Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kinder- und Jugenddelinquenz

Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

ZEIT online 8.1.2008 - 18:21 Uhr

* Schlagworte:
* Politik
* Jugendstrafrecht

Nicht wegsperren, erziehen!

Von Kai Biermann

Die Debatte um das Jugendstrafrecht geht am Problem vorbei. Nicht härtere Strafen braucht es, sondern frühes Eingreifen, damit Jugendliche gar nicht erst abgleiten.
Einschließen hilft nicht

Einschließen hilft nicht

© Foto: Peter Endig dpa/lhe

Muss das Jugendstrafrecht verschärft werden? Darum tobt nun bereits seit zwei Wochen eine nicht enden wollende öffentliche Debatte. Sicher, Wahlkämpfe sind kein gutes Umfeld für differenzierte Betrachtungen, schon gar nicht, wenn es um komplexe Themen wie dieses geht. Trotzdem, die grundsätzliche Frage ist berechtigt: Braucht es rechtliche Änderungen, vielleicht sogar die, die die Union vorschlägt?

Nein, lautet fast übereinstimmend die Antwort derer, die jeden Tag mit dem Jugendstrafrecht arbeiten. Doch ganz so einfach ist das nicht. Zuerst einmal ist eine Unterscheidung notwendig, die der hessische Ministerpräsident Roland Koch als Auslöser und Antreiber der Debatte ganz bewusst nicht macht, die aber dringend geboten ist: die zwischen „normalen“ kriminellen Jugendlichen und jugendlichen „Mehrfach- und Intensivtätern“, wie sie bei der Polizei heißen.

Nicht jeder, der ein Auto stiehlt oder einen Mitschüler zusammenschlägt, gehört sofort zur letzteren Problemgruppe. Die Trennung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, basiert aber immer auf der Idee, dass eine bestimmte Menge an Delikten einer bestimmten Schwere in einem definierten Zeitraum notwendig ist, um von der Polizei als Intensivtäter eingestuft und „betreut“ zu werden.

In Köln beispielsweise gibt es ein dynamisches Punktesystem. Ein Ladendiebstahl bringt einen Punkt, eine Körperverletzung je nach Schwere drei oder vier. Gleichzeitig führen die dortigen Kommissariate eine Liste der „Top 100“. Die 100 Registrierten mit den meisten Punkten gelten als Intensivtäter. In Berlin müssen sie innerhalb eines Jahres zehn Taten begehen und daneben unter anderem die Schule schwänzen oder durch hohen Alkoholkonsum auffallen.

Im Vergleich zu den „normalen“ kriminellen Jugendlichen ist diese Gruppe somit schon per definitionem sehr klein. Berlin führt derzeit (Stand 4. Dezember 2007) insgesamt 495 Namen als Intensivtäter. Gleichzeitig gab es hier (2006) mehr als 33.000 Tatverdächtige, die 21 Jahre oder jünger und damit für das Jugendstrafrecht relevant waren. Der Anteil der Intensivtäter beträgt also gerade einmal 1,5 Prozent. Niedersachsen hat „ungefähr 400 Jugendliche mit kriminellen Karrieren“, wie das LKA sagt, bei 43.000 Fällen insgesamt im Jahr 2006.

Roland Koch spricht über „junge kriminelle Ausländer“ oder noch allgemeiner von „Jugendgewalt“. Die Fakten, die er dabei verwendet, beziehen sich jedoch auf „Intensivtäter“. Das ist fatal, denn beide Gruppen unterscheiden sich in ihrem Verhalten, ihrer Herkunft und in den Sanktionsmaßnahmen, die nach Meinung von Experten gegen sie eingesetzt werden sollten.

Die Jugendgewalt allgemein nimmt, genau wie die gesamte Gewaltkriminalität, in Deutschland seit Jahren ab oder stagniert zumindest – je nach Delikt. Das meint nicht die Brutalität der Taten, Roheitsdelikte nehmen zu, sondern die Gesamtzahl. Dieser Befund ist eindeutig und das Fazit aller entsprechenden Studien, seien es die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), der periodischen Sicherheitsberichte der Bundesregierung oder kriminologische Dunkelfeldanalysen. Gleichzeitig brachten letztere Hinweise darauf, dass sich die Anzeigebereitschaft gegenüber jugendtypischen Delikten in den vergangenen Jahren erhöht hat, dass also mehr Gewalttaten von Jugendlichen angezeigt werden als früher, auch von anderen Jugendlichen – die in der Regel die Opfer sind, nicht ältere Menschen. Der Rückgang der tatsächlichen Gewalt also ist womöglich noch stärker als die Zahlen der angezeigten Taten nahelegen.

In dieser großen Menge nun gibt es die vergleichsweise kleine Teilmenge der Intensivtäter. Sie sind es, die kriminelle Karrieren haben und durch immer neue Delikte auffallen. Sie zeigen sich unbeeindruckt von staatlichen Sanktionen, seien es Geld-, Haft- oder soziale Strafen. Bei der weit größeren Gruppe der allgemeinen jugendlichen Täter ist das nicht so. Bei vielen Jugendlichen, die auffällig wurden, genügt es schon, wenn sie demonstrativ auf dem Schulhof festgenommen werden, um sie zum Nachdenken anzuregen. Viele Intensivtäter dagegen beeindruckt es überhaupt nicht, ins Gefängnis zu müssen, seien es drei Monate oder drei Jahre.

Genau an diesem Punkt werden die Forderungen der Union absurd. Diejenigen, die damit erreicht werden sollen, schreckt es nicht, wenn die Höchststrafe von zehn auf fünfzehn Jahre angehoben wird. Und die restlichen werden dieses Strafmaß sowieso kaum je erreichen. In Hessen, nur um ein Beispiel zu nennen, saßen 2006 genau vier Männer unter 21 Jahren im Gefängnis, die mehr als fünf Jahre Haft zu verbüßen hatten. Bundesweit wurden 2006 gerade einmal 91 Jugendliche oder Heranwachsende zu einer solchen Strafe verurteilt – von 106.000 Straftätern nach dem Jugendstrafrecht insgesamt. Das entspricht einem Anteil von 0,09 Prozent! Das Strafmaß für Jugendliche und Heranwachsende zu erhöhen ist somit bestenfalls eine wirkungslose Maßnahme. Sie klingt nur gut.

So ist es mit dem gesamten diskutierten Katalog. „Unter Fachleuten ist unstrittig, dass Erziehungscamps nicht viel bringen“, sagt Winfried Bodenburg, Landesbeauftragter Jugendsachen beim LKA Niedersachsen. „Wir müssen viel früher ansetzen und verhindern, dass sie überhaupt in den Bereich krimineller Karrieren abgleiten.“ Der Polizei-Jugendexperte fordert mehr Plätze für betreutes Wohnen, wo auffällige Jugendliche bis zu ein Jahr untergebracht und intensiv pädagogisch betreut werden können – „je früher, desto besser“. Erziehungscamps seien nicht viel billiger, brächten aber sehr viel weniger. „Hinterher zuzuschlagen zäumt das Problem am falschen Ende auf“, sagt Bodenburg.

Lediglich ein Vorschlag der Union findet auch in der Fachwelt Zustimmung: der Entzug des Führerscheins, beziehungsweise das Verbot, überhaupt einen zu machen. Dies könnte nach Ansicht von Praktikern tatsächlich ein wirksames Mittel sein – zur Erziehung. Alle anderen Ideen werden entweder für unsinnig gehalten, für wirkungslos oder sind wie Warnschussarreste bereits Realität, auch wenn die Union etwas anderes suggeriert.

