Forum Grundeinkommen - Allgemeine Diskussion zum Grundeinkommen

Artikel über die Grundeinkommens-Gesetze in Brasilien

Artikel über die Grundeinkommens-Gesetze in Brasilien

Folgender Artikel findet sich auf Seiten der "Lateinamerika Nachrichten" über die Gesetzgebung eines auf mehrere Jahre angelegten Programms zur allmählichen Einführung einer Art Grundeinkommen.

http://www.lateinamerikanachrichten.de/?/artikel/171.html

Almosen für alle!
Brasilien garantiert seit diesem Jahr seinen Einwohnern eine Grundrente
Die Regierung Luiz Inácio Lula da Silva erließ im Januar ein Gesetz, dass ein staatliches Einkommen für alle sichert. Ob damit dauerhaft die Armut beseitigt wird, bleibt abzuwarten. Kritiker meinen, dass das eigentliche Problem, die strukturelle Armut, unangetastet bleibt.

Dieses Gesetz ist wie ein Boot – es funktioniert erst dann, wenn es zu Wasser gelassen wird.“ So beschrieb der Präsident der Republik Brasilien, Luiz Inácio Lula da Silva, das Vorhaben Grundrente, nachdem es der Senat am achten Januar verabschiedet hatte. Das Gesetz, das Lula in seiner Rede vor dem Senat ansprach, sieht ein Grundeinkommen für alle Einwohner Brasiliens vor. Es gilt auch für Ausländer, die länger als fünf Jahre im Land leben, und ist unabhängig von der sozioökonomischen Situation der Empfänger.
Ab 2005 soll dieses „Grundeinkommen des Bürgerrechts“ (renda básica de cidanania) ausgezahlt werden, wobei es zuerst die „bedürftigsten Schichten“ erreichen soll, um später graduell alle Einwohner Brasiliens einzubeziehen. Wie schnell das Programm sich ausweiten soll, steht auch im Gesetz: Dem jeweiligen Haushaltsjahr entsprechend. Was dies konkret bedeutet, entscheidet die Exekutive.

„Der unermüdliche Don Quijote“
Es ist also ein noch sehr vages Gesetz, wie so viele in dem Land. „In Brasilien gibt es Gesetze, die greifen, und solche die nicht greifen. Es ist unsere Aufgabe, dieses Gesetz zu einem zu machen, das greift. Dazu müssen aber alle verstehen, dass es nicht möglich ist, die gesamten Ressourcen auf einmal hervorzuzaubern“, so Lula weiter vor dem Senat.
Geschrieben wurde das Gesetz von Eduardo Matarazzo Suplicy, Senator von São Paulo und Mitbegründer von Lulas Partei Partido dos Trabalhadores (PT). In seiner Rede lobte Lula ihn als einen „unermüdlichen Don Quijote, der versucht, die Gesellschaft zu überzeugen, dass es möglich ist, die sozialen Rechte für alle weltweit durchzusetzen.“ Der 62-jährige Ökonomieprofessor setzt sich schon seit Jahren für ein gesetzlich garantiertes Grundeinkommen ein. Er ist Mitglied des Basic Income European Network BIEN, einem Zusammenschluss verschiedener Ökonomen und Politiker, die sich für eine gesetzlich garantierte Grundrente aussprechen. Der Generalsekretär der Organisation, Philippe Van Parijs, sieht das brasilianische Regierungsprojekt als einen Schritt in die richtige Richtung. Der französische Ökonomielehrer hält das Modell der Grundrente für ein geeignetes Mittel, sich der Ausbeutung des Kapitalismus zu widersetzen. „Es ist ein Projekt, das ermöglicht, dass alle arbeiten, aber gleichzeitig verhindert, dass jemand jede Art von Arbeit annehmen muss.“ Van Parijs war auch anwesend, als der Senat in Brasília das Gesetz verabschiedete. Schon 1999 hatte Gesetzesvater Suplicy eine brasilianische Sektion von BIEN gegründet – damals mit dem Anspruch, ein Basic Income Earth Network zu schaffen.
Bereits 1991, als erster gewählter Senator der PT, hatte Suplicy ein Programm für ein Grundeinkommen vorgeschlagen. Doch durchgesetzt wurde das Vorhaben bisher nur auf Gemeindeebene, meist dort, wo auch die PT regiert. Der Bundesstaatsanwalt Duciran Van Marsen Faren merkt an, dass die regionale Auszahlung von Grundrenten eigentlich gegen die Verfassung verstoße: Bisher seien nur diejenigen in den Genuss einer Grundrente gekommen, die über einen längeren Zeitraum in der Region gelebt hatten. Dies geschah, um eine Migration in diese Gemeinden zu verhindern. Damit seien staatsbürgerliche Rechte an den Wohnort gekoppelt worden, was einem Verfassungsbruch gleichkomme.

