ihm und betrachteten ihn deswegen ruhig und ohne ihrer Miene anmerken zu lassen, wie sehr sie dieses kleine Schauspiel genossen. Lang genug hatte er sie mit seiner überheblichen Art geärgert, jetzt war es Zeit für vertauschte Rollen.

„Den Namen, Mr. Swift“, Lauries Stimme wurde eine Spur schärfer und ihr Verdächtiger zuckte unter ihrem Klang erschrocken zusammen. Leider schien der arme Mann von Laurie vollkommen überfordert zu sein, denn außer einem weiteren Gestammel, kam nichts aus seinem Mund.

John versuchte nun nicht mehr das Lächeln aus seinem Gesicht zu halten. Anscheinend hatte der gute Mr. Swift nicht wirklich eine Freundin, sondern hatte sich nur von den beiden Männern nicht einschüchtern lassen wollen. Pech für ihn, daß er anscheinend aber gehörigen Respekt vor Frauen hatte, die genau wußten was sie wollten und ihrer Forderung auch durchaus Nachdruck verleihen konnten.

„Samantha.“ Seine Stimme klang bei weitem nicht mehr so selbstbewußt wie noch vor wenigen Minuten. Andy lehnte sich in seinen Stuhl zurück und betrachtete amüsiert, wie der kleine Mann vor ihm, nun mit sichtlichem Respekt die rothaarige Frau musterte. Er verstand nicht so ganz warum. Laurie hatte nicht mehr gesagt als er, hatte keinen anderen Tonfall benutzt  und hatte es trotzdem geschafft den Namen aus ihm heraus zu bekommen. Tja, man sollte es sich lieber nicht mit einer Frau verscherzen, schon gar nicht, wenn sie am längeren Hebel saß. Er hatte kein Mitleid mit Cameron Swift. Wer eine alte Dame um ihr Erspartes brachte, der hatte von seiner Seite aus nichts Gutes zu erwarten. Und auch nicht von Laurie wie es aussah.

„Ok, Mr. Swift, ich werde ihnen mal sagen, was ich denke was abgelaufen ist.“ Laurie ergriff wieder das Wort und schenkte Mr. Swift doch nicht mehr Aufmerksamkeit als einer lästigen Mücke.

Und Andy und John grinsten nur genüßlich vor sich hin und beobachteten Laurie und Cameron, der mit jedem einzelnen Wort immer kleiner zu werden schien.

„Ich denke, daß ihre sogenannte Freundin Samantha gar nicht existiert oder im besten Fall eine kleine Nutte ist, die ihnen ab und an gegen Bezahlung ihre Dienste anbietet.“

Johns Lächeln verschwand für eine Sekunde, er wußte gar nicht, daß dieses vulgäre Wort zu Lauries Wortschatz gehörte.

„Sie haben die alte Dame beobachtet, wie sie bei der Bank ihr Geld abgehoben hat, sind ihr dann zu ihrer Wohnung gefolgt und haben sie dort um ihr Erspartes gebracht.“ Laurie sah ihn scharf von der Seite her an und schob mit dem Zeigefinger ihre Brille wieder ein Stück die Nase hoch. „War es nicht so, Mr. Swift?“ Ihre blauen Augen waren eisig und zwangen den Mann weiter in die Enge. „Wissen sie Mr. Swift. Es wäre einfacher für sie, wenn sie einfach gestehen würden. Und es würde uns eine Menge Arbeit ersparen, denn meine Kollegen hier“, ihr Kopf deutete zu Andy und John, „sind äußerst gewissenhafte Cops. Sie werden alles daran setzen, um die Wahrheit herauszufinden.“ Laurie beugte sich über den Tisch, ein kleines Stück näher an Cameron Swift heran und dieser wich sofort soweit wie möglich auf seinem Stuhl zurück. „Und wissen sie, was ich dann machen werde, Mr. Swift? Ich werde dann dafür sorgen, daß die Strafe bekommen, die sie für dieses Verbrechen verdient haben.“ Ein kaltes Lächeln erschien auf Lauries Lippen, welches nichts mit Freundlichkeit gemein hatte. „Die volle Strafe“, setzte sie fast liebevoll dazu. Cameron rutschte unter Lauries Blick unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Beide, John sowie Andy, wußten, daß es jetzt  nur noch eine Sache von Minuten war, bis Cameron Swift gestehen würde.

Für eine verflossene Sekunde tat John der Mann am Tisch fast wirklich leid. In der Stimmung, in der sich Laurie augenscheinlich zu befinden schien, hatte er nicht den Hauch einer Chance.

Sein Blick glitt über Laurie. Dunkle Ringe zeichneten sich über holen Wangen ab, die auch ein noch so gutes Make up nicht verbergen konnten. Ihre Kieferknochen waren fest aufeinandergepreßt und eine steile Falte hatte sich zwischen ihren Augenbrauen eingegraben, wie sie es immer tat, wenn Laurie unter starker Anspannung stand. John legte den Kopf schief und betrachtete Laurie genauer. War es wirklich der Pfiff von Cameron Swift gewesen, der diese Anspannung in ihr hervor gerufen hatte, oder hatte sie andere Probleme mit in dieses Verhörzimmer gebracht? Die dunklen Ringe unter ihren Augen schienen eine eigene Sprache zu sprechen, die sich aber John diesmal außerstande sah sie zu verstehen.

„Also, Mr. Swift, ist es so abgelaufen, wie ich es eben erzählt habe?” Der schneidende Tonfall von Laurie rief John wieder zurück zum Verhör. Das kleine hin und her rutschen auf dem Stuhl von Cameron breitete sich aus, bis John dachte, bei der nächsten Bewegung würde er vom Stuhl fallen. Lauries Blick hielt seinen unerbittlich fest und ihre Augen forderten regelrecht eine Antwort. „Ja“, brach es schließlich flüsternd aus dem kleinen Mann heraus. „Ja, so ist es gewesen.“

Endlich unterbrach Laurie den Blickkontakt zu ihrem Verdächtigen und zog sich wieder auf ihre Seite des Tisches zurück. Ihre Hand suchte in ihrer Mappe ein leeres Blatt Papier und schob es dann zu Mr. Swift hinüber. „Wenn ich sie dann bitten dürfte ihr Geständnis handschriftlich niederzulegen?“ Wieder dieser schneidende Tonfall, in dem Cameron Swift keine Möglichkeit sah, zu entkommen. Ergeben nahm er den von Andy hingehaltenem Stift und fing an zu schreiben. Beobachtet nur von Andy.

John und Laurie warfen sich gegenseitig einen Blick zu.  Ist alles in Ordnung mit Dir? schienen seine Augen, wie schon sooft in dem letzten halben Jahr, zu fragen, aber Laurie schien es diesmal nicht zu bemerken, sie drehte den Kopf weg und beobachtete ebenfalls Cameron.

In Johns Augen schien Cameron Swift Ewigkeiten zu brauchen, sein Geständnis niederzuschreiben, auch wenn es sich nur auf anderthalb Seiten belief. Ungeduldig lehnte er weiterhin, scheinbar ruhig, an der Wand und beobachtete, wie Swift mit jedem Wort zu kämpfen schien. Ein Geständnis war ja schön und gut, doch schlußendlich würden sie auch diese Aussage überprüfen müssen.

Aber das war jetzt nicht das was ihn wirklich interessierte. Vielmehr lag sein eigentliches Anliegen darin, mit Laurie zu reden. Diese Unterbrechung des Blickkontaktes mit ihm, hatte ihn nur in seinem Verdacht bestätigt, daß sie persönliche Probleme mit in das Zimmer gebracht hatte. Vielleicht konnte er ihr helfen, vielleicht konnte er für sie dasein, so wie er damals immer für sie da gewesen war.

Schließlich waren die Worte geschrieben und das Geständnis von Swift zu Papier gebracht. Beifallshaschend suchten seine Augen den Blick von Laurie, doch diese hatte schon längst das Interesse an dem kleinen Mann in Jeans und Shirt verloren. In Seelenruhe packte sie die Mappe wieder in ihre Tasche und ihre Brille ins Etui. „Kommen sie Mr. Swift“, sagte Andy zu ihm und legte ihm die Hand gleichermaßen locker wie zwingend auf die Schulter. „Wir haben da ein hübsches Plätzchen für sie, wo sie sich sicher bald wie zu Hause fühlen werden.“ Sein Griff nötigte Swift sich von seinem Stuhl zu erheben und ihm zur Tür zu folgen, wo bereits ein Officer wartete um ihren Mann in Gewahrsam zu nehmen. Dann drehte sich Andy noch einmal zu Laurie um. „Gut gemacht“, lobte er sie, während er ihr kumpelhaft auf die Schulter klopfte. „Hast du schon mal überlegt den Job zu wechseln und einen Job bei uns anzunehmen?“ „Nein, warum?“, fragte Laurie mit einem verwunderten Blick zu Andy, nachdem sie auch John einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte. Andy lachte herzlich und gar nicht böse, auch wenn seine nächsten Worte vielleicht eine kleine Rüge waren. „Weil wir diejenigen sind, welche die Fragen stellen und den Mann überführen. Soweit ich weiß, seit ihr Staatsanwälte nur die stillen Zeugen!“ Er klopfte Laurie ein weiteres Mal auf die Schulter. „Aber in dem Fall bin ich dir wirklich dankbar, daß du es in die Hand genommen hast. Der Kerl hat mich krank gemacht. Dich nicht?“ Der letzte Zusatz war nicht mehr an Laurie gerichtet, sondern an John, welcher sich endlich von der Wand gelöst hatte. „Doch“, lächelte John. „Das hat er.“ Er schloß sich den beiden an, als sie den Raum verließen und hoffte nun auf die Gelegenheit ein persönliches Wort mit Laurie wechseln zu können.

Doch als sie endlich zusammen das Zimmer verließen, blieb Laurie nicht stehen um mit ihm zu reden.

