Re: Inspirationshilfe
Achterbahn
"Fix, Schwyz!" quäkt Jürgen blöd vom Paß.
Achterbahn
"Fix, Schwyz!" quäkt Jürgen blöd vom Paß.
Sie lehnte sich aus dem Fenster und ließ ihre Haare im Wind flattern. Mit der einen Hand hielt sie sich an der heruntergefahrenen Scheibenkante fest, die andere lag ruhig und sicher in der trockenen Hand ihres Sitznachbarn. Sie öffnete ihren Mund und sog die sonnengewärmte Zugluft tief in ihre Lunge ein. Die Sonne glitzerte am Horizont, noch vibrierte die Hitze als Luftspiegelung über der heissen Erde.
Bald schon würde sich die Dunkelheit über das Land legen, schwer wie eine Decke und dann würden sie in den Schlafwaggon gehen, gemeinsam, sie und der Besitzer dieser trockenen Hand, die die Ihrige unbeirrt festhielt. Der Zug würde sie rütteln und schütteln und sie würden sich nebeneinander, vielleicht aufeinanderlegen. Nach einiger Zeit würde sie beide das Gefühl bekommen, der Zug führe schneller und schneller und läge sich schräg in die Kurven, mal rechts, mal links, wie eine Achterbahn. Irgendwann würden sie dann einschlafen, gemeinsam, und dann am nächsten Morgen hielte der Zug und sie könnten aussteigen, weil sie ihr Ziel erreicht hätten.
Stuhlprobe
Etwas derangiert saß er da bei dieser Untersuchung des Gesundheitsamtes. Eigentlich ging es doch nur darum, zu belegen, dass er keine Gefahr für die hiesige Bevölkerung ist.
Okay, dachte er, sie wissen hier nicht viel über den Ort, von dem ich komme, aber ob ihnen mein Schiss da weiterhilft?
Es war egal. Wenn er diese dämliche Genehmigung habe wollte, dann musste er sich jetzt zwingen, eine Darmendausscheidung zustande zu bringen.
Was für ein Wort überhaupt: "Stuhlprobe". Ein Gegenstand, auf dem man sitzt. Und wer würde auf einem solchen Stuhl sitzen wollen und sei es nur zur Probe.
Na ja..., dachte er, wenn Kot in diesem Land der Maßstab ist, dann wundert mich das nicht. Alles ist hier viel sauberer als bei uns. Da scheinen wohl Exkremente eine Art von Orakel zu sein, da sie im Alltag nicht unbedingt thematisiert werden.
Also schiss er eben in das Behältnis. Geb seine Stuhlprobe ab, obwohl er überhaupt nicht in Betracht zog, etwas Vergleichbares in seinem kongolesichen Schnellimbiss auf die Karte zu setzen.
Merkwürdig, diese Deutschen, sinnierte er, aber sie werden sicher wissen, was sie da tun. Wenn sie Stuhlproben brauchen, bitte sehr. Ich werde mal bei Freud nachlesen, was ich davon zu halten habe.
Hihihi, Ein Wort, Gooetz?
"Fix, Schwyz!" quäkt Jürgen blöd vom Paß.
Hahahaha, ich bin jetzt erst zum Lesen eurer Kurztexte gekommen!
Wie lustig die sind!
Gebt mir ein Wort, ich möchte mitspielen, ja?
Ich geb' dir ein Wort: Dudelsack
"Fix, Schwyz!" quäkt Jürgen blöd vom Paß.
"Du, du....Du Dudelsack!" schrie sie ihm hinterher, bevor sie laut und vernehmlich die Tür ins Schloss knallte, dass es im ganzen Haus nur so rummste. Er tat das alles absichtlich! Nun war sie sich sicher und die Wut erstickte ihre Atemzufuhr, schnürte ihren Hals ab und zerfrass ihre Eingeweide. Nicht einmal, nicht zweimal, nein viele, viele male hatte er ihre Anweisungen mißachtet und den akribisch geschriebenen Zettel ignoriert, den sie ihm so ausdrücklich in die Hand gegeben hatte! Das war mehr als Absicht, das war Provokation und Revolte! Wie sie ihn hasste! Wie sie ihn für all seine Stiche und Retourkutschen hasste! Und dann diese vermeintlich nichtsahnende Ruhe, mit der er sein Zuwiderhandeln offenlegte. So als sei nichts! Als sei alles normal und in bester Ordnung! Oh, das tat er extra! Er labte sich an ihrer Hilflosigkeit, er ließ sie absichtlich ins offene Messer laufen!
Morgen käme ihre Mutter! Bei dem Gedanken liefen ihr Tränen die Wange herunter und sie fing heftig an zu schlucken. Ihre Mutter käme und würde Kaffee bestellen. Sie würde im Wohnzimmer sitzen und auf den Kaffee warten, der aus der Maschine, die sie ihnen zur Hochzeit geschenkt hatte, besonders gut schmeckte. Und sie würde fragen, ob ihre Tochter auch die richtigen Filter benutze? Nur die Guten von Melitta mit den Atmungslöchern sind die richtigen. Schon der Verkäufer der Kaffeemaschine hatte das bei dem Erwerb des guten Stückes dazu gesagt. Nur die Filter mit den Atmungsporen sind bei dieser Maschin zulässig!