Erziehung im Übrigen ist das zweite Unterscheidungsmerkmal, das Roland Koch und die Union derzeit bewusst vermeiden. Das deutsche Jugendstrafrecht soll in erste Linie nicht strafen, es will erziehen und so verhindern, dass ein Jugendlicher dauerhaft kriminell wird. Sein Kern ist die Überzeugung, dass Delinquenz ein mehr oder minder ausgeprägter, vor allem aber vorübergehender Teil des Heranwachsens ist, eine Phase, die fast jeder Jugendliche durchlebt und in der es Lenkung und Grenzen braucht. Die Union dagegen möchte wegsperren. Das jedoch bewirkt eher das Gegenteil des Erwünschten: Von den Jugendlichen, die ins Gefängnis kamen, wurden laut unterschiedlichen Studien mehr als 70 bis 80 Prozent rückfällig. Von denen, die Bewährungsstrafen erhielten, lediglich 50 Prozent.

Das heißt nicht, dass mildere Strafen zu weniger Kriminalität führen – es bedeutet aber auch nicht, dass härtere Strafen die Kriminalität verringern. Der Einfluss der Strafhöhe auf die Zahl der Straftaten ist einfach sehr klein.

„Der Erziehungsgedanke sollte keinesfalls aufgegeben werden“, sagt Bodenburg. Im Gegenteil, er müsse, wenn denn Änderungen diskutiert werden, noch sehr viel weiter gehen. Denn nicht Strafe hat Einfluss auf Kriminalität. Genau dort liegt ein weiteres Problem der derzeitigen Debatte. Kaum jemand fragt nach dem „warum“, interessiert sich dafür, wer aus welchen Gründen zum Intensivtäter wird.

Dabei gibt es klare Zusammenhänge. Die meisten Delinquenten dieser Gruppe sind männlich; sie gehen nicht oder nur unregelmäßig zur Schule und werden mit Schlägen erzogen. Daneben gibt es noch diverse andere Faktoren, wie der soziale Zusammenhalt der Stadtteile, in denen sie leben, wie viel Alkohol sie trinken, wie viele ihrer Freunde straffällig wurden und wie ihre Umwelt auf ihre Gewalttätigkeit reagiert. Im Kern sind es das Erleben tradierter Erziehungsmethoden und schlechter Bildungschancen, die Intensivtäter gemein haben. Das nun betrifft überproportional viele ausländische Jugendliche, aber auch junge Spätaussiedler und solche aus dem Osten Deutschlands.

Im Kampf gegen dieses Problem härtere Strafen zu fordern ist ungefähr so sinnvoll, wie einem Schüler mit Lese-Rechtschreibschwäche längeres Nachsitzen zu verordnen, abzuleisten möglichst erst viele Wochen nach dem Diktat. Weniger Schreibfehler macht er so nicht, das kann nur frühe und konsequente Förderung bewirken.

Das deutsche Justizsystem versucht genau das. Beispielsweise wird in vielen Städten inzwischen jeder Intensivtäter egal, was er anstellt, von immer demselben Kommissariat betreut. Früher landeten die Akten auf immer neuen Schreibtischen, je nach Delikt und je nachdem, wer gerade Dienst hatte. So fiel auch kaum auf, wenn ein Täter oft in kurzem Abstand immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kam. Das ist heute häufig anders.

Außerdem werden nicht nur Anzeigen aufgenommen, sondern immer häufiger wird auch das Gespräch mit den Familien und eventuell betreuenden Organisationen und Behörden gesucht. Und es gibt ständige „Ansprachen“, wo immer sich ein auffälliger Jugendlicher aufhält, ob zu Hause, an üblichen Treffpunkten seiner Clique oder an typischen Tatorten – die Polizei ist schon da und zeigt, dass sie ihn kennt. Dabei arbeitet sie eng mit Sozialbehörden und Vereinen zusammen und bemüht sich, anhand „weicher Faktoren“ wie Schulschwänzen früh zu erkennen, ob jemand abgleitet. Am liebsten würden die Beamten schon in die Kindergärten gehen, um so früh wie möglich Probleme zu erkennen.

Das hilft tatsächlich, braucht allerdings sehr viel Personal. In Niedersachsen beispielsweise gibt es 600 „Jugendsachbearbeiter“ bei der Polizei – für 43.000 Delikte. Es ist nicht eben sinnvoll, dass beispielsweise unter Roland Koch in Hessen hunderte Stellen bei der Polizei gestrichen und Millionen Euro bei Jugendhilfe- und Beratungsprojekten gekürzt wurden.

Braucht es nun Änderungen im Jugendstrafrecht? Der deutsche Richterbund beispielsweise, der sich von einigen Debattierenden persönlich angegriffen sieht, findet das Jugendstrafrecht gut, so wie es ist. „Das Instrumentarium reicht aus“, sagte der Vorsitzende des Bundes, Oberstaatsanwalt Christoph Frank der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es müsse nur voll zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: schnelle Verfahren, schnelle Verurteilung, schneller Strafantritt.

Ähnlich denkt man auch bei der Gegenseite, der Bundesrechtsanwaltskammer. Urteile ein Jahr nach der Tat hätten keine erzieherische Wirkung mehr, heißt es dort. Das Gleiche glaubt die Polizei. „Wir müssen schneller arbeiten“, sagt Bodenburg vom LKA Niedersachsen. Alle drei Faktoren aber hängen nicht von den Gesetzen ab, sondern von der Ausstattung der Gerichte, der Polizeidienststellen, der Gefängnisse und der Jugendhilfevereine.

Die nicht eben für ihre laxen Vorschläge bekannte Innenministerkonferenz kommt denn auch zu ganz anderen Empfehlungen als die nun so aufgeregten Unionspolitiker – und zwar die Innenminister aus den Unionsländern genauso wie die aus den SPD-regierten. Noch bessere Vernetzung aller beteiligten Stellen fordert sie, Aufnahme von Intensivtätern in die Kriminalstatistik und eine bundeseinheitliche Definition für sie, mehr Augenmerk auf Risikofaktoren wie Schulschwänzen und eine bessere Kooperation mit den Schulen. Tenor: Prävention.

Im Bundesjustizministerium weist man außerdem darauf hin, dass in der Debatte darauf geachtet werden sollte, "dass Problem nicht nur auf eine Bevölkerungsgruppe zu reduzieren". Schließlich seien an Vorfällen wie in München nicht nur ausländische Jugendliche beteiligt, gebe es doch ebenso brutale Gewalt von Deutschen gegen Ausländer. Grundsätzlich hält man es auch im Justizressort für sinnvoller, das geltende Recht so schnell wie möglich umzusetzen, statt es zu ändern. "Man muss aufpassen, dass man keine falsche Sicherheit vorgaukelt", sagte ein Sprecher. Im Übrigen würden all diese Vorschläge schon seit Jahren immer wieder gemacht. "Bisher wurden sie immer wieder verworfen."