„Laurie?“, rief John ihr ihren Namen hinterher und sah, wie sie sich auf dem Absatz zu ihm umdrehte. „Ja?“ Ihre Augen schauten ihn fragend an, aber ansonsten war nicht viel aus ihrem Gesicht herauszulesen was John weiter geholfen hätte. Er überbrückte die wenigen Schritte, welche sie sich von ihm entfernt hatte und befand doch, daß er die persönliche Distanz zwischen ihnen damit nicht abbaute. Im Gegenteil, je näher er kam, um so mehr schien sich Lauries Gesicht zu der ausdruckslosen Maske zu verschließen, die sie in ihrem Job so gut machte. Und wahrscheinlich auch bei jedem Pokerspiel, wenn er sie jemals dazu hätte bringen können es zu lernen.

„Ist alles in Ordnung mit Dir?“ Nichts war in Ordnung, dachte John, als er sah, wie sich ihr Mund zu einem dünnlippigen Lächeln verschloß. Trotzdem antwortete sie ihm unbekümmert und ganz offensichtlich mit einer Lüge. „Sicher.“ Wieder suchten seine Augen in ihrem Gesicht nach Gründen für ihr merkwürdiges Verhalten. Aber wie auch schon zuvor, konnte John nichts finden, was ihm einen Hinweis gab. „Ist mit Danny alles ok?“, fragte er das erste nach, was ihm in den Sinn für ihr Benehmen kam. Doch in Lauries Mimik zeichnete sich nur ehrliche Überraschung ab. „Natürlich.“ John wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber ein wenig enttäuscht war er schon, denn in seiner Stimme hatte ein klein wenig von der Hoffnung gelegen, die er eigentlich schon vor einiger Zeit begraben hatte. Er nickte nachdenklich vor sich hin. Mit Danny hatte es offensichtlich nichts zu tun, aber ihre Ein-Wort Antworten sagten ihm dennoch, daß es da etwas gab, was durchaus nicht in Ordnung war. „Was ist es dann?“ John wollte nicht locker lassen, er wußte genau, daß es da noch mehr gab. So viele Jahre war er mit Laurie zusammen gewesen und hatte sie und ihre Körpersprache beobachtet. Gesehen wie sie reagierte, wenn sie traurig, sauer oder fröhlich war. Und deswegen konnte er auch jetzt mit Bestimmtheit sagen, daß da etwas ganz und gar nicht stimmte.

Jedoch war Laurie nicht bereit mit ihm darüber zu reden. Eine Tatsache, die aus ihrem genervten Gesichtsausdruck und dem verdrehen ihrer Augen zur Decke, nur zu deutlich für John zu sehen war. Genauso wie ihre Worte, die ihn kurz und gnadenlos abfertigten, so als ob sie sich mitten in ihrem besten Streit befanden. „John, es ist alles in Ordnung!“, ungeduldig schlüpften die Worte über ihre Lippen. „Ich habe nur gestern Abend zu viel getrunken und dementsprechend schlecht geschlafen. Bist du nun zufrieden?“ Der Ausdruck in ihren Augen ihm gegenüber war nicht viel freundlicher als dem gegenüber von Cameron Swift, und ihre Tonlage war es auch nicht. John zuckte nicht gerade zurück, als er ihre Worte und ihre Stimme vernahm, war aber genauso wenig erfreut, daß sie ihm gegenüber den gleichen Ton anschlug, während er sich um sie sorgte. „Schon gut, es war ja nur eine Frage“, bemerkte er nun genauso bissig wie sie und drehte ihr pikiert den Rücken zu, um zu seinen Schreibtisch zu treten. John war wütend und enttäuscht zugleich, daß sie ihm so die kalte Schulter zeigte, trotzdem drehte er sich an seinem Schreibtisch noch mal zu ihr hin. Ihre Augen hatten ihn traurig verfolgt, aber jetzt, als er sie wieder ansah, verschloß sich ihre Miene wieder. Sie nickte ihm nur kurz zum Abschied zu, und verließ dann die Etage der Detectives.

Nichts war in Ordnung. Absolut gar nichts, dachte Laurie traurig. Und bald würde auch John wissen was es war.




Re: Another year has gone by

Da ich irgendwie mit meiner Geschichte nicht weiter komme, hab ich mal gedacht, bei Dir reinzuschauen, um mal ein bisschen abzuschalten....
Aber wie ich gesehen habe, hattest Du auch diese Woche zu kämpfen und ich komme nun gerade richtig, um den neuen Teil zu lesen.

Ja, was wird John wohl denken, wenn er erfährt wie Laurie sich in sein Leben einmischt, berechtigterweise muß man ja sagen...da bin ich echt gespannt.
Schön ist es, dass ihre persönlichen Probleme nicht allzusehr ihre Arbeit beeinflussen....

Schön, dass Du Dir noch Gedanken machst über unsere Äußerungen wegen John und Danny. Und Du hast sicher Recht, was die gleiche Art Mann angeht, die Frau immer anzieht. Der gleichen Meinung bin ich eigentlich auch...

LG Eve

Re: Another year has gone by

Uhi, und ich dachte jetzt geht es aber richtig zur Sache....aber, Chyio weiß wie sie es machen muß! Es bleibt schön spannend! Aber so ist es auch richtig!

Ich bin auch schon sehr gespannt auf die Reaktion von John wenn die ganze Sache ans Licht kommt, vorallem was dann passiert! Das er nicht so besonnen reagiert denke ich wohl schon, denn er hat ja eine wesentlich direktere Art wie Danny, wenn er etwas wissen will. Mich wundert es das er sich jetzt hier so abspeisen ließ, aber vermutlich nur weil er keinen Ärger mit Laurie haben wollte.

Deine Überlegungen über "Männer" sind schon sehr treffend, aber zwischen Danny und John sehe ich persönlich sehr große Unterschiede! Sicher ist John verständnissvoll und sehr sehr lieb (das weißt du ja eh ) aber Danny wirkt auf mich doch ganz anders! Hmmm, irgendwie weiß ich jetzt nicht wie ich es erklären soll! Ich hoffe du verstehst mich trotzdem?! Ich glaube das eher "dieser" Unterschied es ausmacht das Laurie sich zu Danny so hingezogen fühlt.

Was ich immer noch sehr nett finde ist die "Chemie" zwischen Laurie und John! Den Spagat zwischen dem Ex und dem "neuen"Lover zu bewältigen ist schon nicht einfach, aber das bringst du genauso schön rüber wie das Verhältnis zwischen Danny und Laurie! Einfach top, Chyio!

LG Flymoon


Danke Chris!!!

Belle:Did you know Horatio was the first CSI?
Horatio: He was..er..what?
Belle: In Hamlet, when Hamlet was poisoned and dying. He asked his best friend Horatio to tell the world who murdered him.
Horatio: Ok, I'll tell the world.

Re: Another year has gone by

Da wollte ich Euch die Zeit lassen, in Ruhe das letzte Kapitel zu lesen und muß dann feststellen, daß ihr doch schon fertig geworden seid. So was auch!

@Eve: Natürlich mache ich mir Gedanken darum, was ihr mir schreibt! Immerhin seht ihr es ja auch aus einem objektiveren Blickwinkel, als ich es jemals sehen kann. Und ich finde es immer wieder wahnsinnig interessant, wie ihr darüber denkt. Oftmals sind wir ja einer Meinung, aber manchmal gehen meine Gedanken doch in eine andere Richtung. Und manchmal grinse ich vor mich hin und denke: Wenn ihr wüßtet!

@Flymoon: Du hast nicht ganz unrecht: John und Danny sind nicht gleich. Wenn es so bei euch rüber gekommen wäre, dann hätte ich mir nicht genügend Gedanken darüber gemacht, wie ich die beiden Herren unterscheide. Ehrlich gesagt, habe ich wirklich viele Stunden damit zugebracht mir liebevolle Gesten für Danny zu überlegen, die ihn zu etwas Besonderen machen. Der Handkuß zum Beispiel.

Dennoch gibt es von ihrer feinfühligen Art durchaus viele Gemeinsamkeiten. Das ist es, was ich mit meiner letzten Äußerung zu dem Thema ausdrücken wollte. Aber während Danny als fertiger Mann mit Laurie zusammen ist, ist John von seiner Art viel durch die lange gemeinsame Zeit mit Laurie, geprägt worden. Sie kennen sich seit den Anfängen der Schule, sind zusammen seit er siebzehn war. Das sind alles Zeiten, wo ein Mensch seine Umgebung, seine sozialen Kontakte und sich selbst erforscht. Und sich durch die Einflüsse um sich herum verändert. So ist es auch bei John der Fall.

Das ist auch einer der Grundideen dieser Geschichte. Nur bis zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch nicht besonders wichtig gewesen und deswegen habe ich es nicht vertieft. In den folgenden Kapiteln – ich kann jetzt nicht genau sagen ab wann, denn es sind immer so nebenbei Sätze – gehe ich aber näher darauf ein.

Und er läßt sich deswegen von Laurie so abspeisen, weil sie ihm ganz klar macht, daß er nicht mehr das Recht, wie er es noch in ihrer Ehe hatte, so in sie zu dringen. Sie sind nicht mehr zusammen. Sie sind getrennt. Und keiner hat da mehr das Recht dem Verflossenen noch so nahe zu treten. Auch wenn sie noch gute Freunde sind. Vergiß nicht, sie wissen voneinander nicht, was sie noch empfinden. Und wenn ich das nicht geschafft habe rüber zu bringen, dann sollte ich mich noch mal ganz ernsthaft mit einer Überarbeitung der Geschichte beschäftigen!

