SonniVioVinci - Violettas Opernkiste

Violettas Opernkiste

Re: Violettas Opernkiste

Weil ich in der PE kurz meinen Wunsch-Don Giovanni erwähnt habe, hier ein paar Worte dazu.
Unter Opernfans gibt es das beliebte Spiel "Deine Wunschbesetzung für Oper XYZ, wenn Zeit, Raum, Geld und die Frage nach Leben oder Tod keine Rolle spielen würden"
Besonders gut geht das mit Mozartopern, da bei ihnen meist reichlich Bühnenpersonal vorhanden ist und es viele Rollen zu besetzen gibt.
Hier also mein Traum-Don Giovanni, so wie ich ihn später wenn wir alle im Himmel sind mal hören möchte:

Don Giovanni: Ildebrando D'Arcangelo weil er eine sehr schöne Stimme hat, ein klasse Schauspieler und außerdem ein attraktiver Mann ist, was für die Rolle des größten Womanizer aller Zeiten vielleicht nicht völlig unwichtig ist

Leporello: Bryn Terfel wie der Baritonkollege von oben ein hervorragender Sänger, außerdem entspricht er optisch meiner Vorstellung von einem geprügelten Diener, der gern gut ißt und trinkt wenn er die Gelegenheit dazu hat und dem sein Leben wichtiger ist als andere andere

Don Ottavio: da schwanke ich , nach laaangem überlegen habe ich mich aber nicht für Fritz Wunderlich entschieden, sondern für Rolando Villazón. Man weiß, wie ich über ihn denke und ich will ihn endlich mal in einer Mozartrolle hören (mach hinne Alter! Gesundwerden und Mozart singen! )

Der Komtur: Tito Gobbi. Der Mann für die hochdramatischen Auftritte und des Komturs Auftritt IST hochdramatisch. Immerhin kehrt er von den toten zurück und das ist doch schon mal was.. Gobbi war ein legendärer Rigoletto und ein nicht minder legendärer Scarpia (in "Tosca"). Ist zwar schon tot, aber ist ja auch nur eine fiktive Besetzung

Donna Anna: Mirella Freni Weil sie eine der schönsten Stimmen des 20. Jahrhunderts hatte. Jawoll!

Donna Elvira: Maria Callas Weil niemand Schmerz, Raserei, Liebe, Haß, Zorn, Wut, Enttäuschung so großartig verkörpern konnte wie sie. Gleichtzeitig.

Zerlina erna Berger Weil sie tatsächlich eine entzückende Zerlina WAR und überhaupt eine wunderbare Mozartsängerin.

Masetto Luciano Pavarotti. Aber bitte nur zur seinen besten Zeiten. Also den Luciano von ca. 1975. Weil Masetto ein bißchen an Nemorino aus dem "Liebestrank" erinenrt und Pavarotti ein hervorragender Nemorino war.

So lieber Gott. Mach mal. Bei dir ist doch kein Ding unmöglich heißt es. Jetzt zeig mal, was du kannst

Re: Violettas Opernkiste

Ich staune, wie viele Sängerinnen/Sänger Du kennst...
Ich könnte nicht einmal für eine 1-Mann-Oper eine solche Ideal-Besetzungsliste erstellen

Vincent


Re: Violettas Opernkiste

Ach, das ist gar nicht so wild, wie es aussieht.
Einer der seit er 15 ist Rockmusik hört, kennt auch Leute von denen ich noch nie gehört habe. Bei mir es eben die klassische Ecke.
Mein Mann hätte übrigens als Don Giovanni gerne Herrn Villazón. Der ist zwar Tenor, aber einer mit einer dunklen, baritonal angehauchten Stimme. "Viril" nennen gebildete Leute sowas
Er meint, niemand könnte den Mistkerl so geben wie er.
Als Don Ottavio möchte er, Zitat "José Carreras mit der Stimme von Alfredo Kraus". Das wird Herr Carreras nicht gern hören