Von Karl Marx bis Milton Friedman
„Jedem nach seinen Möglichkeiten. Jedem nach seinen Bedürfnissen.“ So zitiert Eduardo Suplicy Karl Marx auf seiner Homepage, auf der er sich für ein Grundeinkommen ausspricht. Das Ziel einer „Assoziation freier Individuen“, welches der bärtige Philosoph vor Augen hatte, scheint der Senator nicht anzustreben. Neben Marx erscheinen auf der Seite so ziemlich alle, die in der Ökonomie einen Namen haben. Für Marx bedeutete die Grundrente das Recht aller auf Land und Ressourcen. Dagegen sahen die klassischen Ökonomen, Adam Smith und David Ricardo das Grundeinkommen als Mittel, die Armut zu bekämpfen und Arbeitslosigkeit zu senken. Suplicy bezieht sich auch auf die liberalen Wirtschaftstheoretiker Milton Friedman und Friedrich von Hayek, die sich ebenfalls für ein garantiertes Grundeinkommen aussprachen. Bei ihnen dient die Grundrente lediglich als Stütze, als „Almosen“, wie Hayek sagt, in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Armut und Arbeitslosigkeit werden ihrer Ansicht nach nur durch Wachstum beseitigt. Wie bei den letzten beiden Theoretikern, lassen Suplicys Vorstellungen die Grundannahmen einer freien Marktwirtschaft unangetastet.
Das Lieblingsbeispiel des Senators aus São Paulo ist Alaska. Im größten Bundesstaat der USA fand man in den 60er Jahren große Erdölvorkommen. Die Regierung beschloss, einen Teil der Gewinne direkt den Einwohnern zukommen zu lassen. Mit den Einnahmen aus dem Ölgeschäft schuf die Regierung einen Fond, der mittlerweile auf 25 Milliarden US-Dollar angewachsen ist. Dieser staatliche Sparstrumpf garantiert den Einwohnern Alaskas heute ein jährliches Einkommen von 1.107 US-Dollar pro Kopf.
In Brasilien werden sich die Einwohner mit weniger zufrieden geben müssen. Dem Onlinemagazin Brasil de Fato zufolge ist Suplicys Ziel, fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Grundrente einzusetzen. Nach den Zahlen von 2003 wären dies 83 Milliarden Reais – 40 Reais monatlich (etwa 10 Euro) für jeden Einwohner des Landes. Im Vergleich seien das immer noch weniger als die 86 Milliarden, die jedes Jahr „verbrannt“ werden, um die Zinsen der öffentlichen Inlandsschuld zu bedienen, wie der Senator auf seiner Homepage betont. Doch dieses Ziel sieht Suplicy frühestens 2010 verwirklicht.