Nun, wie auch immer. Eigentlich wollte ich Euch als kleines Ostergeschenk zwei Kapitel zukommen lassen. Dieses jetzt und das Kapitel von John und Laurie. Nur bei meiner Änderung des heutigen, mußte ich feststellen, daß es durchaus die Länge von zwei Kapiteln hat. Es sind bei mir zwölf Seiten, ein normales hat bei mir sechs. Also müßt ihr Euch leider noch ein wenig auf das Kapitel Verhaßter Montag gedulden. Ich möchte Euch ja nicht mit meiner Länge überfordern.... und langweilen. Verabschieden wir uns also gebührend von Mika...vorerst.

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Abschied.

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Lustlos blätterte Mika in dem Kochbuch, welches vor ihr auf dem Küchentresen lag. Noch vor drei Tagen war sie so stolz auf ihre Errungenschaft gewesen, aber jetzt in Anbetracht der Situation in der Laurie sie gebracht hatte,  war ihre Begeisterung bei Null angekommen.

Die Ellenbogen rechts und links neben dem kleinen Buch abgestützt, betrachtete sie die bunten Bilder von schmackhaften Speisen und überflog die dazu gehörigen Anleitungen. Entenbrust mit Kürbis und Pinienkerne, gebackene Lachs auf Lauchgemüse, Muscheln in Rotweinsauce.... Sie alle klangen verlockend und lecker – und relativ einfach in ihrer Zubereitung. Mika blätterte überrascht eine Seite weiter, und verlagerte unbewußt ihr Gleichgewicht vom rechten aufs linke Bein. War kochen wirklich so einfach? Sie hatte immer angenommen, daß es ein Buch mit sieben Siegeln war und nur bei talentierten Menschen funktionierte.

Eine Seite weiter stach ihr abermals eine Abbildung ins Auge, die ihr das Wasser im Mund zusammen laufen ließ und wieder war die Anleitung so einfach, daß Mika es sich durchaus zutraute das Gericht zuzubereiten. Aber wofür? Gefrustet schlug sie den glänzenden Bildband zu und schubste ihn quer über die leere Arbeitsfläche, wo seine Fahrt schließlich an der kahlen gelben Wand mit einem leisen klatschen ein abruptes Ende fand. Aber Mika sah es schon nicht mehr, die Stirn vor sich auf die graue Platte abgelegt, kaute sie mit geschlossenen Augen unglücklich auf ihrer Unterlippe herum. Wieder wollten ihr die Tränen in die Augen schießen, doch diesmal versagte sie sich den Luxus des Weinens. Wozu? Sie hatte in den letzten Nächten mehr geweint, als sie es wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben getan hatte und trotzdem hatte es nichts an der Situation geändert! So lag sie halb auf der Arbeitsplatte und versuchte ihre Gefühle wieder in soweit unter Kontrolle zu bringen, daß die Tränen sich  in Luft auflösten. Lange tiefe Atemzüge waren dafür notwendig, und Gedanken an schöne Dinge, an Dinge die nichts mit John und Laurie zu tun hatten. Sie versuchte sich die Bilder ihrer geliebten Steine vor Augen zu führen. Das grün ihrer Smaragde, das weiß ihrer Diamanten. Den Gedanken an die Rubine, schob sie jedoch weit von sich, denn ihre Farbe war rot. Rot wie die Liebe zu John, oder der Haß auf Laurie. Für einen Augenblick bedauerte sie, daß sie ihre kleinen Lieblinge schon verkauft hatte, denn sie jetzt in ihren Händen zu halten, würde sie bestimmt mit Trost erfüllen - etwas, was ein Gedanke an sie nicht ganz schaffen konnte. Aber er half ihr zumindestens die Tränen wieder hinunter zu schlucken, sich wieder aufzurichten und einen trotzigen Blick auf den Bildband zu werfen, der nun weit rechts von ihr lag.

John konnte sich sein Abendessen sonst wo hin stecken. Sie würde nicht kochen. Wozu sich noch die Mühe machen? Nach heute Abend war sowieso alles vorbei.

Aber so schnell wie der Trotz sich ihrer bemächtigt hatte, genauso schnell verschwand er wieder in ihrem Kummer. Schnell drehte sich Mika mit dem Rücken zu dem Buch und lehnte nun mit dem Hintern an der Arbeitsfläche. Doch sie war nicht schnell genug, denn die bunten, glänzenden Seiten tanzten noch immer vor ihren Augen, auch wenn diese längst geschlossen waren, um das Buch nicht mehr sehen zu müssen. Warum hatte sie es überhaupt noch einmal zur Hand genommen? Hatte sie wirklich geglaubt, daß sie es fertig bringen würde daraus zu kochen? Ja, gab Mika sich selbst die Antwort. Sie hatte wirklich daran geglaubt. Die ungewöhnliche Fülle ihres Kühlschrankes sprach ebenfalls dafür und ihr Herz sagte ihr ebenso, daß sie es eigentlich wollte. Ein Leben zu zweit. Mit John. Mit den Dingen, die eine Beziehung ausmachten.

Und mit den Gedanken, kamen die so tapfer unterdrückten Tränen doch wieder. Blinzelnd starrte Mika an die Decke und fühlte doch, wie sie sich aus ihren Augenwinkeln heraus einen Weg über ihre Wangen suchten. Das Leben war so ungerecht! Sie schlug nun doch die Hände vors Gesicht, und versuchte so ihren Lauf zu unterbinden, doch jede einzelne von ihnen quoll heiß zwischen ihren Fingern hindurch und beendete ihr kurzes Leben auf dem kalten Küchenfußboden. Kein Laut kam über ihre trockenen Lippen, nur das Wasser zu ihren Füßen hätte einem unbeteiligten Zuschauer gezeigt, daß Mika doch wieder weinte.

Es mußte doch eine Möglichkeit geben, Laurie einen Strich durch die Rechnung zu ziehen, dachte Mika und wischte sich mit einer energischen Handbewegung die Tränen vom Gesicht. Sie wollte nicht mehr weinen, sie wollte einen Weg finden, wie sie John doch noch behalten konnte. Und doch war der einzige Weg, der ihr eingefallen war, nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Die Bilder, es hing alles an den verdammten Bildern. Ohne sie hätte Laurie nichts gegen sie in der Hand. Vielleicht ein paar Spekulationen, die sie zu Papier gebracht hatte und ein paar Verdächtigungen. Aber Spekulationen konnten sich als Hirngespinste herausstellen und Verdächtigungen zerstreut werden. Alles was sie braucht, waren diese verdammten DinA 4 Hochglanzformate! Abermals wischte Mika sich die Tränen vom Gesicht, um sie gleich darauf an dem trockenen Stoff ihrer Jeans abzuwischen. Wenn sie doch bloß fündig geworden wäre! Mika biß sich auf die Unterlippe und starrte auf den Boden zu ihren Füßen, zu den Tropfen ihres Kummers auf dem kalten Weiß, des Linoleum. Kalt waren auch ihre Augen, als sie in Gedanken versunken an den Freitag zurück dachte, wo sie ihr Leben versucht hatte wieder in die Hand zu nehmen.

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Sie hatte nicht einfach untätig dagesessen und gewartet, bis die Frist die Laurie ihr gesetzt hatte, abgelaufen war. So jemand war sie nicht. Stets hatte sie selbst dafür gesorgt, daß ihr Leben in den Bahnen ablief, die sie sich vorstellte, und so rief sie Sebastian an und bat ihn zu überprüfen, ob Laurie auf Arbeit war. Eine halbe Stunde kam dann die Bestätigung von ihm – sie war da. Eine weitere halbe Stunde später dann, ein zweiter Anruf von ihrem langjährigem Freund – auch Danny war im Labor und würde Mika nicht im Weg stehen. Also nahm Mika ihre Tasche und machte sich auf den Weg zu Lauries Wohnung. In ihrer Tasche einen Bund mit Dietrichen und in ihrem Kopf eine Menge Ausreden, was sie an der Tür zu Lauries Wohnung machte. Für den Fall, daß irgendein Nachbar auf sie aufmerksam wurde. Aber sie hatte Glück, kein Nachbar hatte sie bemerkt und sie war von niemand angesprochen worden.

Sich Zugang zu Lauries Wohnung zu verschaffen, war mehr als einfach gewesen. Durch nichts anderes als eine abgeschlossene Tür geschützt, war Mika innerhalb von Sekunden in ihr gewesen. Sie schloß die Tür hinter sich und warf einen Blick auf ihre Uhr. Es war erst kurz nach elf. Sie hatte also genügend Zeit sich umzusehen. Neugierig ließ sie von der Tür aus ihren Blick durch die Wohnung wandern, soweit es von ihrem Standpunkt aus möglich war. Rechts von ihr war gleich das Arbeitszimmer, links von ihr das Badezimmer. Etwas weiter den Flur runter sah sie auf der rechten Seite eine geöffnete Tür, doch wohin sie führte, konnte sei von der Stelle aus wo sie stand nicht sehen. Auch nicht was der Tür gegenüber lag, denn der Flur führte nach links weiter und verwehrte ihr den Blick auf die restlichen Zimmer. Die ersten Schritte in der fremden Wohnung waren merkwürdig für Mika. Normalerweise brach sie in Museen oder in Juweliergeschäfte ein und nicht in private Wohnungen, doch schon nach dem ersten Meter ordnete sich ihr Unbehagen der Neugier unter. Das war also die Wohnung, wo John mit Laurie gewohnt hatte.  Langsam ging sie von einem Zimmer in das andere, warf einen flüchtigen Blick in die Wohnzimmerschränke, ließ ihren Blick über die Bücherregale schweifen. Im Badezimmer strichen ihre Finger über Lauries Cremetöpfchen auf der Ablage und dem Regal neben der Dusche. Frauensachen. Es waren alles Dinge, die Frau zum Leben benötigte. Alles in allem war sich Mika sicher, als sie die Wohnung oberflächlich inspiziert hatte, daß es in dieser Wohnung nichts mehr gab, was an John erinnerte. Dieses Apartment trug eindeutig die Handschrift einer Frau. Sanfte Farben, hübsche Dekorationen, kreative Zusammenstellung der Möbel....kein Mann mit noch so viel Geschmack, hätte diese Kombination aus Zweckmäßigkeit und Gemütlichkeit hinbekommen. Entweder das ein oder das andere, aber niemals beides zusammen.