Doch die politische Debatte führt nicht nur am Problem vorbei. Sie verursacht auch einen gefährlichen Kollateralschaden, ja nimmt ihn möglicherweise gar in Kauf: Mit ihren Argumenten sät die Union Zweifel daran, dass das bisherige Jugendstrafrecht sinnvoll ist. Das ist grob fahrlässig.
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http://www.zeit.de/online/2008/02/jugendstrafrecht-intensivtaeter?page=all

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

09. Januar 2008

KRIMINALITÄTSDEBATTE
Struck greift Merkel scharf an

Breitseite vom Koalitionspartner gegen Angela Merkel: SPD-Fraktionschef Struck hat das Verhalten der Kanzlerin in der Debatte um die Jugendkriminalität als "erschreckend" bezeichnet. Sie schließe sich den "sehr unanständigen" Parolen des hessischen Ministerpräsidenten Koch an.
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Frankfurt am Main - Roland Koch stehe "mit dem Rücken an der Wand und greift nach jedem Strohhalm, um nicht die Landtagswahl zu verlieren", sagte Peter Struck der "Frankfurter Rundschau". Hessens Ministerpräsident sei in der Diskussion über die Jugendkriminalität "sehr unanständig geworden". "Erschreckend ist für mich nur, dass sich Angela Merkel seinem Kurs nun angeschlossen hat", sagte Struck.

Struck: "Erschreckend"
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DPA

Struck: "Erschreckend"
CSU-Vorwürfe, wonach die SPD die Innere Sicherheit gefährde, nannte Struck "blanken Unsinn". Zentral in der Debatte über den Umgang mit kriminellen Jugendlichen sei es, mehr Polizisten, Richter und Sozialarbeiter einzustellen. "Das müssen die Länder machen", hob Struck hervor. In einigen Bundesländern bestehe wohl Nachholbedarf.

Struck warf der Union vor, "sich von getroffenen Vereinbarungen zu verabschieden". Dies sei der Fall bei der Reform der Erbschaftssteuer, beim Entsendegesetz und beim Mindestlohn. "Die Union zickt herum in lauter Panik vor Verlusten bei den anstehenden Landtagswahlen."

Mit Blick auf die heftige Auseinandersetzung der Koalitionspartner sieht Struck die Kanzlerin gefordert. Merkel müsse "in erster Linie als Regierungschefin agieren und nicht als Parteivorsitzende", sagte Struck der Zeitung.

Nahles: SPD gegen Änderung des Jugendstrafrechts

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat eine Änderung des Jugendstrafrechts ausgeschlossen. "Es ist nicht das Gesetz, sondern die Praxis, die verbessert werden muss", sagte Nahles der "Oldenburgischen Volkszeitung" aus Vechta. Sie sehe die Notwendigkeit, dass über Verfahren und Vollzug miteinander gesprochen werden müsse.

Koch warf Nahles eine "populistisch-demagogische" Verkürzung des Themas Jugendkriminalität auf die Ausländerkriminalität vor. Das halte sie für "unanständig". Wenn der NPD-Vorsitzende Udo Voigt die CDU lobe, dann würden schwarz-braune Überzeugungen hoffähig gemacht, erklärte Nahles.

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Handelt die Politik konsequent genug gegen Jugendgewalt?

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von Rainer Helmbrecht
Die SPD-Vizechefin kündigte zudem weitere Änderungen an der "Agenda 2010" an. So sollen "als nächste größere Aktion" die rund 80 Arbeitsmarktinstrumente halbiert werden. Als Beispiel nannte sie die Reduzierung der zehn verschiedenen Formen des Lohnkostenzuschusses auf zwei Varianten. Ebenso solle es im Zuge des Bürokratieabbaus mehr Autonomie für die regionalen Arbeitsvermittlungen geben.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich gegen übereilte Maßnahmen aus. "Wir machen jetzt keine Schnellschüsse", sagte Künast der in Essen erscheinenden "Neuen Ruhr/Rhein Zeitung" vor der heutigen Fraktionsklausur im Wörlitz (Sachsen-Anhalt). Das geltende Jugendstrafrecht sehe bereits eine Vielzahl von Sanktionen und Auflagen vor.

Die von der Union geforderte Verschärfung habe nur das Ziel, am rechten Rand Stimmen zu fischen, sagte Künast. Das Verhalten der CDU sei auch ein Signal gegen schwarz-grüne Bündnisse. "An solchen Tagen, mit solchen Feindbildern fällt mir zu Schwarz-Grün erst einmal nichts ein", sagte Künast. Sie plädierte in der Debatte um gewalttätige Jugendliche für mehr Gerichtshelfer und Angebote an die Betroffenen.

"SPD hat bei Innerer Sicherheit immer versagt"

CSU-Chef Erwin Huber hat Kritik an der Unions-Initiative zur Verschärfung des Jugendstrafrechts scharf zurückgewiesen. Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte der Union vorgeworfen, auf dem rechten Auge blind zu sein, und der Zentralrat der Juden hatte ein Wahlkampfniveau wie das der NPD beklagt.

Huber sagte der "Passauer Neuen Presse" zu dem Vorwurf: "Das ist grober Unfug und eine Verunglimpfung unserer Sicherheitspolitik. Wir wollen die Menschen schützen und Gewalttäter ihrer gerechten Strafe zuführen. Das ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema der CSU - unabhängig davon, ob gerade Wahlkampf ist oder nicht. Die SPD hingegen hat in Fragen der Inneren Sicherheit immer versagt."

Der stellvertretende CSU-Chef Horst Seehofer sieht trotz der Konflikte in der Großen Koalition keine ernstzunehmende Belastung für das Bündnis. "Man darf jetzt im unmittelbaren Umfeld von Wahltagen manche Debatten in ihrer Wortwahl nicht überhöhen", sagte der Bundesagrarminister am Rande der Klausur der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth. Seehofer geht davon aus, dass die Koalition bis 2009 hält. "Die Arbeit wird weiter gut funktionieren", sagte er. Union und SPD streiten derzeit vor allem über ein schärferes Jugendstrafrecht und über Steuersenkungen.

asc/dpa/ddp/AP

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,527463,00.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Dienstag, 8. Januar 2008
"Klima der Unsicherheit"
Stillose Gewaltdebatte

Der verbale Schlagabtausch über härtere Strafen für jugendliche Gewalttäter wird immer sinnleerer. Nach Angriffe von Ex-Kanzler Gerhard Schröder auf die Unionsparteien nehmen diese jetzt Schröder ins Visier. Der ehemalige SPD-Chef habe mit seiner Kritik an der Linie der Union jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren, erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bei n-tv. Pofalla will den Wählern klarmachen, dass sich die SPD den Verbesserungen zum Schutz des Menschen verweigere.

Schröder hatte Kanzlerin Angela Merkel und Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) Wahlkampfhetze vorgeworfen. Gewalt sei nicht nur ein Problem ausländischer, sondern auch deutscher Jugendlicher.

Pofalla bezeichnete Schröder zudem als stillos, denn: "Herr Schröder lässt sich von Leibwächtern schützen und fährt in gepanzerten Limousinen." Es sei also klar, dass Schröder selbst nicht mit der Kriminalität ausländischer Jugendlicher in U-Bahnen, Bussen und auf öffentlichen Plätzen in Berührung komme.

Fokus erneut nur auf Ausländer

Aber auch der Vorsitzende der Landesgruppe der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Peter Ramsauer, legte in dem Streit nach. Ramsauer sagte, wenn man in Deutschland vor Angriffen jugendlicher Ausländer nicht mehr sicher sei, dann dürfe die Debatte darüber nicht als politisch unkorrekt abgewürgt werden: "Wer dazu schweigt, macht sich selbst schuldig an einem Klima der Unsicherheit." Koch hatte unter anderem Erziehungscamps für gewalttätige Jugendliche gefordert und war damit auf ein breites positives Echo in CDU und CSU gestoßen.