Re: Violettas Opernkiste

Weil's so lustig ist und ich es euch nicht vorenthalten möchte:

"Tagesspiegel" November 2005

Der Tagesspiegel: Der gefeierte Operntenor Rolando Villazón kann sich vorstellen, nackt auf der Bühne zu singen
Berlin (ots) - Rolando Villazón, 33, gefeierter Operntenor, kann
sich auch vorstellen, nackt auf der Bühne zu singen. Es müsse
allerdings ins Konzept des Stückes passen, "wenn es lediglich einen
Skandal provozieren soll, dann nicht", sagt Villazón dem
"Tagesspiegel am Sonntag". Bei der Aufführung von Romeo und Julia in
Los Angeles seien er und seine bejubelte Partnerin Anna Netrebko
"fast nackt" gewesen: "Es geht schließlich um eine Bettszene, es geht
um Zärtlichkeit, um Liebe. Da kann ich nicht im Wintermantel
auftreten." Anschließend habe sich ein Zuschauer bei der L.A.-Oper
beschwert, er habe einen "Soft-Porno" gesehen. Die Sopranistin habe
"ihre Möpse gezeigt und der Tenor seinen behaarten Hintern". Villazón
spottet im Interview mit dem "Tagesspiegel am Sonntag": "Da sabbert
ein Voyeur und schreit nachher: Schrecklich, nie wieder!"


Ich lege Wert aquf die Feststellung, daß ich sowas nicht unbedingt sehen muß (Villazón ist schließlich nicht Depp, bei dem wäre so was durchaus eine Überlegung wert ) aber auch nicht in Ohnmacht falle, wenn ich es zu sehen kriege

Sowas meinen die Puristen, wenn sie sich über die beiden aufregen.

Re: Violettas Opernkiste

Villazon und Netrebko müssen ungeheuer aufpassen, dass sie von der Boulevard-Presse nicht verramscht und verschmuddelt werden, was in ihrer gewissen Prestige-Position ganz schnell durch Neider usw. passieren kann. Normalerweise gibt es ein Management, die das Image ihrer Schützlinge kontrollieren.
Vielleicht muss es da kleine Ventilfunktionen geben, da sich Boulevard und Rummel in einer Welt, wo Skandale ein gefundenes Fressen sind, kaum vermeiden lässt.
Die ach so prüden USA einerseits und andererseits die größte, umsatzstärkste Pornoszene ....tsetsetse.

Vincent


Re: Violettas Opernkiste

Die werden schon verramscht, fürchte ich.
Irgendwann wird es ein neues "Traumpaar" geben und dann wird sich zeigen, wer sie um ihres Gesang willen geschätzt hat und wer nur dem Hype verfallen ist. Es ist ja auch verführerisch für sie Presse: jung, begabt, guttaussehend alle beide. Sowas liebt die Yellowpress.