Schließlich ging sie vorbei an den leeren apricotfarbenden Wänden des Flurs, wieder zum Anfang der Wohnung zurück gegangen. Zum Arbeitszimmer, der Raum wo sie am wahrscheinlichsten die Bilder finden würde. Sorgfältig zog sie jede einzelne Schublade in dem kleinen Zimmer auf und öffnete jede Schranktür. Machte sich die Mühe die Ordner aus ihren Regalen zu ziehen und jeden einzelnen, auf der Suche nach den Bildern zu durchblättern, aber nirgendwo stieß sie auf sie. Nicht auf die Bilder, noch auf einen Hinweis, wo Laurie sie versteckt haben könnte. Auch ihre Suche in Lauries Computer, in der Hoffnung, daß Laurie vielleicht so dumm gewesen war, dort einen Hinweis auf ihr Versteck zu hinterlassen, brachten für Mika kein Ergebnis. Nichts, es gab aber wirklich auch gar nichts, was Mika bei ihrer Suche geholfen hätte. Nachdenklich lehnte sie sich in das weiche Leder des Schreibtuschstuhls und ließ ihren Blick noch einmal durch das Zimmer gleiten. Nichts deutete darauf hin, daß sie hier gewesen war, alles sah genauso aus, wie sie es vorgefunden hatte, aber genauso wenig gab es etwas, was Mika als mögliches Versteck ins Auge sprang. Ihr Blick blieb an dem Schreibtisch hängen – offensichtlich ein sehr alter Tisch, bemerkte Mika plötzlich interessiert und neigte den Kopf um sich die Unterseite des Tisches genauer anzusehen. Das dunkle Holz wies trotz einer neuen Lasur, an vielen Stellen Abnutzungserscheinungen auf und Kratzer auf den robusten Beinen, sprachen von mehreren Umzügen. Ein alter Tisch hatte immer ein geheimes Versteck, überlegte Mika und fing auch schon im selben Augenblick an, die einzelnen Schubladen genauer zu untersuchen.

Und sie fand eins. Die oberste Schublade wies einen doppelten Boden auf, der sich durch den Druck in einer der vier Ecken, leicht löste. Offenbar war dies ein Versteck, welches selbst Laurie nicht bekannt war, denn in ihm befanden sich eindeutig Johns Sachen. Johns Sachen, die aber ganz klar für die Liebe zu seiner Frau sprachen. Mika preßte die Lippen fest aufeinander, als sie den ganzen Stapel von Papieren und Fotos aus dem Fach nahm und sie vor sich ausbreitete. Zuerst betrachtete sie die Fotos. Eins zeigte eine lachende Laurie am Tag ihres Abschlußballs. Sie stand in einem hellgrünen Abendkleid auf einer Wiese, die Sonne schien gerade unterzugehen, denn das gelöste Haar, flatterte im Wind und wurde in ein goldenes Licht getaucht. Es war keins dieser gestellten Fotos, sondern eins, welches aus dem Moment aufgenommen wurde. Mikas Herz zog sich vor Eifersucht zusammen, als sie die junge Laurie sah, die vor Glück strahlte. Sie drehte das Foto in ihrer Hand um und las die Bemerkung, die offensichtlich John auf seiner Rückseite notiert hatte. Lillith....Sommer 1992 

Mika kniff ihre Augen zusammen. Lillith?

Sie legte das Foto beiseite und nahm das Nächste zur Hand. Es war ein Hochzeitsfoto der beiden. Wieder ein Schnappschuß, wieder eine strahlende Laurie, die ihren Blick zu John gehoben hatte und aus deren Augen so viel Liebe sprach, daß Mika versucht war, daß Foto auf der Stelle zu zerreißen. Mika legte es auf das vom Abschlußball und nahm das Nächste zur Hand. Das Herz wollte ihr in der Brust zerspringen, als sie einen Blick darauf warf. Wieder war es ein Foto von beiden, doch auf diesem Foto hielt Laurie ein Baby im Arm und lächelte zärtlich John an, der sich über das Kind beugte und dessen Wange streichelte.

Celine, stand auf der Rückseite, Jessies Tochter, September 1999. Es hatte noch mehr drauf gestanden, aber der Zusatz war nur mit Bleistift geschrieben worden und durch die vergangene Zeit zur Unerkenntlichkeit verwischt.

Das vierte zeigte eine Laurie bei einem Tanzauftritt. Mika hatte zuerst Mühe die Frau als Laurie zu identifizieren, denn auf diesem Bild, hatte sie eine schwarze Perücke auf, aber das Lächeln auf ihrem Gesicht gehörte ganz einwandfrei Johns Ex Frau. Wieder eine kurze Nachricht auf der Rückseite. Für eine wunderbare Frau, mit einem außergewöhnlichen Talent. Ich liebe Dich, John.  Offensichtlich, wollte John ihr dieses Foto einmal gegeben haben. Mika fragte sich, was ihn davon abgehalten hatte.

Die restlichen Bilder sah Mika nur noch flüchtig durch. Sie wollte weder mit Laurie als lächelnde Person oder mit John zusammen, konfrontiert werden. Doch es gab noch eine Portraitaufnahme von Laurie, die Mika sofort in ihrer Tasche verschwinden ließ. Wer weiß, wofür sie die noch gebrauchen konnte.

In einem Umschlag fand sie eine Strähne von Lauries langem Haar, in einem kleinen Kästchen einen silbernen Ring. Mika vermutete, daß es sich um John Verlobungsring handelte, schnell schob sie ihn in der Schublade wieder an seinen Platz, sie hatte schon genug von den Bildern, sie mußte sich nicht auch noch seinen Verlobungsring anschauen. Sie fand eine Quittung von dem Juwelier, wo John die Eheringe gekauft hatte, geheftet an ein Gedicht. 

....da mi basia mille, diende centum, dein mille altera, dein secunda centum….

(Gib der Küsse mit tausend und hundert darauf, Hernach wieder tausend, und noch einmal hundert...)

Mika fragte sich, was dieses Gedicht an einer Quittung  zu suchen hatte, dachte aber nicht weiter darüber nach. Statt dessen warf sie einen Blick auf die Uhr auf dem Schreibtisch. Verdammt, sie saß bereits seit einer halben Stunde über den Inhalt dieser Schublade und war den Bildern, die sie suchte, noch keinen Schritt näher gekommen. Sie ordnete die Papiere wieder so wie sie sie vorgefunden hatte und verstaute sie in dem Geheimfach.

Dann verließ Mika das Zimmer, indem offenbar die Bilder nicht versteckt waren. Nachdenklich blieb sie im Flur stehen und betrachtete die einzelnen Zimmer von ihrem Standpunkt aus. Wenn sie Laurie wäre, wo würde sie die Bilder hintun? Mika ging ins Wohnzimmer, in der Hoffnung, daß sie dort wären. Systematisch durchgesucht, fand sich auch hier nicht das was sie suchte. Auch nicht im Schlafzimmer, Eßzimmer oder in der Küche. Das einzige was sie fand, waren die beiden Eheringe, die in einer Schale auf dem Küchenbuffet lagen. Für einen Augenblick hielt Mika die beiden Ringe in der Hand. Johns großen und Lauries kleinen. Mika lege Johns Ring wieder in die Schale, behielt aber den Ring von Laurie in der Hand. Sie zögerte, doch dann gab sie der Versuchung nach und versuchte ihn sich über den entsprechenden Finger zu streifen. Doch der Ring war viel zu klein für sie, gerade mal über das erste Glied bekam sie ihn, bevor er festsaß. Mika nahm ihn wieder von der Hand und legte ihn zu Johns in die Schale zurück.

Nein, dachte Mika im hier und jetzt, in dieser Wohnung war nichts zu finden gewesen. Sie war sich sicher, daß sie nichts übersehen hatte. Nur wo waren die Bilder dann?  Hatte Laurie sie vielleicht John gegeben? Doch Mika schüttelte bei diesem Gedanken den Kopf. Nein, dann wäre der Freitag und der Samstag bestimmt anders verlaufen. Sie wischte sich mit einer letzten Handbewegung über die inzwischen getrocknete Wange. Nun, fürs erste würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als Lauries Forderungen nachzugeben. Fürs erste. Sie brauchte nur etwas Zeit, etwas, was ihr momentan nicht zur Verfügung stand und dann würde sie schon eine Möglichkeit finden, John für sich allein zu behalten.

 

Ihr Blick fiel auf die schmale Golduhr an ihrem Handgelenk und erschrak, als sie die Uhrzeit auf ihr ablas. Wenn sie für John einen bleibenden Eindruck hinterlassen wollte, dann war es höchste Zeit sich fertig zu machen – viel Zeit blieb ihr nämlich nicht mehr. Eilig verließ sie die Küche und begab sich in das Badezimmer, daß nur eine Tür weiter lag. Die indirekte Beleuchtung verlieh auch diesem sonst ungemütlichen Raum mit seinen kalten weißen Fliesen einen warmen Schein, und konfrontierte Mika nicht jeden Morgen mit den müden Fältchen um ihre Augen. Dennoch war es hier hell genug, um ihr die Farben ihres Make ups in der richtigen Nuance zu zeigen. Etwas, womit sich Mika aber erst später beschäftigen würde. Vorerst begnügte sie sich damit das Wasser der Dusche schon einmal anzustellen und während sie dem beruhigenden, gleichmäßigen Rauschen lauschte, sich auszuziehen. Kleidungsstück für Kleidungsstück fiel zu einem unordentlichen Haufen zu ihren Füßen. Ihre Hose zu ihrem Shirt, ihr Slip zu ihrem BH. Die Uhr auf die Ablage über dem Waschbecken, zu den kleinen Töpfchen ihrer Cremes. Dabei fingen ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung an zu laufen.