Familienstipendien zu Grundeinkommen!
Im Moment werden die Details noch verhandelt, doch Hinweise darauf, wie die Regierung Lula ihr ehrgeiziges Ziel verwirklichen will, geben verschiedene Programme, die bisher Einkommen verteilten. Auf lange Sicht will die Regierung bestehende Initiativen zu dem vorgesehenen Grundeinkommen zusammenführen und ausweiten. Ein Beispiel für solche staatlichen Hilfen ist etwa Bolsa-Escola. Bei diesem Programm, das übersetzt so viel heißt wie „Schul-Stipendium“, handelt es sich um eine finanzielle Unterstützung für Familien mit schulpflichtigen Kindern. Es wurde 1995 eingeführt und soll einen Anreiz schaffen, die Kinder zum Unterricht zu schicken und nicht arbeiten zu lassen. An jedes Kind, welches eine öffentliche Schule besucht, verteilt das Bildungsministerium 15 Reais (ca. 4 Euro), wobei eine Familie höchstens 45 Reais beziehen darf. Die Onlinezeitung Comciencia berichtet, dass Bolsa Escola zur Zeit 5,6 Millionen Familien unterstützt und Stipendien an 8,6 Millionen Kinder vergibt.
Letztes Jahr hat die Regierung Bolsa Escola mit ähnlichen Initiativen, wie Bolsa Alimentação (Nahrungsstipendium) oder Fome Zero (Null Hunger) zu Bolsa Família (Familienstipendium) zusammengefasst. Die PT hoffte, mit Bolsa Familia bis zum Ende des letzen Jahres 3,6 Millionen Familien zu erreichen. Im Höchsfall bekäme eine Familie dann 100 Reais pro Monat.
Das neue Gesetz soll Geld unabhängig von Kindern und Einkommen verteilen. Der unbestreitbare Vorteil liegt darin, dass auch arme Menschen ohne Kinder zukünftig eine Hilfe bekämen. Außerdem ist die lebenslange Auszahlung der Grundrente ein Fortschritt gegenüber den zeitlich begrenzten Programmen. Auch reiche Brasilianer nicht von einem Grundeinkommen auszuschließen, rechtfertigt Suplicy damit, dass so der bürokratische Aufwand gering gehalten wird.

Ein Gesetz das greift?
Der Ökonom Suplicy erhofft sich von „seinem“ Gesetz nicht nur eine verbesserte materielle Versorgung der ärmeren Bevölkerungsschichten, sondern rechnet mit weiteren positiven Nebeneffekten. Er hält es für möglich, dass das Grundeinkommen eine Alternative zur Prostitution darstellt. Denkbar sei auch, mit Geld vom Staat Jugendliche künftig von kriminellen Karrieren im Drogengeschäft abzuhalten. Ob derartige strukturelle Probleme tatsächlich mit einer monatlichen Zahlung von 40 Reais gelöst werden können, bleibt fraglich. Es haben schon andere vor ihm versucht, Windmühlen mit Lanzen aufzuhalten.
„Dieses Konzept ist der Versuch der Regierung, irgendeine Lösung anzubieten. Die renda minima wird die Staatskrise Brasiliens weder lösen noch lindern“, meint Jorge Paiva von der Gruppe Critica Radical (Radikale Kritik), einer Basisgruppe aus Fortaleza. Mit dem Grundeinkommen seien nicht einmal die notwendigsten Bedürfnisse zu decken. Jorge rechnet vor, dass schon allein die Behandlung für das im Nordosten verbreitete Dengue-Fieber nicht mit der staatlichen Finanzspritze finanzierbar sei.
Zweifel an einem gesellschaftlichen Impuls größeren Ausmaßes äußerte auch Geraldo Di Giovanni von der Universität Campinas gegenüber dem Onlinemagazin Comciencia: „Man erwartet viel von den Einkommen verteilenden Programmen, doch die strukturelle Armut bleibt unberührt.“ Die gesetzliche Initiative habe nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich bestehende Abhängigkeitsverhältnisse in Solidaritätsverhältnisse wandelten. „Wenn nicht, wozu dient dann diese Emanzipation der armen Familien?“, fragt Di Giovanni: „um sie in den Konsummarkt einzubeziehen?“
Vielleicht sind solche Befürchtungen auch unangemessen, denn für größere Ausflüge in die Warenwelt dürfte das Grundeinkommen ohnehin nicht reichen. Der Sozialwissenschaftler Francisco de Oliveira bezeichnete die Hilfsprogramme der Regierung unlängst als „überlebenssichernde Almosen, welche die soziale Situation der Armen kaum verändern werden“. In dem Magazin Brasil de Fato wirft er der Regierung vor, die Strukturen, nach denen die Reichtümer der brasilianischen Gesellschaft verteilt würden, unberührt zu lassen.
Auch die bisherigen Programme sehen sich Kritik ausgeliefert. Lena Lavinas, die Koordinatorin des Instituts für angewandte ökonomische Forschung (IPEA), bezweifelt, dass ein an Bildung gekoppeltes Einkommen wie Bolsa Escola auf kurze Sicht etwas verbessern könne. „Die Effekte werden erst in Jahren spürbar sein“, sagte sie Comciencia. Dennoch ist Lavinas optimistischer als die übrigen Kritiker, denn sie glaubt, dass man mit solchen Programmen den Teufelskreis der Armut zumindest ein Stück weit durchbrechen könne. „Die Idee ist, dass ein höheres Bildungsniveau den Kindern in Zukunft eine bessere Chance gibt, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.“
Auch die Professorin der Bundes-Universität von Maranhão, Maria Ozanira da Silva e Silva, sieht nicht, dass es mit den bisherigen Programmen getan ist. Zwar räumte sie gegenüber Comciencia ein, dass 15 Reais Schulgeld im Monat durchaus eine Hilfe für Menschen sein können, die in einer absoluten Misere leben. Doch müsse die Gesellschaft einsehen, dass Armut ein strukturelles Problem sei. „Wenn dass Wirtschaftssystem nicht geändert wird, werden die Probleme weiter bestehen.“ Doch ein wirtschaftlicher Systemwechsel steht nicht auf der Agenda und liegt wohl auch außerhalb der Möglichkeiten der brasilianischen Regierung.