Re: Violettas Opernkiste

„Diese Oper ist wie ein Denkmal für die Kinder, die es nicht überlebt haben...“


Brundibar

Das Kapitel „Brundibar“ ist das wohl tragischste Kapitel der Operngeschichte. Es muß erzählt und darf nicht vergessen werden.
„Brundibar“ ist zunächst einmal eine Kinderoper des tschechischen Komponisten Hans Krasá. Sie erzählt die Geschichte der Kinder Pepicek und Aninka die mit ihrem Gesang Geld für die kranke Mutter sammeln wollen. Aber ihre zarten Stimmen sind zu schwach und werden von den Vorübereilenden nicht gehört. Der böse Leierkastenmann Brundibar will sie außerdem verjagen. Mit Witz, List und Solidarität gelingt es ihnen, gemeinsam mit vielen anderen Kindern und helfenden, sprechenden Tieren, Brundibar zu besiegen. Nichts kann den Chor der Kinder aufhalten, die jetzt alle gemeinsam singen.
„Brundibar“ wurde als die schönste Kinderoper des 20. Jahrhunderts bezeichnet, und ich bin sehr geneigt, dem zuzustimmen. Die Musik ist anspruchvoll. Sie verlangt von den Kindern die sie singen (denn „Brundibar“ wird VON Kindern FÜR Kinder gespielt) musikalische Übung und eine gewisse Erfahrung. Aber es ist auch eine Musik, die Kindern zutraut, von ihnen bewältigt zu werden.
Einzigartig in der Welt wird die Oper aber durch ihre Aufführungsgeschichte. „Brundibar“ wurde 1943 im KZ Theresienstadt uraufgeführt. Von dort eingesperrten jüdischen Kindern. Zwischen 1943 und 1944 sangen und spielten die Kinder die Oper mehr als 50 mal.
Wie man vielleicht weiß, waren in Theresienstadt sehr viele Künstler inhaftiert.
Den Nazis kamen künstlerische Bestrebungen im Lager entgegen. Sie tolerierten sie, weil es ihren Plan, aus dem Lager eine Art "Vorzeige-KZ" zu machen, entgegenzukommen schien. So gab es in Theresienstadt auch andere kulturelle Veranstaltungen. Daher viel es dem in Theresienstadt gefangenen Komponisten Hans Krasá relativ leicht, Musiker zu finden, die bereit waren, seine bereits 1938/39 in Prag entstandene Oper zu Aufführung zu bringen. Gesungen werden sollte das Stück von Kindern.
Es ist dieser Oper zu verdanken, daß diese Kinder, die in dieser entsetzlichen Wirklichkeit leben mussten, erfahren durften, daß das Leben auch schön sein kann.
Daß sie einmal, einmal wenigstens, wie andere Kinder sein durften: aufgeregt im Zuschauerraum eines provisorischen Theaters sitzen und auf ein Theaterstück warten. Halb krank vor Lampenfieber hinter der Bühne stehen und auf ihren Auftritt warten. Sich verkleiden, singen, spielen, leben.
Greta Klinsberg, die als Kind die Lager durchlitten und überlebt hat sagte später: "Sehen sie, in dem Augenblick, in dem wir zu singen begannen, vergaßen wir, wo wir sind. Das ist das großartige an dieser Oper."Hitler hatte einen unsäglichen Propagandafilm über das Lager in Auftrag gegeben. Unter dem zynischen Titel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" sollte die Welt in dem Glauben gehalten werden, die Lager seien gemütliche "Feriencamps".
Aus diesem Grund wurde auch eine Aufführung von "Brundibar" gefilmt. Einige Meter Film sind erhalten geblieben ,unter anderem jene Szene, mit dem Schlussgesang aus "Brundibar". Diese Bilder sind das letzte Zeugnis der Kinder von Theresienstadt.
Wenig später, im Oktober 1944 wurde der Komponist Hans Krasá nach Auschwitz deportiert und dort noch am Tag seiner Ankunft ermordet. Mit ihm nahezu alle Kinder des Ensembles und des Publikums. Nur sehr wenige haben überlebt.
Einige dieser wenigen interviewte die Journalistin Hannelore Wonschick 1998 für ihr Radio Feature "Brundibar und die Kinder von Theresienstadt" und sie machte jedesmal die gleiche Erfahrung: die Menschen erzählten von ihren grauenvollen Erinnerungen. Stockend, oft weinend. Bis das Gespräch auf "Brundibar" kam.
"Brundibar...Brundibar war wundervoll"
"Brundibar! Das war ein Lichtblick für die Kinder. Sogar für die Erwachsenen. Es war enorm".
"Brundibar hat den Kindern das Vertrauen gegeben. Die Welt kann auch schön sein. Die Welt unter Hitler war fürchterlich schwer. Aber die Welt kann schön sein. Wenn die Kinder auch dem Dachboden Brundibar gespielt haben war das Leben für sie schön"
Die Oper ist in den letzten Jahren wiederentdeckt worden und wird häufig gespielt und niemand der sie sieht oder auch nur auf CD hört, kann dabei den Gedanken an die ersten Kinder verdrängen, die sie gespielt und gesungen haben.

