Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kinder- und Jugenddelinquenz

Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Inland Unions-Innenminister zur Jugendkriminalität
Prävention und härtere Strafen

Jugendliche in einer Jugendarrestanstalt (Foto: picture-alliance) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Abschiebung schon bei einjähriger Gefängnisstrafe - das wollen die Innenminister der Union. ]
Die Innenminister von CDU und CSU haben als Ergebnis ihrer Beratungen in Wiesbaden über geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität einen Zehn-Punkte-Katalog vorgelegt. Im Einzelnen fordern sie die grundsätzliche Anwendung des Erwachsenenstrafrechts bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren, die Anhebung der Haftstrafen bei schwerster Kriminalität von zehn auf 15 Jahre sowie die Einführung eines "Warnschussarrests". Zudem sprachen sich die Unions-Innenminister dafür aus, ausländische jugendliche Straftäter bereits ab einem Jahr Gefängnisstrafe auszuweisen.

Das vorgezogene Jugendverfahren mit einer schnelleren Bestrafung soll in allen Bundesländern Standard, auch Fahrverbote sollen Teil des Strafenkatalogs werden. Der Zehn-Punkte-Plan sieht auch eine stärkere Überwachung mit Videokameras im öffentlichen Raum sowie Maßnahmen zur Prävention vor. Dazu sollen künftig unter anderem Bewährungsstrafen mit Arbeitsstunden verbunden sowie jugendliche Straftäter zur Teilnahme an Präventionsprojekten verpflichtet werden.
Jugendkriminalität Hintergrund: Weitere Meldungen Steigt die Jugendkriminalität tatsächlich an? Welche Taten werden häufiger, welche weniger verübt? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zusammengestellt. [mehr]
Kein Verständnis für SPD-Haltung

Volker Bouffier (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Kritik an der SPD kommt auch von Hessens Innenminister Volker Bouffier. ]
Zur Begründung dieser Forderungen sagte der hessische Innenminister und Gastgeber der Tagung, Volker Bouffier: "Wir haben ein hohes Gewaltpotenzial in einer bestimmten Altersklasse, es besteht da auch gesetzgeberischer Handlungsbedarf." Bouffier verwies darauf, dass nicht alle zehn Punkte umgesetzt werden müssten und sich die Union gesprächsoffen zeigen werde. Nicht hinnehmbar sei aber, dass die Sozialdemokraten sagten, es bestehe kein Handlungsbedarf.
Unterstützung für Ministerpräsident Koch

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der wegen der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes nicht an der Konferenz in Wiesbaden teilnahm, wurde mit den Worten zitiert, dass es wichtig sei, Maßnahmen zu beschließen, "die ein deutliches Zeichen setzen". Es sei grotesk, dass die Täter in den meisten Fällen schon wieder auf freiem Fuß seien, bevor die Opfer das Krankenhaus verlassen könnten. Deshalb unterstütze er wie seine Ressortkollegen aus den uniionsgeführten Ländern die Vorschläge des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch nach härteren Strafen für jugendliche Kriminelle.

Diesen Weg zur Bekämpfung der Jugendkriminalität hält der Deutsche Richterbund für falsch. Er forderte schnelles Reaktionsvermögen der deutschen Justiz und die dafür notwendige Stellenbesetzung von Richter und Staatsanwälten.
Kritik von den Oppositionsparteien

Auf Antrag der Grünen sollen kommende Woche die Abgeordneten im Bundestag in einer Aktuellen Stunde über das Thema Jugendkriminalität diskutieren. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast rief SPD und Union zur "verbalen Abrüstung" auf. "Bei der Regierung sieht man da eine offene Feldschlacht." Auch in der FDP wächst offensichtlich der Unmut über Koch. Parteichef Guido Westerwelle sagte der hannoverschen "Neuen Presse": "Der stellvertretende Vorsitzende der CDU sollte sich weniger Gedanken darüber machen, gegen wen man welches Thema in welchem Wahlkampf ausspielt, sondern mehr darüber, wie man die Probleme tatsächlich löst."
Wulff und von Beust zurückhaltender

Die CDU-Regierungschefs Christian Wulff und Ole von Beust fahren in der Gewalt-Debatte einen moderateren Wahlkampf-Kurs. Niedersachsens Ministerpräsident distanzierte sich von seinem Amtskollegen Koch: In jüngster Zeit sei einiges gesagt worden, was kritisch gesehen werden könnte, sagte Wulff bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen in Hannover. Ein Schüler hatte ihm vorgehalten, die CDU nutze das Thema Jugendkriminalität zu Wahlkampfzwecken. "Ich bin hier in Niedersachsen, ich habe damit nichts zu tun", sagte Wulff. Hamburgs Bürgermeister von Beust warnte davor, in der Debatte junge Menschen unter Generalverdacht zu stellen. In beiden Bundesländern wird im Frühjahr gewählt.

* InternHintergrund: Die Vorschläge der Innenminister.
* InternRichterbund lehnt verschärftes Jugendstrafrecht ab.
* InternImmer mehr Straftaten durch Jugendliche?.
* VideoUnions-Innenminister unterstützen Koch [U. Meerkamm, HR].

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Weltatlas
Weltatlas: Deutschland
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Stand: 11.01.2008 18:05 Uhr
http://www.tagesschau.de/inland/innenminister4.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Thema Jugendgewalt

Struck bepöbelt CDU

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© Franka Bruns/AP
Zwar räumte Struck selbst ein, seine Äußerungen seien eine "böse Unterstellung" - doch entschuldigen wollte er sich nicht


Der Streit zwischen Union und SPD eskaliert: Nachdem SPD-Fraktionschef Struck Hessens Ministerpräsidenten Koch massiv angegriffen hatte, setzte er noch ein drauf. Die Forderung der CDU nach einer Entschuldigung lehnte er ab: "Die kann mich mal."

Der Streit zwischen Union und SPD über das Thema Jugendgewalt eskaliert. SPD-Fraktionschef Peter Struck warf dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch am Freitag vor, er hätte die Kampagne über eine Verschärfung des Jugendstrafrechts nicht losgetreten, wenn die Täter in der Münchner U-Bahn Deutsche gewesen seien. Die CDU reagierte empört und verlangte eine Entschuldigung, die Struck mit den Worten ablehnte: "Die kann mich mal."
Muss das Jugendstrafrecht verschärft werden?
Die Struck-Attacke im O-Ton
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Im Deutschlandfunk sagte Struck, er glaube, dass Koch "ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte: "Strucks Unterstellung schlägt dem Fass den Boden aus". Mit diesen Äußerungen sei endgültig eine Grenze überschritten worden. "Das hat mit demokratischer Streitkultur nichts mehr zu tun. Ich gehe davon aus, dass Herr Struck weiß, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hat und er diesen schnell und unmissverständlich ausräumen muss", sagt Pofalla.

Koch nennt Attacke "Unverschämtheit"
Koch selbst hatte die massiven Attacken von Struck als "Unverschämtheit" zurückgewiesen. Struck instrumentalisiere das Thema Jugendkriminalität auf Kosten der Gewaltopfer, so Koch. "Ich finde es insbesondere gegenüber dem alten Mann eine Unverschämtheit", sagte Koch.
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Die Zitate
"Ich glaube, dass Roland Koch ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist."
SPD-Fraktionschef Peter Struck am Freitag im Deutschlandfunk über Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und die Forderung nach schärferem Jugendstrafrecht wegen des Überfalls zweier ausländischer Jugendlicher auf einen Rentner

"Die kann mich mal"
SPD-Fraktionschef Peter Struck auf die Frage, ob er sich bei der CDU entschuldigen wolle

Der hessische Regierungssprecher Dirk Metz nannte Strucks Äußerungen "abstoßend, perfide und auch in Wahlkampfzeiten nicht hinnehmbar". Es werde Struck nicht gelingen, "den Ministerpräsidenten mit solchen Totschlags-Äußerungen mundtot zu machen". Strucks Entgleisung zeige, dass Teile der SPD immer noch nicht begriffen hätten, dass schnelles Handeln angesichts der nicht nur in München verübten Gewalttaten geboten sei.

"Böse Unterstellung"
Struck räumte in dem Deutschlandfunk-Interview auf Nachfrage ein, dass seine Äußerung eine "böse Unterstellung" sei. "Aber trotzdem: Ich meine, er arbeitet auch nur mit Unterstellungen", sagte Struck. Er frage sich, "ob Herr Koch zum Beispiel das Thema auch so hochgezogen hätte, wenn es zwei deutsche Jugendliche gewesen wären, die diesen Rentner da malträtiert haben. Insofern sage ich, es ist sozusagen der reine zweite Versuch gewesen, mit dem Thema Ausländer und Ausländerfeindlichkeit wieder eine Wahl zu gewinnen, die auch bei ihm auf der Kippe steht".

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SPD-Chef Kurt Beck kommentierte das Geschehen mit den Worten: "Es wäre für Deutschland ein Segen, wenn dieser Herr Koch abgewählt würde." Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wollte zu dem Vorgang keine Bewertung abgeben. Er könne nur "Gegenstände des Regierungshandelns kommentieren", sagte Wilhelm in Berlin. Er könne aber das Klima in der Koalition bewerten und hier sei das Fazit, dass die große Koalition handlungsfähig sei. Die Arbeit der Bundesregierung werde verantwortungsbewusst fortgeführt.