Text: Nils Brock, Thilo F. Papacek, Astrid Schäfers
Ausgabe: Nummer 358 - April 2004

Re: Artikel

Hallo Manuel Franzmann,

Am Dienstag, 12. Oktober 2004 19:10 hat Manuel Franzmann
geschrieben:

> Folgender Artikel findet sich auf Seiten der "Lateinamerika
> Nachrichten" über die Gesetzgebung eines auf mehrere Jahre
> angelegten Programms zur allmählichen Einführung einer Art
> Grundeinkommen.
[...]

Das ist zwar grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung,
nur wird es Brasilien angesichts der gering bemessenen Höhe dieses
Grundeinkommens kaum möglich sein, seine derzeitigen Probleme
(hohe Kriminalitätsrate, Prostitution, Verkauf und Verzehr
illegaler Drogen etc.) zu lösen. Nur ein armutsfestes
Grundeinkommen kann auch die Grundlage für demokratisches
Verhalten jenseits von Angst und Kriminalität sein.

Viele Grüße
Marion

Re: Artikel

Liebe Marion,

das sehe ich genauso. Das wird in dem Artikel ja auch breit thematisiert.

Beste Grüße
Manuel Franzmann

Re: Artikel

Hallo Manuel Franzmann,

Am Mittwoch, 13. Oktober 2004 11:55 hat Manuel Franzmann
geschrieben:

> das sehe ich genauso. Das wird in dem Artikel ja auch breit
> thematisiert.

Klar, aber ein Anfang ist das schon mal und es zeigt auch, daß es
offensichtlich geht, wenn ein Grundeinkommen gesellschaftlich und
politisch gewollt ist. Eventuell läßt sich das brasilianische
Modell ja im Lauf der Zeit noch verbessern und ausbauen.

Viele Grüße
Marion

Grundeinkommens-Gesetze Brasilien- UND WO BLEIBEN WIR IN D??

Hallo Marion, Hallo Manuel,

diese Gesetze in Brasilien sind wenigstens ein Anfang! Leider noch ziemlich zahnlos.

Wir sollten uns hier in D fragen, welche politische Partei oder Organisation dazu bewegt werden könnte, das BGE zumindest in Ihre Diskussion über das weitere Vorgehen aufnehmen zu können/wollen/sollen/müssen!!!!!!

Im Sprecherrat sind ja auch "politische" Personen vertreten. Mir wäre das schnurzegal aus welcher Richtung hier ein GESETZENTWURF kommen würde!

Frage an die "Macher" dieser Page/Forum: Habt Ihr eigentlich schon Kontakte zu den "SPD-Antrünnigen", die ja wohl ziemlich sicher 2006 bei der Bundestagswahl kandidieren werden? Für die müsste doch das BGE doch DER Aufhänger sein?

An Marion: Ich habe mich entschlossen, nur mehr im FORUM direkt zu schreiben, weil mir der "zeilenkurze" Mailtext ein Greuel ist, mag er auch noch so "internetgerecht" sein. Man muss ja nicht jeden Schwachsinn mitmachen! ;-)) Da kommt halt mein Ursprungsberuf Schriftsetzer durch. ;-)))

Ciao Peter Scharl

Re: Grundeinkommens-Gesetze Brasilien- UND WO BLEIBEN WIR IN D??