Rudolf Freudenfeldt, der ebenfalls überlebt und im Lager, als Erwachsener, die Proben geleitet hat schrieb Mitte der 60er Jahre: "In Theresienstadt kannte ein jeder Brundibar. Alle Kinder sangen die Melodien daraus, jeder sah es sich mehrmals an. Ich weiß nicht, wie viele überlebt haben. Aber man kann es überall auf der Welt versuchen. Man pfeife bloß irgendein Motiv aus unserer Oper und man wird sie finden. Sie werden sich zu erkennen geben."
EDIT
Das erste \"Brundibar\" Ensemble in Theresienstadt.

Re: Violettas Opernkiste

Lobhudelei für Placido Domingo
Opernfans meiner Generation kennen zwei Sorten Sänger: die erste Sorte sind Lieblingssänger, bei denen man genau weiß, wann und wo man sie zum erstenmal gehört hat.
Beispiel: Sommer 2005. Ich sitze an einem Sonntagvormittag vor dem Fernseher. In der Glotze ein Hintergrundbericht über die Probenarbeit zur Salzburger Neuinszenierung von "La Traviata" die am Abend live übertragen werden soll. Auf der Probenbühne tummelt sich ein hyperaktives Kasperle mit bescheuerter Frisur. Das Kasperle hüpft rum wie weiland Rumpelstilzchen und macht Witze. Ich finde das Kasperle lustig. Dann fängt das Kasperle an zu singen. Die Stretta aus "La Traviata".
Das ist der Moment, in dem ich mich rettungslos und für alle Ewigkeit in die Stimme von Rolando Villazón verliebe.
Dies ist die eine Sorte Sänger.