Koch kontert Richterbund-Kritik
Der hessische Ministerpräsident wies unterdessen Vorwürfe des Richterbundes in seinem Land zurück, er habe in Hessen die Justiz durch jahrelange Einschnitte und Personalabbau geschwächt. "Die Tatsache, dass Hessen das Land ist, das in den letzten Jahren keinen Anstieg der Körperverletzungsdelikte hat, dass wir die Zahl jugendlicher Ausländer zurückdrängen konnten, die sich damit befassen, zeigt, dass wir ganz gute Instrumente haben", sagte Koch. "Aber wir behaupten nicht, dass wir in allen Punkten perfekt sind. Trotz dieser guten Ergebnisse ist gerade die Frage, wie kann man Gerichtsverfahren weiter beschleunigen, eine Herausforderung, an der wir in Hessen noch arbeiten."

Die Zuwandererverbände, die sich gegen eine Wiederwahl Kochs ausgesprochen haben, warnte der Ministerpräsident vor einer Spaltung der Gesellschaft. "Die meisten ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ich treffe, haben das gleiche Interesse wie ich: dass sie nicht von Kriminalität betroffen werden." Viele hätten die Sorge, dass der hohe Anteil von Zuwanderern an Gewaltverbrechen ihnen schade. "Deshalb ist es ganz unklug, hier eine Aufspaltung vorzunehmen - hier die Migranten in Deutschland und da die Politik oder ein Politiker. Wir müssen darüber reden, warum ein zu hoher Anteil der Kriminalität gerade bei jungen Menschen, die Gewalt anwenden, von Migranten begangen wird, ohne dass wir dabei einen großen Grundsatzkonflikt zwischen den Gruppen entstehen lassen", sagte Koch. "Ich denke, dass außer den Funktionären von bestimmten Organisationen das auch die meisten Migrantinnen und Migranten so sehen."

AP/Reuters



Artikel vom 11. Januar 2008
http://www.stern.de/politik/deutschland/:Thema-Jugendgewalt-Struck-CDU/607620.html?nv=rss

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Inland Struck lehnt Entschuldigung bei Koch ab
"Die CDU kann mich mal"

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat Forderungen nach einer Entschuldigung für seine scharfe Kritik an Hessens Ministerpräsident Roland Koch barsch zurückgewiesen. Er sagte am Freitag zu einer entsprechenden Forderung der CDU: "Die kann mich mal."

Peter Struck (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Der SPD-Fraktionschef Struck will sich nicht beim hessischen Ministerpräsidenten entschuldigen. ]
Zuvor hatte er Koch in einem Deutschlandfunk-Interview vorgeworfen, dieser sei froh über die U-Bahnattacke von ausländischen Jugendlichen auf einen Rentner, weil diese ihm eine Vorlage für das Wahlkampfthema Ausländerkriminalität geliefert habe. Darauf angesprochen sagte Struck: "Herr Koch hätte eine solche Kampagne, wie er sie begonnen hat, nicht gemacht, wenn es sich um deutsche jugendliche Schläger gehandelt hätte."
Struck gibt Unterstellung zu

Struck räumte in dem Interview auf Nachfrage ein, dass seine Äußerung eine "böse Unterstellung" sei. "Aber trotzdem: Ich meine, er arbeitet auch nur mit Unterstellungen", sagte Struck. Er frage sich, "ob Herr Koch zum Beispiel das Thema auch so hochgezogen hätte, wenn es zwei deutsche Jugendliche gewesen wären, die diesen Rentner da malträtiert haben. Insofern sage ich, es ist sozusagen der reine zweite Versuch gewesen, mit dem Thema Ausländer und Ausländerfeindlichkeit wieder eine Wahl zu gewinnen, die auch bei ihm auf der Kippe steht".
Unionspolitiker empört

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kommentierte die Äußerung mit den Worten, diese "schlägt dem Fass den Boden aus. Hier ist endgültig eine Grenze überschritten." Das habe mit demokratischer Streitkultur nichts mehr zu tun. Struck wisse, dass er einen schwerwiegenden Fehler gegangen habe und diesen schnell und unmissverständlich ausräumen müsse.

Strucks Äußerungen seien "abstoßend, perfide und auch in Wahlkampfzeiten nicht hinnehmbar", erklärte der hessische Regierungssprecher Dirk Metz. Struck werde es nicht gelingen, "den Ministerpräsidenten mit solchen Totschlags-Äußerungen mundtot zu machen". Strucks Entgleisung zeige, dass Teile der SPD immer noch nicht begriffen hätten, dass schnelles Handeln angesichts der nicht nur in München verübten Gewalttaten geboten sei. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer sagte, die Äußerungen von Struck seien "infam". Der SPD-Fraktionschef wolle davon ablenken, dass er "keine Antworten" auf Gewalttaten wie den Übergriff zweier Jugendlicher in der Münchner U-Bahn auf einen Rentner habe.

Koch fordert mit Blick auf solche Gewalttaten mit Unterstützung der Union eine Verschärfung der Gesetze gegen Jugendgewalt und kriminelle Ausländer. SPD, FDP, Grüne und Linkspartei kritisieren dies als unverantwortlichen Populismus im hessischen Landtagswahlkampf.

* InternDossier: Jugendkriminalität - Ein Problem wird instrumentalisiert.
* InternInterview mit SPD-Fraktionschef Struck [dlf].
* AudioSPD-Fraktionschef Struck zum Thema Jugendkriminalität [DLF].

*
Weltatlas
Weltatlas: Deutschland
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Stand: 11.01.2008 16:36 Uhr
http://www.tagesschau.de/inland/struck4.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

"... er kann mich im Arsche lecken!" Nachzulesen bei Goethes Götz von Berlichingen.

Struck blieb indirekt.

"Die CDU kann mich mal"
Struck attackiert Koch

Video Struck attackiert Koch
Fahrverbot und Abschiebung Union gegen junge Kriminelle
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Freitag, 11. Januar 2008
Struck zitiert Goethe
"Die CDU kann mich mal"

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat Forderungen nach einer Entschuldigung für seine scharfe Kritik an Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) barsch zurückgewiesen. Er sagte zu einer entsprechenden Forderung der CDU: "Die kann mich mal." Zuvor hatte er Koch in einem Radiointerview vorgeworfen, dieser sei froh über die schreckliche U-Bahnattacke von ausländischen Jugendlichen auf einen Rentner, weil diese ihm eine Vorlage für das Wahlkampfthema Ausländerkriminalität geliefert habe. Darauf angesprochen sagte Struck: "Herr Koch hätte eine solche Kampagne, wie er sie begonnen hat, nicht gemacht, wenn es sich um deutsche jugendliche Schläger gehandelt hätte."

Koch fordert im Zusammenhang mit Überfallen durch Jugendliche eine Verschärfung der Gesetze gegen Jugendgewalt und kriminelle Ausländer und wird dabei von der Union unterstützt. SPD, FDP, Grüne und Linkspartei kritisieren dies als unverantwortlichen Populismus im Landtagswahlkampf. In Wiesbaden untermauerten jedoch die Unions-Innenminister - zwei Wochen vor den Wahlen in Hessen und Niedersachsen - ihre Forderungen nach härterem Vorgehen gegen kriminelle Jugendliche.

"Deutliche Meinungsunterschiede"

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel räumt "deutliche Meinungsunterschiede innerhalb der Koalition" ein, sieht aber offenbar keinen Bruch: "Über bestimmte Aspekte des Themas gab und gibt es in der Koalition Einigkeit", sagte Merkel der Tageszeitung "Die Welt". Dazu zählten die Stärkung von Prävention, Integration, Bildung und Zivilcourage. Die von der Union geforderten schärferen Gesetze lehne die SPD ab: "Weil in Wahlkämpfen vor allem über Unterschiede gesprochen wird, rücken diese Differenzen stärker in den Vordergrund als die Gemeinsamkeiten."

Gleichzeitig legt Merkel aber nach, verteidigt die Haltung der Union und weist die Einwände der SPD zurück: Die CDU-Vorsitzende verlangte eine Erhöhung der Maximalstrafe von zehn auf 15 Jahren, beschleunigte Gerichtsverfahren und einen "Warnschussarrest im Zusammenhang mit Bewährungsstrafen" und Erziehungscamps. Solche geschlossenen Heime seien eine "notwendige Maßnahme" zur individuellen Therapie. Bei ausländischen Tätern müsse schneller als bisher eine Abschiebung verfügt werden. Während dieses Mittel bisher erst bei Verurteilungen ab drei Jahren in Betracht gezogen werde, solle dies künftig schon bei "einem Jahr ohne Bewährung gelten".

"Grenze überschritten"

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kommentierte die Struck-Äußerung mit den Worten, das "schlägt dem Fass den Boden aus. Hier ist endgültig eine Grenze überschritten." Das habe mit demokratischer Streitkultur nichts mehr zu tun. Struck wisse, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen habe und diesen schnell und unmissverständlich ausräumen müsse. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte der "Südwest Presse", Strucks Aussage sei "eine völlig abwegige Unterstellung".