Bei dem Gedanken heulte sie auf! Wie sollte sie ihrer Mutter erklären, dass zwar Melittatüten im Hause seien, aber nur die normalen, ohne Poren? Wie sollte sie die Vorwürfe, die Enttäuschung und die Resignation ihrer Mutter ertragen? Ihre Mutter würde Tee trinken! Sie würde auf den Kaffee verzichten und mit Leidensmiene auf Tee zurückgreifen.
Er war Schuld! Er hatte all das gewußt und es trotzdem mißachtet! Er hatte bewußt und absichtlich die falschen Filtertüten mitgebracht, obwohl sie den Hinweis nur die mit den Poren zu kaufen extra in rot auf den Einkaufzettel notiert hatte!
Wie sie ihn hasste! Sie hatte ihn nach einem heftigen Streit, in dem er nur wieder sein Unverständnis vorgeschoben hatte, aus der gemeinsamen Wohnung hinausgeworfen.
Sie hasste ihn so sehr, dass sie ihn herauswerfen musste!
Ach ja! Ein Wort, hihi, man ist danach so alleballe, dass man das neue Wort vergisst:-)
Widerstand
Eines Tages setzte sich Herr B. in seinen Lehnsessel, ließ die Schultern sinken und die Hüften knacken. Er tat Letzteres immer gern, quasi als Widerstand gegen die persönliche Weichheit des Körpers.
Dann atmete er tief ein. Er atmete aus, presste abschließend mit Kraft die Lunge leer und verweilte in diesem provozierten Vakuum.
Pause.
Er hatte Zeit.
Der Drang, einzuatmen wurde langsam größer, doch es gelang ihm, weiter in der eingenommenen Stellung zu verharren und die Luft nicht einströmen zu lassen. Im Augenwinkel nahm er wahr, wie seine Katze den Raum durchquerte, den Abstand zum Sofa abmaß, elegant und absolut geräuschlos den Sitzmöbel erklomm, sich in der äußersten Ecke dreimal um die eigene Achse drehte, um anschließend einrollend den wohl verdienten Mittagsschlaf einzuläuten.
In seiner starren Unbeweglichkeit wuchs der Lungendruck, reifte zu einer amtlichen Schwierigkeit aus und setzte seinen inneren Willen zunehmend unter Spannung.
Stille.
Jetzt begann die Luft um ihn herum zu flirren, es waren leichte Summgeräusche zu hören. Sein Körper begann, gegen den Sauerstoffentzug anzukämpfen. Seine Oberschenkel mussten unwillkürlich zucken. Das Zucken breitete sich kontinuierlich auf den Rest des Leibes aus. Die Farben im Raum wechselten mehrmals. Die Augenlider flatterten. Rauschen in beiden Ohren. Dimmung der Lichtverhälnisse.
Dunkelheit.
Es klopfte.
Ach, das ist aber ärgerlich! Wird er nun gestört, dabei hat es doch bis jetzt super geklappt. Er schlug die Augen auf. Die Katze murrte aus der Sofaecke. Das Licht war wieder normal. Das Klopfen wurde eindringlicher, regelmäßiger, ja ernsthaft penetrant.
Gutgut, dann geht er wohl mal schauen, wer da an der Tür ist. Während er sich aufrappelte erreichte ihn ein zweites Geräusch. Es klang wie ein kurzes, spitzes Jammern, ganz nah bei ihm. Auf dem Weg zur Tür strauchelte er ein wenig, war er doch etwas schwach von seiner Nicht-Atem-Übung. Während er die Tür aufzog wunderte es ihn, dass das Klopfen gar nicht unterbrochen wurde, gar nicht leiser oder weniger wurde. Der Fußabtreter lag schräg, aber niemand stand drauf. Eine Blickrunde bestätigte ihm die Abwesenheit jeglicher Personen. Aber das Klopfen ging weiter. Auch das unangenehme Jammern blieb konstant in unmittelbarer Nähe.
Als er die Wohnungstüre hinter sich schloss und zurück in das Wohnzimmer schlappte, wich der Verwunderung, ja, auch dem Ärger eine jähe Erkenntnis. Wenn die Geräusche nicht von außen stammten, hieß das etwa, sie hatten ihren Ursprung im Inneren?
Kritisch blickte er im Flur umher. Telefon: ruhig. Musikanlage: aus. Radiowecker? Schnell schauen, ob er ihn heut morgen ausgemacht hat: ja. Aus.
Es vergingen etwa 2 Stunden, in denen er nach den absurdesten Ursprüngen der Geräusche fahndete, anfangs noch gelassen, entwickelte er bei fortschreitender Dauer eine enorme motorische Unruhe, begleitet von erhöhter Schweißproduktion. In seiner Wohnung gab es aber, wie zu erwarten, nur ihn, seine Katze und diverse unbelebte Gegenstände. Und dem Pelztier etwas vorzuwerfen, das ging ihm dann doch zu weit.