Was würde sie tun, an ihrem letzten Abend mit John? Mika wußte es nicht.

Sie betrat die schmale Duschkabine und streckte wohlig ihr Gesicht und ihre Hände dem warmen Wasserstrahl entgegen. Bisher hatte sie sich zu diesem Thema noch keine Gedanken gemacht. Lieber hatte sie es ganz weit von sich fort geschoben und heimlich gehofft, daß sich doch noch ein Wunder ereignen würde. Aber es war keins eingetreten und nun hatte sie nur noch wenig Zeit sich für den heutigen Abend etwas auszudenken. Sie wollte den Abend gerne zu etwas besonderen machen, daß wußte Mika. Schließlich mußte sie von der Erinnerung daran eine Weile zehren. Doch so richtig wollte ihr nichts einfallen. Seit dem Gespräch mit Laurie fühlten sich ihre Gedanken an wie gelähmt. Jeder angefangene Satz hatte Schwierigkeiten zu Ende gedacht zu werden und jede Erinnerung die sie mit John bereits geteilt hatte, verschwand hinter einem Vorhang aus Wut gegenüber Laurie.

Blind tasteten Mikas Finger nach dem Shampoo auf der Ablage zu ihrer Seite, stießen aber nur auf die bauchige Form von der Plastikflasche ihrer Spülung und dem kleinen Töpfchen ihrer Haarmaske. Verwirrt nahm Mika das Gesicht aus dem Wasserstrahl und blinzelte zu der kleinen Ablage. Tatsächlich, ihre Shampooflasche stand dort nicht. Ihr Blick glitt suchend durch die Duschkabine, ohne allerdings die rosafarbene Flasche zu entdecken. Sie zog die Tür der Kabine beiseite und spähte zu dem Waschbecken, ob sie vielleicht dort stand. Alles Mögliche war dort zu finden, aber keine Shampooflasche.

Mit gerunzelter Stirn drehte sie das Wasser ab und griff nach ihrem Bademantel. Irgendwo mußte doch diese verflixte Flasche sein! Sie wußte genau, daß sie eine neue gekauft hatte, als die andere zur Neige gegangen war. Doch auch in der Küche, die einzige sinnvolle Möglichkeit, wo sie die Flasche nach dem Einkaufen noch abgestellt haben könnte, fand sich die Flasche nicht an. Dafür aber das Weinglas, welches sie sich vor einer halben Stunde eingegossen. Und in ihren Gedanken über John vollkommen vergessen hatte.

Ihre Schritte führten sie zu dem Glas auf der Arbeitsplatte. Eine Spur von Wasserpfützen zeichnete ihren Weg und sammelte sich dann unter ihren Füßen, als sie einen Schluck von dem inzwischen viel zu warmen Weißwein trank und dann mit dem Glas in der Hand überlegte. Es konnte doch nicht weg sein! Sie stellte das Glas wieder auf die graue Platte und durchsuchte – nun abgelenkt von ihren Gedanken um Laurie und John, durch ein ganz alltägliches Problem – den Rest der Wohnung. Selbst im Schlaf und Wohnzimmer, zwei Orte, wo sie sich so überhaupt nicht vorstellen konnte, daß dort die Flasche stand, untersuchte sie genauestens, doch das Shampoo blieb verschwunden. Eine zweite Spur von Pfützen durchzog nun den Flur, als Mika sich ein weiteres Mal in die Küche begab. Sie zog die gleichen Schubladen auf, wie schon zuvor und öffnete auch dieselben Schranktüren, aber die Flasche blieb verschwunden.

Entnervt ließ sich Mika mit dem Glas in der Hand auf dem Stuhl fallen und betrachtete ihre Küche noch mal aus einer anderen Perspektive. Na, das versprach ja ein toller Abend zu werden. Wo sollte sie denn noch, in der kurzen Zeit die ihr noch blieb, ein Shampoo herbekommen? Von ihrer Nachbarin, fiel ihr ein. Das schien eine ganz nette zu ein, aber Mika hatte bisher auf einen engeren Kontakt mit ihr verzichtet. Anonymität erschien ihr wichtiger, als Freunde im Haus zu haben. Etwas, was sie nun augenscheinlich ändern mußte, wenn sie heute Abend so gut aussehen wollte, wie sie es sich für ihren letzten gemeinsamen Abend mit John vorgenommen hatte.

Mit zusammengebissenen Zähnen stand sie wieder von ihrem Bistrotisch auf und ging zu dem Weißwein, um wenigstens ihm die richtige Temperatur zu verpassen. Ihre Wut auf Laurie ließ sie schon wieder kochen. Natürlich war die verdammte Frau an allem Schuld. Wäre sie hier nicht aufgetaucht, dann müßte Mika sich nicht von John trennen, würde sie jetzt nicht ihr Shampoo suchen. Sie nahm die Flasche von der Arbeitsfläche und begab sich mit ihr zu dem Kühlschrank. Doch als sie die Kühlschranktür öffnete, fiel ihr Blick sofort auf die rosafarbene Shampooflasche, die ordentlich neben ihren zwei weiteren Weinflaschen deponiert worden war. Mika starrte auf die Flasche. Wo war sie bloß mit ihren Gedanken gewesen, als sie ihre Einkäufe ausgeräumt hatte? Bei John? Oder bei Laurie?

Mit einem Aufseufzen gestand sich Mika ein, daß es wahrscheinlich beide gewesen waren.

Erleichtert griff sie nach der Flasche und kehrte mit ihr unter die Dusche zurück. Abermals prasselte das Wasser aus dem Duschkopf über ihr und wieder hielt Mika ihr Gesicht in den warmen Wasserstrahl, die Flasche mit dem Shampoo fest umklammernd.

So erging es ihr seit Donnerstag fast jedes Mal. Einfache Handlungen waren automatisch und verschwanden dann sofort aus ihrem Gedächtnis. Mika schüttelte über sich selbst den Kopf. So ging es wirklich nicht weiter, es wurde Zeit, daß sie sich etwas änderte.

Sie schüttete das Shampoo in ihre Hand und fing dann mit leichtem Druck an, die zähe Konsistenz in ihr nasses Haar einzumassieren.

Wenn sie nur an Donnerstagabend dachte, den Abend, den sie Laurie bis zu ihrer Wohnung verfolgt hatte. Wie sicher war sie gewesen, daß der Mann, der bei Laurie gestanden hatte John war! Mika schnaufte vor ihrer eigenen Blindheit abfällig vor sich hin.

Natürlich war er es nicht gewesen! Sie selbst hatte doch dabei gestanden, als er sich für den Abend mit Andy zu einem Bier verabredet hatte. Aber sie war den Abend so blind vor Wut gewesen, daß sie einfach die Stimme der Vernunft ausgeschaltet hatte. Und die hatte sich erst wieder eingestellt, als John ihr lächelnd und völlig ahnungslos erzählt hatte, wie Andy am Donnerstagabend in der Bar es geschafft hatte, sich sein Bier über die Hose zu schütten. Da war es ihr wieder eingefallen. Und dann war ihr auch eingefallen, daß der Mann bei Laurie viel kleiner als John gewesen war – nur einen halben Kopf größer als Laurie.

Mika spülte den Schaum des Shampoos aus ihren Haaren und machte sich dann daran die Creme ihrer Haarmaske darauf zu verteilen. Es wurde wirklich Zeit, daß das Kapitel Laurie ein Ende nahm. Sie hatte es satt, ihre Sachen im Kühlschrank wiederzufinden und sie hatte es satt, daß sie die einfachsten Dinge vergaß oder verdrehte. Doch als aller erstes wurde es erst einmal Zeit, daß sie aufhörte an Laurie zu denken. Zumindestens für heute Abend wollte sie nur noch an John denken.

Aber kein zärtliches Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, wie es sich sonst in letzter Zeit eingestellt hatte, wenn sie an ihn dachte. Dafür war der Frust auf gestern Abend noch zu groß. Mika war davon ausgegangen, daß sie das Wochenende gemeinsam verbrachten, immerhin war es doch ihr vorerst letztes gemeinsames, auch wenn John es nicht wußte. Aber John hatte andere Pläne für den Abend gehabt. Er wollte mit Mrs. McKenzie in ein klassisches Konzert gehen. Wieder etwas was Mika vergessen hatte, denn diese Verabredung stand schon seit vielen Wochen. Dennoch hatte sie versucht ihn zu überreden die Verabredung abzusagen. Abscheu über sich selbst, kam in Mika hoch, als sie daran dachte, wie sie John regelrecht angebettelt hatte, bei ihr zu bleiben. John hingegen, hatte zwar, überrascht von ihrem Verhalten, die Augenbrauen hochgezogen, aber sie ansonsten nur in den Arm genommen und sie an sich gedrückt.

Sie hätten doch schon den gestrigen Abend miteinander verbracht und der Sonntag war doch auch schon für sie reserviert, hatte er ihr ins Ohr geflüstert. Mrs. McKenzie hatte doch niemanden und freute sich schon so lange auf den Besuch des Konzertes, hatte er ihre Bitte ausgeschlagen, Mrs. McKenzie abzusagen. Sie hätten doch noch alle Zeit der Welt. Sein Atem war bei seinen letzten Worten nur noch ein Hauch an ihrem Ohr gewesen, bevor er es sanft küßte, seine Wange an der ihren rieb und dann ihren Mund mit sanften Küssen verwöhnte.

Mika wäre bei diesen Worten fast in Tränen ausgebrochen. Sie hatten eben nicht mehr alle Zeit der Welt. Doch wenn sie es ihm schon diesen Abend gesagt hätte, dann wäre der Sonntag kein schöner mehr geworden. Deswegen hob sie sich diesen Satz für die letzten Minuten auf.