"Unverschämtheit"

Auch Koch selbst wies die massiven Attacken als "Unverschämtheit" zurück. Struck instrumentalisiere das Thema Jugendkriminalität auf Kosten der Gewaltopfer, sagte Koch in einem Reuters-Interview. Der CDU-Politiker wies ferner Vorwürfe des Richterbundes zurück, er habe in Hessen die Justiz durch jahrelange Einschnitte und Personalabbau geschwächt. "Die Tatsache, dass Hessen das Land ist, das in den letzten Jahren keinen Anstieg der Körperverletzungsdelikte hat, dass wir die Zahl jugendlicher Ausländer zurückdrängen konnten, die sich damit befassen, zeigt, dass wir ganz gute Instrumente haben", sagte Koch. "Aber wir behaupten nicht, dass wir in allen Punkten perfekt sind. Trotz dieser guten Ergebnisse ist gerade die Frage, wie kann man Gerichtsverfahren weiter beschleunigen, eine Herausforderung, an der wir in Hessen noch arbeiten."

"Barer Unsinn"

Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nannte Kochs Forderungen nach härteren Strafen für kriminelle Jugendliche und schnellerer Ausweisung "baren Unsinn". Gegenüber "Spiegel" verteidigte Schily die frühere rot-grüne Regierung gegen die Angriffe des CDU-Politikers: "Das ist an Dreistigkeit kaum zu übertreffen. Unsere Politik war kein Wischi- Waschi, ich bin doch kein Träumer." Der von der Union geforderte "Warnschussarrest" sowie Erziehungscamps und Fahrverbote seien schon heute möglich. "Koch kennt offenbar das Jugendgerichtsgesetz nicht", sagte Schily. Nach seiner Ansicht hat die Union die Themen Einwanderung und Integration "jahrzehntelang schlicht geleugnet".

"95 Prozent sind ordentlich"

Unterdessen bemühen sich die CDU-Regierungschefs Christian Wulff und Ole von Beust in der immer hitzigeren Debatte um einen moderaten Wahlkampf-Kurs. Niedersachsens Ministerpräsident Wulff übte indirekt vorsichtige Kritik an seinem hessischen Amtskollegen Koch. In jüngster Zeit sei einiges gesagt worden, was kritisch gesehen werden könnte, sagte Wulff bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen in Hannover. Namentlich erwähnte er Koch nicht. Ein Schüler hatte Wulff vorgehalten, die CDU nutze das aktuelle Thema Jugendkriminalität zu Wahlkampfzwecken. "Ich bin hier in Niedersachsen, ich habe damit nichts zu tun", sagte Wulff.

Hamburgs Bürgermeister von Beust warnte davor, in der Debatte junge Menschen unter Generalverdacht zu stellen. "Es darf nicht dazu kommen, dass die Exzesse weniger zur Diskreditierung der Majorität führen." Sowohl junge Deutsche als auch Jugendliche mit ausländischem Kulturhintergrund seien zu "über 95 Prozent ordentliche Leute". Zugleich forderte Beust ein hartes Durchgreifen bei Gewaltexzessen und gegebenenfalls auch Gesetzesänderungen.

"Verbale Abrüstung"

Auf Antrag der Grünen sollen kommende Woche die Abgeordneten im Bundestag in einer Aktuellen Stunde über das Thema Jugendkriminalität diskutieren. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast rief SPD und Union zur "verbalen Abrüstung" auf. "Bei der Regierung sieht man da eine offene Feldschlacht." Parteichefin Claudia Roth warf Koch beim Wahlkampfauftakt der Grünen in Hannover eine "unanständige" Politik vor. Der CDU-Regierungschef betreibe "dröhnenden Populismus".

Auch in der FDP wächst offensichtlich der Unmut über Koch. Parteichef Guido Westerwelle sagte der Hannoverschen "Neuen Presse": "Der stellvertretende Vorsitzende der CDU sollte sich weniger Gedanken darüber machen, gegen wen man welches Thema in welchem Wahlkampf ausspielt, sondern mehr darüber, wie man die Probleme tatsächlich löst."

Die Diskussion über härtere Jugendstrafen soll demnächst auch Thema im Berliner Koalitionsausschuss von Union und SPD werden - allerdings wohl erst nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 27. Januar.

http://www.n-tv.de/902859.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Nach Attacken gegen Koch
CDU: „Struck hat Grenze demokratischer Streitkultur überschritten“
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11. Januar 2008 In der Debatte über kriminelle und gewalttätige Jugendliche hat der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, die Angriffe auf Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verschärft. Struck warf Koch am Freitag im Deutschlandfunk abermals vor, das Thema für den Wahlkampf zu instrumentalisieren und fügte hinzu: „Ich glaube, dass Roland Koch ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist.“

Die CDU fordert von Struck nun eine Entschuldigung. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, Strucks Unterstellungen schlügen „dem Fass den Boden aus“. Pofalla kritisierte: „Hier ist endgültig eine Grenze überschritten. Das hat mit demokratischer Streitkultur nichts mehr zu tun.“ Der CDU-Generalsekretär fügte hinzu, er gehe davon aus, dass Struck wisse, „dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hat und er diesen schnell und unmissverständlich ausräumen muss.“ Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wollte die Äußerung Strucks nicht bewerten. Auf Fragen, wie es um das Klima in der Regierung bestellt sei, sagte Wilhelm, die „Koalition ist arbeitsfähig“. Kurz vor Wahlterminen gehörten „härtere Positionen und Abgrenzungen von politischen Inhalten“ zum politischen Alltag.

„Die kann mich mal“

Struck hielt auch nach der Klausursitzung der SPD-Bundestagsfraktion an seinen Äußerungen vom frühen Vormittag fest. Er sagte, Koch hätte die „Kampagne“ nicht eröffnet, wenn es sich bei den Tätern um Deutsche gehandelt hätte. Auf Hinweise, die CDU fordere eine Entschuldigung von ihm, erwiderte Struck: „Die kann mich mal.“ Struck sagte, angesichts der langen juristischen Aufarbeitungszeit von Straftaten Jugendlicher in Hessen falle die Kampagne aber auf Koch zurück.
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Kochs Regierungssprecher Dirk Metz reagierte empört. Strucks Äußerungen seien „abstoßend, perfide, geschmacklos und auch in Wahlkampfzeiten nicht entschuldbar.“ Es werde der SPD nicht gelingen, Koch „mit solchen Totschlags-Äußerungen mundtot zu machen.“ Der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck sagte bei der Klausur der SPD-Bundestagsfraktion nach Angaben von Teilnehmern: „Es wäre ein Segen für Deutschland, wenn dieser Herr Koch abgewählt würde.“ Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) kritisierte Kochs Vorstoß scharf: „Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten,“ sagte er dem Internetdienst „Spiegel Online.“ Kochs Forderungen nach härten Strafen seien „barer Unsinn“.

Innenminister der Union unterstützen Koch

Bei ihren Beratungen in Wiesbaden haben sich unterdessen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und seine Amtskollegen in den unionsregierten Ländern den Forderungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch angeschlossen. Konkret verlangten sie vor allem eine schnellere Ausweisung ausländischer Straftäter, Fahrverbote, Warnschussarrest und ein Verbot menschenverachtender Killerspiele.

Der hessische Innenminister Volker Bouffier appellierte an die SPD, Gespräche darüber aufzunehmen. Wegen des wachsenden Gewaltpotentials Jugendlicher und Heranwachsender bestehe Handlungsbedarf. Darauf deute auch der „außergewöhnlich hohe Anteil ausländischer Straftäter“ hin. Prävention und Repression seien in der Bekämpfung der Jugendkriminalität keine Gegensätze, sondern gehörten zusammen. Dass die SPD den Handlungsbedarf des Gesetzgebers dennoch verneine, sei unverständlich. Die Union sei jedoch über ihren Forderungskatalog verhandlungsbereit sei.

„Ein deutliches Zeichen setzen“

Schäuble, der wegen der Tarifrunde des öffentlichen Diensts nicht selbst an der Wiesbadener Konferenz teilnahm, wurde mit den Worten zitiert, es sei wichtig, Maßnahmen zu beschließen, „die ein deutliches Zeichen setzen“. Der Staat dulde keine rechtsfreien Räume und gehe entschlossen gegen Straftäter vor. Es sei grotesk, dass die Täter in den meisten Fällen schon wieder auf freiem Fuß seien, bevor die Opfer das Krankenhaus verlassen könnten. Deshalb unterstütze er die hessischen Vorschläge, wird Schäuble weiter zitiert.
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Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz und brandenburgische Ressortchef Jörg Schönbohm forderte einen Warnschussarrest auch bei Bewährungsstrafen für jugendliche Gewalttäter. Die Wiesbadener Konferenz verlangte weiter, die Aussetzung von Strafen zur Bewährung regelmäßig an die Ableistung von Stunden in gemeinnützigen Einrichtungen zu knüpfen. Zudem müsse bei Heranwachsenden grundsätzlich das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. Weiter forderten die Innenminister die Verhängung von Fahrverboten, einen schnelleren Strafantritt der Verurteilten und eine Abschiebung ausländischer Straftäter schon bei Freiheitsstrafen von einem statt bisher drei Jahren. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann bekräftigte zudem die Forderung nach einem Herstellungsverbot menschenverachtender Killerspiele. Es sei erwiesen, dass derartige Spiele die Hemmschwelle zur Gewalt senken. Schünemann sprach sich für die Schaffung einer „Intensivtäterdatei“ in allen Bundesländern aus.