"Koch treibt Merkel vor sich her"

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf Merkel vor, keine eigene Position zu haben. "Offensichtlich ist die Frau Bundeskanzlerin da sehr druckempfindlich", sagte er bei n-tv. Merkel gebe immer wieder auch CDU-Ministerpräsidenten nach, denen das Wasser im Landtagswahlkampf bis zum Hals stehe, "ohne eine eigene klare Linie zu haben", so Heil. "Jetzt treibt Koch die Kanzlerin vor sich her." Merkel hatte sich am Wochenende klar hinter die Forderung Kochs nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts gestellt, nachdem ihr Regierungssprecher sich einige Tage zuvor noch eher vorsichtig geäußert hatte.

Angriffe gegen Koch und Wulff

Kochs Forderung sei "an Verlogenheit nicht zu überbieten", denn er habe "selbst die Situation verursacht, die er jetzt beklagt", kritisierte Heil. "Er hat tausend Polizeistellen in Hessen gestrichen, er hat bei Staatsanwälten, bei Richtern gekürzt, bei Jugendhilfe, bei Bildung." Das gleiche gelte für Niedersachsen, wo am 27. Januar ebenfalls ein neuer Landtag gewählt wird.

Ähnlich wie Heil äußerte sich auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Es sei ein Treppenwitz, dass sich ein Politiker mit schneidigen Parolen ins Bild setze, "während der gleiche Akteur durch Privatisierungen und Mittelkürzungen das Problem noch verschärft hat", sagte Zypries in Köln. Koch habe die freiwilligen Leistungen um ein Drittel gekürzt, bei der ehrenamtlichen Bewährungshilfe und bei der ambulanten Straffälligenhilfe den Rotstift angesetzt.

Rechte Gewalt aus dem Auge verloren

Schröder sagte der "Bild": "Wir brauchen kein neues Recht, sondern die zügige und konsequente Anwendung des bestehenden Rechts." Das Problem sei keines allein von Ausländern: "Junge deutsche Rechtsradikale verüben im Schnitt jeden Tag drei Gewalttaten - meist gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe." An die Adresse von Koch und Merkel fügte er hinzu: "Offenkundig sind beide auf dem rechten Auge blind." Koch betreibe eine Wahlkampfhetze, für die er bekannt sei.

Glos ohne Tunnelblick

Auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ging zum Gegenangriff über. Schröder bewege sich am Rande der Flegelhaftigkeit, sagte er. Im Gegensatz zu Ramsauer und Pofalla spricht Glos jedoch davon, dass die Union eine härtere Gangart sowohl gegen Links- als auch gegen Rechtsradikale sowie gleichermaßen gegen ausländische wie deutsche Jugendliche fordere.

Minister wollen beraten

Jetzt wollen sich die Innenminister der unionsregierten Länder sowie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble des Themas annehmen und ab Donnerstag bei einem zweitägigen Treffen in Wiesbaden darüber beraten. Je mehr die SPD eine Verschärfung ablehne, "umso unnachgiebiger werden wir bei diesem Thema dranbleiben", stellte Ramsauer klar.


http://www.n-tv.de/901065.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Dienstag, 8. Januar 2008
CDU-Politik begeistert NPD
Rechtsextreme loben Koch

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat für seine Forderung nach schnellerer Abschiebung krimineller Ausländer demonstrativen Beifall von der rechtsextremen NPD erhalten. "Wenn etablierte Politiker NPD-Argumente übernehmen, dann wird das auch dazu führen, dass immer mehr Bürger Vertrauen in die Politik der NPD gewinnen und folglich auch NPD wählen", sagte der Parteivorsitzende Udo Voigt.

Der Zentralrat der Juden hat bereits davor gewarnt, dass die von der Union angeheizte Debatte über Jugend- und Ausländerkriminalität den Rechtsextremisten nutze. Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte, für die NPD sei die Kriminalität ausländischer Jugendlicher ein willkommenes Argument, allen Ausländern in Deutschland ihre Daseinsberechtigung zu entziehen.

Voigt verlangte von Koch, "nicht nur aus wahltaktischen Gründen von der NPD abzuschreiben", sondern diese Politik auch umzusetzen.
http://www.n-tv.de/901250.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Inland Streit über Jugendkriminalität geht weiter
Besser vorbeugen oder härter bestrafen?

Gewalt Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Jugendgewalt ist zum Jahresbeginn das zentrale Thema in den Medien geworden. ]
Die Länder-Justizminister von Union und FDP wollen heute über den Umgang mit der Jugendgewalt diskutieren. Zu der gemeinsamen Sonderkonferenz hatte Niedersachsens Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU), Vorsitzende der Justizministerkonferenz, in die Niedersächsische Landesvertretung nach Berlin eingeladen. Auf der Tagesordnung steht auch der Austausch der Länder in den Bereichen Integration und Prävention.

Seit Tagen wird in Deutschland heftig darum gestritten, ob die Gesetze verschärft werden müssen, um jugendlichen Gewalttätern Einhalt zu gebieten. Vor allem Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der sich Ende Januar zur Wiederwahl stellt, macht sich dafür stark. Die SPD hält ihm "Wahlkampf-Hetze" vor. Auf der Tagesordnung bei der gemeinsamen Sonderkonferenz in Berlin steht auch der Austausch der Länder in den Bereichen Integration und Prävention.
Koalitionsparteien uneinig über Vorgehen

Die CDU verlangt härtere Strafen für jugendliche Gewalttäter und die Einrichtung von Erziehungscamps, dagegen setzen die Sozialdemokraten wie auch die Opposition auf eine konsequente Anwendung des geltenden Rechts. Schon am Donnerstag treffen sich die Innenminister der unionsregierten Länder in Wiesbaden zu einer zweitägigen Konferenz zum selben Thema.
Struck greift Merkel an

Peter Struck Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: SPD-Fraktionschef Struck attackiert die Kanzlerin. ]
SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte in der Debatte die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihr Verhalten sei "erschreckend", sagte Struck der "Frankfurter Rundschau", da sie sich den "unanständigen" Parolen Kochs angeschlossen habe. Koch stehe mit dem Rücken an der Wand und greife nach jedem Strohhalm, um nicht die Landtagswahl zu verlieren. Merkel müsse in der Diskussion über Jugendgewalt in erster Linie als Regierungschefin agieren, mahnte Struck. Er appellierte gleichzeitig an die Verantwortung der Länder. Sie sollten mehr Polizisten, Richter und Sozialarbeiter einstellen, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Nahles: Keine Gesetzesänderung mit der SPD

Die SPD-Politikerin Andrea Nahles [Bildunterschrift: Die SPD-Politikerin Andrea Nahles hält das Jungendstrafrecht für ausreichend. ]
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles schloss unterdessen eine Änderung des Jugendstrafrechts aus. "Es ist nicht das Gesetz, sondern die Praxis, die verbessert werden muss", sagte Nahles der "Oldenburgischen Volkszeitung" aus Vechta. Sie sehe die Notwendigkeit, dass über Verfahren und Vollzug miteinander gesprochen werden müsse. Koch warf Nahles eine "populistisch-demagogische" Verkürzung des Themas Jugendkriminalität auf die Ausländerkriminalität vor. Das halte sie für "unanständig". Wenn der NPD-Vorsitzende Udo Voigt die CDU lobe, dann würden schwarz-braune Überzeugungen hoffähig gemacht, erklärte Nahles.
Huber hält Kritik für nicht gerechtfertigt