Bei der hessischen Abteilung der Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit (das sind ja überwiegend SPD-Abtrünnige) gibt es Überlegungen,
das bedingungslose Grundeinkommen in das Programm aufzunehmen. Ob dieses
Unterfangen letztlich auch auf Bundesebene chancenreich ist, ist allerdings
fraglich. Immerhin heißt die Wahlalternative "Arbeit" und soziale
Gerechtigkeit, und das verträgt sich kaum mit einem bedingungslosen
Grundeinkommen, das von der (Erwerbs-)Arbeitsorientierung abrücken würde.

Manuel Franzmann

Re: Grundeinkommens-Gesetze Brasilien- UND WO BLEIBEN WIR IN D??

Hallo an alle,
hier ist eine kurze Zusammenstellung diverser Organisation zur Frage von Grundeinkommen.
http://www.attac.de/forum/viewtopic.php?t=2567

Die Entwicklung in Brasilien finde ich phantastisch

Frithjof

Re: Grundeinkommens-Gesetze Brasilien- UND WO BLEIBEN WIR IN D??

Hallo Manuel @Peter,

Am Donnerstag, 14. Oktober 2004 09:20 hat Manuel Franzmann
geschrieben:

> Immerhin heißt die Wahlalternative "Arbeit" und soziale
> Gerechtigkeit, und das verträgt sich kaum mit einem
> bedingungslosen Grundeinkommen, das von der
> (Erwerbs-)Arbeitsorientierung abrücken würde.

Das sind auch meine Erfahrungen mit der Wahlalternative. Es gibt
zwar einige Leute dort, die der Idee eines Grundeinkommen
aufgeschlossen gegenüberstehen, die Mehrheit fordert allerdings
die Schaffung neuer Arbeitsplätze (ohne jedoch zu sagen, woher
diese Arbeitsplätze kommen sollen). Daß wir in einer Zeit leben,
in welcher es keine Vollbeschäftigung mehr geben wird, sehen dort
noch nicht allzu viele.

Viele Grüße
Marion

Re: Artikel über die Grundeinkommens-Gesetze in Brasilien

Lieber Manuel Franzmann,

dass es in Hessen Vertreter für ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt, freut mich.

Bürger sollten von den politischen Vertretern jedenfalls nicht allzu lange im Ungewissen gelassen werden.
Die Zeit rennt uns davon. Andererseits muß das Thema Grundeinkommen (mit möglicherweise sehr tiefgreifenden Veränderung der Arbeits- und Einkommensstruktur) sorgfältig überdacht werden. Schnellschüsse - z.B. bei der Höhe eines Grundeinkommens nach Wild-West-Manier könnten sehr nachteilige Folgen für unsere Gesellschaft haben.
Auch wenn zunächst eine Art Bürgergeldmodell eingeführt werden würde, wäre dies vielleicht nicht absolut schlecht. Das bedingungslose Grundeinkommen wäre sicherlich besser.

Ernst Ullrich Schultz hat eine recht gute Streitschrift über das Grundeinkommen verfasst. Diese Ausarbeitung fasst die wesentlichen Vorteile des Grundeinkommens kurz zusammen. Die Kernpassagen des Textes möchte ich voll und ganz unterstützen.

Das Thema von Gerechtigkeit bei Arbeit und Einkommen bringt wohl jeden schnell zur Verzweiflung.
Arbeitgeber, Parteien, Gewerkschaften stehen sicher unter ähnlichen Spannungen auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit. In vielen Gebieten der neuen Bundesländer und Berlins gibt es nicht die gleichen Berufs- und Arbeitsmarktchancen wie in den alten Bundesländern. Das Arbeitslosengeld II wird nicht so super üppig sein, dass man halbwegs glücklich damit leben könnte. Unter den Arbeitslosen gibt es nicht wenige, die ähnlich begabt sind wie manche Gutverdiener im Westen. Unter Gerechtigkeitsaspekten kann man die Verteilungsfrage von Arbeit und Einkommen kaum lösen. Ein hochintelligenter Maschinenbauingenieur kann weniger verdienen als ein Kellner in einem Nobelrestaurant. Und die Geschichte mit den faulen reichen Erben wurde ja auch schon im Forum erwähnt.
Ein Großteil der erwerbsfähigen Bevölkerung wünscht sich aber eine Einkommensgerechtigkeit in der Bevölkerung.