Richter lehnen härtere Strafen ab

Der Deutsche Richterbund lehnt indes eine Verschärfung des Jugendstrafrechts ab. Es gebe keinen Automatismus, wonach härtere Strafen zu mehr Abschreckung und weniger Kriminalität führten, sagte Richterbund-Vorsitzender Christoph Frank. Nach Überzeugung Franks ist die bisher geltende Höchststrafe für Jugendliche von zehn Jahren schon sehr hoch. „Eine längere Höchststrafe, die ohnehin fast nur für Tötungsdelikte verhängt wird, macht keinen Sinn“, sagte er. Statt dessen sei es wichtig, „bei weniger schweren Taten schnell und klar zu reagieren“. Frank sprach sich zudem gegen den sogenannten Warnschussarrest aus. Fast alle
jugendlichen Straftäter, die zu einer Bewährungsstrafe verurteilt würden, hätten vorher eine Arreststrafe verbüßt und seien wieder
rückfällig geworden.
Auf allen Kanälen: Strucks Kritik an Koch

Auf allen Kanälen: Strucks Kritik an Koch

Hessens Richter haben unterdessen Vorwürfe Kochs zurückgewiesen, sie erledigten ihre Arbeit ungenügend. Wer seine Justiz plündere, dürfe sich nicht über die Folgen wundern, sagte der Vorsitzende des Hessischen Richterbundes, Ingolf Tiefmann. 2003 seien 120 Richter- und Staatsanwaltsstellen gestrichen worden; 2005 habe das Justizministerium vorgerechnet, dass 130,5 Stellen fehlten. Dennoch habe das Ministerium keine hilfreichen Konsequenzen gezogen.

Weißer Ring: Problem wird verharmlost

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring warf Migrantenverbänden derweil vor, das Problem krimineller Ausländer zu verharmlosen. Die aktuellen Probleme seien „nur die Spitze des Eisbergs“, sagte der Vereinsvorstand und Kriminologe Hans-Dieter Schwind der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wenn darauf nicht präventiv wie repressiv reagiert wird, fliegt uns das in den nächsten Jahrzehnten um die Ohren.“ Fakt sei, dass türkische Jugendliche drei Mal so oft straffällig würden wie deutsche, ergänzte Schwind.

Der ehemalige niedersächsische Justizminister und CDU-Politiker forderte zugleich eine Staatsbürgerschaft auf Probe, um kriminelle Deutsche mit Migrationshintergrund leichter ausweisen zu können. „Wer nach seiner Einbürgerung wiederholt als Gewalttäter auffällt, von dem sollte man sich verabschieden“, so Schwind. Um Gewalt und Kriminalität bei Jugendlichen vorzubeugen, schlug er „Schnupperwerkstätten“ für Hauptschüler vor. Eine überbetriebliche Ausbildung parallel zum Schulbesuch würde die Berufschancen vieler Jugendlicher aus Problemmilieus deutlich verbessern, so Schwind.

Rund hundert Migrantenorganisationen hatten in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief Bundeskanzlerin Angela Merkel und Koch das Schüren von Vorurteilen vorgeworfen. Ähnlich hatte sich auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, gegen Koch geäußert.

Dagegen erhielt Koch Unterstützung vom Vorsitzenden des „Rats der Türkischen Staatsbürger in Deutschland“, Yasar Bilgin. Koch habe als Regierungschef „die Pflicht“ daraufhinzuweisen, dass unter den jugendlichen Straftätern in Deutschland der Anteil von Ausländern überproportional hoch sei, erklärte Bilgin, der dem hessischenCDU-Landesvorstand angehört. (Siehe auch: Koch und die Türken: „Sind wir andere CDU Mitglieder?“)

Bundesausländerbeirat besorgt

Der Vorsitzende des Bundesausländerbeirates, Memet Kilic, warnt indes vor einem Rückschlag für die Integration in Deutschland durch den Wahlkampf der CDU in Hessen. Kilic sagte, die Jugendkriminalität sei zwar ein wichtiges Thema. Es handele sich aber nicht um ein ethnisches, sondern um ein soziales Problem. Kilic äußerte die Hoffnung, dass sich Bundespräsident Horst Köhler mahnend in die Debatte einschaltet. Er sagte: „Der Bundespräsident hat die Aufgabe, den Zusammenhalt in Deutschland zu fördern.“ Deshalb wäre ein Hinweis von Köhler darauf wichtig, „dass wir eine Gesamtgesellschaft sind und unsere Probleme gemeinsam lösen sollten“.

Kilic fügte hinzu, Migrantenkinder benötigten bessere Bildungschancen. Deshalb sollte Köhler auch die Bundesländer zu entsprechenden Anstrengungen ermahnen. Enttäuscht äußerte sich Kilic, dass die Kanzlerin den hessischen Ministerpräsidenten in der Debatte über Jugendkriminalität unterstützt habe: „Bei Integration geht es nicht nur um einen Maßnahmenkatalog, sondern auch um das gesellschaftliche Klima.“ Dieses dürfe nicht durch Wahlkämpfe „vergiftet“ werden. Kilic kritisierte, die Äußerungen von Koch über Ausländerkriminalität schürten Fremdenfeindlichkeit. Der hessische Ministerpräsident mache zudem rechtsextreme Parteien „salonfähiger“, wenn er deren Argumente benutze.



Text: FAZ.NET
Bildmaterial: F.A.Z.-Greser&Lenz, picture-alliance/ dpa, reuters
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Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Das Essener Jugendamt lehnt eine Verschärfung des Jugendstraferechts ab.
Essen, 11.01.2008, Radio-Essen
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Das Essener Jugendamt lehnt eine Verschärfung des Jugendstraferechts ab.

Das Essener Jugendamt lehnt eine Verschärfung des Jugendstraferechts ab. Die rechtlichen Möglichkeiten reichten aus, auch um die etwa 150 Jugendlichen Mehrfachtäter in Essen zu bestrafen. Hier habe man gute Erfahrungen mit der sogenannten Helferkonferenz gemacht, die auf kurzfristige Maßnahmen setze, sagte uns Ulrich Engelen vom Jugendamt:

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/essen/2008/1/11/news-15626301/detail.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

© DIE ZEIT, 10.01.2008 Nr. 03

* Schlagworte:
* Gesellschaft
* Jugendgewalt
* Kriminalität

Angst vor der Jugend

Von Micha Brumlik

Der populistische Ruf nach "Erziehungscamps" offenbart die autoritären Sehnsüchte einer verunsicherten Gesellschaft
Das Auge des Bösen? Jugendlicher Straftäter in der Jugendstrafanstalt Herford (NRW)

Das Auge des Bösen? Jugendlicher Straftäter in der Jugendstrafanstalt Herford (NRW)

© Veit Mette/aif

Nun also auch in Frankfurt am Main, einer Stadt, der seit Langem eine CDU-Oberbürgermeisterin vorsteht und die in jenem Bundesland liegt, das seit acht Jahren von Roland Koch regiert wird: Am vergangenen Wochenende, spät in der Nacht, griff eine Meute randalierender junger Männer auf einem U-Bahnhof einen Zugführer an, der einen schwankenden Jugendlichen auffangen wollte – eine hilfreiche Geste, die von den anderen als Angriff gedeutet wurde. Die Meute konnte nur durch eine schnell herbeigerufene Polizeistreife davon abgehalten werden, auf den am Boden liegenden Mann einzutreten. Die Täter, die gemäß der Strafprozessordnung nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt wurden – es bestanden keine Anhaltspunkte für Fluchtgefahr oder Beweisunterdrückung –, waren Sprösslinge von Einwandererfamilien, die in einem Frankfurter Armutsviertel leben.

U- und S-Bahnen sind eine restringierte Öffentlichkeit eigener Art. Anders als im klaustrophoben, aber klar begrenzten Zeit-Raum von Aufzügen sind hier Fremde gezwungen, längere Zeit kommunikationslos miteinander zu verbringen, ein Minimum an Verhaltensregeln einzuhalten und sich als Personen zu präsentieren, die zwar anwesend, aber nicht ansprechbar sind. Dem entspricht nicht nur das ostentative Lesen von Zeitungen, sondern zunehmend die trotzig demonstrierte akustische Isolation: Jungen und Mädchen, die mit leerem Blick auf das Display ihrer Mobiltelefone oder MP3-Player stieren; die leere Zeit der Fahrt lässt sich für die Neuorganisation persönlicher Datenmengen nutzen.

Dem Binnenraum der Waggons korrespondieren unterirdische, schwach und kalt beleuchtete Passagen, Rolltreppen und Bahnsteige, deren Belebtheit tageszeitlichen Rhythmen folgt. Vor und nach dem Berufsverkehr nimmt die Frequenz der Nutzer ab. In den Stunden des frühen Morgens und der späten Nacht entfällt der Schutz dichter Menschentrauben, und die Verlorenheit der wenigen Fahrgäste nimmt objektiv und subjektiv zu – allen Alarmknöpfen zum Trotz.