CSU-Chef Huber (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: CSU-Chef Erwin Huber fühlt die Politik seiner Partei verunglimpft. ]
CSU-Chef Erwin Huber wies die Kritik an der Unions-Initiative zur Verschärfung des Jugendstrafrechts scharf zurück. Ex-Kanzler Gerhard Schröder hatte der Union vorgeworfen, auf dem rechten Auge blind zu sein, und der Zentralrat der Juden hatte ein Wahlkampfniveau wie das der NPD beklagt. Huber sagte der "Passauer Neuen Presse" zu dem Vorwurf: "Das ist grober Unfug und eine Verunglimpfung unserer Sicherheitspolitik. Wir wollen die Menschen schützen und Gewalttäter ihrer gerechten Strafe zuführen. Das ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema der CSU - unabhängig davon, ob gerade Wahlkampf ist oder nicht. Die SPD hingegen hat in Fragen der Inneren Sicherheit immer versagt."
Jugendkriminalität Hintergrund: Weitere Meldungen Steigt die Jugendkriminalität tatsächlich an? Welche Taten werden häufiger, welche weniger verübt? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zusammengestellt. [mehr]

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich gegen übereilte Maßnahmen aus. "Wir machen jetzt keine Schnellschüsse", sagte Künast der in Essen erscheinenden "Neuen Ruhr/Rhein Zeitung" vor der heutigen Fraktionsklausur im Wörlitz (Sachsen-Anhalt). Das geltende Jugendstrafrecht sehe bereits eine Vielzahl von Sanktionen und Auflagen vor.

Die von der Union geforderte Verschärfung habe nur das Ziel, am rechten Rand Stimmen zu fischen, sagte Künast. Das Verhalten der CDU sei auch ein Signal gegen schwarz-grüne Bündnisse. "An solchen Tagen, mit solchen Feindbildern fällt mir zu Schwarz-Grün erst einmal nichts ein", betonte Künast. Sie plädierte in der Debatte um gewalttätige Jugendliche für mehr Gerichtshelfer und Angebote an die Betroffenen.
Infografik: Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht - Urteile der Bundesländer

* InternJugendkriminalität: Beck fordert Regierung zum Handeln auf.
* InternInterview: "Vorstellungen der Union sind nicht umsetzbar".
* InternDossier: Jugendkriminalität - Ein Problem wird instrumentalisiert.

*
Weltatlas
Weltatlas: Deutschland
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Stand: 09.01.2008 05:43 Uhr
http://www.tagesschau.de/inland/jugendkriminalitaet32.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

eldung Jugendkriminalität - Fragen und Antworten, Teil I
Gibt es wirklich immer mehr Straftaten durch Jugendliche?

Die Debatte über die Jugendkriminalität ist voll entbrannt. Vor allem nichtdeutschen Jugendlichen wird eine immer höhere Gewaltbereitschaft zugeschrieben. Nehmen die Straftaten von Jugendlichen wirklich zu? Welche Taten werden häufiger, welche weniger verübt? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zusammengestellt.

Nehmen Straftaten durch Jugendliche zu?
Nein. Bis 1998 stieg die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden nach der Polizeilichen Kriminalstatistik deutlich an. 300.000 Tatverdächtige zwischen 14 und 18 Jahren wurden damals registriert sowie rund 240.000 Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren und 150.000 Kinder. Ende 2006 war die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen auf knapp 280.000 gesunken, bei den Kindern unter 14 Jahren um ein Drittel auf 100.000. Bei den Heranwachsenden gab es kaum Veränderungen. Verurteilungen gibt es bei Jugendlichen und Heranwachsenden in 20 bis 30 Prozent der Fälle.

Welche Straftaten haben zu- und welche abgenommen?
Laut dem zweiten periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung sank in den vergangenen Jahren die Zahl von Tötungsdelikten und Raubtaten. Dagegen gab es rund ein Drittel mehr Ermittlungen wegen Körperverletzung und mehr Drogendelikte. Bei letzteren geht es meist um Cannabis.

Jugendlicher mit Messer vor einem Schulgebäude Großansicht des Bildes Wie groß ist die Dunkelziffer?
Im Jugendbereich ist die Dunkelziffer besonders hoch. Einige Straftaten werden heute häufiger angezeigt - auch beispielsweise von jugendlichen Opfern. Das heißt jedoch nicht, dass ihre Zahl gestiegen ist. Möglicherweise gibt es nur eine Verschiebung vom "Dunkelfeld" ins "Hellfeld", wie die Statistiker sagen. Die Taten kommen also "ans Licht".

Wie verlässlich ist die Statistik?
Die Kriminalstatistik erfasst vor allem Tatverdächtige, nicht Verurteilte. Eine gestiegene Aufklärungsquote führt beispielweise zu mehr Tatverdächtigen. Zusammen mit den Daten aus Studien, Jugendbehörden und Schulen kann man allerdings immer bessere Aussagen über Jugendkriminalität machen.

Begehen Jugendliche mehr Straftaten als Erwachsene?
Ja. Gut 12 Prozent aller Tatverdächtigen sind Jugendliche. An der Bevölkerung in Deutschland haben sie aber nur einen Anteil von rund fünf Prozent.

Sind Straftaten typisch für eine jugendliche Phase?
Ja, das ist "normal". Ab einem Alter von zehn bis zwölf Jahren steigt die Quote der Tatverdächtigen in allen vergleichbaren Ländern an. Mit 17 bis 18 Jahren erreicht sie ihren Höhepunkt, ab 20 sinkt sie wieder. Die Straftaten sind meist leichte Delikte. 90 Prozent aller männlichen Jugendlichen haben laut Umfragen einmal Straftaten begangen.

Wer begeht welche Delikte?
Die Regel ist: Je jünger desto leichter das Delikt. Ladendiebstahl, Schwarzfahren oder Sachbeschädigung werden Kindern und Jugendlichen vorwiegend zur Last gelegt. In rund einem Viertel aller Fälle wird wegen Körperverletzung ermittelt.

Werden vor allem Ältere Opfer von Jugendkriminalität?
Nein. Die meisten Taten richten sich gegen Gleichaltrige. Nach einer Detailanalyse der Kriminalstatistik in Baden-Württemberg von 2002 waren knapp 60 Prozent der Opfer in den untersuchten Fällen von 14- bis 21-jährigen Tätern im gleichen Alter. Bedeutend häufiger werden Kinder und Jugendliche Opfer von erwachsenen Tätern.

Gibt es einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen?
Ja. Vereinfacht gesagt: Geklaut wird in sehr jungen Jahren von Jungen wie Mädchen gleichermaßen. Männliche Jugendliche begehen aber grundsätzlich deutlich mehr Gewalttaten, mit zunehmendem Alter steigt der Abstand zudem noch an.
Wer fällt unter das Jugendstrafrecht?: Wer fällt unter das Jugendstrafrecht? Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig, danach gilt das Jugendstrafrecht. Gerichtsverfahren werden danach von einem speziellen Jugendrichter geführt. Auch Verfahren gegen Heranwachsende 18 und 21 Jahren werden grundsätzlich vor Jugendgerichten geführt. Dabei müssen die Richter die Reife des Angeklagten beurteilen und entscheiden, ob er noch unter das Jugendstrafrecht fällt.