Die andere Sorte Sänger heißt Placido Domingo.
Ich (und so geht es wohl allen Opernfreunden in meinem Alter) kann mich nicht erinnern, daß es Placido Domingo jemals nicht gegeben hätte, denn Placido Domingo hat schon gesungen als ich noch gar nicht auf der Welt war, Placido Domingo hat vermutlich schon Noah und seiner Familie mit seinen Arien die Zeit auf der Arche vertrieben und so, wie es im Augenblick aussieht, wird er noch singen, wenn ich schon bei den Würmern bin.
Zeit, ihm eine Lobhudelei zu widmen!
Sie sind zwar überall an anderer Stelle im Netz nachzulesen, dennoch auch hier ein paar Zahlen:
Placido Domingo wurde am 21. Januar 1941 in Madrid geboren.
Seine Eltern waren Leiter und Sänger einer Zarzuela-Companie. Zarzuela ist eine speziell spanische Art der Bühnenunterhaltung: eine Mischung aus Oper, Operette, Musical, Tanz und Gesang. Manche Spanier sagen, daß nur Spanier die Zarzuela verstehen könnten, aber das ist dummes Zeug. Gute Musik ist gute Musik, überall auf der Welt.
1949 ging er mit seiner Familie nach Mexico (jaja!), wo er auch seine musikalische Ausbildung erhielt.
Mit 20 Jahren debütierte Domingo in der Rolle des Alfredo in "La Traviata" auf der Opernbühne. Von da an ging es steil bergauf.
Das Repertoire des Sängers umfasst unglaubliche 119, nach anderen Angaben sogar 134 Rollen.
So oder so: dies ist mehr, als bei jedem anderen Sänger, Tenor oder nicht, der Musikgeschichte.
Dieser Mann hat so ziemlich alles gesungen, was es auf der Bühne zu singen gibt. Donizetti, Rossini, Verdi, Puccini, Mozart, in seinen späteren Jahren auch Richard Wagner.
Er hat die Zarzuela außerhalb Spaniens bekannt und populär gemacht.
Er hat vor zwei oder drei Jahren eine Gesamtaufnahme von Wagners "Tristan und Isolde"
aufgenommen. Gut, ich persönlich mag Wagner nicht und ich mag auch diese Oper nicht, aber ich habe reingehört (seinetwegen, und weil mein Mexikaner da einen kleinen Gastauftritt hat) und es ist unfassbar, was dieser Mann da geleistet hat: der Tristan ist eine Mörderpartie, die manchem schon die Stinmmbänder zerfetzt hat und er singt das wie nix.
Domingo ist der erste Sänger, der den Dichter Hoffmann aus Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" nicht als verträumten Poeten gegeben hat, der beim Punsch ins Plaudern gerät und beim Geschichten erzählen zu tief ins Glas schaut, sondern als verzweifelten Alkoholiker der sein Leben ganz gehörig vor die Wand gefahren hat. Damals, in den 80ger Jahren, war das etwas ganz unerhört neues und es gab einige, die das gar nicht gut fanden. Heute setzt sich Neil Shicoff als Hoffmann auf er Bühne auch gerne schon mal einen Schuß Heroin um in Plauderlaune zu kommen.
Domingo war der Alfredo den ich in meiner allerersten "Traviata" gesehen habe. Das war in den frühen 80ger Jahren und es war eine Live-Übertragung aus der MET in New York mit der wunderbaren Ileana Cotrubas als Violetta. Meine erste selbgekaufte Opernschallplatte war dann auch eine Studioeinspielung dieser Oper mit ihm in der Rolle des feuerköpfigen Liebhabers. Er war der erste "Don Carlos" den ich gehört habe (und ich habe bis heute keinen besseren gehört). Giuseppe Verdi muß geahnt haben, daß es eines Tages Placido Domingo geben würde als er "Otello" geschrieben hat, denn niemand hat diese Rolle so gesungen wie er.
Vor einigen Wochen hat Domingo sein 40jähriges Bühnenjubiläum gefeiert (jaja, eigentlich sind es ein paar Jahre mehr, wir wissen ja: 1961, aber wer weiß, welches Ereignis sie als Grundlage genommen haben...). Vor dem Festakt in der Wiener Staatsoper hat er unter anderem einen Akt aus "Otello" gesungen. Daß ein Sänger in seinem Alter das überhaupt noch hinkriegt ist allein unglaublich genug, denn das Stück ist, um es mit den Worten meines Chorleiters zu sagen, sackschwer. Opernfans die das Glück hatten, dabei sein zu dürfen berichten darüber hinaus aber von einem wahrhaft bewegenden Auftritt.
Mit Placido ist es also wie mit Helmuth Rahn: keiner kommt an ihm vorbei.
Oder, wie Jürgen Kesting es nennt: er ist der Marathon-Mann der Oper.
Er hat eine Reihe sehr schöner Opernfilme gedreht, die man nur empfehlen kann:
"Der Bajazzo" mit Teresa Stratas als Nedda
"La Traviata" ebenfalls mit der Stratas als Violetta, ein optisch etwas in die Jahre gekommener Alfredo und es gibt ein paar ärgerliche musikalische Striche, aber stimmlich ist das wunderschön und die Stratas bricht einem einfach nur das Herz.
"Otello", der anfängt wie ein Film mit Errol Flynn oder wie "Fluch der Karibik": ein Segelschiff im Sturm und ein mutiger Captain (Domingo) der alle rettet.
"Carmen" mit Julia Migenes in der Titelrolle. Da zeigt er sehr eindrucksvoll, wozu spanische Männer fähig sind, wenn man sie zu sehr reizt...