Die nächtliche U-Bahn ist der wahr gewordene Albtraum der Schwachen und Minderbemittelten – gerade so, wie abendliche Parkhäuser der realistische Nachtmahr all jener sind, die wohlhabend und geschickt genug sind, über ein eigenes Automobil zu verfügen. Tatsächlich geht es beim jetzt beginnenden Dauerwahlkampf vor allem um die U- und S-Bahn-Nutzer: um solche, die eines Mindestlohns bedürfen und als mögliche Opfer von – objektiv höchst unwahrscheinlichen – Gewaltverbrechen besonders exponiert sind.

Der hessische Ministerpräsident Koch hat im Unterschied zu seinen Kollegen aus Hamburg und Niedersachsen klar erkannt, dass er sich eine neue Mehrheit weder unter den abhängig Beschäftigten noch unter dem mit der hessischen Bildungs- und Umweltpolitik höchst unzufriedenen Bürgertum beschaffen kann. Der mit dem Thema Jugendkriminalität eröffnete Wahlkampf ist daher auch – anders als es die CDU sonst so liebt – kein »Kampf um die Mitte«, sondern ein Kampf um die Stimmen der Unterschicht. Es geht um nichts anderes, als dieses Wählerpotenzial dort bei seiner Angst zu packen, wo es die andere Volkspartei, die SPD, auf seine verbliebenen Hoffnungen ansprechen will.

Allerdings dürfte durch die intensive öffentliche Debatte inzwischen klar geworden sein, dass aus fachlicher, aus sozialpädagogischer, kriminologischer oder rechtspolitischer Sicht nichts, aber auch gar nichts für den von der CDU beschlossenen Forderungskatalog von »Warnschussarrest«, längeren Haftstrafen, erleichterter Abschiebung sogar hierzulande geborener Personen und sogenannten Erziehungscamps spricht.

Der Warnschussarrest – im angelsächsischen Bereich ist vom short sharp shock die Rede – greift nur bei bisher nicht delinquent gewordenen Jugendlichen aus bürgerlichen Elternhäusern. Längere Haftstrafen werden bereits seit etwa zehn Jahren bis zum Überquellen der Jugendhaftanstalten verhängt, die Rückfallquoten liegen – nicht trotz, sondern wegen dieser Praxis – bei 71 Prozent. Es war die niedersächsische Justizministerin Heister-Neumann (CDU), die zu Recht festgestellt hat, dass »unsere Jugendanstalten in ihrer modernen Form … doch Erziehungscamps« sind. Und was die »erleichterte Abschiebung« betrifft: Sie wird sich schon allein aus europarechtlichen Gründen und aufgrund entsprechender Vorschriften der Menschenrechtskonvention auch dann nicht umsetzen lassen, wenn man es für moralisch vertretbar hält, junge Menschen, die ihre kriminelle Sozialisation ausschließlich hierzulande durchlaufen haben, auszuweisen (die Schweiz kennt für diesen Vorgang den treffenden Ausdruck »Ausschaffung«).

Der Wahlkampf Roland Kochs und Angela Merkels beruht auf fachlich unausgewiesenen Rezepten, aus untauglichen Verschärfungen, aus hohlen und nicht haltbaren rechtspolitischen Verheißungen sowie einem massiven Etikettenschwindel. Koch und Merkel tun so, als seien »Erziehungscamps« etwas grundsätzlich anderes als lediglich ein weiteres Konzept zur Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs beziehungsweise zur Anreicherung der breiten Palette jugendstrafrechtlich-pädagogischer Angebote.

Und dennoch wird an ebendiesem Etikettenschwindel eine tiefer liegende Problematik sichtbar. Der Assoziationshof des Begriffs »Erziehungscamp«, das von der Sache her nicht mehr sein kann als eine andere Form des Jugendstrafvollzugs, ist ausgesprochen weiträumig. Zu Deutsch heißt camp ja nichts anderes als »Lager«. Der Assoziationshof des Begriffs reicht vom »Ferien-« über das sportliche »Trainings« bis hin zum »Arbeits-« oder »Konzentrationslager«. Lager sind – wie der Philosoph Giorgio Agamben gezeigt hat – eingegrenzte Räume des Ausschlusses, Zonen, die zwar durch das Recht konstituiert, aber in ihrem Inneren dem Recht nicht unterworfen sind. Damit kein Missverständnis entsteht: Es geht nicht darum, irgendjemandem vorzuwerfen, er wolle Jugend-KZs, die es in der NS-Zeit tatsächlich gab, einrichten. Wohl aber geht es darum, zu zeigen, welche sonst zensierten Ordnungswünsche mit derlei Begriffen provoziert werden können.

Dass bei Kochs Kampagneein kulturalistisch verbrämter Rassismus im Spiel ist, hatte sich schon bei ihrem Auftakt gezeigt – in seinen polemischen Garnierungen, vor allem seiner Kritik an gewissen »hierzulande nicht üblichen Formen der Müllentsorgung« oder seinen Bemerkungen zur »Hausschlachtung«, die mit dem Thema Sicherheit in der U-Bahn nicht das Mindeste zu tun haben.

Ein näherer Blick auf Kochs Semantik und den ursprünglichen Münchner Fall fördert zutage, dass es nicht nur um eine Mobilisierung von Angst, sondern auch um die Sehnsucht nach Unterwerfung geht. Um diese Sehnsucht besser zu verstehen, sei ein Blick auf die Bild-Zeitung geworfen.

Man kann dieses Blatt als Kampfblatt populistischer und konservativer Strömungen analysieren und bekämpfen. Doch womöglich ist die Bild-Zeitung mehr und anderes: Vielleicht ist sie in ihren vielstimmigen Einlassungen vor allem eine Projektionsfläche des kollektiven Unbewussten – also im wahrsten Sinne des Wortes ein Medium, in dem sich jene Emotionen, die in der seriösen Publizistik der Zensur einer verantwortungsethisch orientierten Berichterstattung unterliegen, ungehemmt artikulieren. Wenn das der Fall ist, lässt sich aus der Bild-Zeitung mehr über die kollektive Befindlichkeit der Deutschen erfahren als aus methodisch gesicherten Meinungsumfragen.

Ist es nicht paradox? In dem Maße, wie die ernst zu nehmende kriminologische, sozialpädagogische und juristische Zunft von exzellenten Wissenschaftlern wie den Kriminologen Christian Pfeiffer und Joachim Kersten sowie dem Psychologen Michael Hock bis zu Anwaltsvereinen und dem deutschen Richterbund die CDU-Vorschläge begründet zurückweist, verstärkt die Bild-Zeitung ihre Kampagne. Während in der Ausgabe vom 4. Januar der Kolumnist Franz Josef Wagner anlässlich des Vorwahlsieges von Barack Obama auf Seite zwei Rassismus in Reinkultur absondert – Obamas »Großmutter lebt 80-jährig in einem Kral in Kenia. Sie weiß nicht, wie man mit Messer und Gabel isst« –, feiert das Blatt auf Seite eins »Deutschlands mutigsten Staatsanwalt«. Seine »Wahrheit über kriminelle Ausländer: Sie beeindruckt nur eines: Die Haft!«.

Im selben Duktus der Superlative hatte das Blatt schon den pensionierten Internatsleiter Bernhard Bueb angepriesen: »Deutschlands strengster Lehrer«. Bueb, dessen Traktat Lob der Disziplin in der wahrhaft reaktionären Forderung nach bedingungsloser Anerkennung jedweder Autorität gipfelt, stieß auf breite Zustimmung. Auch heute trifft der schrille Appell an Mut, Strenge und Härte, wie er sich im Ruf nach »Erziehungscamps« ausdrückt, auf einen Resonanzboden unbewusster Verarbeitung eines gesellschaftlichen Unbehagens, dessen mögliche Brisanz noch nicht abzuschätzen ist.

Auch dafür liefert die Bild-Zeitung Belege. In der Ausgabe vom 5. Januar brachte das Blatt ein Interview mit der Mutter des Münchner Schlägers, in dem sie sich nicht nur bei den »Deutschen« entschuldigte und auf die deprimierende familiäre Situation, auf den Teufelskreis von Armut, Vernachlässigung und Gewalt hinwies, sondern auch die Umstände schilderte, unter denen sie nach der Tat ihres Sohnes mit der Polizei in Kontakt kam: »Dann kam das SEK. Sie haben die Tür eingetreten, mich aufs Bett geschmissen und festgebunden. Dann haben sie mir gesagt, dass sie meinen Sohn suchen.« Die Mutter von Serkan A., Naciye A., ist 62 Jahre alt. Auf dem Bild wirkt sie wie eine abgearbeitete und erschöpfte Frau.

Dieser offen dokumentierte Skandal scheint bisher niemandem aufgefallen zu sein: Ein bis an die Zähne bewaffnetes Sondereinsatzkommando (SEK) überwältigt eine ältere Dame und fesselt sie, als stünde sie im Verdacht, gewaltsamen Widerstand zu leisten. Dass hier von »Verhältnismäßigkeit« keine Rede sein kann, liegt auf der Hand, und man fragt sich, wer diesen Einsatz zu verantworten hat. Bisher jedenfalls hat sich kein »mutiger Staatsanwalt« gefunden, der diesem Übergriff nachgegangen ist und eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht hat.