Welche Rolle spielt die "Clique"?
Eine große. Der britische Autor Mark Warr hat es so ausgedrückt: "Der beste Faktor zur Vorhersage für kriminelles Verhalten ist die Zahl von straffällig gewordenen Freunden, die ein Mensch hat." Gewalt und Straftaten finden sich vor allem in Cliquen, in denen sich Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen zusammentun. Auch die Schulklasse ist übrigens eine Clique. Vom Verhalten der Mitschüler hängt beispielsweise auch ab, ob ein Jugendlicher seine "Täterrolle" weiter spielen kann.

Nimmt die Gewalt an den Schulen zu?
Verschärfte Meldepflichten, eine höhere Aufmerksamkeit von Behörden und Öffentlichkeit bringen zwar mehr Fälle ans Licht. Dennoch sank die Zahl der polizeilich ermittelten Straftaten an Schulen. Bundesweite Untersuchungen fehlen, einzelne Studien zeigen aber einen "allmählichen Rückgang" von Gewalt an Schulen.

Sind die Jugendlichen gewalttätiger geworden?
Trotz einer gestiegenen Zahl von Körperverletzungen legen Untersuchungen eher das Gegenteil nah. Zwar gibt es Unterschiede in den Regionen, aber die Tendenz zur Gewaltbereitschaft scheint zu sinken. Studien 2002 und 2005 in Greifswald, Duisburg, Münster, München und Stuttgart zeigten das im Vergleich zu 1998. Die höhere Zahl von Tatverdächtigen bei Gewalttaten wie Körperverletzung wird von den Experten eher durch mehr Anzeigen in diesem Bereich und einem genaueres "Hinsehen" auch der Behörden erklärt.

Welche Delikte sind bei nichtdeutschen Jugendlichen am häufigsten? Weitere Fragen und Antworten zur Jugendkriminalität
Der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden an den Tatverdächtigen ist in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben

Fragen und Antworten wurden zusammengestellt von Wolfram Leytz, tagesschau.de

* InternWerden nichtdeutsche Jugendliche häufiger kriminell?.
* InternJugendgewalt: Kritik an "überflüssiger Debatte".

*
Weltatlas
Weltatlas: Deutschland
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Stand: 04.01.2008 17:33 Uhr
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Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Inhalt
Meldung Jugendkriminalität - Fragen und Antworten, Teil II
Sind ausländische Jugendliche wirklich gewalttätiger?

Die Debatte über die Jugendkriminalität ist voll entbrannt. Vor allem nichtdeutschen Jugendlichen wird eine immer höhere Gewaltbereitschaft zugeschrieben. Nehmen die Straftaten von Jugendlichen wirklich zu? Welche Taten werden häufiger, welche weniger verübt? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zusammengestellt.

Warum werden Jugendliche kriminell?
Persönlichkeitsmerkmale, wie etwa der unzureichende Umgang mit Konflikten, sind ein Grund. Das soziale Umfeld und die Entwicklungsmöglichkeiten sind allerdings besonders wichtig. Vor allem die Situation in der Familie gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung von Aggression und der Neigung zu Straftaten. Opfer elterlicher Gewalt werden deutlich häufiger selbst zum Täter.

Gewalt Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Merkel will mit einem "Warnschuss-Arrest" die Gewalt bei Jugendlichen eindämmen. ]
Werden Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger straffällig?
Ja, allerdings nicht so viel mehr, wie es die nackten Zahlen der Tatverdächtigenstatistik scheinen lassen. Die Polizeistatistik unterscheidet nach Deutschen und Ausländern. Ein Vergleich mit der deutschen Bevölkerung bleibt aber schwierig. Zum Beispiel waren 2005 22,5 Prozent aller Tatverdächtigen keine Deutschen. Der Ausländer-Anteil in Deutschland liegt bei 8,8 Prozent. Zu diesem Anteil werden allerdings Touristen und Illegale nicht gezählt, die in der Tatverdächtigenstatistik jedoch auftauchen. Ein Vergleich wird dadurch verfälscht. Dazu kommt etwa, dass hier lebende Ausländer häufiger in Städten wohnen und jünger sind – alles Faktoren, die auch bei deutschen Bürgern die Gefahr, kriminell zu werden, statistisch gesehen erhöhen.
Welche Möglichkeiten bietet das Jugendstrafrecht?: Bei geringen Verfehlungen kann der Jugendrichter Erziehungsmaßnahmen verhängen. Das kann beispielsweise eine Weisung sein, eine Art Strafarbeit zu leisten. In gravierenderen Fällen gibt es Verwarnungen und schärfere Auflagen wie etwa eine Geldbuße und Jugendarrest. Letzterer darf bis zu vier Wochen dauern. Für schwere Vergehen können bis zu zehn Jahre Jugendhaft verhängt werden. Jugendstrafen werden häufig zur Bewährung ausgesetzt.

Welche Delikte sind bei nichtdeutschen Jugendlichen am häufigsten?
Nach der Kriminalitätsstatistik 2006 war Körperverletzung mit 29,5 Prozent am häufigsten Ermittlungsursache vor Ladendiebstahl (22,9 Prozent). Bei deutschen Jugendlichen liegen diese beiden Delikte mit jeweils rund 23 Prozent gleichauf vor Sachbeschädigung (18,9 Prozent). Studien zeigen, dass die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen mit Herkunft beispielsweise aus der Türkei oder dem früheren Jugoslawien deutlich erhöht ist.

Wirkt es sich positiv aus, wenn die Jugendlichen schon hier geboren sind?
Nein. Gerade die zweite und dritte Generation der Zuwanderer hat eine höhere Kriminalitätsbelastung. "Das Erlebnis fehlender Akzeptanz und Gleichbehandlung mit Deutschen wird als Diskriminierung erlebt und erzeugt Konflikthaltungen", heißt es im Sicherheitsbericht der Bundesregierung. 21 Prozent der rund 7,3 Millionen in Deutschland lebenden Ausländer sind übrigens hier geboren und 62 Prozent leben länger als zehn Jahre in der Bundesrepublik.

Welche Erklärung gibt es für eine höhere Kriminalitätsquote bei nichtdeutschen Jugendlichen?
Wie bei allen jugendlichen Straftätern belasten soziale Probleme und Gewalt in der Familie die Entwicklung. Gerade in zugewanderten Familien kommt diese vor. Hier spielen aber beispielsweise auch noch Vorstellungen von Männlichkeit und Ehre eine Rolle, die zu Konflikten führen. Experten nennen auch immer wieder einen unsicheren Aufenthaltsstatus als einen belastenden Faktor.

Gibt es eine höhere Kriminalität bei Spätaussiedlern?
Hier haben es die Statistiker besonders schwer: Tatverdächtige unter den 1,6 Millionen Spätaussiedlern werden nicht als solche erfasst, denn sie haben einen deutschen Pass. Zudem gibt es in dieser Gruppe überproportional viele junge und männliche Bürger - eine höhere Kriminalitätsbelastung ist also "normal". Deutlich wird aber in verschiedenen Studien, dass es bei jungen männlichen Spätaussiedlern der letzten "Aussiedler-Welle" Mitte der 1990er Jahre eine erhöhte Kriminalität gibt.

Schrecken schärfere Strafen Jugendlichen ab?
Nach Ansicht der meisten Experten nicht. Die Rückfallquote von Jugendlichen, die eine Haftstrafe antreten, ist zudem hoch. Schwere strafrechtliche Sanktionen verschlechtern in vielen Fällen nach Ansicht der Experten eher die Prognose. Auch Kurzzeit-Arrest oder andere "Schock"-Maßnahmen helfen offenbar nicht oder nur wenig. Auch die Richter sind dieser Meinung: "Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten ist schlicht falsch", so der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Frank Christoph.