Im vergangenen Sommer ist Domingo, gemeinsam mit Anna N. und Rolando V. auf der Waldbühne aufgetreten und hat gezeigt, daß er es immer noch drauf hat: er hat seinen Otello gesungen mit Frau Netrebko als Desdemona und dann, sozusagen als ultimativen Test, ein Duett aus der Oper "Die Perlenfischer" gemeinsam mit Villazón. Rolando hat den Tenorpart gesungen (und damit den, der am Ende das Mädchen kriegt), Placido den Baritonpart (den edlen Freund, der am Schluß zugunsten des anderen verzichtet und dem Paar zur Flucht verhilft obgleich er selber schwer verknallt ist).
Laßt es mich so sagen: wer nach 40 Jahren auf der Bühne noch SO singt, hat in seinem musikalischen Leben nicht viel falsch gemacht.

Neben seiner Tätigkeit als Sänger hat Domingo sich bereits sehr früh mit dem dirigieren beschäftigt, tatsächlich wollte er ursprünglich Dirigent werden. Inzwischen scheint er, soweit ich das beurteilen kann, ein durchaus brauchbarer Dirigent geworden zu sein. Villazóns Zarzuela-Album bei dem Domingo die musikalische Leitung hatte, hat jedenfalls bei Kritiker Jürgen Kesting nicht nur ob der Stimme des Sängers, sondern auch durch Domingos Dirigat für Begeisterung gesorgt.
Auch um den Nachwuchs kümmert er sich, der Place: er hat José Cura entdeckt und unter seine Fittiche genommen. Seit einigen Jahren verbindet ihn eine enge künstlerische (und wie man so hört, auch menschliche) Freundschaft mit Rolando Villazón, den er sehr gefördert hat, und dessen Stimme der seinen in manchen Augenblicken erstaunlich ähnlich ist, ohne daß man ihm deshalb Plagiat vorwerfen müßte. Villazón seinerseits verehrt Domingo über dei Maßen und nennt ihn stets nur "Maestro". Er soll, heißt es, das ihm von Domingo angebotene "Du" abgelehnt haben, weil er sich nicht vorstellen konnte, diesen "Gott der Oper" (O-Ton R.V.) zu duzen.
So sind sie, die Künstler.

Überhaupt, Domingos Stimme. Eine wunderschöne, dunkel gefärbte Tenorstimme, die manchmal ein bißchen wie ein Bariton klingt. Tatsächlich hat Domingo ganz am Anfang seiner Laufbahn Bariton gesungen. Ich persönlich mag solche Stimmen sehr.
Domingo hatte das Glück, in einer Zeit seine Karriere zu beginnen, als das heute allgemein beliebte verheizen begabter Sänger und schöner Stimmen noch nicht so gang und gäbe war wie heute.
Will sagen: er hatte Zeit, zu wachsen und sein unglaubliches Repertoire langsam und klug auszubauen ohne daß ihm ständig verführerische, aber fatale Rollenangebote gemacht wurden denen er nur schwer hätte widerstehen können. Zeit ist etwas, das heutigen jungen Sängern oft verweigert wird.
Ein Opernfan aus einem sehr kompetenten Opernforum hat einmal geschrieben, er bezweifle, aus eben diesem Grund, daß irgendeiner der heute gefeierten jungen Tenöre, so begabt und wundervoll sie jetzt auch sein mögen, sein 40jähriges Bühnenjubiläum erleben wird. Da könnte was dran sein. Auf der anderen Seite: 40jährige Bühnenjubiläen SIND selten.
Ich erhebe mein virtuelles Glas und trinke auf den großen Mann aus Spanien.
Chappeau, Placido!



Beweiskräftige Videos werden nachgereicht, sobald ich Urlaub und Zeit habe, bei Youtube zu stöbern.