Die von Naciye A. geäußerte Entschuldigung wurde neben einem Interview mit dem Opfer, dem pensionierten 76-jährigen Lehrer Bruno N., platziert. Bruno N. hat ihre Entschuldigung nicht angenommen, »denn das ist keine ehrliche Entschuldigung. Ich will kein Mitleid. Ich bin nicht bereit, ihnen deshalb die Hand zu reichen.« An dieser Haltung von Bruno N. ist nichts, überhaupt nichts auszusetzen. Keinem Opfer einer Gewalttat irgendwo auf der Welt darf eine falsche Versöhnung abgepresst werden – eine rein verbal bleibende Versöhnung entspräche auch gar nicht ihrem Begriff, der auf die Freiheit von Täter und Opfer, von Feind und Feind baut.

Indes: Bild wäre nicht Bild, wenn es das Opfer nicht ebenfalls abgelichtet hätte. Auf der Fotografie sehen wir den verkrampft lächelnden Bruno N. vor einem bunten Tuch, in seinen Händen hält er die Reproduktion einer mittelalterlichen Darstellung des auferstandenen Christus. Bild erläutert: »Opfer Bruno N. mit einem Jesus-Bild in seinem Wohnzimmer«. Man fragt sich, ob die Journalisten ihn gebeten haben, mit dem Bild zu posieren. Aber vor allem: Wie passt das Bild jenes Mannes, der Feindesliebe, Vergebung und Versöhnung bis in seinen Tod am Kreuz predigte, in die Vorstellung eines Opfers, das in unchristlicher Weise die stellvertretende Entschuldigung einer alten Frau noch nicht einmal in Erwägung zieht?

Nimmt man Text und Illustration des Gesprächs zusammen, so sagt Bruno N. zwar, dass er – der von den Schlägern als »Scheißdeutscher« beschimpft wurde – ihre hasserfüllten Gesichter nicht vergessen könne und den Hass gegen »unser Land und einen Bürger dieses Landes« erlitten habe. Tatsächlich aber zeigt sich Bruno N. – freiwillig oder aufgefordert – nicht als Deutscher, der von »Ausländern«, sondern als Christ, der von einem Muslim gedemütigt wurde.

Hier schließt sich ein Kreis, der von den Gegnern von Moscheebauten in Köln und Frankfurt zu Internetseiten wie Deus vult oder Politically Incorrect über feinsinnige Positionspapiere der Kirchen zur gutnachbarschaftlichen Abgrenzung von Christentum und Islam bis zu Roland Kochs Tiraden über in Deutschland unübliche »Hausschlachtungen« reicht. In den Appellen an Härte, Strenge und Autorität, in der Beschwörung des Lagers, nein, des »Camps« mit all seinen männerbündisch-kameradschaftlichen sowie menschenfeindlichen Aspekten, in der Entfaltung einer neuchristlichen und liberalen Martyriologie spricht sich ein ebenso atavistisches wie zeitgemäßes kollektives Unbewusstes aus. Es nährt sich in den unheimlichen Interieurs der städtischen Unterwelt, in den Unzeiten der Nacht und den Zwischenräumen der Angst vor kommunikationslosen Fremden, die, wenn sie wieder zu Hause sind, mit Armut und der Angst vor sozialem Abstieg kämpfen müssen.

Der Schlaf der Vernunft, so der Titel von Goyas berühmten Bild, gebiert Ungeheuer. Der Ruf zur »Ausschaffung« von Gewalttätern wird diese Ungeheuer nicht bannen, sondern nur wachsen lassen. Man kann es auch soziologisch ausdrücken: Die Grundprobleme der Weltgesellschaft, die sich auch auf deutschem Territorium zeigen, lassen sich nicht exportieren. Es ist gut, dass es eine nüchtern differenzierende Sozialwissenschaft wie die Kriminologie gibt.

Micha Brumlik ist Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Frankfurt am Main. Zuletzt erschienen von ihm »Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts« (Beltz Verlag) sowie »Kritik des Zionismus« (Europäische Verlagsanstalt)
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© DIE ZEIT, 10.01.2008 Nr. 03


zum Thema

* Schlagworte:
* Gesellschaft
* Jugendgewalt
* Kriminalität

ZEIT online 03/2008
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Gewalt kommt nicht von ungefähr
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Wer wird zum Schläger und wer nicht? Acht Antworten zu den Ursachen krimineller Karrieren. »
ZEIT online 02/2008
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Falsche Annahmen
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Roland Koch hat einen Sechs-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Jugendgewalt vorgeschlagen. Doch seine Forderungen haben Mängel. Eine Kritik des Kriminologen Arthur Kreuzer »
ZEIT online 02/2008
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Nicht wegsperren, erziehen!
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Die Debatte um das Jugendstrafrecht geht am Problem vorbei. Nicht härtere Strafen braucht es, sondern frühes Eingreifen, damit Jugendliche gar nicht erst abgleiten. »
ZEIT online /2008
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Was tun?
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Wie sollte sich die Gesellschaft vor jugendlichen Straftätern schützen? Und wie kann man verhindern, dass junge Menschen kriminell werden? Hintergründe und Kommentare »

http://www.zeit.de/2008/03/Jugendgewalt?page=all

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

12. Januar 2008

* webnews
* Yigg
* folkd
* Mister Wong
* Linkarena
* Del.icio.us



Schrift:
SPD-SCHELTE
Steinmeier nennt Koch verantwortungslos

Außenminister und Vizekanzler Steinmeier hat den Hardliner-Wahlkampf von Hessens Regierungschef Koch heftig kritisiert. Kanzlerin Merkel warf der SPD-Politiker vor, sich auf Kochs Linie bringen zu lassen.
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Kassel - Bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Kassel nannte Außenminister Frank-Walter Steinmeier heute Kochs Wahlkampf verantwortungslos. "Er macht Wahlkampf mit Angst, statt die Sorgen der Leute ernst zu nehmen. Das, was er macht,
ist gefährlich", sagte Steinmeier. Mit einem "Spiel mit der Angst"
wolle Koch seine "miese Bilanz vertuschen". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf Steinmeier vor, "sich auf diese Linie einschwören zu lassen, vielleicht auch gegen ihre eigene Überzeugung".

Hessens SPD-Chefin und Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti sagte, Koch wolle die Gesellschaft spalten. "Koch tut das, was er immer tut, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht: Er macht Ängste, er spaltet und er diffamiert", sagte Ypsilanti. "Roland Koch nimmt billigend in Kauf, dass es zur Spaltung der Gesellschaft kommt."

kai/dpa
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,528280,00.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

12. Januar 2008

* webnews
* Yigg
* folkd
* Mister Wong
* Linkarena
* Del.icio.us



Schrift:
KRAWALL-WAHLKAMPF
CDU fürchtet die Koch-Falle

Von Christian Teevs, Braunschweig

Beck gegen Merkel, SPD gegen Union: Krawalltage in der Großen Koalition. Jetzt reagiert die Kanzlerin. Sie ruft den Regierungspartner zur Mäßigung auf - und geht beim Wahlkampfauftakt in Niedersachsen gemeinsam mit Christian Wulff auf Distanz zu Roland Kochs harschem Tonfall.
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Braunschweig - Es hat Züge eines Fernduells. 230 Kilometer Luftlinie liegen an diesem Abend beim Wahlkampfauftakt in Niedersachen zwischen Kurt Beck und Angela Merkel. Der SPD-Chef spricht im ostfriesischen Leer, die CDU-Chefin in Braunschweig. Sie sprechen übereinander - nicht wirklich miteinander, ein gutes Symbol für den aktuellen Zustand der Großen Koalition.

Merkel in Braunschweig: "Prävention, Ausländern Chancen eröffnen"
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DDP

Merkel in Braunschweig: "Prävention, Ausländern Chancen eröffnen"
Die Kanzlerin dürfe nicht die Fakten verdrehen im Streit um gewalttätige ausländische Jugendliche, ruft Beck: "Ruhestörer sind nicht die, die die Feuerwehr rufen - sondern die, die zündeln!"

Zündeln, damit meint er die Union. Es geht darum, dass deren Politiker gerade reihenweise eine Entschuldigung von SPD-Fraktionschef Peter Struck fordern. Weil er dem hessischen CDU-Regierungschef Roland Koch unterstellt hatte, sich für seinen Wahlkampf klammheimlich über den brutalen Münchner U-Bahn-Übergriff auf einen Rentner gefreut zu haben.

230 Kilometer weiter südöstlich antwortet Merkel, und das nicht minder deutlich. "Ich fordere den SPD-Vorsitzenden auf, hier Vernunft einkehren zu lassen und nicht auf abenteuerliche Sprüche zu setzen." Strucks Äußerung nennt sie "absurd".

Wahlkampf-Krach in der Großen Koalition - so deutlich sind sich die Regierungspartner bisher selten angegangen (mehr...). Und doch passiert an diesem Tag in Braunschweig Erstaunliches. Merkel und ihr niedersächsischer Wahlkämpfer, Ministerpräsident Christian Wulff, gehen in Wahrheit auf Distanz zu Koch.