Am Abend dann beschuldigt Herr B. seine Nachbarin (eine fesche und junge Dame mit ausschweifendem Lebensstil) aufs Schärfste, sie habe bei ihm Lautsprecher in die Wohnung einbauen lassen, die fürchterlichen Krach produzierten.
Sie telefonierte und fünfzehn Minuten später kamen hoch gewachsene, nette Männer mit weißen Anzügen, die ihn freundlich lächelnd mitnahmen.
Nagellack
hehehe.. der Thread wird ja immer besser! Inspirationhilfe rules!
Die Straßenbahn war leer. Ganz vorne gleich hinter dem Kutscher hing ein besoffener Mann mittleren Alters über den Sitz. Der Fahrer redete auf ihn ein, doch der Mann schlief seelenruhig weiter. Katrin ging durch die Bahn vorbei an leeren Sitzen, die teilweise verschmutzt aussahen, und es schien ihr, als seien hier heute schon eine ganze Horde Hooligans durch die Bahn gepoltert. Heute war das Endspiel gewesen und es ging um alles. Sie wußte noch, wie ihr Mann am frühen Nachmittag mit seinen Freunden in der Stube saß und mit ihnen "Nie wieder 2. Liga!" und "Ihr könnt zu hause gehen" und sowas grölte und dabei jede Menge Bier floß. Dabei hatte das Spiel noch gar nicht begonnen und ein Sieg musste her, sonst wäre alle Mühe umsonst. Nie wieder Fußball, dachte sie für sich, spielte aber das Spiel mit und half ihrem Mann und seinen Freunden, die Initialien ihres geliebten Vereins mit ihrem Lippenstift auf die Stirn zu kritzeln.
Sie setzte sich in sicherer Entfernung von dem Betrunkenen auf einen Einzelplatz und zuckte nur mit den Schultern, als der Fahrer Anstalten machte, ob er ihr nicht helfen könnte. Sie blickte aus dem Fenster. Jemand hatte anscheinend mit einem Schlüssel oder einem sonstigen spitzen Gegenstand, ein ziemlich unsauberes "Fuck you!" in das Fenster geritzt. Es versperrte ihr den Blick in die ruhige Nacht. Der schlafende Mann grunzte, als der Fahrer nun begann ihn anzuschreien und an seinen Schultern rüttelte. Immer noch ohne die erhoffte Wirkung, er würde davon aus seinem Rausch erwachen.
Dann tat ihr der Fahrer auf einmal leid, bzw. hatte sie selbst keine Lust mehr darauf zu warten, dass die Bahn endlich losfuhr. Sie ging nach vorne und schaute mit Verachtung auf den pennenden Mann, man könnte wohl sagen, auf den Penner. "Er gehört zu mir", sagte sie dann zu dem Fahrer. "Fahren Sie nur los, ich werde mich um ihn kümmern." Leicht ungläubig schaute der Schaffner sie an, nickte dann, und setzte sich in seine Kabine. Er ließ die Bahn klingeln und fuhr langsam los. Dann drehte er sich nochmal um und erkundigte sich bei Katrin, ob alles in Ordnung sei. Es sei schon ok, sie kenne ihn nicht anders. Wieder nickte der Kutscher. Er kümmerte sich nun um den Schienenverkehr und fuhr etwas zügiger, da er sah, dass er schon etwas verspätet im Zeitplan war.
Katrin durchwühlte ihre Handtasche und fand sogleich, wonach sie suchte. Das wird ihm eine Lehre sein, dachte sie und machte sich an die Arbeit. Als sie dann nach acht Stationen endlich aussteigen konnte, es stiegen keine weiteren Leute mehr ein zu dieser Zeit, zwickte sie dem Mann, dem sie gegenüber saß, ins Bein, worauf er aufschrak, und fast gleich wieder in sein Delirium zurück verfiel. "Sie müssen nun aussteigen!", sagte sie ihm eindringlich, ohne ihm jedoch zu Nahe kommen zu wollen. Seine Fahne war gewaltig und selbst aus sicherer Entfernung musste sie das Gesicht verziehen und ihre Nase rümpfen. Doch ihre Worte hatten Wirkung und der Mann raffte sich auf und ging aus der Bahn, um sich gleich wieder in den Sitz an der Haltestelle fallen zu lassen. "Vielen Dank", sagte der Fahrer noch zu Katrin, "ich habe nämlich gleich Feierabend." "Wie schön für sie", erwiderte Katrin und stieg nun ebenfalls aus der Bahn.
Als man am nächsten Morgen den Mann an der Bahnstation liegen sah, konnte man etwas auf seiner Stirn erkennen. Scheinbar hatte jemand mit seinem roten Nagellack auf seine Stirn geschrieben: "Aufstieg, aber kein Ausstieg!"
Bunsenbrenner