Mika nutzte die Zeit, die sie warten mußte, bis die Haarmaske ihre Wirkung entfaltete, sich zu rasieren. Mit leichtem Druck führte sie die Klinge über ihre Bein entlang, solange und sooft, bis sie sicher war, auch das letzte Haar erwischt zu haben. Erst dann wiederholte sie die Prozedur an dem anderen Bein und verscheuchte dabei die unschöne Erinnerung an den gestrigen Abend, den sie dann einsam vor dem Fernseher verbracht hatte. Sie vor dem Fernseher! Normalerweise hatte sie für diese technische Erfindung nicht mehr als ein Schulterzucken übrig, aber für diesen Abend war es ihr nur allzu verlockend vorgekommen. Sinnlos auf den Fernseher starren und sich dabei die Tränen vom Gesicht wischen, die immer wieder einen Grund fanden sich aus ihren Augen zu befreien.

Am liebsten würde sie den Abend mit John zusammen im Bett verbringen, überlegte sie ihren neuen Gedanken, den sie schon vor einer halben Stunde angefangen hatte zu denken. Dicht aneinandergekuschelt, nur mit den schönsten Dingen im Leben versüßt. Vielleicht konnte sie John ja dazu überreden, hing Mika ihren Gedanken nach. Immerhin waren sie ja schon Freitagabend aus und gestern war er ja mit dieser Oma im Konzert gewesen. Ihre Chancen auf solch einen Abend, wie sie ihn sich wünschte, waren also gar nicht mal so schlecht. Ein Lächeln legte sich bei der Vorstellung nun doch endlich über ihr Gesicht und vertrieb auch die letzten trüben Gedanken. Nur einfach faul daliegen, Essen bestellen und sich gegenseitig verwöhnen. Das war ihre Vorstellung von einem perfekten Abend.

Beschwingt von dieser Vorstellung, beendete Mika ihre Zeit unter der Dusche. Leise vor sich hinsummend, verließ sie das Badezimmer in Richtung Küche, zu ihrem Weinglas. Was brauchte sie noch für einen solchen Abend? Kerzen vielleicht, aber nicht so viele. Gerade Mal genug, um das Zimmer ein wenig auszuleuchten. Einen verführerischen Duft und ein gelungenes Abendessen. Mika zog die Schublade neben dem Kühlschrank auf und holte die verschiedenen Bestellkarten raus. Chinesisch? Italienisch? Oder doch lieber was kräftiges? Mika konnte sich nicht entscheiden und nahm jeder der Karten in die Hand. Doch auch ein genaues studieren der einzelnen Speisen, brachte sie in ihrer Entscheidung kein Stück weiter. Sie legte die Karten offen auf die Arbeitsfläche ab. Sie würde mit ihrer Entscheidung auf John warten - worauf er Appetit hatte. Sie ging ins Wohnzimmer zu ihrer Anlage und fing schon mal an, die passende Cd für den Abend herauszusuchen. Musik war ungeheuert wichtig, wenn es Romantik pur geben sollte. Nach langem Stöbern in ihrem Cd Bestand, fand sie genau die Musik, die sie benötigte, um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Ihre Finger öffneten die Hülle und legten die Cd mit dem schwarzen Label in das vorgesehene Fach ihres Cd Player. Die leise Stimme von Frank Sinatra erklang und erfüllte den Raum mit dem uralten Flair der 50er und 60er Jahre. Genau das richtige für solch einen Abend. Nicht zu romantisch, aber eine gute Untermalung für das, was Mika sich bereits anfing auszumalen.

Leise sang sie die mit dem Mann mit, während sie sich auf den Weg ins Schlafzimmer zu ihrem Kleiderschrank machte. Jetzt kam der nächste Schritt in ihrem Plan, der immer mehr Form annahm – die richtige Kleidung.

Nachdenklich stand Mika vor ihrem Schrank und begutachtete ihre Sachen. Vielleicht etwas mit vielen Knöpfen, überlegte sie, während ihre Finger schon zielstrebig die passende blaue Bluse gefunden hatten und nun leicht über den seidigen Stoff strichen. Sie liebte es, wenn John ganz langsam jeden dieser einzelnen Knöpfe öffnete und den Weg seiner Finger mit dem Mund verfolgte. Mika zog die Bluse ihrer Wahl aus dem Schrank und warf sie hinter sich auf die gelbe Decke ihres Bettes. Und um es ihm nicht ganz so einfach zu machen, eine Hose. Eine beige wanderte neben ihre Bluse auf das Bett. Abschätzend drehte sich Mika zu ihrer Kleidungsauswahl auf dem Bett, um sie noch einmal zu begutachten. Eine steile Falte erschien auf ihrer Stirn, als sie die beiden Kleidungsstücke da so liegen sah, denn wenn sie eine Beige Hose trug, dann brauchte sie auch helle Unterwäsche. Und das war etwas was sie nicht allzu gerne trug. Weiß wirkte in ihren Augen immer so unschuldig. Sie vertauschte die beige Hose auf ihrem Bett mit einer schwarzen.

Die Cd sprang zum nächsten Lied weiter und die traurige Stimme von Mr. Sinatra verkündete nun wie schön die Zeit doch gewesen war, als er noch jung war. Leise sang Mika die Worte mit, die sie in und auswendig kannte. Es war eins ihrer Lieblingslieder von ihm. So herrlich melancholisch am Anfang und zum Ende dann wieder mit dem untrüglichen Charme, den nur dieser Mann so wunderbar zum Ausdruck bringen konnte. Sie zog ihre heißgeliebte rote Unterwäsche aus dem Schrank und begann sich in seiner Begleitung anzuziehen. Der BH folgte dem Slip, die Bluse der Hose.

Ein Blick auf ihren Wecker, zeigte ihr, daß ihr nur etwas weniger als eine Stunde blieb bis John kommen würde. Das war nicht viel, wenn sie bedachte, daß sie sich noch schminken und ihre Haare dazu bringen mußte zu trocknen. Selbst mit dem Fön, brauchte sie bei dieser Länge ewig.

Schnell verging die letzte Stunde, angefüllt mit den letzten Vorbereitungen für den Abend, ihren Haaren und ihrem Make up. Doch sie schaffte es.

Pünktlich um sieben stand sie fix und fertig mit dem Weinglas an den Lippen in ihrer Küche und wartete auf Johns Erscheinen. Jede Minute würde er hier sein, freute sie sich, denn John verspätete sich nur selten. Ein Lächeln der Vorfreude glitt über Mikas Gesicht. Und dann würden sie den Abend nach ihren Wünschen verbringen.

Wie als ob John ihre Gedanken gehört hatte, klingelte es an der Tür. „Ich komme!“ Mika stellte das Weinglas auf den kleinen Bistrotisch und machte sich auf dem Weg zur Tür. Ein letzter zufriedener Blick in den Spiegel, ein Strähne ihres schwarzen Haars über die Schulter ziehen und dann öffnete sie freudestrahlend die Tür. Für einen flüchtigen Augenblick, dachte sie an das letzte Mal, wo sie so voller Vorfreude auf Johns Erscheinen die Tür geöffnet hatte und dann Laurie sehen mußte. Doch sie schob den unschönen Gedanken sofort beiseite, denn es war diesmal wirklich John der auf der anderen Seite stand und sie mit einem Lächeln betrachtete. Förmlich gekleidet in seinen dunkelblauen Anzug, mit einem weißen Hemd. Nur die Krawatte fehlte, die er üblicherweise zu dem Anzug trug, statt dessen waren die ersten zwei Knöpfe seines Hemdes geöffnet. „Hi.“ John lächelte Mika an, die wie erstarrt da stand und ganz plötzlich das Gefühl hatte, wieder etwas vergessen zu haben. Er trat auf sie zu, umarmte und küßte sie. Schließlich schob er sie ein Stück von sich fort und betrachtete sie von oben bis unten. Das Lächeln in seinem Gesicht vertiefte sich. „Du siehst wunderschön aus.“ „Danke“, erwiderte Mika und wartete auf den Satz, der bei seiner Aufmachung unweigerlich folgen mußte. „Bist du fertig? Jimmy und die anderen warten bestimmt schon auf uns.“

Mika biß sich auf die Lippen. Das war es also was sie vergessen hatte, das Abendessen bei Johns Freund Jimmy.

„Ja, ich brauche nur noch meinen Mantel.“ Mika drehte John den Rücken zu und nahm ihren Mantel von der Garderobe. Ein trauriges Lächeln umspielte dabei ihre Lippen. Es würde wohl doch nicht so ein Abend werden, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Doch als sie John vor sich aus der Wohnung schob, lächelte sie für ihn wieder. Leise schloß sie hinter sich und Frank Sinatra die Tür. Wie gut, daß sie die Kerzen noch nicht angezündet hatte.

Re: Another year has gone by

Es wurde wirklich nicht der Abend, den Mika sich gewünscht hatte. Aber er wurde auch nicht ganz so übel, wie sie im ersten Augenblick angenommen hatte.

Außer John und ihr, waren noch zwei weitere Pärchen eingeladen worden, sowie wie zwei Freundinnen von Robyn, Jimmys langjährige Freundin. Jimmy sah kränklich aus, befand Mika, als sie dem Mann die Hand schüttelte und ihn mit freundlichen Worten begrüßte. Sein Gesicht wirkte ausgemergelt und blaß und machte es ihr unmöglich sein Alter zu schätzen. Vielleicht war er fünfzig, möglicherweise auch älter. Mika wußte es nicht zu sagen. Sie lächelte höflich und fühlte sich ein wenig deplaziert, als sie hinter John zurücktrat, um ihm die Gelegenheit zu geben, seinen langjährigen Freund zu begrüßen. Robyn lächelte sie an und reichte ihr die Hand. Höfliche, kurze Worte wechselten den Besitzer und endeten dann so plötzlich wie sie begonnen hatte. Nicht unhöflich, aber auch nicht wissend, was noch gesagt werden konnte. Verlegen stand Mika neben John, der ihr Unwohlsein zu spüren schien und hinter seinem Rücken nach ihrer Hand griff. „Gib ihnen ein wenig Zeit“, flüsterte er, während sie in einigem Abstand Robyn und Jimmy ins Wohnzimmer zu den anderen Gästen folgten. „Du wirst sehen, in spätestens zehn Minuten kennen sie dich besser und dann wird es leichter werden.“ Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu. „Ist Jimmy krank?“, flüsterte Mika zurück und sah wie John traurig lächelte. „Ja, sehr krank. Ich erzähle es dir später, in Ordnung?“ Er drückte noch einmal Mikas Hand, ließ sie dann aber los, um sie an Robyn Freundinnen weiter zu reichen.