Begehen Jugendliche mehr Straftaten als Erwachsene? Weitere Fragen und Antworten zur Jugendkriminalität.
Grafik: Das Verhältnis von deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen bei den Tatverdächtigen. Veränderungen können hier viele Ursachen haben, etwa die Einbürgerung von Jugendlichen. [Bildunterschrift: Das Verhältnis von deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen bei den Tatverdächtigen. Veränderungen können hier viele Ursachen haben, etwa die Einbürgerung von Jugendlichen. ]

Fragen und Antworten wurden zusammengestellt von Wolfram Leytz, tagesschau.de

* InternImmer mehr Straftaten durch Jugendliche?.
* InternVerwirrung um geplantes Erziehungscamp in NRW [wdr].
* AudioJugendstrafrecht: Pofalla gegen Schäuble [F. Capellan, DLF].

*
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Weltatlas: Deutschland
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Stand: 04.01.2008 17:33 Uhr
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Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Jugendkriminalität

Struck findet Merkels Verhalten "erschreckend"

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© Wolfgang Kumm/DPA
Peter Struck hat am Koalitionspartner viel auszusetzen

Innerhalb der großen Koalition findet fast nur noch Wahlkampf statt. SPD-Fraktionschef Peter Struck hält die Parolen von Hessens Ministerpräsident Roland Koch für "unanständig" und auch an der Kanzlerin hat er etwas auszusetzen.

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Debatte über kriminelle Jugendliche scharf kritisiert. Merkels Verhalten sei "erschreckend", sagte Struck der "Frankfurter Rundschau", da sie sich den "unanständigen" Parolen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) angeschlossen habe. Koch stehe mit dem Rücken an der Wand und greife nach jedem Strohhalm, um nicht die Landtagswahl zu verlieren.

Merkel müsse in der Diskussion über Jugendgewalt in erster Linie als Regierungschefin agieren, mahnte Struck. Er appellierte gleichzeitig an die Verantwortung der Länder. Sie sollten mehr Polizisten, Richter und Sozialarbeiter einstellen, um das Problem in den Griff zu bekommen.
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CSU-Klausurtagung: Die Bayrischen Löwen miauen
SPD-Klausur: "Union schlägt wild um sich"
Kochs "Wahlkampf-Hetze"
Die Länder-Justizminister von Union und FDP wollen am Mittwoch über den Umgang mit der Jugendgewalt diskutieren. Seit Tagen wird in Deutschland heftig darum gestritten, ob die Gesetze verschärft werden müssen, um jugendlichen Gewalttätern Einhalt zu gebieten. Vor Koch, der sich Ende Januar zur Wiederwahl stellt, macht sich dafür stark. Die SPD hält ihm "Wahlkampf-Hetze" vor. Auf der Tagesordnung bei der gemeinsamen Sonderkonferenz in Berlin steht auch der Austausch der Länder in den Bereichen Integration und Prävention.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich gegen übereilte Maßnahmen aus. "Wir machen jetzt keine Schnellschüsse", sagte Künast der in Essen erscheinenden "Neuen Ruhr/Rhein Zeitung" vor der Fraktionsklausur im Wörlitz (Sachsen-Anhalt). Das geltende Jugendstrafrecht sehe bereits eine Vielzahl von Sanktionen und Auflagen vor.

Die von der Union geforderte Verschärfung habe nur das Ziel, am rechten Rand Stimmen zu fischen, sagte Künast. Das Verhalten der CDU sei auch ein Signal gegen schwarz-grüne Bündnisse. "An solchen Tagen, mit solchen Feindbildern fällt mir zu Schwarz-Grün erst einmal nichts ein", betonte Künast. Sie plädierte in der Debatte um gewalttätige Jugendliche für mehr Gerichtshelfer und Angebote an die Betroffenen.
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DPA/AP



Artikel vom 09. Januar 2008
http://www.stern.de/politik/deutschland/:Jugendkriminalit%C3%A4t-Struck-Merkels-Verhalten-erschreckend/607233.html?nv=rss

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Mittwoch, 9. Januar 2008
Langsam geht die Luft raus
Streit über Jugendgewalt

Im Koalitionsstreit über schärfere Strafen für jugendliche Kriminelle hat SPD-Fraktionschef Peter Struck Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf angegriffen. In der "Frankfurter Rundschau" nannte er es "erschreckend", dass sich Merkel der "sehr unanständigen" Haltung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch angeschlossen habe. Der CDU-Politiker stehe mit "dem Rücken an der Wand und greift nach jedem Strohhalm, um nicht die Landtagswahl zu verlieren". In Hessen entscheiden die Bürger am 27. Januar über die Zusammensetzung des neuen Landtags.

Als "blanken Unsinn" wies Struck den Vorwurf aus der Union zurück, die Sozialdemokraten seien wegen ihrer Absage an schärfe Gesetze eine Gefahr für die innere Sicherheit. Sollten Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder Gesprächsbedarf haben, stehe die SPD-Führung zur Verfügung. "Bisher gibt es aber keinen Wunsch vonseiten der CDU/CSU, mit uns über konkrete Gesetzesänderungen zu reden."

Die SPD bleibe bei ihrer Position, zunächst die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten für junge Straftäter konsequent anzuwenden. Die Politik müsse sich stärker mit Ursachen der Jugendkriminalität beschäftigen. "Da besteht Nachholbedarf in einigen Bundesländern.
http://www.n-tv.de/901387.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Mittwoch, 9. Januar 2008
Werbung mit U-Bahn-Video
CSU auf Stimmenfang

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat Forderungen ihrer Länderkollegen aus Union und FDP nach schärferen Strafen für junge Kriminelle zurückgewiesen. Die Bundesregierung habe die gleichen Vorschläge bereits 2006 einstimmig abgelehnt, sagte die Ministerin nach einer Sonderkonferenz der Justizminister der unionsregierten Länder in Berlin. Die Länderminister hatten sich für härtere Gesetze und mehr Vorbeugung ausgesprochen. Unterdessen macht die CSU Wahlkampf mit einer Video-Szene von dem Überfall in der Münchner U-Bahn.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht indes in der Debatte über Jugendkriminalität und Ausländer keinen Bedarf für einen zusätzlichen Integrationsgipfel. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hatte dies gefordert und vor einer Spaltung des Landes gewarnt.

Allerdings wird es am 30. Januar ein Treffen der Bundesintegrationsbeauftragten Maria Böhmer (CDU) mit Migrantenorganisationen im Bundeskanzleramt geben. Dies sei ein Routinetreffen im Rahmen des Nationalen Integrationsplans, heißt es in einer Mitteilung Böhmers. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, er gehe davon aus, dass die aktuelle Debatte dabei eine Rolle spielen werde. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte nach dem brutalen Überfall in einer Münchner U-Bahn eine Debatte über junge ausländische Gewalttäter ausgelöst. Koch stellt sich am 27. Januar der Wiederwahl.

Zypries sagte: "Die jüngst wieder einmal erhobenen Forderungen zur Verschärfung des Jugendstrafrechts entsprechen inhaltlich im Wesentlichen einem Bundesratsantrag vom 10. Februar 2006." Die Ministerin betonte jedoch: "Brutale Übergriffe, wie sie jüngst stattgefunden haben, sind nicht hinnehmbar." Die Ursachen der Gewalt müssten konsequent bekämpft werden.