Die Sache mit der positiven Rückkopplung im Beruf ist recht einfach. Entspricht die Arbeit meinen Fähigkeiten und Neigungen, so macht sie mir Spaß und ich freue mich daran. Die Ergebnisse der sinnvollen Arbeit kommen auch anderen zugute, so dass diese Rückkopplung positiv auf mein Empfinden ausstrahlt. Einfache Arbeiten mit klaren Kompetenzen haben sicher häufiger positive Effekte als hoch komplexe Aufgaben. Bei komplizierten politischen Themenkomplexen geraten immer wieder Personengruppen in das Schußfeld von unaufgeklärten Politikern.

Arbeitslose sitzen nun in einer überaus schwierigen Situation. Sie dürfen sich keinesfalls mit anderen gesellschaftlichen Gruppen (Arbeitgebern, Arbeitnehmern, politischen Parteien usw.) anlegen. Dies würde zu einer unguten Stimmung beitragen. Arbeitslose wünschen sich aber mehr Teilhabe von Wohlstand und Arbeit.
Wenn sie die Verteilungsfrage von gesellschaftlichem Wohlstand nicht aufwerfen (zur allgemeinen gesellschaftlichen Absicherung von Gesundheit, Wohnraum und Grundeinkommen), wird sich die Situation nicht verbessern. Sobald diese Frage im Raume steht, wird es Gegenstimmen geben, die von Sozialneid und Aufwiegelei sprechen.
Sind diese Stimmen aber gerechtfertigt ?

Es gibt in unserer Gesellschaft ausreichend Wohlstand.

In der arbeitszentrierten Welt der sechziger Jahre texteten die Beatles den Song: "A hard day´s night". Harte Tagesarbeit, um die Freundin mit dem verdienten Geld glücklich zu machen. Gibt es gegenwärtig genügend Arbeit mit ausreichendem Einkommen, die einen solchen Zustand wieder herbeiführt ? Arbeit sollte ja auch sinnvoll und wohlstandsfördernd sein. Keine Arbeit zum Zeit totschlagen.

Durch ein Grundeinkommen wäre jeder abgesichert und könnte öffentliche oder private Arbeitsangebote annehmen. Öffentliche Hand und Arbeitgeber könnten dann Arbeitsplatzangebote machen. Nun würden viele Angebote vielleicht zunächst recht schlecht bezahlt werden. Aber wenn der Arbeitgeber merkt, dass sich ein Arbeitnehmer Mühe gibt und etwas wirklich positives für den Betrieb oder die öffentliche Hand leistet, so wird sich dies früher oder später auch finanziell auszahlen. Auch Betriebe werden merken, dass viele Arbeitslose gar nicht so unfähig sind.
Falls die Arbeiten wirklich unsinnig sind(einer Arbeitnehmer soll ein Loch ausbuddeln, der andere soll es zuschippen), sollte man sie auch ablehnen dürfen.
Die Drückeberger-Propaganda war wirklich schädlich.

Liebe Marion,
in Brasilien ist die soziale Lage bei den unteren Einkommensschichten sicher sehr angespannt.

Sicherlich sollte wir in Deutschland nach Möglichkeit ein armutsfestes Grundeinkommen anstreben.
Es ist schon eine Schande, dass viele Bürger durch Einkommensarmut von vielen gesellschaftlich und sozial notwendigen Bereichen ausgesperrt bleiben. Wie häufig kann eine junge Sozialhilfeempfängerin in die Disko gehen ? Hat sie die Möglichkeit selbstbestimmt Urlaub zu machen ? Öffentliche Verkehrsmittel sollten für alle einkommensarmen Bürger kostengünstig sein !

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

Parteien/Politiker gewinnen

Ich halte nichts davon, sich an Abtrünnige oder Splittergrüppchen in der
politischen Landschaft zu halten. Wenn wir nicht versuchen, ernsthaft mit
Vertretern der beiden Volksparteien bzw. Grünen, FDP und PDS ins Gespräch
über ein Grundeinkommen zu kommen, sollten wir´s lassen.


Bei der Gelegenheit: Ich kann mich nicht mehr auf der Grundeinkommens-Seite
einloggen. Weiß jemand, was da passiert sein kann?


Gabi Eichl