Mika blieb dicht hinter ihm und schüttelte ebenfalls die dargebotenen Hände. Cheryl und Idy, stellten sich die beiden vor. Die eine schmal, zierlich und blond, die andere Brünette und ein wenig korpulenter. Wieder ein unangenehmes Schweigen, das John aber gar nicht zu bemerken schien, sondern mit oberflächlichen Bemerkungen über das Wetter ausfüllte, während er Mika mit sanftem Druck in ihrem Rücken zu einem der Sofas führte. Belanglosigkeiten wurden ausgetauscht und die ersten Späße huschten zwischen den Gästen hin und her. Und nach den von John versprochenen zehn Minuten, nahmen sie auch Mika in ihre Mitte auf. Fragten sie neugierig, über ihre Sicht der angesprochenen Themen und wurden nach weiteren zehn Minuten noch ein wenig privater, als sie Mika fragten, wie sie ihren Lebensunterhalt verdiente. „Sie ist in der Modebranche tätig“, antworte John für sie und drückte liebevoll ihre Hand. „Sie reist viel und schaut in anderen Ländern was sie dort tragen, wohin sich der Modemarkt entwickeln wird.“ Er lächelte Mika von der Seite her an. „Eine Trendsetterin“, fügte diese zu Johns Erklärung hinzu. Einen Beruf, der ihr kurzfristig eingefallen war und ihr die Möglichkeit gab, John schnell wieder zu verlassen, wenn das Pflaster ihr hier zu heiß wurde. „Oh, wie interessant“, kam es von Idy und Mika mußte zugeben, daß es dieser Frau zu einem klarem Vorteil verholfen hätte, wenn sie nur mal einen Blick in eine Modezeitschrift geworfen hätte. Die Kleidung die sie trug, hätte Mika für sich selbst als ...altmodisch eingestuft. Und dafür mußte sie nicht mal jemand sein, der etwas von Mode verstand. Aber sie lächelte nur höflich und antwortete: „Ja, nicht wahr.“ Aber zum Glück von Idy und Mika wurde dieses Thema von einem Dienstmädchen unterbrochen, das verkündete, daß das Abendessen nun angerichtet sei.

Die Anwesenden erhoben sich von ihren Plätzen und folgten dann gemächlich Jimmy und Robyn, die diese kleine Gruppe in den Speisesaal führte. Und Saal war der richtige Ausdruck, dachte Mika als sie den großen Raum betrat. Eine riesige rechteckige Tafel beherrschte den Raum mit seinen imposanten Ausmaßen und war doch nur für sechs Personen gedeckt. Das eine Ende, das welches Mika von der Tür aus am nächsten war, war dekoriert mit einem wunderschönen Blumenstrauß, dem Weinkübel und sonstigen Kleinigkeiten, die diesem Tisch ein geschmackvolles Aussehen gaben. Nacheinander nahmen sie an dem Tisch Platz. Jimmy am Kopfende, Robyn rechts von ihm. Daneben saß Idy und ihr gegenüber saß John, auf dessen linken Seite Mika plaziert war und mit Cheryl, neben Jimmy seine Gesamtheit erreicht hatte.

Mit der Vorspeise zusammen verstummten auch die meisten Gespräche bei Tisch, konzentriert genossen sie die leichte Broccolisuppe mit den kleinen Röschen in ihr. Eine angenehme Stimmung, wie Mika empfand. Angenehm vor allem deswegen, weil sie vorerst nicht gezwungen war zu reden, sondern ihren Blick immer mal wieder einschätzend über die Gäste schweifen lassen konnte. Robyn und Jimmy waren ihr sehr sympathisch. Obwohl sie sich bemühten ihre Gäste immer wieder zu einem lockeren Tischgespräch zu überreden, bleiben ihre Blick doch immer wieder aneinander hängen. Mika lächelte als sie die beiden so sah. Aber sie konnte ehrlicherweise nicht ganz verstehen, warum Robyn sich mit einem Mann abgab, der doch um so viele Jahre älter war als sie selbst. Sie war jung und ausgesprochen hübsch und er war...alt. Und krank. Mika senkte den Blick wieder auf ihren Teller und tauchte den silbernen Löffel in das cremige grün. Das war echtes Silber, dachte sie so nebenbei, war mit ihren Gedanken aber eigentlich noch immer bei Jimmy und Robyn. Warum bleib eine so schöne Frau bei so einem alten Mann? Sie konnte doch bestimmt jeden haben, den sie nur wollte. Aber sie wollte keinen anderen. Mika sah wieder verstohlen zu dem ungleichen Pärchen am Ende des Tisches. Verliebt sah sie ihn von der Seite her an.

Es war bestimmt das Geld, das sie bei ihm hielt und ihren Blick so liebevoll für ihn machte. Bei ihr, Mika, wäre es auf jeden Fall ein Grund gewesen, um den alten, kranken Mann neben sich auszuhalten. Ihr Blick blieb an der brünetten Frau John gegenüber haften. Idy. Mika kniff ihre auf den Teller gesenkten Augen ein Stück zusammen. Diese Frau mochte sie gar nicht leiden. Viel zu offensichtlich schmachtete sie John an. Und auch wenn John auf die Flirtversuche von der Frau gar nicht einging, so konnte sich Mika doch nicht über einen Stachel der Eifersicht in sich beschweren. Idy war ein Wehrmutstropfen in diesem wieder Erwarten schönen Abend und weckte - zusammen mit dem Wunsch mit John allein zu sein -  in ihr das dringende Verlangen der kleinen Gesellschaft so schnell wie möglich den Rücken zu kehren.  Cheryl war ok, beschloß Mika. Die Frau war ihr nicht gefährlich, zwar blond und zierlich, aber nichtsagend und langweilig. Sie strich sich das lange schwarze Haar über die Schulter zurück und bedachte John dabei mit einem liebevollen Lächeln.

Und urplötzlich war da wieder die Traurigkeit in Mika. So heftig und so unerwartet, daß sie den Blick auf ihren Tellern senken mußte - der nun Geflügel als Hauptspeise versprach - um das verräterische feuchte Schimmern ihrer Augen zu verbergen. Wie hatte es dieser rothaarige Mann zu ihrer Seite nur geschafft, daß sie sich so von ihrem Denken her so verändert hatte? Auf jeden Fall war es nicht schnell und aufdringlich passiert, sondern heimlich und heimtückisch.

Sie warf einen Blick zu Johns Teller und sah seine Hände, die mit dem Besteck in der Hand, über dem Teller zu schweben schienen. Große, sanfte Hände, die aber durchaus auch hart zupacken konnten. Genauso wie der Mann zu dem sie gehörten, nicht immer sanft war, sondern mit seinem scharfen Verstand auch durchaus die Dinge beim Namen nennen konnte. 

Mika schaute wieder auf ihre eigenen Hände, die im Gegensatz zu den seinen klein und schmal wirkten. Die Hände einer Frau eben, deren Verstand aber genauso glasklar funktionierte wie der seine. Ansonsten hätte sie es niemals geschafft einen Cop in die Irre zu führen. Aber zu welchem Preis? War es das Gefühl jemanden neben sich zu haben der ihr ebenbürtig war? Oder war es seine sanfte, höfliche Art? Oder war es die Kombination aus beiden, die ihr Herz erobert hatte? Still seufzte Mika in sich hinein. Nun, was immer es auch war, Fakt war auf jeden Fall, das ihm ihr Herz gehörte. Und wenn sie auch nicht sagen konnte, was es gewesen war, so wußte Mika aber genau, wann es passiert war.

An dem Abend, wo sie ihm von ihrer letzten Beziehung erzählt hatte, die nie statt gefunden hatte. Alles war perfekt gelaufen. Ihre Stimme war an den richtigen Stellen leiser geworden, sie hatte an den richtigen Stellen eine wirkungsvolle Pause gemacht und sogar die Tränen - das wichtigste überhaupt - bei dieser kleinen Vorstellung, waren gekommen.

Und dann hatte er sie in den Arm genommen und sie getröstet, wo es eigentlich nichts zu trösten gab. Und irgendwie doch gab. Denn der Anfang der Tränen, waren die der Berechnung, die anderen die darauf folgten und sich so nahtlos mit den ersten mischten, die waren echt gewesen. Mika hatte damals und auch jetzt noch nicht, sagen können was für Tränen es waren, die sich da so plötzlich aus ihr heraus brachen. Sie wußte nur, daß sie sich in diesem Augenblick so unglaublich sicher gefühlt hatte, so beschützt, so geliebt.....

Das war wohl der vermutliche Augenblick, in dem sich ihr Herz geöffnet hatte. Und das war der Augenblick - und das wußte Mika genau - wo sie Laurie, die zum Anfang nur ein lästiges Anhängsel aus der Vergangenheit und ihren Berechnungen war, zu einer Frau wurde, die sie haßte.

Damals, noch vor ein paar Wochen hatte Mika gedacht, daß sie sie haßte. Aber jetzt, seit Donnerstag, wußte sie erst wirklich was dieses Wort bedeutete.

Mika schaute wieder zu Johns Händen, die gerade damit beschäftigt waren, das Besteck auf dem Teller niederzulegen.

Nein, sie würde diesen besonderen Mann nicht aufgeben.