"Wir wollen nicht nur verschärfen, sondern auch vorbeugen", sagte Niedersachsens Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) bei der Sonderkonferenz in Berlin zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Die Konferenz habe sich auf das Motto "Vorbeugen, Hinsehen, Eingreifen" verständigt.

Die Justizminister aus den Bundesländern bekräftigten außerdem ihre Forderungen nach Erziehungscamps, einem Fahrverbot für jugendliche Straftäter, einer Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe sowie der Verkürzung von Verfahrensdauern. "Wir müssen den Werkzeugkasten der Jugendrichter erweitern", sagte Sachsen Justizminister Geert Mackenroth (CDU). Ein "Warnschuss-Arrest", bei dem kriminelle Jugendliche zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe für bis zu vier Wochen weggesperrt werden, soll nach Ansicht der Minister Bewährungsstrafen "spürbar" machen.

Hessens SPD fordert von Ministerpräsident Koch eine Abgrenzung nach rechts. Ihr Generalsekretär Norbert Schmitt verwies auf das Lob der NPD für Kochs Forderung nach einer rascheren Abschiebung krimineller Ausländer. Dazu sagte Hessens Justizminister Jürgen Banzer (CDU): "Wir lassen uns von der NPD nicht die Wahlkampfthemen vorschreiben."

Wahlkampf mit Gewaltszenen

Bayerns SPD hat empört auf ein neues Wahlkampfplakat der Münchner CSU mit einer Szene des Überfalls auf einen Rentner in der U-Bahn reagiert. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sprach von einer unverantwortlichen Reaktion und einem "Tiefpunkt der politischen Kultur". Er wurde von Bayern SPD-Fraktionschef Franz Maget unterstützt. Es handele sich um den offensichtlichen Versuch, Angst zu machen und eine Panikstimmung auszunutzen.

Die CSU wirbt mit dem Plakat "Keine Nachsicht mit Gewalttätern" für die Kommunalwahl am 2. März. Es zeigt, wie einer der beiden Schläger auf die Silhouette des am Boden kauernden 76-jährigen Rentners eintritt. In dem weiß ausgesparten Umriss ist zu lesen: " ... damit Sie nicht der Nächste sind".

Struck: "Erschreckend" und "unanständig"

SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte in der Debatte die Rolle der Bundeskanzlerin. Ihr Verhalten sei "erschreckend", sagte Struck der "Frankfurter Rundschau", da sie sich den "unanständigen" Parolen Kochs angeschlossen habe.

Als "blanken Unsinn" wies Struck den Vorwurf aus der Union zurück, die Sozialdemokraten seien wegen ihrer Absage an schärfe Gesetze eine Gefahr für die innere Sicherheit. Sollten Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder Gesprächsbedarf haben, stehe die SPD-Führung zur Verfügung. "Bisher gibt es aber keinen Wunsch vonseiten der CDU/CSU, mit uns über konkrete Gesetzesänderungen zu reden." Die SPD bleibe bei ihrer Position, zunächst die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten für junge Straftäter konsequent anzuwenden. Die Politik müsse sich stärker mit Ursachen der Jugendkriminalität beschäftigen, so Struck: "Da besteht Nachholbedarf in einigen Bundesländern."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Koalition vor, in tiefste Wahlkampf-Niederungen abzusinken. "Wir werden uns daran nicht beteiligen", sagte Künast.

Fast zwei Drittel der Deutschen (64 Prozent) sind der Ansicht, dass der hessische Ministerpräsident das Thema Jugendkriminalität aus rein wahltaktischem Kalkül in den Vordergrund gerückt hat. In einer Forsa-Umfrage erklärten nur 25 Prozent, Koch sei es ein echtes, ehrliches Anliegen, wenn er jetzt ein härteres Durchgreifen gegen kriminelle jugendliche Ausländer fordere.
http://www.n-tv.de/901387.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Köln zieht negative Bilanz eines Modellfalls
Schlechte Erfahrung mit US-Erziehungscamps

Von Frank Überall

Im Jahr 2003 hat Köln als eine der ersten Kommunen einen mehrfach straffällig gewordenen Jugendlichen in ein Erziehungscamp in den USA geschickt. Nach 18 Monaten kam er zurück - und wurde gleich wieder straffällig.
Das Schulgebäude von Glen Mills; Rechte: glen mills

Haftlaternative in den USA: Glen Mills

Ein Amtsrichter hatte 2003 vorgeschlagen, den damals 16-Jährigen in die berüchtigte Glen Mills School in den USA zu schicken. Diese Einrichtung setzt zwar auf einen streng geregelten Tagesablauf und psychische Druckmittel, wendet aber keinen militärischen "Drill" an wie er in anderen amerikanischen Straflagern für junge Menschen üblich ist. "Wir haben damals schon gehofft, dem Jugendliche eine echte Chance zu geben", sagt Klaus-Peter Völlmecke vom Kölner Jugendamt heute: "Aber für uns ist dieser Einzelfall eine negative Erfahrung gewesen."
Nach der Rückkehr wieder straffällig

Eineinhalb Jahre verbrachte der Kölner in der Erziehungsanstalt Glen Mills, machte dort seinen Schulabschluss. Die öffentlichen Kassen kostete das rund 100 Euro am Tag. Nach seiner Rückkehr wurde der junge Erwachsene nicht in Köln, sondern in einer anderen Stadt in Nordrhein-Westfalen untergebracht. Nach kurzer Zeit habe er aber erneut Straftaten begangen, erklärt Völlmecke: "Beim Schulbesuch in den USA hat er offenbar eine reine Anpassungsleistung erbracht, die keine nachhaltigen Früchte getragen hat."
"Zum Scheitern verurteilt"
Betreuer und Jugendliche im Gesprächskreis; Rechte: ddpBild vergrößern

Pädagogische Betreuung wichtiger

Erziehungscamps nach dem Vorbild der USA seien für die Stadt Köln deshalb keine Alternative, so der Fachmann. Statt dessen müsse man über eine bessere pädagogische Betreuung junger Straftäter im Jugendvollzug nachdenken. Diese Ansicht teilt auch der erfahrene Kölner Sozialarbeiter Franco Clemens: "Es bringt absolut nichts, Verhaltensauffällige mit anderen Verhaltensauffälligen in einem Lager zusammen zu fassen. Die werden aus ihrem Umfeld heraus gezogen und müssen sich dann später wieder in die Gesellschaft integrieren. Dieser Ansatz ist von vornherein zum Scheitern verurteilt."

Das städtische Jugendamt in Köln liegt mit einer Skepsis gegenüber Erziehungscamps auf einer Linie mit der politischen Mehrheit im Stadtrat. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat, Martin Börschel, hält diese Einrichtungen ebenfalls für problematisch. In diesem Zusammenhang sei auch noch unklar, ob und wie das von der Landesregierung geplante Erziehungscamp in Bedburg-Hau funktionieren könne.
Mehr zum Thema

* WDR: Kölner Richter schickt Jugendlichen in US-Internat
"Big Brother" statt Gefängnis (14.01.2003)
* WDR: Schwerpunkt: Erziehungscamps gegen Jugendkriminalität

Stand: 09.01.2008, 15:34 Uhr
http://www.wdr.de/themen/panorama/kriminalitaet01/murat/080109.jhtml