Domingo und Stratas in La Traviata
Domingo in Hoffmanns Erzählungen Wo sind die Anbetungssmilies? :froh:

Re: Violettas Opernkiste

Habe mich eben in der Kaffeepause durch die französischsprachige Kritik des neuesten Villazón-Auftritts in Barcelona („Manon“) gelesen. Da ich, mit meiner ehemaligen 5 in Französsich mich da jetzt mühevoll durchgebissen habe, will ich auch festhalten, was es neues an der mexikanischen Front gibt.
Leider,leider, leider offenbar nix Gutes.
Gelobt wird zunächst einmal des Sängers Spielfreude, Feuer, Schwung und Musikalität. Außerdem seine messa di voce in der „Traumerzählung“. Das bedeutet, die Fähigkeit, Töne gleichmäßig an und abschwellen zu lassen und lange, leise Töne zu halten.
Das ist gut, wenn ein Sänger sowas hinkriegt.
Scharf kritisiert wird hingegen sein unverständliches Französisch (dazu kann ich nix sagen, wie gesat: 5 in Französisch, ich verstehe ihn gut. Aber ich bin da kein Maßstab ...) sowie die Tatsache, daß er in der Höhe forciert. Man kann es auch brutaler formulieren: schreit. Das ist nicht gut, wenn ein Sänger sowas macht.
Der Satz am Ende den ich nicht ganz verstanden habe besagt glaube ich sinngemäß, daß es lange dauern wird, bis er wieder halten kann, was das Plakat verspricht. Oder so.
Ich will mich nicht in den Chor derer einreihen, die immer alles besser wissen als der Künstler selbst, dennoch klingt es für mich schwer nach „Leg den Des Grieux lieber mal zu den Akten und sing wieder mehr lyrische Rollen“ (Denn die "Traumerzählung" ist ein lyrisches Stück):
Nemorino, Rodolfo, und vor allem: Mozart. Mit dem hat sich, um es mit Eric-Emanuel Schmitt zu sagen, noch kein Sänger die Stimme versaut, und wer auf dem besten Weg dazu war, hat sich bei Mozart wieder erholt.
Und vor allem nix, wobei man "schreien" muß. Also kein Des Grieux, kein Don José und bitte, bitte im nächten Jahr kein Cavaradossi ("Tosca")
Aber Männer hören ja grundsätzlich nicht auf das, was ich ihnen sage

EDIT
Der englische Kritiker sagt dasselbe, also muß es stimmen:
Zitat:
He did sing an outstanding “Dream” with a beautiful mezza voce of high quality but his great aria in Saint Sulpice was a big disappointment. He began this with serious pitch problems and shortness of breath, which clearly made him angry with himself.Das klingt nach massiver Überanstrengung.

Re: Violettas Opernkiste

Zu P. Domingo...
Als ich mich seinerzeit an einem Dezembersonnabend-Abend, dick angezogen und trotzdem frierend, mit einigen anderen vor der Dresdner Veranstaltungshalle, in der "Wetten Das..." stattfand, einfand, um ein Autogramm von Paul McCartney zu ergattern, hatte einer der sonstigen noch Ausharrenden einen Taschenfernseher mit, auf dem wir ein wenig von der Sendung mitbekamen.
Ich meine, dass sich damals auch Placido Domingo unter der Gästeschar der Sendung einfinden sollte. Allerdings sagte Herr Gottschalk, dass er leider nicht komme, worauf zwei bis dahin Ausharrende entrüstet und enttäuscht von dannen zogen. Ich habe keine Ahnung, aber hatte den Eindruck, als wenn die beiden extra von weither gekommen waren.
Übrigens hatten die Paul Mc Cartney-Fans als einzige Erfolg. Sonstige Gäste waren dann noch u.a. Maximilian Schell, aber auch Robby Williams, weswegen auch viele Jüngere sich dort einfanden, allerdings erfolglos....

Zitat: Violetta im R.Villazon-Beitrag
...sein unverständliches Französisch (dazu kann ich nix sagen, wie gesagt: 5 in Französisch, ich verstehe ihn gut....

...und das trotz 5 in Französisch UND seinem unverständlichen Französisch...

Ich selbst kann kein Französisch...

Vincent