Merkel und Wulff sprechen über Jugendgewalt - aber nicht über härtere Strafen. Nur erinmal erwähnt die Kanzlerin die Angst von Menschen, abends das Haus zu verlassen: "Wenn es Gewalt gibt, ob rechtsradikal, linksradikal oder anders motiviert, muss es Strafen geben." Aber dann: "Prävention" sei ihr politischer Weg, um Kriminalität zu bekämpfen, sagt die CDU-Chefin. Sie lobt die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer. Sie sagt, sie wolle "ausländischen Jugendlichen Chancen eröffnen".

Wulff: "Friedlich, tolerant, liberal, weltoffen"

Wulff geht noch weiter als Merkel. "195 Nationen leben in Niedersachsen friedlich zusammen", sagt er. "Es gibt keine Alternative dazu, als friedlich, tolerant, liberal und weltoffen mit Migranten umzugehen."

Der CDU-Wahlkampf in Hessen hört sich derzeit anders an.

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Jugendgewalt- Debatte - sinnvoll oder populistisch?

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von Rainer Helmbrecht
Ähnlich wie Merkel formuliert Wulff: "Strafen müssen spürbar und fühlbar sein. Wer Gesetze missachtet, muss Konsequenzen befürchten." Er sei aber froh darüber, dass die Zahl ausländischer Straftäter rückläufig sei. Und ein Seitenhieb auf Koch: "Ganz ehrlich gesagt" sei er froh, dass die Verfahren in Niedersachsen beschleunigt wurden. Nach 3,4 Monaten würden Straftäter im Schnitt verurteilt. Eine Anspielung darauf, dass Koch in der ARD-Sendung "Hart aber fair" zugeben musste, dass Urteile in Hessen außergewöhnlich lange auf sich warten lassen. Ein Rückschlag für Kochs Strategie, sich als kompromissloser Verfolger von Straftätern zu profilieren.

Wulff führt einen ruhigen, präsidialen Wahlkampf. Die Debatte um die Kriminalität junger Migranten eskaliert zurzeit, das passt ihm nicht in den Kram. Also wirbt er mit Merkel um Mäßigung. In Umfragen steht Wulffs CDU seit Monaten konstant bei 44 bis 45 Prozent, die FDP bei sieben bis acht. Eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition scheint realistisch. Der Wahlkampf ist ganz auf den Ministerpräsidenten zugeschnitten, Wulff ist selbst bei SPD-Anhängern beliebter als sein Herausforderer Wolfgang Jüttner. Klar, dass er kein Interesse daran hat, sich von Koch in eine polarisierende Auseinandersetzung um kriminelle Ausländer ziehen zu lassen.

Auch in Hamburg distanziert man sich von Hessen

Die Strategie der niedersächsischen CDU zeigt, dass längst nicht alle im konservativen Lager mit der Eskalation à la Koch einverstanden sind. In Hamburg kritisierte heute der parteilose Innensenator Udo Nagel, der in der Regierung des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) sitzt, Kochs Vorgehen. "Das Problem Jugendgewalt taugt nicht zum Wahlkampfthema", sagte Nagel dem "Hamburger Abendblatt". Dazu sei es zu vielschichtig. Auch von Beust selbst setzt sich von Kochs Wahlkampfstil ab - im Interview mit SPIEGEL ONLINE sagte er: "Ich schätze Roland Koch sehr, ein hochintelligenter Politiker. Aber jeder hat seinen Stil. Wir gehen unseren eigenen Weg in Hamburg." (mehr...) In der Stadt wird am 24. Februar gewählt - einen Monat nach Hessen und Niedersachsen.

In Braunschweig liegt über dem Wahlkampfauftakt eine besinnliche Stimmung. Ständig erklingt das Lied "Zukunftsland", reichlich schmalzig, aber die Leute klatschen gemütlich in die Hände. Im Showprogramm bringt André Hellers "Afrika, Afrika" exotische Klänge und Tänze, zwei Spätaussiedler singen auf Deutsch und Russisch. Die Auftritte zeigen, dass Wulff die Integration wirklich am Herzen liege, sagt der Moderator.

Die Gefahr, von Kochs Hardliner-Wahlkampf vereinnahmt zu werden, scheint Wulff sehr präsent. Als er am Freitag Gewinner des Wettbewerbes "Jugend debattiert" traf, warf ihm ein schlaksiger Schüler mit Irokesenfrisur vor, "einen schmutzigen Wahlkampf" zu führen. Mit einer Kampagne gegen kriminelle Ausländer auf Stimmenfang zu gehen, sei nicht korrekt.

Wulff zögerte. Dann antwortete er mürrisch: "Mit Niedersachsen hat das nichts zu tun. Es ging um Koch. Nach meinem Wahlkampf wurde nicht gefragt, darauf muss ich schon bestehen."

mit Material von ddp

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,528277,00.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Inland Koalition streitet um Jugendkriminalität
Merkel um Deeskalation bemüht

Angela Merkel (Foto: REUTERS) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Um Deeskalation bemüht: Kanzlerin Merkel. ]
Der Streit um härtere Strafen für jugendliche Gewalttäter mit Migrationshintergrund belastet die Große Koalition immer stärker. Führende Unionspolitiker zweifelten inzwischen sogar an, ob eine weitere Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD in der Großen Koalition überhaupt noch möglich sei.

Kanzlerin Angela Merkel bemüht sich indes, die Wogen zu glätten: "Ich fordere den SPD-Vorsitzenden auf, Vernunft einkehren zu lassen", sagte sie beim Wahlkampfauftakt ihrer Partei in Niedersachsen. SPD-Chef Kurt Beck solle nicht die "Absicherung" von absonderlichen Sprüchen betreiben, so Merkel mit Blick auf Attacken von SPD-Fraktionschef Peter Struck gegen Hessens Ministerpräsident Roland Koch.

Merkel bemühte sich sichtlich, trotz des Wahlkampfes auch die Gemeinsamkeiten mit der SPD herauszustellen: Über bestimmte Aspekte des Themas gab und gibt es in der Koalition Einigkeit", sagte sie der "Welt". Dazu zählten die Stärkung von Prävention, Integration, Bildung und Zivilcourage. Die SPD werde aber letztlich nicht daran vorbeikommen, härtere Sanktionen gegen junge Kriminelle mitzutragen, verteidigte Merkel die Haltung ihrer Partei.
Video

* Video Bildunterschrift: Der Streit über das Jugendstrafrecht entzweit Union und SPD immer mehr, tagesschau 20:00 Uhr [Angelika Henkel, NDR]
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* intern Weitere Video-Formate .

"Merkel lässt sich in die Ecke drängen"

SPD-Chef Beck sieht allerdings keinen Grund zurückzurudern: Die aktuelle Debatte sei vielmehr eine Strategie der Union, von Versäumnissen abzulenken, sagte er. Kochs Politik der Inneren Sicherheit sei vom Abbau bei Polizei und Justiz geprägt, sagte er. Auch die hessische Schulpolitik sei "missraten". Beck betonte: "Gewalt ist kein Mittel und darf nicht akzeptiert werden." Mit Strafrechtsverschärfungen sei jedoch nichts gewonnen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warf der CDU vor, "Wahlkampf mit den Ängsten der Menschen" zu machen. Koch schüre Ressentiments, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti sagte, Koch wolle die Gesellschaft spalten: Koch tut das, was er immer tut, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht: Er macht Ängste, er spaltet und er diffamiert."

In der SPD wird Merkels Verteidigung der Kochschen Kampagne offenbar als Führungsschwäche interpretiert: SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zeigte sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" "irritiert" darüber, dass sich Merkel "offensichtlich entgegen ihrer eigenen Überzeugung" von Wahlkämpfern wie Koch in die Ecke drängen lasse. "Es hat mit einer Politik der Mitte nichts zu tun, wenn man versucht, solche charakterlosen Kampagnen zu fahren", sagte er und warf Koch "Wahlkampfhetze" vor, mit der er versuche, von eigenen Versäumnissen abzulenken. Der CDU gehe es "nicht um die Sache, sondern um den Machterhalt".
Union zweifelt an weiterer Zusammenarbeit im Bund

Roland Koch (Foto: AFP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Ministerpräsident Koch fordert eine Entschuldigung von Struck.]
Peter Struck (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Der SPD-Fraktionschef Struck will sich aber nicht entschuldigen.]
Der Streit zwischen den Koalitionären droht nun auch, die Arbeit der Großen Koalition im Bund zu beeinträchtigen: Die Union sieht angesichts der scharfen SPD-Attacken gegen Koch - zuletzt von SPD-Fraktionschef Peter Struck - inzwischen sogar die Zusammenarbeit in der Großen Koalition gefährdet: "Ich kann die Sozialdemokraten nur dringend auffordern, sich endlich zu zügeln", sagt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in einem Interview der Zeitschrift "Super Illu". Der "schlechte Stil" sei nicht akzeptabel, betonte er. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder rief die SPD zur Mäßigung auf. Trotz der Landtagswahlkämpfe habe er bislang den Eindruck gehabt, dass die SPD zu dem Bündnis stehe. "Leider drängt sich dieser Eindruck derzeit nicht mehr auf", schrieb Kauder in seinem Neujahrsbrief an die Unionsabgeordneten.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung griff Struck sogar direkt an: Der SPD-Fraktionschef sei seines Amtes nicht würdig, meinte Jung. Struck hatte am Freitag gesagt, er glaube, dass Koch "ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist". Koch forderte in der "Bild am Sonntag" eine Entschuldigung. "Ich glaube, er täte sich einen Gefallen, wenn er sich entschuldigen würde", so Koch. Struck hat eine Entschuldigung allerdings bereits abgelehnt: Er sagte zu einer entsprechenden Forderung der CDU: "Die kann mich mal."
"Deutschenfeindlicher Rassismus"?