Sie sah, wie seine Hand, welche noch vor wenigen Augenblicken die Gabel gehalten hatte, nach der ihren griff, die locker neben ihren Teller lag. Mika schaute von der Hand des Besitzers hoch in dessen Augen. Blaue Augen, die die ihren so liebevoll anschauten.

Und wie dachte John über sie?, dachte sie bei dem Blick in seine Augen.

Zärtliche Aufmerksamkeit, liebevolles Anschauen und vertraute Zweisamkeit konnten für jede Frau erübrigt werden, die sich nur lang genug in seiner Nähe aufhielt. Der Wunsch nicht allein zu sein und jemanden zu haben, reichte oftmals aus um eine Beziehung am Laufen zu erhalten. Dann zeigte erst die Zeit, auf wie sicheren Beinen diese vertraute Zweisamkeit stand. Es war jetzt Mitte März und kennengelernt hatte sie sich in der letzten Novemberwoche. Das hieß sie hatten bereits über vier Monate miteinander geteilt. Vier Monate, in den sie sich verändert hatte, in denen aber niemals ein `ich liebe dich` über seine Lippen gekommen war.

Liebte er sie? Mika würde nicht noch einmal den Fehler machen und ihn fragen. Sie würde doch nur das zu hören bekommen, was er glaubte, daß sie hören wollte.

Seine Hand half ihr vom Tisch hoch und seine Augen blieben an ihren Lippen hängen, als die ganze Gesellschaft zum Abschluß des Abends wieder ins Wohnzimmer zurück ging. Aber Mika wußte, daß John sie hier nicht küssen würde. Weil es sich nicht gehörte und weil sie es nicht mochte. Er begnügte sich damit ihre Hand behutsam zu drücken und ein: „Es dauert nicht mehr lange“, in ihr Ohr zu flüstern. Wohlige Schauer durchrieselten Mika, bei seinem warmen Atem an ihrem Ohr, versprachen ihr in einer Sprache, die niemand sonst verstehen konnte, mehr.

Im Wohnzimmer, in den Kissen der Sofas war die Stimmung fröhlich und Lachen erklang noch bevor John und sie den Raum betreten hatten. Doch jetzt konnte es Mika nicht mehr aus ihrer Melancholie herausreißen. Sie wollte fort. Sie wollte nach Hause mit John. In seinen Armen liegen und seinen warmen Atem, den sie gerade noch an ihrem Ohr gespürt hatte, auf ihrem ganzen Körper fühlen. Dennoch ließ sie sich pflichtschuldig neben John auf eins der drei Sofas sinken und versuchte so gut es ging sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Aber es ging nicht mehr besonders gut. Immer wieder wanderten ihre Gedanken den Stunden vorweg und bereiteten sich auf das letzte große Gespräch mit ihm vor, von dem sie doch nicht sagen konnte, was sie ihm überhaupt erzählen sollte.

Wie John es vorher gesehen hatte, zog sich der Abend bei Jimmy nicht mehr sehr in die Länge. Schon nach einer weiteren Stunde war Schluß und die ersten Gäste verabschiedeten sich. Cheryl war die erste, die sich mit der Ausrede entschuldigte, daß sie morgen sehr früh raus mußte und doch meinte, daß Jimmy schon sehr erschöpft aussah. Und John und Mika nahmen ihren Aufbruch zum Anlaß, ebenfalls zu gehen. Die Verabschiedung war nun wesentlich herzlicher, als die Begrüßung. So herzlich, daß Mika Idy am liebsten die Augen ausgekratzt hätte. Ihre großen rehbraunen Augen flirteten John so ungeniert an, als ob Mika nicht direkt neben ihnen stehen würde. Doch John gab Mika keinen Grund zur Eifersucht, er half ihr in den Mantel und strich dabei so zärtlich über ihre Schultern, daß es sogar dieser blinden Kuh klar machen mußte, daß er kein Interesse an ihr hatte. Sein verschmitztes Zwinkern zu ihr, machte es Mika selbst auf jeden Fall deutlich.

Und auch die ineinander verschlungenen Hände von ihnen beiden, auf dem Weg zum Auto und sein zärtliches Streicheln ihrer Hand auf den Straßen zu Mikas Wohnung, ließen keinen Zweifel in ihr aufkommen, daß er nur Augen für sie hatte. Jedenfalls solange Laurie nicht in ihrer Nähe war, stöhnte Mika mit einem Blick aus dem Fenster zu ihrer Seite, dann nämlich sah die Realität schon ganz anders aus, wie sie noch von ihrem Restaurantbesuch wußte, wo sie Danny und Laurie über den Weg gelaufen waren. Mika versuchte ihre depressiven Gedanken zu unterdrücken und sich nur noch auf die vor ihr liegenden Stunden mit John zu freuen. Doch als sie zurück in ihrer Wohnung waren, war von der Freude nicht mehr viel übrig. Die zurück gebliebene Bedrückung schlug beim Anblick der vorbereiteten Kerzen unvermittelt wieder auf ihr Gemüt ein.

Jetzt war es also bald soweit. Nicht mehr lange, und sie würde John erzählen müssen, daß sie sich nicht wiedersehen würden. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie diese Worte über die Lippen bringen sollte. Vor allen Dingen deswegen nicht, weil es nichts war, was sie freiwillig aussprechen wollte.

John schien ihre Bedrückung nicht zu bemerken. Er sah nur die Kerzen und den Wein im Schlafzimmer und nur dadurch wurde ihm klar, daß Mika für den Abend etwas anderes geplant hatte. Keine Worte kamen ihm über die Lippen, nur ein Kuß für sie und ihre Idee. Kein Seufzen, daß er den Abend auch lieber hier verbracht hätte, sondern nur das Aufknöpfen ihrer Bluse, daß genauso statt fand, wie Mika es sich vor Stunden ausgemalt hatte.

Und irgendwie, und ohne gesprochene Worte, wurde der Abend doch noch so, wie Mika es sich gewünscht hatte.

Und er endete genau mit diesem Satz, den Mika sich schon gestern Abend, als sie allein im Bett lag, zurrecht gelegt hatte. „John, es gibt da was, was ich dir erzählen muß.....“




Re: Another year has gone by

So, ich bin heute mal von der ganz schnellen Truppe.

Also zuallererst muß ich Dir mal sagen, dass Du uns gar nicht langweilen kannst mit Deiner Story und ich denke auch nicht wir sind überfordert, wenn wir mal ein bisschen mehr zu lesen bekommen - ganz im Gegenteil - für mich gilt jedenfalls - je mehr desto besser. :-)

Aber ich weiß natürlich wieviel Arbeit Du mit der Geschichte hast und wieviel Mühe Du Dir gibst, deswegen bin ich auch mit einem kürzeren Kapitel zufrieden - solange du schööön regelmäßig postest.

Nun zu diesem Kapitel kann ich nur sagen, irgendwie tut sie mir schon leid, obwohl ich sie ja nach wie vor und von Anfang an für ein durchtriebenes Aas gehalten habe und immer noch halte und meine Meinung durch ihr Eindringen in die Privatsphäre von Laurie wieder mal bestätigt bekommen habe. Aber ich kann auch ihre Gefühle nachvollziehen und ehrlich gesagt wundere ich mich ein bisschen, dass sie so kampflos das Feld räumen will, ich hätte da noch wesentlich mehr erwartet. Aber vielleicht kommts ja noch!!!

Jedenfalls bin ich nach wie vor gespannt und freue mich natürlich schon auf das nächste Kapitel.

LG Eve

Re: Another year has gone by

Wer sagt denn, daß sie kampflos aufgibt? 


Re: Another year has gone by

chyio, wir beide kommen uns wohl heute etwas in die quere. Kaum hatte ich meinen Kommi abgegeben, hattest Du schon das nächste Kapitel on. - Nun doch 2 Kapitel für die "lieben Leser". *freu*

Deswegen nun noch mal ein kleiner Kommi zum letzten, in der Hoffnung, dass dies für heute von Dir alles war. *gg*

Eigentlich wundere ich mich schon wieder warum Mika nicht einfach geht und John einen Brief hinterläßt, wenn sie denn noch irgendein Mitteilungsbedürfnis hat. Ich bin echt gespannt, was eigenltich sie ihm erzählen will, ob es eine faustdicke Lüge ist? Ich kann mir nicht denken, dass sie ihm die Wahrheit sagt....
Auf jeden Fall spricht es für sie, wenn sie es auf diese Art tut, obwohl ich, wie gesagt skeptisch bin und sie sich wahrscheinlich im letzten Moment, irgendwie aus der Situation windet.

Jedenfalls läßt Du mich nun sehr ratlos und wahnsinnig neugierig auf das neue Kapitel zurück. *dasitzundandenfingernägelkau*

LG Eve

Re: Another year has gone by

Oops, da war ich doch ein wenig schnell. Aber nein, Eve, es ist wirklich nur ein Kapitel. Nur leider war dieses Schreibprogramm nicht bereit mehr als zehn Seiten von mir anzunehen. Also habe ich es getrennt.

Meinst Du wirklich, daß Mika, die ja doch ein kleine bis mittelgroßes Aas ist, Laurie das so einfach durch gehen läßt? Nun, ich glaube nicht.
.....und außerdem bin ich auf den Gedanken mit dem Brief überhaupt nicht gekommen.



Re: Another year has gone by

Na gut, ich wünsche mir natürlich so einen richtig fiesen Kampf, wo Mika alle Register zieht und John endlich mal schnallt, was er sich da eigentlich an Land gezogen hat.

Aber nach den letzten 2 Kapiteln sah das irgendwie nicht danach aus....

Aber ich laß mich natürlich gerne überraschen....

Re: Another year has gone by

Sie ist eine linke Bazille, Eve. Ihre Stärke liegt mehr in dem Hinterhalt.

Und ganz ehrlich? John weiß bis heute noch nicht, was da über ihn herein gebrochen ist.