Kristina Köhler Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Sieht "deutschfeindlichen Rassismus": Die CDU-Abgeordnete Kristina Köhler. ]
Der Streit um härtere Strafen belastet auch das Verhältnis von Politik und Ausländerverbänden in Deutschland schwer. Nachdem die Türkischen Gemeinden in Deutschland (TGD) - wie zuvor bereits der Zentralrat der Juden in Deutschland - den CDU-Wahlkampf in Hessen mit den Kampagnen der rechtsextremen NPD verglichen hatten, gaben die Christdemokraten Kontra: Ihre Fachpolitikerin für Extremismus im Bundestag, Kristina Köhler, warf dem TGD in einer Pressemitteilung vor, er "füttere schon seit Jahren gemeinsam mit islamistischen Verbänden den wachsenden deutschenfeindlichen Rassismus".

Die CDU-Politikerin erklärt, die Gewalt von Migranten sei genausowenig "einfach nur Jugendgewalt", wie die Angriffe von Rechtsextremen auf Ausländer. Die linken Parteien verhinderten "jedoch nach wie vor eine Ausweitung der Extremismusbekämpfung auf deutschfeindliche Gewalt". Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte zuvor betont: Je stärker ein Jugendlicher zur Kriminalität neige, "desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er einen Migrationshintergrund hat", sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Die Gewalttaten, die von Jugendlichen mit Migrationshintergrund begangen werden, gehen allerdings laut Statistik zurück: "Der prozentuale Anteil jugendlicher nichtdeutscher Tatverdächtiger ist bis auf wenige Ausnahmen rückläufig", stellen die Innenminister der Länder in ihrem jüngsten Bericht fest. Die rechtsextremistisch motivierte Gewalt dagegen hatte nach Angaben der Bundesregierung im Jahr 2006 einen neuen Höchststand erreicht.
Jugendliche in einer Jugendarrestanstalt Dossier: Weitere Meldungen Streit um Jugendkriminalität Was steckt hinter dem Wahlkampfthema? [mehr]
Union will Integrationsdruck erhöhen

Die Union präsentierte zudem neue Vorschläge, um den Integrationsdruck auf Migranten zu erhöhen. Ausländer, die ihre Kinder vom Deutschunterricht fernhalten, sollen nach dem Willen des CDU-Wirtschaftsexperten Laurenz Meyer künftig kein Kindergeld und keine Sozialhilfe mehr erhalten. Auf diese Weise sollten die nach Deutschland Eingewanderten zur Integration angehalten werden, sagte er der "Bild"-Zeitung. "Damit leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendkriminalität", erklärte Meyer. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt für diese Diskussion, denn "nach der WM weiß die ganze Welt, dass Deutschland ein ausländerfreundliches und weltoffenes Land ist".

* InternUnions-Innenminister für härteres Jugendstrafrecht.
* InternDossier: Jugendkriminalität - Ein Problem wird instrumentalisiert.
* VideoStreit über das Jugendstrafrecht [Angelika Henkel, NDR].
* AudioVerschärfung des Koalitionsstreits [M. Groth, DLF].

*
Weltatlas
Weltatlas: Deutschland
[Flash|HTML] .

Stand: 12.01.2008 21:21 Uhr
http://www.tagesschau.de/inland/jugendkriminalitaet54.html

Re: Kritik an Debatte über härteres Jugendstrafrecht

Deutschland im Wahlkampf

Koch sei "schießwütiger Gewalttäter"

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© Michael Sohn/AP
Da hüpft er aus dem Wahlmkampfbus: der hessische Ministerpräsident Roland Koch

Politiker reagieren auf Kochs Jugendgewalts-Kampagne: Erst unterstellt SPD-Fraktionschef Struck Koch Berechnung, dann weigert sich auch SPD-Chef Beck, zurückzurudern. Und während Kanzlerin Merkel zur Vernunft mahnt, bezeichnet der Spitzenkandidat der Linken in Hessen Koch als "schießwütigen Gewalttäter".

Nach den harschen Tönen aus der SPD im Streit über das Jugendstrafrecht hat die Union den Koalitionspartner vor einer weiteren Belastung der Regierungsarbeit gewarnt. "Ich fordere den SPD-Vorsitzenden auf, Vernunft einkehren zu lassen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag in Braunschweig beim Wahlkampfauftakt der CDU in Niedersachsen an die Adresse von SPD-Chef Kurt Beck. In einer Verbalattacke hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) unterstellt, sich über die aktuellen Fälle von Jugendgewalt im Wahlkampf gefreut zu haben. Beck nahm Struck am Samstag in Schutz. Er warf Koch vor, mit der Debatte über Jugendgewalt lediglich von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen.
Koalitionsstreit eskaliert
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CDU-Chefin Merkel nannte die Äußerung Strucks "absurd". Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte bei einem CDU- Neujahrsempfang im hessischen Oberursel nach Mitteilung seines Ministeriums: "Die Äußerung von Struck fällt auf ihn selbst zurück. Sie ist des Amtes eines Fraktionsvorsitzenden der SPD- Bundestagsfraktion unwürdig."

Merkel sprach sich in Braunschweig erneut für Verschärfungen beim Jugendstrafrecht aus. "Gewalt ist immer absolut zu verurteilen", sagte sie. Die Gesellschaft müsse hier Grenzen setzen, auf Gewalt jeder Art müsse eine Bestrafung folgen. "Die, die versuchen, da wegzuschauen, werden keinen Erfolg haben." Die CDU-Vorsitzende machte sich außerdem für die Interessen der Opfer von Kriminalität stark: "Ich werde die Stimme der Opfer nicht vergessen."
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Hans-Ulrich Jörges kommentiert: "Kochs Kampagne ist unanständig"
"Die kann mich mal"
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte der Zeitschrift "Super Illu", die SPD habe "einen Ton angeschlagen, der selbst mit laufenden Landtagswahlkämpfen nicht zu rechtfertigen ist". Der "schlechte Stil gegenüber Roland Koch" sei nicht akzeptabel. Struck hatte Koch am Freitag unterstellt, über den brutalen Angriff von jugendlichen Ausländern auf einen Rentner in München eigentlich ganz froh gewesen zu sein, um das Thema für den Wahlkampf zu nutzen. Eine Aufforderung der Union, sich zu entschuldigen, wies er später brüsk mit den Worten "Die kann mich mal" zurück.

Beck kritisiert Kochs "Ablenkungsmanöver"
Beck sagte in Osnabrück: "Wir haben keinen Grund zurückzurudern." Der SPD-Vorsitzende warf Koch zudem in einer Videobotschaft vor, er wolle mit der Debatte über Jugendgewalt lediglich von eigenen Versäumnissen etwa in der Schulpolitik und der Inneren Sicherheit ablenken. Der Sprecher der hessischen Landesregierung, Dirk Metz, wies Becks Äußerungen als "politische Frechheiten, die den Fakten widersprechen" zurück.

Koch besteht auf Entschuldigung von Struck
Koch bestand in der "Bild am Sonntag" auf einer Entschuldigung Strucks. Zugleich wies er die Kritik zurück, sein Wahlkampf sei ausländerfeindlich. "Ich empfinde es als meine Aufgabe, für die Opfer krimineller Gewalt zu sprechen und für viele, die sich bedrängt und bedroht fühlen", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende.

Die bisher schärfste Kritik an Koch übte der Spitzenkandidat der Linken in Hessen, Willi van Ooyen. Er nannte den Landeschef auf einem Neujahrsempfang seiner Partei einen "schießwütigen Gewalttäter" sowie "gesellschaftlichen Spalter und Brandstifter". Die hessische CDU- Fraktion forderte daraufhin den Rücktritt van Ooyens.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der wie Koch am 27. Januar zur Landtagswahl antritt, nahm seinen hessischen Parteifreund in Schutz. "Bei denen, die Klarheit und Schärfe kritisieren, ist viel Heuchelei im Spiel", sagte er der "Welt am Sonntag".

Gewalt nicht im "Pulverdampf des Wahlkampfs" besprechen
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kündigte in der Berliner "B.Z. am Sonntag" an, die Union werde nächste Woche mit der SPD auf Fraktionsebene über ihre Vorschläge zum Thema Jugendgewalt reden. "Wir fordern konkret Warnarrest, Erziehungscamps und die Anwendung des Erwachsenen-Strafrechts im Regelfall für Menschen über 18 Jahre." Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz zeigte sich im Magazin "Focus" offen für Gespräche mit der Union zur Jugendgewalt - nur müssten die "nach dem Pulverdampf des Wahlkampfs" stattfinden.

DPA/AP



Artikel vom 12. Januar 2008
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